S. 52 / Nr. 10 Stiftungsaufsicht (d)

BGE 72 I 52

10. Urteil vom 15. März 1946 i. S. Regierungsrat des Kantons Bern gegen eidg.
Departement des Innern.


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Regeste:
Stiftungsaufsicht. Art. 84
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 84 - 1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1    Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1bis    Die Kantone können die ihren Gemeinden angehörenden Stiftungen der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellen.112
2    Die Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird.
3    Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, können gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.113
ZGB, Art. 99 n
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 84 - 1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1    Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1bis    Die Kantone können die ihren Gemeinden angehörenden Stiftungen der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellen.112
2    Die Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird.
3    Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, können gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.113
OG.
1. Legitimation des Regierungsrates oder Kantons zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Bundesbehörde über die
Zugehörigkeit einer Stiftung zum Gemeinwesen.
2. Zugehörigkeit der Fürsorgestiftung eines schweizerischen Berufsverbandes.
Surveillance des fondations. Art. 84 CC, art. 99 IV OJ.
1. Qualité du Conseil d'Etat ou du canton pour agir par la voie du recours de
droit administratif contre la décision de l'autorité fédérale désignant la
corporation publique dont dépend une fondation.
2. De quelles autorités relève la fondation de secours d'une association
professionnelle suisse?
Vigilanza sulle fondazioni. Art. 84 CC, art. 99 IV OGF.
1. Qualità del Consiglio di Stato o del Cantone per impugnare mediante un
ricorso di diritto amministrativo la decisione dell'autorità federale che
designa la corporazione pubblica, da cui dipende una fondazione.
2. A quali autorità di vigilanza è sottoposta la fondazione di soccorso
d'un'associazione professionale svizzera?

A. ­ Am 23. November 1944 gründete der Schweizerische Buchhandlungs-Gehilfen-
und Angestellten-Verein, mit Sitz in Olten, die Stiftung «Vereinigte
Unterstützungskassen des Schweizerischen Buchhandlungs-Gehilfen- und
Angestellten-Vereins,». Als ihr Sitz wurde Bern bezeichnet. Sie übernahm die
Kranken-, die Unterstützungs- und die Sterbekasse, welche bisher vom Stifter
betrieben worden waren. Destinatäre sind die in der ganzen Schweiz verstreut
wohnenden Vereinsmitglieder und ihre Angehörigen, ferner in der Schweiz
lebende oder durchreisende Berufsgenossen. Der Handelsregisterführer von Bern
suchte abzuklären,
welche Behörde nach Art. 84
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 84 - 1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1    Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1bis    Die Kantone können die ihren Gemeinden angehörenden Stiftungen der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellen.112
2    Die Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird.
3    Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, können gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.113
ZGB zur Aufsicht über die

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Stiftung zuständig sei. Der Gemeinderat der Stadt Bern lehnte die Übernahme
ab, ebenso das eidg. Departement des Innern. Der Handelsregisterführer
überwies darauf die Akten- dem Regierungsrat des Kantons Bern, dessen
Justizdepartement das eidg. Departement des Innern nochmals ersuchte, die
Aufsicht zu übernehmen.
Nach neuer Prüfung der Frage hielt die Bundesbehörde mit Entscheid vom 10.
Dezember 1945 an ihrer Auffassung fest. Der Begründung ist zu entnehmen:
Massgebend für die aufsichtsrechtliche Zugehörigkeit einer Stiftung sei nach
ständiger Praxis der Bundesbehörden in erster Linie die Natur des
Stiftungszweckes (Kreisschreiben des eidg. Departements des Innern an die
Kantonsregierungen vom 17. März 1921, BBl 1921 II 309). Die soziale Fürsorge,
welcher die in Frage stehende Stiftung diene, stehe primär den kantonalen und
kommunalen Gemeinwesen zu. Bei Personalfürsorgestiftungen habe diese Erwägung
besonderes Gewicht. Zudem seien die Kantone oder Gemeinden in solchen Fällen
besser als der Bund in der Lage, eine Stiftung zu beaufsichtigen, da sie sich
am ehesten Kenntnis von der Art und Weise der Verwaltung verschaffen könnten
und über die geeigneteren Einrichtungen verfügten. Die Aufsicht sollte daher
von einer Behörde des Sitzkantons ausgeübt werden.
B. ­ Gegen diesen Entscheid erhebt der Regierungsrat des Kantons Bern
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, das eidg. Departement des Innern
zur Übernahme der Aufsicht zu verhalten. Zur Begründung wird vorgebracht: Der
Hinweis auf die Praxis bei Personalfürsorgestiftungen gehe fehl.
Fürsorgestiftungen von Unternehmungen ständen durch das Unternehmen selber in
enger Verbindung mit einer Gemeinde. Die bernische Praxis unterstelle sie
deshalb der Aufsicht der Gemeindebehörde am (Haupt-) Sitz der Unternehmung.
Die Aufsicht über Fürsorgestiftungen kantonal-bernischer Verbände habe aber
immer der Regierungsrat übernommen, da es sich um eine kantonale Angelegenheit
handle.

