S. 334 / Nr. 58 Verwaltungs- und Disziplinarrecht (d)

BGE 72 I 334

58. Auszug aus dem Urteil vom 20. Dezember 1946 i.S. R.S. gegen kantonale
Rekurskommission Bern.

Regeste:
Wehropfer:
Besteuerung fiduziarischen Vermögens.
Sacrifice pour la défense nationale:
Imposition des biens qui font l'objet d'un contrat fiduciaire.
Sacrificio per la difesa nozionale:
Imposizione dei beni che sono oggetto d'un contratto fiduciario.

A. ­ Der Beschwerdeführer R.S. erwarb am 1. Dezember 1932 ein
landwirtschaftliches Heimwesen im Steinbach, Gemeinde Belp, zum Preise von Fr.
90000.­; hievon wurden Fr. 75000.­ durch 3 Inhaberschuldbriefe gedeckt. Die
Kaufpreisrestanz von Fr. 15000.­ wurde von ihm bar bezahlt; sodann wandte er
Fr. 25000.­ für Umbauten auf. Der Kauf wurde aber nicht auf den Namen des

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Beschwerdeführers, sondern auf denjenigen einer Nichte und ihres Ehemannes
(Eheleute W.B.) ausgeführt. In Art. 1 und 2 des Kaufvertrages wurde Herrn S.
ein Kaufsrecht eingeräumt, wonach dieser das Grundstück jederzeit für Fr.
90000.­ erwerben konnte. S. anerkennt, dass die Eheleute B. lediglich
fiduziarische Eigentümer waren. Er erklärt, er habe sich Strohmänner bedient,
um den Liegenschaftskauf vor seiner Ehefrau zu verbergen, mit welcher er
damals im Scheidungsprozesse stand. Im Jahre 1934 liess er sich, zur weiteren
Sicherung seiner Rechte an der Liegenschaft, von den Eheleuten B. einen
Schuldschein über Fr. 40000.­ ausstellen, entsprechend seiner Anzahlung an das
Kaufsobjekt und seinen Aufwendungen für Umbauten. Dieses Verhältnis blieb bis
zum Herbst 1940 unverändert; es bestand also an dem für das erste Wehropfer
massgebenden Stichtag (1. Januar 1940). W.B. deklarierte die Liegenschaft in
seiner Wehropfererklärung und gab als Schulden die hypothekarische Belastung
an. Den Betrag der Schuldanerkennung zu Gunsten des Beschwerdeführers meldete
er nicht zum Abzug an. Am 4. September 1940 wurde das Heimwesen der seit dem
1. November 1939 in Bern bestehenden Immobiliengesellschaft S. A.G. für Fr.
125000.­ verkauft. Der Überschuss über die hypothekarische Belastung betrug
also Fr. 50000.­; er wurde von den Parteien als durch «Verrechnung» getilgt
erklärt.
B. ­ Anlässlich einer Nachsteueruntersuchung für kantonale Steuern kamen diese
Verhältnisse zur Kenntnis der Steuerbehörden. Es wurde festgestellt, dass S.
in seiner Erklärung für das erste Wehropfer weder das Heimwesen, noch seine
persönlichen Ansprüche an die Eheleute B. angegeben hatte. Die
Wehropferverwaltung des Kantons Bern erblickte hierin eine Hinterziehung und
zog den Beschwerdeführer zu einer Nachsteuer heran. Als hinterzogener Betrag
wurde sein Guthaben von Fr. 40000.­an die Eheleute B. angesehen. Die
Nachsteuer wurde auf Fr. 768.90 festgesetzt.

