BGE 72 I 368
65. Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. September 1946 i.S. Christy gegen
Eidg. Amt für geistiges Eigentum.
Regeste:
Patentrecht.
Patentfähigkeit eines Verfahrens zur Erzeugung von Wellen im menschlichen
Kopfhaar.
Kompetenz des Amtes zur Überprüfung der Frage, ob eine Erfindung in das Gebiet
der Technik falle.
Brevets d'invention.
Brevetabilité d'un procédé pour faire onduler les cheveux.
L'office a la compétence d'examiner si une invention appartient à la
technique.
Brevetti d'invenzione.
Brevettabilità d'un procedimento per far ondulare i capelli.
L'ufficio è competente per esaminare se un'invenzione entri nel campo della
tecnica.
A. Der Beschwerdeführer hat ein Patentgesuch eingereicht, das sich auf ein
Verfahren zur Erzeugung von
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Wellen im menschlichen Kopfhaar bezieht. Das eidgenössische Amt für geistiges
Eigentum hat dieses Gesuch am 14. März 1946 gestützt auf Art. 27 Abs. 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz PatG Art. 27 - 1 Trifft ein Nichtigkeitsgrund nur für einen Teil der patentierten Erfindung zu, so ist das Patent durch den Richter entsprechend einzuschränken. |
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1 | Trifft ein Nichtigkeitsgrund nur für einen Teil der patentierten Erfindung zu, so ist das Patent durch den Richter entsprechend einzuschränken. |
2 | Der Richter hat den Parteien Gelegenheit zu geben, sich zu der von ihm in Aussicht genommenen Neufassung des Patentanspruches zu äussern; er kann überdies die Vernehmlassung des IGE einholen. |
3 | Artikel 25 ist entsprechend anwendbar. |
mit der Begründung zurückgewiesen, es liege keine gewerblich verwertbare
Erfindung im Sinne des Art. 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz PatG Art. 1 - 1 Für neue gewerblich anwendbare Erfindungen werden Erfindungspatente erteilt. |
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1 | Für neue gewerblich anwendbare Erfindungen werden Erfindungspatente erteilt. |
2 | Was sich in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik (Art. 7 Abs. 2) ergibt, ist keine patentierbare Erfindung.7 |
3 | Die Patente werden ohne Gewährleistung des Staates erteilt.8 |
am menschlichen Körper ausgeführt werde und dieser nicht Objekt der Technik
sein könne.
B. Mit der vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Beschwerde beantragt der
Beschwerdeführer, das eidgenössische Amt für geistiges Eigentum sei
anzuweisen, ein Patent auf seine Anmeldung einzutragen. Er bestreitet zunächst
die Kompetenz des Patentamtes zur Rückweisung aus den von diesem angeführten
Gründen und macht eventuell geltend, die Anmeldung sei zu Unrecht
zurückgewiesen worden.
Das eidgenössische Amt für geistiges Eigentum trägt auf Abweisung der
Beschwerde an.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Verfahren, welche die Pflege der menschlichen Nägel und Haare betreffen,
sind an sich unzweifelhaft gewerblich verwertbar, und sie werden denn auch
man denke nur an das Coiffeur- und Manicuregewerbe tatsächlich gewerblich
ausgewertet. Es kann sich lediglich fragen, ob die Patentierung solcher
Verfahren mit der Begründung abgelehnt werden dürfe, der menschliche Körper
vermöge unter keinen Umständen Gegenstand der Technik zu sein. Eine solche
Einstellung ist aber, soweit es sich um die Nagel- und Haarpflege handelt,
innerlich unhaltbar und faktisch längst überholt. Beim Fehlen einer
ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung des Inhalts, dass die Patentierung von
Verfahren, die sich auf den menschlichen Körper beziehen, ausgeschlossen sei,
darf die Praxis einen solchen Ausschluss höchstens insofern vornehmen, als
sozialethische Gesichtspunkte dazu zwingen. Das kann zutreffen bei
Heilverfahren (vgl. hiezu
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MARWITZ, Der Mensch im Patentrecht, in der Zeitschrift für gewerblichen
Rechtsschutz und Urheberrecht, 1930, S. 1078 ff.; die nähere Abgrenzung nach
dieser Richtung braucht heute nicht vorgenommen zu werden). Wo es sich
dagegen, wie bei der Nagel- und Haarpflege, lediglich um sog. Kultur- oder
Luxusbedürfnisse handelt, kommen solche sozialethische Gesichtspunkte zum
vorneherein nicht in Betracht (so auch zutreffend FRIEBEL und PULITZER,
Oesterreichische Patentgesetze, S. 37 f., sowie TETZNER, Kommentar zum
deutschen Patentgesetz, S. 45; im Ergebnis gleich WEIDLICH und BLUM, Kommentar
zum schweiz. PatG I S. 83).