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Entsprechend habe bei schweizerischen Verbänden der Bundesrat die Aufsicht zu
führen. Auf keinen Fall komme der Regierungsrat des Kantons des Sitzes der
Stiftung in Betracht, sondern höchstens eine Gemeindebehörde. Es wäre aber
merkwürdig, wenn Stiftungen schweizerischer Verbände von einer
Gemeindebehörde, solche kantonaler Verbände dagegen von Regierungsrat
beaufsichtigt würden. Eventuell käme eher die Gemeinde am Verbandssitz in
Frage, da dieser erfahrungsgemäss weniger oft als der Stiftungssitz gewechselt
werde. Hier sei z. B. Bern nur deshalb als - jederzeit veränderlicher - Sitz
der Stiftung gewählt worden, weil der gegenwärtige Verbandspräsident gerade
dort wohne.
C. ­ Das eidg. Departement des Innern führt in seiner Vernehmlassung aus: Es
untersuche bei der Prüfung der Zugehörigkeit einer Stiftung stets zuerst, a
welchem Gemeinwesen die Funktion zukommt, die von der Stiftung betätigt wird,
welches Gemeinwesen am meisten damit verwandt ist, welches Gemeinwesen also in
die Lücke, die bei dem Dahinfallen der juristischen Person entsteht, in
sozialer Hinsicht eintreten müsste» (Gutachten von Prof. Eugen Huber vom 13.
Januar 1921, Kreisschreiben vom 17. März 1921). Der Bund habe somit
grundsätzlich nur Stiftungen zu beaufsichtigen, deren Funktion im Rahmen eines
Bundeszwecks liege. Von dieser Regel seien die Bundesbehörden nur abgewichen,
wo Erwägungen der Zweckmässigkeit es rechtfertigten. So sei bei den Stiftungen
a Pro Juventute», «Für das Alter» und a Für Mutter und Kind» auf ihre
allgemein-schweizerische Bedeutung und Ausdehnung abgestellt worden. Auch die
Tatsache, dass die Destinatäre einer Stiftung in verschiedenen Kantonen
wohnen, oder dass bei einem Domizilwechsel infolge Veränderlichkeit des
Stiftungssitzes auch die Aufsichtsbehörde wechselt, könne unter Umständen
mitberücksichtigt werden, jedoch erst in zweiter Linie.
Danach sei hier nicht der Bund zur Aufsicht zuständig. Daran ändere es nichts,
dass die Fürsorge für die

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Destinatäre verschiedenen kantonalen und kommunalen Gemeinwesen obliegen
würde. Sie beschränke sich auf die Vereinsmitglieder, während sie bei
Stiftungen von tatsächlich allgemein-schweizerischer Bedeutung allen Personen
eines bestimmten Alters oder Geschlechtes zugute komme. Ob die Stiftung der
Aufsicht kantonaler oder kommunaler Instanzen zuzuweisen sei, habe die
Bundesbehörde nicht zu entscheiden. Jedenfalls sei die Aufsicht am Sitz der
Stiftung, nicht des Verbandes, zu führen. Dass der Stiftungssitz veränderlich
sei, könne den Bund nicht zur Übernahme der Aufsicht veranlassen. Die
Sitzverlegung müsse als Änderung der Organisation von der Aufsichtsbehörde
genehmigt werden, werde also nicht ohne Grund vorgenommen werden können.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Nach Art. 99 IV OG ist gegen Entscheide der Departemente des Bundesrates
über die Zugehörigkeit einer Stiftung zum Gemeinwesen die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig. Hier hat das eidg. Departement des
Innern auf das Wiedererwägungsgesuch der kantonalen Justizdirektion hin einen
Sachentscheid über jene Frage gefällt. Dieser Entscheid kann mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde selbständig angefochten werden (BGE 70 I S.
120
). Die Beschwerdefrist ist ihm gegenüber eingehalten.
Der Regierungsrat des Kantons Bern ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 103
Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 84 - 1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1    Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1bis    Die Kantone können die ihren Gemeinden angehörenden Stiftungen der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellen.112
2    Die Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird.
3    Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, können gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.113
OG). Er war im angefochtenen Entscheid als Partei beteiligt. Der
Entscheid wurde zwar durch das kantonale Justizdepartement herbeigeführt und
ihm zugestellt. Es handelte aber lediglich als Verwaltungsabteilung des heute
beschwerdeführenden Gesamtregierungsrates. Die Legitimation des
Regierungsrates wäre dann zu verneinen, wenn er der Behörde, die den Entscheid
getroffen hat, inbezug auf die Geschäftsführung untergeordnet wäre, der
gleichen Verwaltungshierarchie wie sie angehörte (BGE 65 I S. 272). Das trifft
nicht zu.

