S. 139 / Nr. 40 Strafgesetzbuch (d)

BGE 72 IV 139

40. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. September 194G i.S.
Dressler gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.

Regeste:
1. Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...330
StGB. Eine schriftliehe Lüge ist Falschbeurkundung
nur dann, wenn die Schrift dazu bestimmt oder geeignet ist, gerade die
erlogene Tatsache zu beweisen.
2. Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 304 - 1. Wer bei einer Behörde wider besseres Wissen anzeigt, es sei eine strafbare Handlung begangen worden,
1    Wer bei einer Behörde wider besseres Wissen anzeigt, es sei eine strafbare Handlung begangen worden,
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StGB trifft nicht zu, wenn jemand einer Behörde
über eine wirklich begangene strafbare Handlung oder über eine solche, die er
für begangen hält, bewusst falsche Angaben macht.
1. Art. 251 ch. 1 al. 2 CP. Un mensonge consigné par écrit n'est une fausse
constatation dans un titre que si l'écrit est destiné ou propre à prouver
précisément le fait mensonger.
2. L'art. 301 ch. 1 al. 1 CP ne s'applique pas lorsqu'une personne fournit à
une autorité des indications qu'il sait fausses sur une infraction réellement
commise ou sur une infraction qu'il croit avoir été commise.
1. Art. 251, cifra 1, cp. 2 CP. Una menzogna consegnata in uno scritto è una
falsa costatazione in un titolo soltanto se lo scritto è destinato od è idoneo
a provare precisamente il fatto menzognero.
2. Art. 301, cifra 1, cp. 1 CP non è applicabile a chi fornisce ad un'autorità
delle indicazioni, che sa essere false, su un reato realmente commesso o su un
reato che crede sia stato commesso.

Im April 1943 gab Meier dem Fahrradhändler Dressler an, sein, Meiers, Fahrrad,
das er bei der Velo-Wache A.G. gegen Diebstahl versichert und im Sommer 1942
weiter verkauft hatte, sei ihm im Sommer 1942 gestohlen worden. Dressler
fragte ihn, ob er dem Versicherer den Diebstahl gemeldet habe. Als Meier dies
verneinte, riet ihm Dressler, die Schadensmeldung nachzuholen und Ende April
1943 als Zeitpunkt des Diebstahls anzugeben. Meier zeigte daher am 29. April
1943 der Polizei von Baden und ­ auf

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einem Formular «Velodiebstahls-Anzeige» ­ der Velo-Wache A.G. an, dass ihm am
28. April 1943 das erwähnte Fahrrad entwendet worden sei. Die Velo-Wache A.G.
liess sich täuschen und entschädigte Meier.
Das Obergericht des Kantons Aargau würdigte die Tat Dresslers als Anstiftung
zum Betrug, zur Falschbeurkundung und zur Irreführung der Rechtspflege und
bestrafte den Angeklagten. Der Kassationshof des Bundesgerichts hiess die
Nichtigkeitsbeschwerde Dresslers insoweit gut, als sie auf Freisprechung von
der Anklage der Anstiftung zur Falschbeurkundung und zur Irreführung der
Rechtspflege abzielte.
Aus den Erwägungen:
1. ­ ......
2. ­ Die kantonalen Instanzen erblicken die Falschbeurkundung, zu welcher der
Beschwerdeführer angestiftet haben soll, darin, dass Meier in der
schriftlichen Schadensmeldung an die Velo-Wache A.G. den Zeitpunkt des
behaupteten Diebstahls unrichtig angab. Wie indes das Bundesgericht im Urteil
i. S. Kupper vom 16. April 1946 (BGE 72 IV) ausgeführt hat, ist nicht jede
schriftliche Lüge auch eine Falschbeurkundung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1
Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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StGB. Sie ist es nur dann, wenn die Schrift dazu bestimmt oder geeignet
ist, gerade die erlogene Tatsache zu beweisen. Diese Eignung fehlt im
vorliegenden Falle, wo die Angabe in der Schadensmeldung, der behauptete
Diebstahl sei Ende April 1943 vorgekommen, lediglich den Sinn einer gegenüber
dem Versicherer aufgestellten Behauptung hatte und zum vornherein nicht
bestimmt oder geeignet war, deren Richtigkeit zu beweisen. Urkunde ist die
Schadensmeldung nur insofern, als sie die Erklärungen, welche Meier gegenüber
dem Versicherer abgegeben hat, ein für allemal festhält, also Beweis schafft
dafür, dass und mit welcher Begründung Meier am 29. April 1943 den behaupteten
Schadensfall angemeldet hat, nicht auch insofern, als sie für die Wahrheit
seiner Erklärungen