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D. ­ Die kantonale Rekurskommission hat eine hiegegen erhobene Beschwerde am
3. September 1946 mit eingehender Begründung abgewiesen. Sie betrachtete als
Steuerobjekt nicht die Forderung aus dem Schuldschein der Eheleute B., sondern
die Liegenschaft selbst. Diese habe, ungeachtet der grundbuchlichen
Behandlung, wirtschaftlich dem Beschwerdeführer zugestanden und hätte von ihm
als Bestandteil seines Vermögens deklariert und versteuert werden müssen. Eine
Versteuerung der Forderung an die B. falle dann ausser Betracht. Dem Betrage
nach könne das in der Liegenschaft investierte Vermögen des Beschwerdeführers
auf Fr. 40000.­ bewertet werden. Der Beschwerdeführer hätte entweder die
Liegenschaft oder die Forderung bei Abgabe der Wehropfererklärung wenigstens
erwähnen müssen.
E. ­ Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wiederholt der Beschwerdeführer
seine Anträge auf Aufhebung der Nachbesteuerung, eventuell auf Herabsetzung
der Nachsteuer, und führt zur Begründung im wesentlichen aus, wenn es im
Wehropferbeschluss auch nicht ausdrücklich gesagt sei, so könne doch darüber
kein Zweifel bestehen, dass die Wehropferpflicht den Eigentümer des Vermögens
treffe. Eigentümer aber sei, wer als solcher im Grundbuch eingetragen sei,
hier die Ehegatten B., nicht der Beschwerdeführer S.B. habe die Liegenschaft
in seiner Wehropfererklärung aufführen müssen, wenn er nicht riskieren wollte,
wegen Steuerhinterziehung zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die Berufung auf
den «wirtschaftlichen» Begriff des Vermögens im kantonalen Rekursentscheid
verstosse gegen den aus dem Wehropferbeschluss sich ergebenden Grundsatz,
wonach die Steuerpflicht beim Wehropfer grundsätzlich den Eigentümer trifft.
Für die Forderung von Fr. 40000.­ an die Eheleute B. dürfe der
Beschwerdeführer nicht besteuert werden, weil es sich nur um eine Pro
forma-Forderung gehandelt habe, ein Guthaben des S. an sich selber oder zum
mindesten um ein Guthaben, dessen Bezahlung der Schuldner

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B. begründeterweise hätte verweigern können; die Forderung habe keinen
substanziellen Wert repräsentiert. Zudem sei dem Fiskus aus der Nichtangabe
des Guthabens kein Ausfall entstanden, da B. den Betrag nicht als Schuld
eingestellt habe. Wollte man in der Nichtangabe der Forderung eine
Unterlassung des Beschwerdeführers und einen Grund zur Nachbesteuerung
erblicken, so müsste wenigstens die schon im kantonalen Rekursverfahren
beantragte Anrechnung der Mehrleistung des B. und eine entsprechende
Herabsetzung der Nachsteuer bewilligt werden.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen.
Aus den Erwägungen:
1. ­ In seiner Beschwerde an die kantonale Rekurskommission hatte der
Beschwerdeführer erklärt, das Heimwesen in Belp gehöre in Tat und Wahrheit
ihm, und die im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Eheleute B. seien
lediglich Strohmänner gewesen. Wenn die Rekurskommission ihn daraufhin für die
in der Liegenschaft investierten und durch deren Steuerwert gedeckten, eigenen
Mittel wehropferpflichtig erklärt hat, so hat sie die Beschwerde auf der
Grundlage erledigt, die durch die Darstellung des Sachverhalts in der
Beschwerde selbst gegeben war. Denn es liegt auf der Hand, dass die
Steuerpflicht nicht den Strohmann treffen kann, wenn der Verantwortliche, der
sich hinter dem Strohmann verbirgt, bekannt und fassbar ist.
2. ­ In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nun der Standpunkt eingenommen,
die wirtschaftliche Betrachtungsweise, auf die sich der Rekursentscheid
beruft, entspreche der Ordnung des Wehropferbeschlusses nicht und bedeute
somit eine Verletzung von Bundesrecht. Ob die Einwendung begründet wäre, mag
dahingestellt bleiben. Denn auch die rechtliche Betrachtung des Sachverhaltes
führt zu keinem andern Ergebnis.
Es darf nicht einseitig darauf abgestellt werden, dass die Eheleute B. im
massgebenden Zeitpunkt Eigentümer des

