S. 179 / Nr. 49 Strafgesetzbuch (d)

BGE 72 IV 179

49. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. Dezember 1946 i. S.
Graber gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt.

Regeste:
1. Art. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
StGB. Welches Recht ist anzuwenden, wenn ein fortgesetztes
Verbrechen unter altem Recht beginnt und unter neuem weiterverübt wird? (Erw.
1).
2. Art. 315
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
StGB ist auch anwendbar, wenn die gegen die Amtspflicht
verstossende Handlung des Beamten nicht Amtshandlung ist (Erw. 2).
3. Art. 71 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 71 - 1 Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist.
1    Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist.
2    Das Gericht kann von einer Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde.
3    ...117
StGB. Begriff des fortgesetzten Verbrechens (Erw. 3)
1. Art. 2 CP. Quel droit faut-il appliquer lorsqu'un délit successif commence
à être commis sous l'ancien droit et qu'il continue de l'être sous l'empire du
nouveau? (consid. 1).
2. L'art. 315 CP est aussi applicable lorsque l'acte du fonctionnaire
impliquant une violation des devoirs de sa charge n'est pas un acte rentrant
dans ses fonctions (consid. 2).
3. Art. 71 al. 3 CP. Notion du délit successif (consid. 3).
1. Art. 2 CP. Quale diritto dev'essere applicato, quando un delitto continuato
comincia sotto il vecchio diritto e prosegue sotto il nuovo diritto? (consid.
1).
2. Art. 315 CP è anche applicabile, se l'atto del funzionario contrario ai
suoi doveri d'ufficio non è un atto che entra nelle sue funzioni (consid. 2).
3. Art. 71, cp. 3 CP. Nozione del delitto continuato (consid. 3).

A. ­ Gruber war von 1920 bis 1944 Beamter der kantonalen
Brandversicherungsanstalt von Basel-Stadt. Er hatte die angemeldeten Schäden
zu besichtigen und dem Verwalter der Anstalt darüber zu berichten, so auch
über Schäden an Öfen, welche die Anstalt als Explosionsschäden behandelte.Bei
dieser Tätigkeit empfabl er den Versicherten

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für die Reparaturen und Neuanschaffungen die Hafnerei Baumgartner in Basel,
die bis 1926 von Friedrich Baumgartner, nachher von dessen Sohne Hans geführt
wurde. Dafür entschädigten ihn die beiden Geschäftsinhaber in den Jahren 1922
bis 1941 in der Weise, dass sie ihm anfänglich 10 %, später 5 % des Lohnes aus
den durch seine Empfehlungen zustande gekommenen Aufträge überwiesen. Später
bestanden die Vergütungen, die Hans Baumgartner noch bis 1943 gewährte, darin,
dass er in Häusern, die Gruber gehörten oder von diesem verwaltet wurden,
unentgeltlich Arbeiten ausführte, wobei er Gruber in den letzteren Fällen
quittierte Rechnungen ausstellte, die dieser bei den Hauseigentümern
einkassieren konnte. Gruber selber beziffert die Zuwendungen auf insgesamt Fr.
6375.96.
B. ­ Am 22. August 1946 verurteilte das Appellationsgericht von Basel-Stadt
Gruber wegen fortgesetzter passiver Bestechung (Art. 315
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
StGB) zu einer
bedingt vollziebaren Gefängnisstrafe von acht Monaten und gegenüber dem Kanton
Basel-Stadt gestützt auf Art. 59 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 59 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn:
1    Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn:
a  der Täter ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang steht; und
b  zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen.
2    Die stationäre Behandlung erfolgt in einer geeigneten psychiatrischen Einrichtung oder einer Massnahmevollzugseinrichtung.
3    Solange die Gefahr besteht, dass der Täter flieht oder weitere Straftaten begeht, wird er in einer geschlossenen Einrichtung behandelt. Er kann auch in einer Strafanstalt nach Artikel 76 Absatz 2 behandelt werden, sofern die nötige therapeutische Behandlung durch Fachpersonal gewährleistet ist.57
4    Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug beträgt in der Regel höchstens fünf Jahre. Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach fünf Jahren noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung der Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre anordnen.
StGB zur Zahlung von Fr. 6375.96 als
Wert der erhaltenen Zuwendungen. Es betrachtete die Empfehlungen, für die sich
Gruber von den Inhabern der Hafnerei Baumgartner belohnen liess, als «künftige
pflichtwidrige Amtshandlungen» im Sinne des Art. 315
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
StGB, da den Beamten
durch eine ausdrückliche Weisung der Brandversicherungsanstalt verboten
gewesen sei, bestimmte Geschäfte zu empfehlen. Eine pflichtwidrige
Amtshandlung im Sinne von Art. 315 könne nicht nur darin bestehen, dass ein
Beamter eine ihm obliegende pflichtwidrige Amtshandlung ausführe, sondern auch
darin, dass er etwas tue, zu dessen Unterlassung er amtlich verpflichtet sei.
C. ­ Gruber führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
es sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz
zurückzuweisen, eventuell sei es wenigstens insoweit aufzuheben, als es ihn
zur Zahlung von Fr. 6375.96 an den Kanton verpflichte, ganz eventuell sei die
Vorinstanz anzuweisen. die

