S. 415 / Nr. 71 Verfahren (d)

BGE 72 I 415

71. Urteil vom 13. November 1946 i. S. Verband Schweizerischer
Radio-Fachgeschäfte gegen eidg. Steuerverwaltung.

Regeste:
Verwaltungsgerichtsbeschwerde:
1. Erlasse allgemeinen Inhalts unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
nicht.
2. Eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend Luxussteuer setzt einen
Entscheid voraus, der gegenüber einem Steuerpflichtigen oder gegenüber einem
für die Erfüllung der Steuerpflicht Mithaftenden ergangen ist.
Recours de droit administratif:
1. Les décrets d'une portée générale ne peuvent être attaqués par la voie du
recours de droit administratif.
2. En matière d'impôt sur le luxe, il ne saurait y avoir de recours de droit
administratif sans une décision prise à l'égard d'un contribuable ou d'une
personne qui répond avec le contribuable de l'exécution des obligations
fiscales.
Ricorso di diritto amministrativo:
1. I decreti di portata generale non possono essere impugnati mediante un
ricorso di diritto amministrativo.
2. In materia d'imposta sul lusso, non è esperibile un ricorso di diritto
amministrativo senza una decisione presa nei confronti d'un contribuente o
d'una persona che risponde col contribuente dell'adempimento degli obblighi
fiscali.

A.­Die eidgenössische Steuerverwaltung gibt «Merkblätter» heraus, worin den
Steuerpflichtigen, die die

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Luxussteuer nach dem Registerverfahren entrichten, Anleitungen für die
Erfüllung der Steuerpflicht erteilt werden. Das Merkblatt 1, vom September
1946, erläutert u.a., was als steuerbares Entgelt zu betrachten sei, wobei
bemerkt wird:
«Bei Abzahlungsgeschäften sind zum Beispiel auch Teilzahlungszuschläge,
Vertrags- und Verzugszinsen sowie Nebenkosten (z. B. für den Eintrag im
Register der Eigentumsvorbehalte) Teile des steuerbaren Entgelts.»
B.­Mit Eingabe vom 22. /25. Oktober 1946 beschwert sich der Verband
Schweizerischer Radio-Fachgeschäfte über diese Bemerkung. Er bezeichnet sie
als eine extensive Auslegung des Luxussteuerbeschlusses durch die Praxis und
verlangt «im Interesse der Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes»
deren Aufhebung.
Das Bundesgericht ist auf die Beschwerde nicht eingetreten
in Erwägung:
Der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegt nicht jede beliebige behördliche
Äusserung im Gebiete der durch die Bundesgesetzgebung dem Verwaltungsgerichte
zugewiesenen Materien. Sie ist beschränkt auf Entscheide, also auf die mit
behördlicher Autorität vorgenommenen, auf einen gesetzlich vorgeschriebenen
Erfolg abzielenden Verwaltungsakte. Ihnen gleichzustellen sind Verfügungen,
mit welchen die Behörde einen bei ihr erhobenen Anspruch auf Vornahme eines
derartigen Verwaltungsaktes verneint. Dagegen kann gegenüber behördlichen
Handlungen, denen jener Entscheidcharakter fehlt, die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht in Frage kommen. Besonders ist sie
unzulässig bei einfachen Ansichtsäusserungen, die die Behörde von sich aus
oder auf Anfrage hin kundgibt. Denn die Verwaltungsgerichtsbeschwerde dient
grundsätzlich dem Schutz desjenigen, der von konkreten Eingriffen der
Verwaltung in seine Rechtssphäre, oder von der Verweigerung eines derartigen
Eingriffs, betroffen wird, nicht einer allgemeinen Kontrolle der Auffassungen,

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nach denen sich die Tätigkeit der Verwaltung orientiert. Diese Kontrolle mag
administrativen Aufsichtsbehörden zustehen, eventuell auch in einem gewissen
Umfange von übergeordneten politischen Behörden ausgeübt werden; auf jeden
Fall ist sie nicht Sache der Verwaltungsgerichtsbarkeit (BGE 64 I S. 60).
Nach Art. 4 LStB trifft die eidg. Steuerverwaltung Entscheide, wenn ein
Steuerpflichtiger oder ein für die Erfüllung der Steuerpflicht Mithaftender
für einen bestimmten Fall einen Entscheid verlangt oder ­ durch Missachtung an
ihn ergangener behördlicher Aufforderungen zur Erfüllung der Steuerpflicht ­
provoziert. Als Entscheide gelten daher auch hier nur behördliche Akte, durch
die im einzelnen konkreten Falle bestimmt wird, was nach Auffassung der
Steuerbehörde Rechtens ist. Erlasse allgemeinen Inhalts, durch die lediglich
abstrakte Verhaltensregeln aufgestellt werden, fallen nicht darunter. Der
Luxussteuerbeschluss, Art. 5, Abs. 3, aber sieht die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur vor bei Verfügungen der eidg.
Steuerverwaltung, mit denen an Entscheiden festgehalten wird, die gemäss Art.
4 LStB und unter den dafür festgesetzten Voraussetzungen ergangen waren. Er
steht hierin im Einklang mit der allgemeinen Zuständigkeitsordnung für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit auf dem Gebiete eidgenössischer Abgaben (Art. 97 ,
Abs. 1 OG, früher Art. 4, Abs. 1 VDG; sowie BGE 66 I S. 90 und Zitate).
2. ­ Das Merkblatt der eidgenössischen Steuerverwaltung zur Luxussteuer, gegen
das die vorliegende Eingabe gerichtet ist, enthält Anordnungen allgemeiner
Natur, Belehrungen zu Handen der Steuerpflichtigen über, nach Ansicht der
Steuerverwaltung, für die Durchführung des Gesetzes massgebende Grundsätze. Es
enthält keinen Entscheid über Steuerpflicht oder Steuerberechnung in einem
konkreten Falle und kann daher auch nicht Gegenstand einer
Verwaltungsgerichtsbeschwerde bilden. Weitere Voraussetzung für die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde

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wäre ausserdem die Durchführung des Einspracheverfahrens gemäss Art. 5 LStB.
Übrigens würde die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zudem
einen Entscheid voraussetzen, der gemäss Art. 4, Abs. 1 LStB gegenüber einem
Steuerpflichtigen oder einem für die Erfüllung der Steuerpflicht Mithaftenden
ergangen wäre. Zu ihnen gehört aber der Verband Schweizerischer
Radio-Fachgeschäfte offenbar nicht. Er wäre daher wohl kaum legitimiert, eine
Verwaltungsgerichtsbeschwerde über eine Belastung mit der Luxussteuer in
eigenem Namen zu erheben.
Vgl. Nr. 69. ­ Voir no 69.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 I 415
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 13. November 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 I 415
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Verwaltungsgerichtsbeschwerde:1. Erlasse allgemeinen Inhalts unterliegen der...


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OG: 97
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