Da somit von mangelnder gewerblicher Verwertbarkeit nicht die Rede sein kann,
ein Verstoss gegen die guten Sitten zum vorneherein ausser Betracht fällt und
zu einem Ausschluss der Patentfähigkeit aus sozialethischen Gründen kein
Anlass besteht, so ergibt sich, dass das Amt das Patentgesuch zu Unrecht
zurückgewiesen hat.
Bei dieser Sachlage erübrigt sich eine Prüfung der Frage, ob das Amt beim
Vorliegen von sozialethischen Gründen im oben erwähnten Sinne zur
Zurückweisung eines Patentgesuches auf Grund von Art. 27 Abs. 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz PatG Art. 27 - 1 Trifft ein Nichtigkeitsgrund nur für einen Teil der patentierten Erfindung zu, so ist das Patent durch den Richter entsprechend einzuschränken. |
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1 | Trifft ein Nichtigkeitsgrund nur für einen Teil der patentierten Erfindung zu, so ist das Patent durch den Richter entsprechend einzuschränken. |
2 | Der Richter hat den Parteien Gelegenheit zu geben, sich zu der von ihm in Aussicht genommenen Neufassung des Patentanspruches zu äussern; er kann überdies die Vernehmlassung des IGE einholen. |
3 | Artikel 25 ist entsprechend anwendbar. |
wäre.
2. Hieraus folgt jedoch noch nicht, dass das Amt nunmehr verpflichtet wäre,
das angemeldete Patent einzutragen, wie der Beschwerdeführer dies verlangt. Es
ist vielmehr nur gehalten, die Anmeldung zur Prüfung entgegenzunehmen. Kommt
es zum Schlusse, dass das zwar gewerblich verwertbare und aus sozialethischen
Gründen nicht unpatentierbare Verfahren nicht dem Gebiete der Technik
angehöre, weil z.B. das Erfordernis der Wiederholbarkeit offensichtlich fehle,
so kann die Patentanmeldung neuerdings zurückgewiesen werden.
Der Beschwerdeführer vertritt freilich die Auffassung, das Amt sei nicht
kompetent zur Überprüfung der Frage, ob eine Erfindung ins Gebiet der Technik
falle. Diese Ansicht trifft nicht zu. Zwar kann entgegen der Meinung
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des Amtes nicht gesagt werden, eine Erfindung, die nicht dem Gebiete der
Technik angehöre, sei auch nicht gewerblich verwertbar und eine solche
Patentanmeldung sei daher auf Grund von Art. 27 Abs. 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz PatG Art. 27 - 1 Trifft ein Nichtigkeitsgrund nur für einen Teil der patentierten Erfindung zu, so ist das Patent durch den Richter entsprechend einzuschränken. |
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1 | Trifft ein Nichtigkeitsgrund nur für einen Teil der patentierten Erfindung zu, so ist das Patent durch den Richter entsprechend einzuschränken. |
2 | Der Richter hat den Parteien Gelegenheit zu geben, sich zu der von ihm in Aussicht genommenen Neufassung des Patentanspruches zu äussern; er kann überdies die Vernehmlassung des IGE einholen. |
3 | Artikel 25 ist entsprechend anwendbar. |
kann ein Buchhaltungssystem für denjenigen, der es ausgedacht hat, sehr wohl
gewerblich verwertbar sein; es ist aber nicht patentfähig, weil es nicht die
Herbeiführung eines technischen Erfolges mit technischen Mitteln betrifft
(WEIDLICH und BLUM S. 82). Dagegen muss das Amt aus praktischen Gründen befugt
sein, die Eintragung von Patenten zu verweigern für Erfindungen, für die der
Patentschutz überhaupt nicht bestimmt ist, gleich wie es auch zur
Zurückweisung der Anmeldung offenbar unsinniger Erfindungen, wie z.B. für ein
Perpetuum mobile (WEIDLICH und BLUM S. 98 N. 24), befugt sein muss.
Diese Lösung steht keineswegs im Widerspruch mit Art. 16 Ziff. 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes. |
ein Patent vom Richter als nichtig zu erklären ist, wenn keine Erfindung
vorhanden ist. Denn diese Bestimmung setzt voraus, dass für eine auf dem
Gebiet der Technik liegende Massnahme ein Patent nachgesucht und erteilt
worden ist, von dem sich nachträglich herausstellt, dass es sich (z.B. mangels
technischen Fortschritts etc.) nicht um eine Erfindung im Sinne des
Patentgesetzes handelt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das eidgenössische Amt für geistiges
Eigentum wird angewiesen, die Patentanmeldung des Beschwerdeführers
entgegenzunehmen.
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