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Statt des Regierungsrates kann auch der Kanton Bern, vertreten durch jenen,
als Partei und Beschwerdeführer angesehen werden. Er ist zur Beschwerde
sachlich legitimiert. Der angefochtene Entscheid berührt die Interessen des
Kantons oder seiner Gemeinden; denn einem dieser Gemeinwesen steht nach der
Auffassung der Vorinstanz gemäss Art. 84
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 84 - 1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1    Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1bis    Die Kantone können die ihren Gemeinden angehörenden Stiftungen der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellen.112
2    Die Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird.
3    Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, können gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.113
ZGB die Aufsicht über die Stiftung
zu, wogegen sich die Beschwerde wendet (vgl. BGE 56 I S. 380 Erw. 1:
Legitimation einer Gemeinde zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen
Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde, wodurch die Aufsicht über eine
Stiftung dem Kanton zugewiesen wurde).
Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
2. ­ Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton,
Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören (Art. 84
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 84 - 1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1    Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1bis    Die Kantone können die ihren Gemeinden angehörenden Stiftungen der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellen.112
2    Die Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird.
3    Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, können gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.113
ZGB). Nach dem vom
eidg. Departement des Innern erwähnten Gutachten von Prof. Eugen Huber und dem
darauf beruhenden Kreisschreiben von 1921 ist in der Regel zuständig das
Gemeinwesen, mit dessen Aufgaben der Stiftungszweck am nächsten verwandt ist,
das in die Lücke zu treten hätte, wenn die Stiftung nicht bestände oder ihren
Zweck nicht mehr erfüllen könnte. Von dieser Auffassung liessen sich der
Bundesrat und seine zuständigen Departemente in zahlreichen Fällen leiten, und
auch das Bundesgericht folgte ihr in BGE 56 I S. 380 Erw. 2. Immerhin stellten
die Bundesverwaltungstehörden in gewissen Fällen andere Gesichtspunkte in den
Vordergrund. So übernahm der Bundesrat mit Beschluss vom 27. Juni 1927 die
Aufsicht über die beiden Stiftungen «Kur- und Wanderstationen des
schweizerischen Lehrervereins» und «Schweizerische Lehrerwaisenstiftung»,
obwohl das Schulwesen und die Wahrung der damit zusammenhängenden Interessen,
denen diese Stiftungen dienen, grundsätzlich Sache der Kantone sei. Es wurde
ausgeführt: a Die beiden Institutionen sollen Personen zugute kommen, die über
das Gebiet der ganzen Schweiz zerstreut sind. Der

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Wirkungskreis der beiden Stiftungen erstreckt sich in gleicher Weise auf alle
Kantone, zum Unterschied z. B. der Wohlfahrtsgründungen von Unternehmungen,
die durch ihren Zweck doch vorwiegend einem Kanton, demjenigen des Hauptsitzes
einer Firma angehören, auch wenn die Angestellten in verschiedenen Kantonen
wohnen oder arbeiten. Der Zweck kann daher nicht allein entscheiden, es ist
auch der Tätigkeitsbereich der Stiftung in Betracht zu ziehen und, wo er einer
Stiftung einen so ausgesprochenen interkantonalen Charakter gibt wie im
vorliegenden Falle, ist er sogar massgebend. Die Zuständigkeit des Bundes ist
daher begründet, ähnlich wie z. B. bei den Stiftungen ««Pro Juventute»» und
««Für das Alter»». Es gilt das umsomehr, als sich angesichts des Art. 27 bis
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 84 - 1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1    Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1bis    Die Kantone können die ihren Gemeinden angehörenden Stiftungen der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellen.112
2    Die Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird.
3    Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, können gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.113