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Zahlungspflicht auf die Hälfte dieser Summe zu ermässigen. Der
Beschwerdeführer bestreitet, dass die Empfehlung eines Geschäftes eine
pflichtwidrige Amtshandlung sei. Ferner kritisiert er die Rechtsprechung des
Kassationshofes, welche Art. 59
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 59 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn:
1    Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn:
a  der Täter ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang steht; und
b  zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen.
2    Die stationäre Behandlung erfolgt in einer geeigneten psychiatrischen Einrichtung oder einer Massnahmevollzugseinrichtung.
3    Solange die Gefahr besteht, dass der Täter flieht oder weitere Straftaten begeht, wird er in einer geschlossenen Einrichtung behandelt. Er kann auch in einer Strafanstalt nach Artikel 76 Absatz 2 behandelt werden, sofern die nötige therapeutische Behandlung durch Fachpersonal gewährleistet ist.57
4    Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug beträgt in der Regel höchstens fünf Jahre. Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach fünf Jahren noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung der Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre anordnen.
StGB auch dann anwendet, wenn die strafbare
Handlung in der Annahme der Zuwendung selbst liegt. Das Appellationsgericht
habe zudem übersehen, dass ein Teil der Zuwendungen für das Zuhalten von
Aufträgen gemacht worden seien, die mit der Tätigkeit des Beschwerdeführers
als Beamter nichts zu tun gehabt hätten.
D. ­ Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Das Appellationsgericht hat auf die vor dem 1. Januar 1942 ausgeführten
Handlungen neues Recht angewendet, weil sie ein fortgesetztes Delikt bildeten.
Die Auffassung, dass eine fortgesetzte strafbare Handlung, die zum Teil vor,
zum Teil nach dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches ausgeführt wurde,
entweder ausschliesslich dem alten oder ausschliesslich dem neuen Recht
unterstehe, ist jedoch vom Kassationshof bereits widerlegt worden (BGE 72 IV
134
). Allein nach der verbindlichen Erklärung der Vorinstanz sind im
vorliegenden Falle die Handlungen auch nach altem Recht strafbar, und dass das
neue nicht milder sei, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Unter diesen
Umständen besteht kein Anlass, die Anwendung des neuen Rechts auf alle
Tatbestände zu beanstanden.
2. ­ Nach Art. 315 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 59 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn:
1    Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn:
a  der Täter ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang steht; und
b  zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen.
2    Die stationäre Behandlung erfolgt in einer geeigneten psychiatrischen Einrichtung oder einer Massnahmevollzugseinrichtung.
3    Solange die Gefahr besteht, dass der Täter flieht oder weitere Straftaten begeht, wird er in einer geschlossenen Einrichtung behandelt. Er kann auch in einer Strafanstalt nach Artikel 76 Absatz 2 behandelt werden, sofern die nötige therapeutische Behandlung durch Fachpersonal gewährleistet ist.57
4    Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug beträgt in der Regel höchstens fünf Jahre. Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach fünf Jahren noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung der Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre anordnen.
StGB wird der Beamte bestraft, der für eine künftige
pflichtwidrige Amtshandlung ein Geschenk oder einen andern ihm nicht
gebührenden Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt.
Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, die sich auf die «Notiz»
der Brandversicherungsanstalt an die Hauseigentümer stützt und nicht
bestritten ist, war es den Beamten der Anstalt durch ausdrückliche Weisung

