S. 212 / Nr. 38 Verwaltungs- und Disziplinarrecht (d)

BGE 72 I 212

38. Urteil vom 18. Oktober 1946 i.S. Wehropfer-Verwaltung Solothurn gegen F.
und Kantonale Rekurskommission Solothurn.


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Regeste:
Wehropfer II: Bewertung eines in städtischem Gebiete liegenden
landwirtschaftlichen Gewerbes.
Nouveau sacrifice pour la défense nationale: Estimation d'une exploitation
agricole située dans une zone urbaine.
Secondo sacrificio per la difesa nazionale: Valutazione d'una tenuta agricola
situata in una zona urbana.

A. ­ Die Beschwerdegegnerin ist Eigentümerin der Liegenschaft Schützenmatthof
an der Baselstrasse und an der Rötistrasse in Solothurn, zunächst der den
Stadtkern umschliessenden öffentlichen Anlage. Es stehen darauf ein von der
Eigentümerin bewohntes Herrschaftshaus Baselstrasse 12 mit Nebengebäuden (Nr.
10, 14 und 16), sowie, etwa 200 m davon entfernt an der Rötistrasse,
landwirtschaftliche Ökonomiegebäude (Nr. 22 und 24). Der Umschwung des
Herrschaftshauses umfasst 60 Aren (Vorplatz, Parkanlagen, Nutz- und
Ziergärten). Das übrige Land (928,47 a) wird mit den zugehörigen
Ökonomiegebäuden als Bauerngewerbe verpachtet.
B. - In der Steuererklärung für das II. Wehropfer hat die Beschwerdegegnerin
den Steuerwert dieses Grundbesitzes mit Fr. 300,000.­ angegeben. Die
Einschätzungsbehörde und die kantonale Rekurskommission haben das
Herrschaftshaus (mit Umschwung und den dazugehörenden Gebäuden) und den
landwirtschaftlich genutzten Teil der Liegenschaft (mit Ökonomiegebäuden)
getrennt geschätzt. Dabei kam die Rekurskommission für den als Herrschaftssitz
genutzten Teil der Liegenschaft auf einen Abgabewert von Fr. 150,000.­. Diese
Schätzung ist nicht bestritten.
Den als Bauerngewerbe verpachteten Teil des Liegenschaftskomplexes hatte die
Wehropferkommission unter Annahme eines Ertragswertes von Fr. 74,277.­ und
eines Verkehrswertes von Fr. 922,776.­ mit Fr. 410,000.­ bewertet,

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wogegen die Beschwerdegegnerin die Einschätzung zum Ertragswerte verlangte und
diesen mit Fr. 70,000.­ einsetzte.
Die Rekurskommission nahm als Ertragswert ebenfalls Fr. 74,000.- an. Der
Verkehrswert wurde auf Fr. 96,200.- festgesetzt (Fr. 74,000.- + 30 %) und der
Steuerwert auf Fr. 85,100.- (Mittel aus Fr. 74,000.- und Fr. 96,000.-). Dabei
ging die Kommission aus von der Annahme, der Verkehrswert des Hofes werde
beeinflusst durch das bäuerliche Bodenrecht (BRB vom 19. Januar 1940 über die
Massnahmen gegen die Bodenspekulation). Der Hof bilde einen für sich allein
lebensfähigen Landwirtschaftsbetrieb und das kantonale
Landwirtschaftsdepartement bejahe auf Anfrage hin die Anwendbarkeit des BRB.
Das bedeute, dass die Eigentümerin, gemäss Art. 8 Abs. 1 Ziff. 1 BRB, bei
einer Veräusserung des ganzen Hofes oder einzelner Teile nur einen Preis
erzielen könnte, der dem Ertragswert unter Hinzurechnung eines Zuschlages von
höchstens 30 % entsprechen würde. Der Verkehrswert des Hofes dürfe daher nicht
höher als auf Fr. 96,000.­ angesetzt werden.
Allerdings gestatte der BRB unter Umständen die Veräusserung von Grundstücken
ab landwirtschaftlichen Heimwesen ohne Preisbeschränkung (Art. 2, Abs. 3 und
Art. 7). Doch treffe die Bestimmung in Art. 2, Abs. 3, die allenfalls in Frage
kommen könnte (Verkauf zu Bauzwecken) nicht zu, da sie nach der Praxis der
zuständigen Behörden nicht angewandt werde, wenn, wie hier, Bebauungsplan,
Strassenanschlüsse und Kanalisationen fehlen. Unter diesen Umständen könne dem
Umstande keine Bedeutung beigemessen werden, dass der Hof nach seiner Lage,
unmittelbar vor den Toren der Stadt, bei der starken Nachfrage nach Bauland im
Stadtgebiete gesuchtes Bauland darstellen würde (Entscheid vom 6. März 1946).
C. - Die Wehropferverwaltung des Kantons Solothurn erbebt die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie beantragt, den Entscheid der
Rekurskommission vom 6. März 1946 aufzuheben und die Angelegenheit zu neuer
Beurteilung an

