S. 314 / Nr. 55 Verwaltungs- und Disziplinarrecht (d)

BGE 72 I 314

65. Urteil vom 6. Dezember 1946 i.S. Genossenschaft Schweizer Mustermesse
gegen eidg. Steuerverwaltung.

Regeste:
Couponabgabe, Wehrsteuer an der Quelle, Verrechnungssteuer:
1. Der Rabatt auf der Platzmiete, den die Genossenschaft Schweizer Mustermesse
ihren Mitgliedern gewährt, unterliegt den genannten Abgaben.
2. Die Genossenschaft hat die Abgaben zu entrichten und auf die Empfänger der
Leistung zu überwälzen.
Timbre sur les coupons, impôt pour la défense nationale perçu à la source,
impôt compensatoire:
1. Le rabais sur la location des places, que la Société coopérative de la
foire suisse d'échantillons accorde à ses membres, est soumis aux impôts
prémentionnés.
2. Il incombe à la société coopérative de payer l'impôt et d'en transférer la
charge au bénéficiaire de la prestation.
Bollo sulle cedole, imposta per la difesa nazionale riscossa alla fonte,
imposta preventiva.
1. Il ribasso sulla locazione dei posti, che la Società cooperativa della
mostra campionaria svizzera accorda ai suoi soci, è assoggettato alle imposte
suddette
2. Incombe alla società cooperativa di solvere l'imposta e di farne sopportare
l'onere al beneficiario.

A. ­ Die Genossenschaft Schweizer Mustermesse in Basel beschafft sich das für
die Durchführung ihres Zweckes erforderliche Vermögen u.a. durch die Ausgabe
von Stammkapitalanteilen an ihre Mitglieder (§ 4 Abs. 1 der

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Statuten vom 5. Oktober 1920). Die Beteiligung am Stammkapital ist
obligatorisch. Jeder Genossenschafter hat mindestens einen Anteilschein von
Fr. 500.­ zu zeichnen; er kann eine beliebige Anzahl von Anteilscheinen
übernehmen (§ 6, Ziff. 1 und 3). Auf die Anteilscheine kann ein Zins bis zu 5
% ausgerichtet werden, wenn das Betriebsergebnis es erlaubt (§ 29).
Die Genossenschaft gewährt ihren Mitgliedern sodann eine Vorzugsbehandlung bei
Benützung der Messeeinrichtungen nach besonderem Reglement (§ 7, Ziff. 2), so
u.a. einen Rabatt auf der Platzmiete und Freikarten. Hierüber bestimmt Ziffer
II des Reglements vom 5. Oktober 1920 (revidierte Fassung vom 30. März 1928):
«II. Die Genossenschafter, die Messeteilnehmer sind, geniessen gegen
Einsendung der laufenden Coupons ihrer eigenen volleinbezahlten Anteilscheine
auf dem Fr. 100.­ übersteigenden Betrage der Platzmiete einen Rabatt.
Die Coupons werden zu diesem Zweck mit Fr. 20.­ per Stück an Zahlungsstatt
angenommen. Auf diese Weise verrechnete Coupons sind von einer allfällig
späteren Verzinsung ausgeschlossen.
Die Genossenschafter, welche nicht Aussteller sind, haben die Berechtigung,
für den Messebesuch folgende Eintrittskarten zu beziehen:
a) Ohne Rücksicht auf die Zahl der Anteilscheine eine Dauerkarte;
b) Pro Anteilschein 2 Eintrittskarten für einmaligen Eintritt (im Maximum 30
Eintrittskarten für einen Genossenschafter).»
Der in Ziffer II Abs. 2 des Reglements vorgesehene Ausschluss der gegen
Platzmiete verrechneten Coupons von der Verzinsung beruht auf § 29 der
Statuten, wonach «allfällige, den Genossenschaftern auf Grund von § 7, Abs. 2
gewährte Rabatte usw. den betreffenden Genossenschaftern mit den ihnen
zufallenden Zinsen zu verrechnen sind».
B. ­ Die eidg. Steuerverwaltung hat, mit Entscheid vom 4. März 1946, den
Rabatt auf der Platzmiete gemäss Ziffer II, Abs. 1 und 2 des zitierten
Reglements als der eidg. Couponsabgabe unterworfene Leistung erklärt und sie
verhält die Beschwerdeführerin, darauf, soweit nicht Verjährung eingetreten
ist, die Couponsabgabe, die

