S. 55 / Nr. 18 Strafgesetzbuch (d)

BGE 72 IV 55

18. Urteil des Kassationshofes vom 5. Juli 1946 i.S. Staatsanwaltschaft des
Kantons Basel-Landschaft gegen Grat.

Regeste:
Art. 139
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...197
3    Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er:
a  gewerbsmässig stiehlt;
b  den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat;
c  zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder
d  sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198
4    Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB. Fälle, in denen der Räuber das Opfer mit dem Tode bedroht hat,
die Drohung aber nicht ausführbar war, sind als einfacher Raub (Art. 139 Ziff.
1) zu ahnden.
Art. 139 CP. Lorsque l'auteur du brigandage a menacé sa victime de mort, mais
n'était pas en mesure de mettre sa menace à exécution, il doit être puni pour
brigandage simple (art. 139 ch. 1).
Art. 139 CP. Se il colpevole d'una rapina ha minacciato di morte la sua
vittima ma non era in grado di porre in atto la sua minaccia, dev'essere
punito per rapina semplice (art. 139, cifra 1).


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A. ­ Der neunzehnjährige und vermindert zurechnungsfähige Graf stellte sich am
Nachmittag des 16. April 1945 in der Absicht, jemanden zu berauben, mit einem
nicht gebrauchsfähigen und ungeladenen Revolver und ohne Munition zu haben an
einem Fussweg auf. Als der siebzigjährige Spaziergänger Weber daherkam, trat
ihm Graf überraschend in den Weg, richtete den Revolver auf ihn und befahl
ihm: «Stille stehen und auspacken!» Weber erhob seinen Stock und machte Miene,
dreinzuschlagen. Dadurch konnte er sich Graf vom Leibe halten und sich
entfernen.
B. ­ Am 3. Juli 1945 verurteilte das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft
Graf wegen versuchten Raubes im Sinne des Art. 139 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...197
3    Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er:
a  gewerbsmässig stiehlt;
b  den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat;
c  zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder
d  sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198
4    Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB zu einer
bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von acht Monaten. Es legte das Gesetz
dahin aus, dass Ziffer 1 des Art. 139 dann anzuwenden sei, wenn der Täter die
Drohung mit dem Tode nicht ernst meint, aber der Bedrohte sie als ernst
gemeint empfindet, Ziffer 2 dagegen, wenn der Täter die Drohung mit dem Tode
wahr zu machen beabsichtigt, was nur der Fall sein könne, wenn die zur Drohung
benutzten Mittel sich eignen, den angedrohten Erfolg herbeizuführen.
C. ­ Der Staatsanwalt des Kantons Basel-Landschaft ficht dieses Urteil mit der
Nichtigkeitsbeschwerde an. Er beantragt, es sei aufzuheben und die Sache zur
Neubeurteilung unter Anwendung von Art. 139 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...197
3    Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er:
a  gewerbsmässig stiehlt;
b  den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat;
c  zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder
d  sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198
4    Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB an das Obergericht
zurückzuweisen.
D. ­ Graf beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Der Kassationshof zieh! in Erwägung:
1. ­ Nach Art. 139 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...197
3    Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er:
a  gewerbsmässig stiehlt;
b  den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat;
c  zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder
d  sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198
4    Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB ist des einfachen Raubes unter anderem
schuldig und mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten zu
bestrafen, wer in der Absicht, einen Diebstahl zu begehen, eine Person mit
einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben bedroht. Art. 139 Ziff. 2
dagegen will den Räuber unter anderem dann mit Zuchthaus nicht unter fünf
Jahren

