BGE 72 IV 110
34. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Oktober 1946 i. S.
Steurer gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau.
Regeste:
1. Bedeutung der Anerkennung der Anklage durch den Angeklagten (Erw. 1).
2. Art. 137 Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen, |
von Raub oder Diebstahl nicht der einzige oder ursprüngliche Zweck der Bande
ist (Erw. 2).
3. Strafzumessung, wenn die Tat sowohl unter Art. 137 Ziff. 2 Abs. 2 als auch
unter Art. 137 Ziff. 2 Abs. 4 StGLB fällt (Erw. 31.
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1. Portée du fait que l'accusé se soumet à l'acausation (consid. 1).
2. L'art. 137 ch. 2 al. 2 CP s'applique aussi lorsque la commission de vols ou
de brigandages n'est pas le but unique ou originaire de la bande (consid. 2).
3. Mesure de la peine lorsque l'infraction tombe à la fois sous le coup de
l'art. 137 ch. 2 al. 2 et sous celui de l'art. 137 ch. 2 al. 4 CP (consid. 3).
1. Portata del riconoscimento dell'accusa da parte dell'accusato (consid. 1).
2. L'art. 137, cifra 2, cp. 2 CP si applica anche quando lo scopo unico od
originario della banda non è quello di commettere furti o rapine (consid. 2).
3. Commisurazione della pena nel caso in cui il reato è punito tanto dall'art.
137, cifra 2, cp. 2 CP, quanto dall'art. 137, cifra 2, cp. 4, CP (consid. 3).
Aus den Erwägungen:
1. Die Staatsanwaltschaft macht geltend, der Beschwerdeführer habe die
Anklage und damit auch das Merkmal der Bandenmässigkeit des Diebstahls
anerkannt und sei deswegen statt vom Geschworenengericht von der
Kriminalkammer beurteilt worden. Ein Rückzug des erwähnten Geständnisses sei
in diesem Verfahren nicht mehr möglich. Auch sei die Frage der tätigen Reue
nicht mehr zu beurteilen, weil dieser Strafmilderungsgrund in der
Anklageschrift nicht vermerkt worden sei und daher von der Kriminalkammer
nicht habe beurteilt werden dürfen. Wenn der Beschwerdeführer tätige Reue
hätte geltend machen wollen, hätte er die Anklage in diesem Punkte bestreiten
müssen, worauf er dem Geschworenengericht überwiesen worden wäre.
Soweit mit diesen Ausführungen das Recht des Kassationshofes zur freien
rechtlichen Würdigung der festgestellten Tatsachen bestritten werden will,
weil nach kantonalem Prozessrecht das Geschworenengericht hätte urteilen
müssen, wenn der Beschwerdeführer sich der Rechtsauffassung des Anklägers im
kantonalen Verfahren nicht unterzogen hätte, sind sie unbegründet. Für den
Kassationshof verbindlich können als Ergebnis des kantonalen Verfahrens, sei
es gestützt auf ein Geständnis, sei es gestützt auf andere Beweismittel, nur
Tatsachen
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festgestellt werden. Deren rechtliche Würdigung steht dem Kassationshof selbst
dann unbeschränkt zu, wenn der Angeklagte vor den kantonalen Behörden die
Rechtsauffassung des Anklägers als richtig anerkannt hat und diese Anerkennung
für die Zuständigkeit des Gerichts von Bedeutung gewesen ist. Auch versteht es
sich, dass die Anerkennung der Rechtsauffassung des Angeklägers durch den
Angeklagten das kantonale Gericht, sei es die Kriminalkammer, sei es das
Geschworenengericht, nicht von der Pflicht entbindet, die Tatsachen rechtlich
frei zu würdigen, insbesondere auch zu entscheiden, ob sie einen Grund zur
Milderung der Strafe enthalten. Das verlangt das eidgenössische Strafrecht,
das so anzuwenden ist, wie das Gesetz es vorschreibt, nicht wie Ankläger und
Angeklagter es übereinstimmend haben wollen. Vom Standpunkt des Bundesrechts
aus kann die Unterziehung unter die Anklage daher nur heissen, dass der
Angeklagte die in der Anklage behaupteten Tatsachen anerkenne, nicht auch,
dass er sich einer bestimmten rechtlichen Würdigung verbindlich füge (vgl. BGE
70 IV 51).
2. Art. 137 Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen, |
«wenn er den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur
fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat». Der
Beschwerdeführer hält diese Bestimmung nur für anwendbar, wenn die
fortgesetzte Verübung von Raub oder Diebstahl der Zweck ist, zu dem sich die
Beteiligten zusammengefunden haben, nicht auch dann, wenn Leute zu einem
anderen Zwecke zusammenkommen und diesen Anlass nebenbei benutzen,
fortgesetzten Raub oder Diebstahl zu vereinbaren.
Diese Unterscheidung ist nicht begründet. Bandenmässige Begehung zeichnet den
Diebstahl aus, weil sie eine besondere Gefährlichkeit des Täters offenbart.