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Wehrsteuer an der Quelle und die Verrechnungssteuer zu entrichten und auf die
Empfänger der steuerbaren Leistungen abzuwälzen.
Eine gegen diese Auflage gerichtete Einsprache ist am 2. August 1946
abgewiesen worden.
C. ­ Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird beantragt, den
Einspracheentscheid aufzuheben. Zur Begründung wird im wesentlichen
ausgeführt, die Gewährung von Rabatten an die Anteilscheininhaber bedeute für
die Beschwerdeführerin keine vermögensrechtliche Belastung. Sie berühre den
Bestand und die Benützung ihres Vermögens nicht und sei aus diesem Grunde für
die Couponsabgabe ­ und damit auch für die Wehrsteuer an der Quelle und für
die Verrechnungssteuer ­ bedeutungslos. Die Steuerverwaltung nehme an, dass
der Rabattanspruch das Genossenschaftsvermögen dadurch vermindere, dass er die
Platzmieteforderung der ausstellenden Anteilscheininhaber herabsetze. Die
Genossenschaft habe aber gegen den sich als Aussteller anmeldenden
Anteilscheininhaber keine Platzmieteforderung, sondern nur die Möglichkeit,
eine solche zu begründen. Diese Möglichkeit habe sie sich im voraus durch ihre
Rabattversprechen beschränkt. Damit habe sie nicht das vorhandene Vermögen
vermindert, sondern lediglich die Aussicht preisgegeben, ihr Vermögen durch
eine (höhere) Einnahme zu vermehren. So verhalte es sich auch bei der Abgabe
von Freikarten an die Anteilscheininhaber, Für diese anerkenne die
Steuerverwaltung aber die Abgabefreiheit, während sie sie bei den Rabatten
verneine.
Unzutreffend sei auch der Versuch im angefochtenen Entscheid, die
Steuerbarkeit einer Leistung von der Bestimmbarkeit des entstehenden
Geldwertes abhängig zu machen. Der Wert, der dem Empfänger von Freikarten mit
dem Betreten der Ausstellung zukommt, sei ebenso eindeutig bestimmt, wie der
Rabatt. Dass die Genossenschaft nicht für seine Feststellung zu sorgen habe,
könne nur an seiner Unerheblichkeit liegen, nicht

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an der Schwierigkeit, die seine Feststellung etwa bereiten möge.
Bei der Wehrsteuer falle ausserdem in Betracht, dass der Geldwert des Rabattes
nicht als ein Einkommensbestandteil angesehen werden könne. Der Rabattanspruch
und der Anspruch auf freien Eintritt seien zwar Vermögensrechte, die der
Inhaber des Anteils durch die Zeichnung erwerbe. Wenn er sie aber geltend
mache, so stehe das mit seinem Einkommen nur insoweit in Verbindung, als
dadurch die Gewinnungskosten weniger hoch werden als bei Dritten.
Die Beschwerdeführerin befürchte, dass ihr aus der Abwälzung der Abgaben
Schwierigkeiten erwachsen.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
in Erwägung:
1. ­ Nach Art. 3, Abs. 1, lit. c CG sind Gegenstand der Couponsabgabe die
Coupons der von einem Inländer ausgegebenen Aktien und genossenschaftlichen
Stammanteile. Die Abgabe wird berechnet auf dem Betrage, mit welchem der
Couponsschuldner den Coupon einlöst (Art. 9, lit. a CG). Es ist dies der
Betrag, den der Couponsschuldner für die Einlösung des Coupons aufwendet.
Werden Coupons nicht durch Geldzahlung eingelöst, so ist massgebend der
Geldwert der vom Couponsschuldner erbrachten Leistung.
Die Beschwerdeführerin nimmt, gemäss § 7, Abs. 2 ihrer Statuten und Ziffer II
des zugehörigen Reglements, den laufenden Coupon derjenigen Anteilscheine, die
einem an der Messe teilnehmenden Genossenschafter. gehören, mit dem Betrage
von Fr. 20.­ an Zahlungsstatt auf Rechnung der von dem Genossenschafter
geschuldeten Platzmiete an, soweit diese Miete Fr. 100.­ übersteigt. Sie löst
somit unter den genannten Voraussetzungen die Coupons dieser Anteilscheine mit
Fr. 20.­ ein. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass sie damit eine
Leistung erbringt, die nach Art. 3, Abs. 1, lit c und Art. 9,

