S. 292 / Nr. 51 Staatsrecht (d)

BGE 72 I 292

51. Urteil vom 28. November 1946 i.S. Sutter gegen Hunold und Kantonsgericht
des Kantons Schwyz.


Seite: 292
Regeste:
Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 88 OG).
Wer wegen Ehrverletzung Klage auf Bestrafung des Täters erhoben hat, ist zur
staatsrechtlichen Beschwerde gegen ein freisprechendes Urteil selbst dann
nicht legitimiert, wenn die Klage nach dem massgebenden kantonalen Recht im
Zivilprozessverfahren durchzuführen ist.
Qualité pour agir par la voie du recours de droit public (art. 88 OJ).
Celui qui porte plainte pénale pour délit contre l'honneur n'a pas qualité
pour former un recours de droit public contre un jugement d'acquittement, même
lorsque, d'après le droit cantonal applicable, l'affaire doit être instruite
selon les règles de la procédure civile.
Veste per interporre ricorso di diritto pubblico (art. 88 OGF).
Chi sporge querela penale per un reato contro l'onore non ha veste per
inoltrare un ricorso di diritto pubblico contro una sentenza di assoluzione,
anche se, giusta il diritto cantonale applicabile, la causa dev'essere
istruita secondo le norme della procedura civile

A. ­ Der Beschwerdeführer Johann Sutter-Leu reichte gegen Emil Hunold Klage
wegen Ehrverletzung ein. Das Bezirksgericht March erklärte den Beklagten der
üblen Nachrede im Sinne von Art. 173
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
StGB schuldig, nahm aber von einer
Bestrafung Umgang, auferlegte die Gerichtskosten beiden Parteien je zur Hälfte
und schlug die ausserrechtlichen Kosten wett. Sutter legte gegen diesen
Entscheid Berufung ein mit dem Antrag, der Beklagte sei zu bestrafen und zur
Bezahlung sämtlicher Gerichtskosten sowie einer Parteientschädigung an den
Kläger zu verurteilen. Das Kantonsgericht von Schwyz wies die Berufung ab und
sprach den Beklagten, der nicht appelliert hatte, von Amteswegen von Schuld
und Strafe frei unter Auferlegung der zweitinstanzlichen Kosten an den Kläger.
B. ­ Mit rechtzeitiger staatsrechtlicher Beschwerde beantragt Sutter, dieses
Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben mit der Massgabe, dass der Beklagte
der üblen Nachrede schuldig zu erklären und zu bestrafen sei. Nach
schwyzerischer Rechtsauffassung habe der Staat an der Verfolgung von
Ehrverletzungen kein eigenes Interesse.

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Das komme darin zum Ausdruck, dass Ehrverletzungsklagen ohne Vorbehalt im
Zivilprozessverfahren (§ 2 ZPO) und daher gemäss der Verhandlungsmaxime (§§
155 ff. ZPO) durchzuführen seien. Das Kantonsgericht habe durch die
Freisprechung gegen die klare Vorschrift des § 157 ZPO verstossen und dem
Beklagten in willkürlicher Weise mehr zugesprochen, als er selbst verlangt
habe. Zudem habe es den Tatbestand willkürlich gewürdigt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 69 I 17 ff., 70 I 78 ff.) ist
der durch eine strafbare Handlung Geschädigte nicht legitimiert, gegen einen
Einstellungsbeschluss oder ein freisprechendes Urteil staatsrechtliche
Beschwerde zu erheben, selbst wenn er im kantonalen Verfahren als
Privatstrafkläger allein an Stelle des nicht in Funktion tretenden
öffentlichen Anklägers aufgetreten ist. Im Urteil BGE 69 I 89 ff. wurde
entschieden, dass zu solcher Beschwerde auch derjenige grundsätzlich nicht
legitimiert sei, der wegen Ehrverletzung geklagt habe, doch wurde dabei offen
gelassen, ob dies auch gelte, wenn die Ehrverletzung im Zivilprozessverfahren
zu verfolgen ist. Da das nach § 2 Abs. 1 schwyz. ZPO für die vom
Beschwerdeführer eingeklagte Ehrverletzung zutrifft, muss die Frage heute
entschieden werden. Sie ist zu bejahen. Der Staat hat allerdings an der
Verfolgung von Ehrverletzungen in der Regel nur ein geringes Interesse. Das
ändert jedoch nichts daran, dass die auf Bestrafung des Täters gerichtete
Klage des Verletzten, selbst wenn sie nach dem massgebenden kantonalen Recht
im Zivilprozessverfahren durchzuführen ist, eine Strafklage darstellt (weshalb
z.B. dem Beklagten von jeher die Berufung auf Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV versagt wurde; BGE 14
S. 28, BURCKHARDT, Komm. zur BV S. 549). Der mit dieser Klage geltend gemachte
sog. Strafanspruch ist nach dem StGB öffentlich-rechtlicher Natur und steht,
als Befugnis und Pflicht zur Verhängung einer Strafe. ausschliesslich dem
Staate zu, unabhängig vom

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Verfahren, das die Kantone zu seiner Geltendmachung zur Verfügung stellen.
Daher kann der in seiner Ehre Verletzte, wenn er im Wege des Zivilprozesses
vorzugehen hat, wohl durch Rückzug der Klage (worin zugleich ein Rückzug des
Strafantrags liegt, Art. 31
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.
StGB) von der Verfolgung des Täters absehen, ist
aber, wenn der Täter einmal rechtskräftig verurteilt wurde, nicht befugt, auf
die Vollstreckung des Urteils zu verzichten. Geht es somit auch bei der im
Zivilprozessverfahren durchgeführten Ehrverletzungsklage ausschliesslich um
den staatlichen Strafanspruch, so kann ein Urteil, das diesen verneint, aus
den in BGE 69 I 17 ff. und 89 ff. näher ausgeführten Gründen vom Kläger nicht
durch staatsrechtliche Beschwerde angefochten werden. Dass ihm kantonale
Rechtsmittel und die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des
Bundesgerichts zur Verfügung stehen, ist belanglos, denn die Legitimation zur
staatsrechtlichen Beschwerde ist davon unabhängig; sie beurteilt sich
selbständig nach den dafür aufgestellten Vorschriften des OG (BGE 69 I 19 E. 1
am Ende, 59 I 80).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 I 292
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 28. November 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 I 292
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 88 OG).Wer wegen Ehrverletzung Klage auf...


Gesetzesregister
BV: 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
OG: 88
StGB: 31 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.
173
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
BGE Register
59-I-77 • 69-I-17 • 69-I-89 • 70-I-78 • 72-I-292
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
autonomie • beklagter • bundesgericht • ehre • entscheid • frage • funktion • gerichtskosten • kantonales recht • kantonales rechtsmittel • kantonales verfahren • kantonsgericht • kassationshof • legitimation • norm • rückzug • sprache • staatsrechtliche beschwerde • stelle • strafantrag • strafantragsteller • strafbare handlung • verhandlungsmaxime • verurteilter • verurteilung • wiese • zivilprozess