S. 113 / Nr. 28 Schuldbetreibungs-und Konkursrecht (d)

BGE 72 III 113

28. Entscheid vom 5. November 1946 i. S. Wwe Kocherhans.


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Regeste:
Ausgeschlagene Verlassenschaft, Einstellung des Konkurses mangels Aktiven:
Gegenstand der Zuweisung nach Art. 133 Abs. 1 VZG sind:
­nur Aktiven, die bei der Einstellung des Konkurses bekannt waren;
­nicht Forderungen, ausser solchen, die in Wertpapieren verkörpert sind.
Succesion répudiée. Suspension de la faillite faute d'actif.
La mesure prévue par l'art. 133 al. 1 ORI n'est applicable qu'aux biens qui
étaient connus au moment de la suspension de la faillite. Elle n'est pas
applicable aux créances, sauf à celles qui sont incorporées dans un titre.
Successione ripudiata. Sospensione del fallimento per mancanza d'attivi.
La misura prevista dall'art. 133 cp. 1 RRF è applicabile soltanto ai beni
conosciuti all'atto della sospensione del fallimento. Essa non è applicabile
ai crediti, salvo se incorporati in un titolo.

A. ­ Über den Nachlass des Heinrich Kocherhans wurde im Jahre 1940 die
konkursamtliche Liquidation eröffnet, dann aber mangels Aktiven eingestellt
und mangels Kostenvorschusses geschlossen Sechs Jahre später meldete die Witwe
dem Konkursamt ein neu entdecktes Aktivum des Verstorbenen, nämlich eine

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Verlustscheinsforderung von Fr. 227.90, mit dem Ersuchen, diese Forderung sei
ihr abzutreten.
B.­Über die Ablehnung dieses Begehrens durch das Konkursamt beschwerte sich
die Gesuchstellerin bei der untern Aufsichtsbehörde erfolglos. Die obere
Aufsichtsbehörde wies dagegen am 24. September 1946 das Konkursamt in analoger
Anwendung von Art. 133 VZG an, die erwähnte Forderung an die Gesuchstellerin
abzutreten, sofern diese die ungedeckten Kosten des seinerzeit eröffneten und
eingestellten Konkurses übernehme.
C. ­ Mit dem vorliegenden Rekurse beantragt die Gesuchstellerin, sie sei von
der Kostenübernahme zu befreien.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Art. 133 Abs. 1 VZG knüpft die Übertragung von Erbschaftsaktiven an die
Voraussetzung der Kostenübernahme. Der Rekurs ist also nicht begründet.
Ausserdem aber erweist sich die Zuweisung der Forderung an die Gesuchstellerin
als unzulässig und nichtig, weshalb die Entscheidung der Vorinstanz von Amtes
wegen aufzuheben ist. Art. 133 Abs. 1 VZG kann entgegen deren Ansicht nicht
zur Anwendung kommen, aus zwei Gründen:
Einmal können Gegenstand derartiger Zuweisung nur solche Aktiven bilden, die
bei der Einstellung des Konkurses bekannt waren. Denn die Einstellung stützte
sich eben auf den damals verzeichneten Aktivenbestand. Werden nachträglich
neue Aktiven entdeckt, so können sich die Wirkungen der Einstellung und
Schliessung des Konkurses nicht auf sie erstrecken. Vielmehr frägt sich, ob
solchenfalls der Konkurs wieder zu eröffnen sei. Darüber zu entscheiden, steht
dem Konkursrichter zu. Kommt es alsdann zur Durchführung des Konkurses, so
gelangen die neu entdeckten Vermögensstücke zur Verwertung nebst den andern,
soweit diese noch vorhanden und nicht

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etwa rechtmässig von jemandem erworben worden sind, sei es gemäss Art. 133
VZG, sei es nach Zivilrecht als mit der Schliessung des Konkurses herrenlos
gewordene Sachen. Nur wenn der allenfalls wieder eröffnete Konkurs auch
seinerseits mangels genügender Aktiven eingestellt und geschlossen wird, steht
die Anwendung von Art. 133 Abs. 1 VZG auf die betreffenden Aktiven offen.
Indessen ist diese Vorschrift keinesfalls anwendbar auf andere als reale
Vermögensstücke wie Sachen, Wertpapiere sowie etwa noch Patente und
dergleichen Rechte. Ausdrücklich erwähnt die Vorschrift überhaupt nur die zum
Nachlass gehörenden Grundstücke. Der im entsprechenden Art. 137 des Entwurfes
der Verordnung enthaltene Zusatz « sowie allfällige weitere Aktiven » fehlt.
Das mag zwar einfach darauf zurückgeführt werden, dass sich die Verordnung
eigentlich nur mit der Verwertung von Grundstücken befasst. Eine ausdehnende
Anwendung auf anderes Vermögen ist daher nicht ohne weiteres ausgeschlossen,
sofern der Grund der Vorschrift auch auf solches zutrifft. Nun will die
Vorschrift aber einfach soviel wie möglich Herrenlosigkeit verhüten, und dies
kann bei realen Vermögenswerten eine Rolle spielen, nicht dagegen bei
gewöhnlichen Forderungen, gleichgültig ob dafür ein Verlustschein besteht. Ein
Grund dafür, solche nicht in Wertpapieren verkörperte Forderungen irgendeinem
Erben oder einem Gläubiger oder sogar einem Dritten im Sinne von Art. 133 VZG
zuzuweisen, ist nicht ersichtlich. Es lässt sich ebensogut rechtfertigen, sie
erlöschen zu lassen wie irgendjemand zum Gläubiger zu machen. Höchstens können
solche Forderungen, zumal in Verbindung mit einem Grundstück, nach Art. 133
Abs. 2 VZG an den Staat fallen.
Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:
1.­Der Rekurs wird abgewiesen.
2. ­ Der angefochtene Entscheid wird von Amtes wegen aufgehoben.
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 72 III 113
Date : 01 janvier 1946
Publié : 05 novembre 1946
Source : Tribunal fédéral
Statut : 72 III 113
Domaine : ATF - Droit des poursuites et de la faillite
Objet : Ausgeschlagene Verlassenschaft, Einstellung des Konkurses mangels Aktiven:Gegenstand der Zuweisung...


Répertoire des lois
ORFI: 133
Répertoire ATF
72-III-113
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
office des faillites • papier-valeur • d'office • succession • illicéité • suspension de la faillite faute d'actifs • nullité • autorité inférieure de surveillance • veuve • héritier • acte de défaut de biens • volonté • avance de frais • droit des poursuites et faillites • pré • abeille • autorité inférieure • autorité supérieure de surveillance