Das ergibt sich aus dem vierten Absatz von Art. 137 Ziff. 2, der im Anschluss
an die im zweiten und dritten Absatz aufgezählten Beispiele ausgezeichneten
Diebstahl allgemein
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dann annimmt, wenn er «auf andere Weise die besondere Gefährlichkeit des
Täters offenbart». Ob aber ein Täter sich nur gerade zum Zwecke des Raubes
oder Diebstahls mit anderen zusammenfindet oder ob er es zu einem anderen
Zwecke tut und erst nachträglich auf den Gedanken kommt, die Vereinigung tauge
auch zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl, ist für die Frage
seiner Gefährlichkeit belanglos. Besonders gefährlich ist der als Mitglied
einer Bande stehlende Dieb, weil der Zusammenschluss ihn stark macht und die
fortgesetzte Verübung weiterer solcher Verbrechen voraussehen lässt. Unter
diesem Gesichtspunkt ist es nebensächlich, ob die Bande auch noch andere Ziele
verfolgt, mögen es auch ursprünglich die einzigen gewesen sein.
Daher kommt im vorliegenden Falle nichts darauf an, ob sich der
Beschwerdeführer und die drei andern Täter bloss zur gemeinsamen Verbringung
der Freizeit, zum Besuch von Tanzanlässen und dergleichen zusammengeschlossen
haben. Indem sie übereinkamen, zwei Diebstähle und einen Raub auszuführen,
gründeten sie eine zur fortgesetzten Verübung solcher Verbrechen bestimmte
Bande. Als deren Mitglied hat der Beschwerdeführer am ersten der drei
vereinbarten Verbrechen, am Einbruch bei Boffini, teilgenommen. Die
Voraussetzungen von Art. 137 Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen, |
3. Wenn Bandenmässigkeit den Diebstahl auszeichnet, ist es müssig, darnach
zu fragen, ob ausserdem ein Qualifikationsgrund im Sinne von Art. 137 Ziff. 2
Abs. 4 vorliege, denn doppelt ausgezeichnet in dem Sinne, dass der aus dem
einen Grunde verschärfte Strafrahmen aus einem andern Grunde noch weiter
verschärft würde, kann der Diebstahl nicht sein. Das nimmt aber auch die
Vorinstanz nicht an. Sie geht von einer angedrohten Mindeststrafe von drei
Monaten Gefängnis aus und betrachtet das, was sie als Anzeichen einer
besonderen Gefährlichkeit des Beschwerdeführers würdigt, lediglich als Grund,
die Strafe innerhalb des durch Art. 137 Ziff. 2 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen, |
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angedrohten Rahmens zu erhöhen. Damit befolgt sie Art. 63
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |
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1 | Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |
a | der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht; und |
b | zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen. |
2 | Das Gericht kann den Vollzug einer zugleich ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe, einer durch Widerruf vollziehbar erklärten Freiheitsstrafe sowie einer durch Rückversetzung vollziehbar gewordenen Reststrafe zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Es kann für die Dauer der Behandlung Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen. |
3 | Die zuständige Behörde kann verfügen, dass der Täter vorübergehend stationär behandelt wird, wenn dies zur Einleitung der ambulanten Behandlung geboten ist. Die stationäre Behandlung darf insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern. |
4 | Die ambulante Behandlung darf in der Regel nicht länger als fünf Jahre dauern. Erscheint bei Erreichen der Höchstdauer eine Fortführung der ambulanten Behandlung notwendig, um der Gefahr weiterer mit einer psychischen Störung in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen zu begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Behandlung um jeweils ein bis fünf Jahre verlängern. |
verlangt, dass die Strafe nach dem Verschulden des Täters zugemessen werde.
Dass die Mitnahme eines Brecheisens, worin die Vorinstanz die besondere
Gefährlichkeit erblickt, die Schuld erhöht, lässt sich nicht bestreiten. Der
Beschwerdeführer macht geltend, er habe dieses Werkzeug nicht als Waffe,
sondern nur zum Aufbrechen eines Fensters und eines Pultes mitgenommen. Allein
wenn die Kriminalkammer im Brecheisen «eine gegebenenfalls ernsthafte Waffe»
erblickt, will sie damit zugleich feststellen, dass der Beschwerdeführer, wenn
nötig, das Eisen tatsächlich als Waffe gebraucht hätte. An die Feststellung
dieser Absicht ist der Kassationshof gebunden. Die Mitnahme des Brecheisens
wäre zudem selbst dann Anzeichen einer besonderen Gefährlichkeit, wenn der
Beschwerdeführer es nur als Werkzeug zum Einbrechen hätte gebrauchen wollen.
Nicht richtig ist dagegen, dass die Kriminalkammer auch noch des
Beschwerdeführers «ganze Mitwirkung in dieser Gesellschaft» als einen die Tat
nach Art. 137 Ziff. 2 Abs. 4 auszeichnenden Umstand betrachtet. Die Begehung
als Mitglied einer Bande wird schon dadurch abgegolten, dass nach Art. 137
Ziff. 2 Abs. 2 der höhere Strafrahmen zur Anwendung kommt, und soll daher
nicht ausserdem als Straferhöhungsgrund ins Gewicht fallen. Allein aus den
Erwägungen über die Strafzumessung ergibt sich nicht, dass die erwähnte
Fehlüberlegung die Höhe der ausgefällten Strafe tatsächlich beeinflusst habe.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.