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untersagt, den Versicherten für die Reparaturen bestimmte Geschäfte zu
empfehlen, und diese Weisung war dem Beschwerdeführer bekannt. Er hat demnach
mit den Empfehlungen unzweifelhaft Amtspflichtverletzungen begangen.
Amtshandlungen aber lagen darin nicht; denn wie der Beschwerdeführer mit Recht
geltend macht, gehörte die Empfehlung von Geschäften nicht zu den Aufgaben der
Brandversicherangsanstalt, war ihren Beamten gegenteils ausdrücklich verboten.
Nach dem deutschen Wortlaut des Gesetzes wären die Handlungen des
Beschwerdeführers somit entgegen der Auffassung des Appellationsgerichts nicht
strafbar.
Die romanischen Texte des Art. 315 stimmen jedoch mit dem deutschen nicht
überein. Sie sprechen nicht wie dieser von «pflichtwidrigen Amtshandlungen»,
sondern sagen: «... pour faire un acte impliquant une violation des devoirs de
leur charge», beziehungsweise: «... per compiere un atto contrario ai loro
doveri d'ufficio». Nach diesen beiden Fassungen genügt es also, dass die
Handlung gegen die Amtspflicht verstösst; eine Amtshandlung braucht sie nicht
zu sein.
Dieser Sinn ist der richtige. Die französische und die italienische Fassung
des Art. 315 sind nicht etwa darauf zurückzuführen, dass der Begriff der
Amtshandlung nicht auf einfache Weise anders hätte ausgedrückt werden können.
In Art. 316 ist er mit «acte rentrant dans leurs fonctions», beziehungsweise
mit «atto del loro ufficio» wiedergegeben. Die Abweichung des Art. 315 von
Art. 316 ist nicht nur gewollt ­ auch der deutsche Text der ersteren
Bestimmung (Art. 279 E) sah noch zur Zeit der parlamentarischen Beratungen in
der passiven Bestechung von Beamten eine Handlung, «die eine Verletzung ihrer
amtlichen Pflichten enthält», und erst die Redaktionskommission setzte dafür
«pflichtwidrige Amtshandlung» ­ sondern auch sachlich begründet. Während der
Beamte nur für das, was er kraft seines Amtes zu tun hat, also für
Amtshandlungen, keine Geschenke annehmen soll, wogegen

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ihm die Annahme von Zuwendungen für Handlungen privaten Charakters, die seiner
Amtspflicht nicht widersprechen, nicht verboten sind (Art. 316), ist nach
allgemeiner Auffassung die Annahme einer Belohnung für eine gegen die
amtlichen Pflichten verstossende Handlung auch dann strafwürdig, wenn sie
keine eigentliche Amtshandlung ist. Liegt keine solche vor und wiegt die Tat
insofern weniger schwer, so gibt Art. 315 dem Richter genügend Raum, die
Strafe entsprechend milde zu bemessen.
Für die Auslegung des Art. 315
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
im Sinne der romanischen Texte spricht auch
Art. 288
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 288
StGB. Diese Norm über die aktive Bestechung setzt nach allen drei
Texten nur voraus, dass die Zuwendung erfolge, um den Beamten zur Verletzung
einer Amts- oder Dienstpflicht zu veranlassen. Dass die vom Bestecher
angestrebte Pflichtverletzung durch eine Amtshandlung erfolgen solle, wird
nicht verlangt. Umsoweniger kann die Strafbarkeit des Bestochenen von diesem
Merkmal abhängen, handelt er doch schuldhafter als der Bestecher.
Der Beschwerdeführer wendet ein, die Anwendung des Art. 315 auf andere
(pflichtwidrige) Handlungen als Amtshandlungen würde zu unhaltbaren
Ergebnissen führen. So verbiete das baselstädtische Beamtengesetz den Beamten
und Angestellten, einen Nebenberuf auszuüben, Arbeiten für Private auszuführen
oder sich an Geschäften zu beteiligen, wenn dadurch ihre Leistungsfähigkeit
für das Amt geschädigt werde; daher würde sich ein Beamter der Bestechung
schuldig machen, wenn er ausserhalb seines Amtes derartige Arbeiten ausführte
und sich dafür zum vorneherein entschädigen liesse. Das ist wahrscheinlich
schon deswegen unrichtig, weil nur entgeltliche Nebenbeschäftigung verboten
sein dürfte, die Arbeiten an sich also nicht unerlaubt sind; demgemäss wäre
die Vergütung der Arbeiten nicht ein Geschenk für eine amtspflichtwidrige
Handlung im Sinne von Art. 315. Zudem kommen nach Art. 315 natürlich nur
Handlungen in Betracht, die, wenn sie auch nicht Amtshandlungen sind, doch mit
der