BV sowie des Ausführungsgesetzes. von 1903 auch nicht sagen lässt, dass das
Schalwesen den Bund überhaupt nichts angehe» (BURCKHARDT, Bundesrecht, Nr.
1288 IX; vgl. auch Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden Bd. 1, Nr. 27).
Ähnlich wurde im Falle der Stiftung «Schweizerische Ferienheime für Mutter und
Kind» nicht darauf abgestellt, dass der in Frage stehende Zweig der Fürsorge
zum kantonalen Aufgabenkreis gehört, sondern darauf, dass das Tätigkeitsgebiet
der Stiftung die ganze Schweiz umfasst und daher der Stiftung
gesamtschweizerischer Charakter zukommt; demgemäss wurde die Aufsicht dem
Bunde zugewiesen (Bundesratsbeschluss vom 15. Dezember 1930,
Verwaltungsentscheide Bd. 4, Nr. 43).
Im vorliegenden Falle handelt es sich um die Stiftung eines
gesamtschweizerischen Berufsverbandes. Ihre Destinatäre, die
Verbandsmitglieder und ihre Angehörigen, sowie sonstige Berufsgenossen, leben
und arbeiten nicht bloss in einzelnen Kantonen oder Landesgegenden, sondern
sind im ganzen Lande zerstreut. Die Stiftung ist im Unterschied zu
Personalfürsorgestiftungen einzelner Unternehmungen nicht an einen
gewerblichen oder kaufmännischen Betrieb und damit an einen bestimmten Ort
gebunden. Vielmehr erstreckt sich ihr Wirkungskreis in

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gleicher Weise auf alle Kantone und Landesgegenden. Dazu kommt die Bedeutung,
welche die gesamtschweizerischen Berufsverbände heute im öffentlichen Leben
des Landes besitzen. Sie werden vom Bunde zur Mitwirkung bei der Erfüllung
zahlreicher staatlicher Aufgaben herangezogen. Demzufolge tritt auch bei den
Fürsorgestiftungen solcher Verbände der gesamtschweizerische Charakter der
Bestimmung stark in den Vordergrund. Dass im vorliegenden Falle die Zwecke der
Stiftung gewissen Aufgaben des kantonalen oder kommunalen Gemeinwesens
verwandt sind, ist umsoweniger entscheidend, als auch der Bund auf dem in
Betracht fallenden Sachgebiet, namentlich im Krankenkassenwesen, Kompetenzen
besitzt (Art. 34bis
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 84 - 1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1    Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1bis    Die Kantone können die ihren Gemeinden angehörenden Stiftungen der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellen.112
2    Die Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird.
3    Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, können gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.113
und 34quater
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 84 - 1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1    Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1bis    Die Kantone können die ihren Gemeinden angehörenden Stiftungen der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellen.112
2    Die Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird.
3    Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, können gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.113
BV). Ein zureichender Grund, die Stiftung
trotz ihrem gesamtschweizerischen Charakter der Aufsicht des Kantons oder der
Gemeinde an ihrem Sitz oder an demjenigen des Verbandes zu unterstellen,
besteht nicht. Die besonderen Umstände des Falles rechtfertigen es, die
Aufsicht dem Bunde zuzuweisen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und
die Stiftung «Vereinigte Unterstützungskassen des Schweizerischen
Buchhandlungs-Gehilfen- und Angestellten-Vereins» der Aufsicht der
Eidgenossenschaft unterstellt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 I 52
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 15. März 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 I 52
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Stiftungsaufsicht. Art. 84 ZGB, Art. 99 n OG.1. Legitimation des Regierungsrates oder Kantons zur...


Gesetzesregister
BV: 27bis  34bis  34quater
OG: 99n  103
ZGB: 84
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 84 - 1 Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1    Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehören.
1bis    Die Kantone können die ihren Gemeinden angehörenden Stiftungen der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellen.112
2    Die Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird.
3    Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, können gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.113
BGE Register
56-I-377 • 65-I-269 • 70-I-117 • 72-I-52
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
stiftung • regierungsrat • gemeinde • frage • charakter • bundesrat • buchhandlung • bundesgericht • legitimation • unternehmung • stiftungsaufsicht • berufsverband • leben • funktion • departement • mutter • entscheid • kenntnis • eidgenossenschaft • verwandtschaft
... Alle anzeigen
BBl
1921/II/309