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lit. a CG der eidgenössischen Couponsabgabe unterliegt. Während für die
Anteilscheine, die an der Messe nicht teilnehmenden Mitgliedern gehören, eine
Verzinsung vorgesehen ist für den Fall, dass ein Betriebsüberschuss eine
solche gestattet, wird den an der Messe teilnehmenden Genossenschaftern für
jeden Coupon ihrer Anteilscheine ein Betrag von Fr. 20.­ auf ihre (Fr. 100.­
übersteigende) Platzmiete angerechnet, also eine vom Betriebsergebnis
unabhängige Leistung im genannten Betrage gewährt. Die Behauptung der
Beschwerdeführerin, diese Leistung bedeute für ihren Betrieb keine
vermögensrechtliche Belastung, ist offensichtlich unzutreffend, schon nach der
Umschreibung des Rabattanspruchs im Reglement. Dass die Vergünstigung eine
fest zugesicherte, mit dem Anteilschein von vornherein und dauernd verbundene
Leistung ist, steht der Steuerbarkeit nicht entgegen. Die Couponabgabe
betrifft weitgehend fest versprochene Leistungen. Nicht nur Obligationenzinsen
pflegen fest zugesichert zu werden, sondern auch, wie hier, gewisse Leistungen
auf gesellschaftliche Beteiligungen. Die Steuerbarkeit der Leistungen wird
dadurch nicht berührt.
2. ­ Ob es richtig ist, die Abgabe von Freikarten an Mitglieder, die sich
nicht als Aussteller an der Messe beteiligen (Ziff. II, Abs. 3 des
Reglements), anders als den Aussteller-Rabatt zu behandeln, ist hier nicht zu
erörtern. Die eidg. Steuerverwaltung hat für diese Leistungen die
Steuerbarkeit nicht in Anspruch genommen; das Verwaltungsgericht braucht sich
daher mit ihnen nicht zu befassen. Immerhin mag darauf hingewiesen werden,
dass der Anspruch auf Dauerkarten nicht auf der Kapitalbeteiligung zu beruhen
scheint, sondern eher aus der Mitgliedschaft, Zugehörigkeit zu der
Genossenschaft abzuleiten wäre. Die Dauerkarten werden als persönliche
Eintrittskarten für das Mitglied ohne Rücksicht auf die Zahl der Anteilscheine
abgegeben, die das Mitglied besitzt. Hinsichtlich der unpersönlichen Karten
für einen einmaligen Eintritt aber entspricht die Befreiung

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langjähriger Praxis (Entscheid des eidg. Finanzdepartements vom 19. Juni 1923,
VSA 1923 S. 160). Der Grund, mit dem die Befreiung s. Z. gerechtfertigt wurde,
trifft hier zu. Diese Freikarten bilden für die Mustermesse kaum eine
Belastung. Ihre Benützer besuchen die Messe zusammen mit den übrigen
Messebesuchern und gehen in diesen unter. Die Abgabe dieser Karten bedingt
daher für die Genossenschaft keine besonderen Aufwendungen. Auch ein
Einnahmeausfall ist nicht mit Sicherheit anzunehmen; denn es ist nicht sicher,
dass die Benützer der an die Genossenschafter abgegebenen Freikarten für einen
Tagesbesuch die Messe auch ohne sie gegen Bezahlung eines Eintrittsgeldes
besuchen würden. Die Abgabe der Freikarten an Nichtaussteller unterscheidet
sich darin wesentlich von dem Rabatt der ausstellenden Genossenschafter.
Dieser führt zu einem bestimmt umschriebenen Ausfall auf den reglementarischen
Einnahmen für Platzmiete.
3. ­ Unterliegen die Rabatte, die die Schweizer Mustermesse den ausstellenden
Mitgliedern gewährt, der eidg. Couponabgabe, so ist auch die Belastung mit der
Wehrsteuer an der Quelle und mit der eidgenössischen Verrechnungssteuer
gegeben. Alle drei Abgaben können erhoben werden, soweit sie noch nicht
verjährt sind. Allfällige Schwierigkeiten bei der Abwälzung der Abgaben für
zurückliegende Leistungen können nicht dazu führen, die Abgabepflicht zu
verneinen. Es wird Sache der Bezugsbehörden sein zu prüfen, ob für die
Abwälzung Erleichterungen zu gewähren sind.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 I 314
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 06. Dezember 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 I 314
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Couponabgabe, Wehrsteuer an der Quelle, Verrechnungssteuer:1. Der Rabatt auf der Platzmiete, den...


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