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bestraft wissen, wenn er jemanden mit dem Tode bedroht. Wer jemanden mit einer
Gefahr für das Leben (d'un danger pour la vie) und wer ihn mit dem Tode (de
mort) bedroht, tut jedoch dasselbe. Seine Tat weist somit nach dem Wortlaut
des Gesetzes sowohl die Merkmale des einfachen als auch die des
ausgezeichneten Raubes auf.
Dieser Widerspruch erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte. Während nach
dem Vorentwurf von 1894, Art. 73, der einfache Raub erforderte, dass der Täter
das Opfer «schwer bedrohte», und nach dem Vorentwurf von 1908, Art. 84, dass
er es «gefährlich bedrohte», beschloss die zweite Expertenkommission zunächst,
zu sagen: «Wer .....mit einer gegenwärtigen persönlichen Gefahr bedroht»
(Protokoll 2 308 und 540). Die Redaktionskommission setzte in der Vorlage vom
März 1913 statt dessen «wer .....eine Person mit einer gegenwärtigen Gefahr
bedroht» (Protokoll 3 14). Gegen diese Fassung wurde in der zweiten Lesung der
Expertenkommission Einspruch erhoben mit der Begründung, durch Weglassung des
Wortes «persönlich» vor «Gefahr» werde der Begriff des Raubes ausserordentlich
erweitert, da jetzt auch Gefahren für das Eigentum darunter fielen. Der Redner
schlug vor, entweder wieder «persönlich» einzustellen oder zu sagen «Gefahr
für Leib und Leben». Man entschied sich für die letztere Wendung, weil die
Bedrohung eines dem Opfer nahe stehenden Dritten von der Bestimmung sonst
nicht erfasst worden wäre (Protokoll 3 58). Man übersah, dass man damit eine
Fassung wählte, die sich mit der Umschreibung des ausgezeichneten Raubes nicht
reimte, erblickten doch die Vorentwürfe schon von Anfang an in der Drohung
«mit dem Tode» einen Grand zur schärferen Bestrafung.
2. ­ Die Vorinstanz versucht, der Ziffer 1 und 2 des Art. 139 dadurch einen
vernünftigen Sinn zu geben, dass die Drohung mit dem Tode den Raub nur dann
qualifizieren soll, wenn der Täter sie wahr zu machen beabsichtigt. Allein
dieser Lösung steht entgegen, dass die

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zweite Expertenkommission einen Antrag, die Drohung mit dem Tode als
qualifizierendes Merkmal zu streichen, weil es Fälle gebe, wo sie nicht ernst
gemeint sei, ablehnte, wie sie auch den Antrag, nur die «ernsthafte» Drohung
mit dem Tode als Erschwerungsgrund anzuerkennen, verwarf (Protokoll 2 302,
307). Auch in allen anderen Fällen, in denen das Strafgesetzbuch eine Drohung
strafbar erklärt (z.B. Art. 156, 180, 181), wird nicht verlangt, dass der
Täter die Absicht hatte, sie wahr zu machen. Sie macht strafbar wegen der
Wirkung, die sie auf das Opfer hat. Zudem könnte der Täter sich der verdienten
Strafe für ausgezeichneten Raub leicht dadurch entziehen, dass er die Absicht,
den mit dem Tode Bedrohten wirklich umzubringen, bestritte. In Fällen, in
denen er es objektiv in der Hand hatte, die Drohung zu verwirklichen, wo also
das Leben des Bedrohten einzig von der Gnade des Räubers abhing, wäre das
stossend. Wenn hingegen die Drohung nicht ausführbar war, weil der Täter die
Mittel dazu nicht hatte, ist umgekehrt die Schuld verhältnismässig so gering,
dass sich das hohe Mindestmass von fünf Jahren Zuchthaus nicht rechtfertigt.
Der Täter, der dem Opfer bloss durch Täuschung, Überraschung und dergleichen
Todesangst einjagt, obschon er zum vornherein nicht in der Lage ist, es zu
töten, ist auch nicht so gefährlich wie einer, der es in der Hand hat, die
Drohung zu verwirklichen. Dass aber Art. 139 Ziff. 2 als eine nur gegen
besonders gefährliche Täter gerichtete Bestimmung aufgefasst wurde, ergibt
sich daraus, dass sie, nachdem sie in Abs. 2 und 3 Beispiele aufgezählt hat,
in Abs. 4 allgemein ausgezeichneten Raub annimmt, wenn er a au] andere Weise
die besondere Gefährlichkeit des Täters offenbart». Fälle, in denen der Räuber
das Opfer zwar mit dem Tode bedroht hat, die Drohung aber nicht ausführbar
war, sind daher nur als einfacher Raub zu ahnden.
3. ­ Der Beschwerdegegner war zum vornherein nicht in der Lage, seine Drohung
zu verwirklichen, da seine Schusswaffe nicht gebrauchsfähig und nicht geladen
war

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und er übrigens auch keine Munition boi sich hatte. Sein Raubversuch ist daher
mit Recht nach Art. 139 Ziff. 1 bestraft worden.
Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 72 IV 55
Date : 01. Januar 1946
Published : 04. Juli 1946
Source : Bundesgericht
Status : 72 IV 55
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 139 StGB. Fälle, in denen der Räuber das Opfer mit dem Tode bedroht hat, die Drohung aber...


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