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Heimwesens waren, sondern es kommt darauf an, wie sich die Gesamtheit der
Rechte und Pflichten aus dem fiduziarischen Rechtsverhältnis auf das Vermögen
der dabei Beteiligten auswirkte. Fiduziarische Geschäfte liegen in einer
Übertragung von Sachen und Rechten, welche wirtschaftlich nicht die Vermehrung
des Vermögens des Empfängers bezweckt, sondern sich andere Ziele steckt
(DERNBURG, Bürgerl. Recht I S. 502 III; AEBY, L'acte fiduciaire dans le
système du droit civil suisse, Z. f. schweiz. R. n. F. Bd. 31, S. 169). Der
fiduziarische Erwerber wird zwar Eigentümer der ihm übertragenen Sache; er
übernimmt aber gleichzeitig die Verpflichtung, sein Eigentum nur gemäss dem
vereinbarten Zwecke und im Rahmen der Vereinbarung auszuüben und die Sache
nach Erreichung des mit dem Rechtsgeschäfte verfolgten Zwecks
zurückzuübertragen (VON TUHR, Obligationenrecht § 26 IV und 93 VI, AEBY, 1. c.
S. 171, sowie die Kommentare HAAB, No. 23 zu Art. 641 und HOMBERGER, No. 20 zu
Art. 920). Wo, wie hier, die Bestellung fiduziarischen Eigentums
ausschliesslich im Interesse des Fiduzianten vorgenommen wird, bedeutet diese
Verpflichtung eine Belastung, die den mit dem Eigentumserwerb verbundenen
Vermögenszuwachs ausgleicht. Anderseits bildet das entsprechende Recht einen
Bestandteil des Vermögens des Fiduzianten. Es ist ein Vermögenswert, der wie
jedes andere vermögenswerte Recht der Besteuerung unterliegt. In Fällen, wo
dieser Vermögenswert der Höhe nach demjenigen des Objektes gleichkommt, das
den Gegenstand des fiduziarischen Eigentums bildet, kann es sich unter
Umständen rechtfertigen, bei der Besteuerung des Fiduzianten an Stelle jenes
Rechtes den Gegenstand selbst einzusetzen und diesen anderseits bei der
Besteuerung des Fiduziars ausser Betracht zu lassen. Das Bundesgericht hat
denn auch schon angenommen, dass bei bloss fiduziarischer Übertragung einer
Liegenschaft der Fiduziant ohne weiteres steuerpflichtig bleibt (Urteil vom
16. Februar 1942 i.S. Wolfensberger g. Graubünden, S. 20 f., nicht
publiziert).

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Jedenfalls durfte die Rekurskommission den Beschwerdeführer für das in der
Liegenschaft investierte eigene Vermögen steuerpflichtig erklären, soweit es
durch den Wehropferwert der Liegenschaft gedeckt war, dieses darf als der Wert
angesehen werden, der den Rechten des Beschwerdeführers aus dem fiduziarischen
Rechtsverhältnis zu den Ehegatten B. zukommt. Übrigens sind gegen die
Bewertung an sich, abgesehen von der grundsätzlichen Bestreitung der
Steuerpflicht, keine Einwendungen erhoben worden. Die Schuldanerkennung der
Eheleute B. im Betrage von Fr. 40000.­ wurde von der Rekurskommission mit
Recht als für die Wehropfereinschätzung unerheblich bezeichnet. Sie war
lediglich zu Sicherungszwecken ausgestellt und bildete daher keinen
selbständigen Vermögenswert.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 I 334
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 20. Dezember 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 I 334
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Wehropfer:Besteuerung fiduziarischen Vermögens.Sacrifice pour la défense nationale:Imposition des...


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72-I-334
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