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amtlichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen. Es muss sich um ein
pflichtwidriges Ausnützen der amtlichen Stellung handeln. Das ist namentlich
der Fall bei Handlungen, zu denen der Beamte durch seine amtliche Tätigkeit
Gelegenheit erhält. Fehlt der erwähnte Zusammenhang, liegen die verbotenen
Handlungen ganz ausserhalb nicht nur des rechtlichen, sondern auch des
tatsächlichen Bereiches der amtlichen Funktionen, wie z. B. eine
Nebenbeschäftigung, die mit der Amtstätigkeit gar nichts zu tun hat, so kann
Art. 315 ebensowenig wie Art. 288 angewendet werden. Denn Bestechung ist
Erkaufen einer Handlung, die einen Missbrauch der amtlichen Stellung bedeutet.
In diesem weiteren Sinne erhält der Ausdruck Amtshandlung im deutschen Text
des Art. 315 eine gewisse Berechtigung.
Die pflichtwidrigen Handlungen, für die sich der Beschwerdeführer hat bezahlen
lassen, stehen, obwohl ein Grenzfall vorliegt, mit seiner amtlichen Tätigkeit
in genügendem Zusammenhang, um die Anwendung des Art. 315 zu rechtfertigen.
Der Beschwerdeführer hat in seinem Amte mit den Brandfällen zu tun gehabt und
hat seine Stellung während zwei Jahrzehnten ausgenützt, um die
Reparaturaufträge entgegen einem ausdrücklichen Verbote einem bestimmten
Geschäfte zuzuhalten und sich dafür mehrere tausend Franken als Provision
vergüten zu lassen, wobei noch zu beachten ist, dass die Aufträge letzten
Endes auf Rechnung der Brandversicherungsanstalt selber gingen.
3. ­ Das Appellationsgericht sieht in den Handlungen des Beschwerdeführers ein
fortgesetztes Verbrechen und hat sie deshalb bis auf 1922 zurück dem Urteil zu
Grunde gelegt. Wenn man sie als fortgesetztes Verbrechen würdigt, ist in der
Tat keine von ihnen verjährt, weil gemäss Art. 71 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 71 - 1 Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist.
1    Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist.
2    Das Gericht kann von einer Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde.
3    ...117
StGB die zehnjährige
Verjährungsfrist erst mit der letzten Tätigkeit, also im Jahre 1943 zu laufen
begonnen hat.
Ein fortgesetztes Delikt liegt nach der Rechtsprechung des Kassationshofes
dann vor, wenn gleichartige oder

Seite: 185
ähnliche Handlungen, die gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet sind, auf ein
und denselben Willensentschluss zurückgehen (BGE 56 I 78, 315; 68 IV 99).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Nicht nur hat der Beschwerdeführer
den Versicherten immer dasselbe Geschäft empfohlen, sondern er hat vom
Geschäftsinhaber auch von Anfang an eine feste Provision bezogen, die zunächst
10 %, später 5 % der Rechnungssumme betrug. Darüber, ob der Beschwerdeführer
die Provisionen seinerzeit von Vater Baumgartner gefordert hatte, konnte der
Sohn Baumgartner nicht Auskunft geben, jedenfalls bestand aber schon damals
mindestens eine stillschweigende Vereinbarung, die dann vom Sohne im Jahre
1926 ausdrücklich erneuert wurde. Damit steht der einheitliche
Willensentschluss fest. Dass dann im Jahre 1941 an Stelle der Provisionen
Arbeiten und Lieferungen traten, ändert daran nichts.
4 ­ ...
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 72 IV 179
Date : 01. Januar 1946
Published : 13. Dezember 1946
Source : Bundesgericht
Status : 72 IV 179
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : 1. Art. 2 StGB. Welches Recht ist anzuwenden, wenn ein fortgesetztes Verbrechen unter altem Recht...


Legislation register
StGB: 2  59  71  288  315
BGE-register
56-I-75 • 68-IV-97 • 72-IV-132 • 72-IV-179
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
court of cassation • basel-stadt • lower instance • official function • directive • hamlet • penal code • criminal act • outside • reward • ongoing delict • correctness • position • wage • professional duty • endowment • acceptance of proposal • authorization • end • owner
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