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Beweis bilden würde. Durch die Aufforderung an Meier, in der Schadensmeldung
den Zeitpunkt des Diebstahls falsch anzugeben, hat sich der Beschwerdeführer
daher nicht der Anstiftung zu Falschbeurkundung schuldig gemacht; das
Obergericht hat ihn in diesem Punkte freizusprechen.
3. ­ Die Verurteilung wegen Anstiftung zu Irreführung der Rechtspflege (Art.
304
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 304 - 1. Wer bei einer Behörde wider besseres Wissen anzeigt, es sei eine strafbare Handlung begangen worden,
1    Wer bei einer Behörde wider besseres Wissen anzeigt, es sei eine strafbare Handlung begangen worden,
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StGB) erweist sich schon deshalb als unbegründet, weil der
Beschwerdeführer mit Meier über die Anzeige an die Polizei nicht gesprochen,
ihn vielmehr bloss zur Meldung an den Versicherer aufgefordert hat. Das
Obergericht leitet die Schuld des Beschwerdeführers daraus ab, dass er gewusst
habe, dass ohne unverzügliche Anzeige des Diebstahls an die Polizei der
Versicherungsanspruch verloren gehe; er habe also durch die Aufforderung an
Meier, dem Versicherer das Datum des Diebstahls falsch zu melden, die
Irreführung der Polizei in Kauf genommen. Allein damit ist nicht festgestellt,
dass der Beschwerdeführer tatsächlich daran gedacht hat, seine Aufforderung
werde Meier auch zu einer falschen Anzeige an die Polizei veranlassen, und
dass er ihn auch zu dieser Anzeige hat bestimmen wollen. Der Beschwerdeführer
ist daher mangels Vorsatzes freizusprechen.
Übrigens könnte er wegen Anstiftung zu Irreführung der Rechtspflege selbst
dann nicht verurteilt werden, wenn er Meier bewusst und gewollt dazu bestimmt
hätte, in einer Anzeige an die Polizei den Tag des vermeintlichen Diebstahls
falsch anzugeben. Das Vergehen der Irreführung der Rechtspflege besteht darin,
dass jemand bei einer Behörde wider besseres Wissen anzeigt, es sei eine
strafbare Handlung begangen worden (Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 304 - 1. Wer bei einer Behörde wider besseres Wissen anzeigt, es sei eine strafbare Handlung begangen worden,
1    Wer bei einer Behörde wider besseres Wissen anzeigt, es sei eine strafbare Handlung begangen worden,
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StGB). Wer einer
Behörde über eine wirklich begangene strafbare Handlung oder über eine solche,
die er für begangen hält, bewusst falsche Angaben macht, indem er z. B. den
Zeitpunkt oder andere Umstände der Tat falsch schildert, macht sich des
erwähnten Vergehens nicht schuldig. Der Beschwerdeführer aber hat geglaubt,
das

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Fahrrad sei Meier wirklich gestohlen worden. Folglich konnte er ihn nicht
anstiften wollen, eine nicht begangene strafbare Handlung anzuzeigen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 IV 139
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 12. September 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 IV 139
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : 1. Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Eine schriftliehe Lüge ist Falschbeurkundung nur dann, wenn die...


Gesetzesregister
StGB: 251 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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304
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 304 - 1. Wer bei einer Behörde wider besseres Wissen anzeigt, es sei eine strafbare Handlung begangen worden,
1    Wer bei einer Behörde wider besseres Wissen anzeigt, es sei eine strafbare Handlung begangen worden,
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BGE Register
72-IV-139
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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