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die Vorinstanz zurückzuweisen. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt,
die Schätzung des landwirtschaftlich genutzten Teils des Schützenmattgutes
verletze die Vorschriften des Wehropferbeschlusses über die Bewertung von
Grundstücken und sei offensichtlich unrichtig. Die Rekurskommission habe den
Abgabewert des Gutes mit Rücksicht auf die landwirtschaftliche Nutzung nur
nach dem Ertragswert geschätzt und dabei ausser Acht gelassen, dass das ganze
Areal im Stadtgebiete liege und in bestimmten Teilen ausgesprochenes Bauland
sei. Der Abgabewert sei nach Art. 8 WOB II und Art. 31 , Abs. 1 WStB, nicht
nach Absatz 2, zu bewerten.
D. - Die Beschwerdegegnerin und die kantonale Rekurskommission beantragen
Abweisung der Beschwerde. Die Rekurskommission führt aus, die Behauptung in
der Beschwerde, im angefochtenen Entscheide sei das Gut ausschliesslich nach
dem Ertragswert bewertet worden, sei unrichtig. Der Entscheid habe das Mittel
zwischen dem reinen Ertragswert und demjenigen Verkehrswert ermittelt, welcher
auf Grund des Bodenspekulationsbeschlusses für landwirtschaftliche Güter
erzielt werden könnte; damit sei dem Umstande Rechnung getragen, dass der
Verkehrswert nicht ausschliesslich durch die landwirtschaftliche Nutzungsart
bestimmt wird. Auf Grund dieser Rechtsauffassung bedeute es auch keine
Unterlassung, dass im Entscheid die Baulandpreise in der Umgebung nicht in
Betracht gezogen wurden. Daran, dass der Bodenspekulationsbeschluss auf die
Bewertung landwirtschaftlich genutzten Grundeigentums für das Wehropfer einen
Einfluss habe, werde festgehalten. Nach der Bescheinigung des kantonalen
Landwirtschaftsdepartements, auf die sich der Entscheid stütze, könne von
unmittelbar zu Bauzwecken geeignetem Lande nur dann gesprochen werden, wenn
die für die Überbauung erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen
Vorbereitungsmassnahmen (Bebauungsplan, Kanalisation, Strassenanlagen)
getroffen oder wenigstens in die Wege geleitet seien.

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Die Beschwerdegegnerin erklärt, sie habe sich im Einsprache- und im kantonalen
Beschwerdeverfahren auf den Standpunkt gestellt, dass für die Einschätzung des
Landwirtschaftsbetriebes der Ertragswert gemäss Art. 8 WOB II in Verbindung
mit Art. 31 , Abs. 2 WStB massgebend sei. Sie halte auch vor Bundesgericht an
dieser Auffassung fest.
Es handle sich um einen für sich allein lebensfähigen landwirtschaftlichen
Betrieb. Ein solcher unterliege den Beschränkungen des BRB über die
Bodenspekulation. Daher würde einem Verkaufe des Schützenmatthofes die
Genehmigung verweigert werden, falls ein Kaufpreis vereinbart würde, der den
landwirtschaftlichen Ertragswert von Fr. 65,000.­ um mehr als 30 % übersteigen
würde. Da das Gut im Ertrage und im Veräusserungspreis durch die durch
bundesgesetzliche Normen bestimmten Maximalgrenzen beschränkt bleibe, dürfe
sich die Steuerbelastung nicht über diese Schranken hinwegsetzen und es dürfe
vom Pflichtigen nicht die Versteuerung eines Wertes verlangt werden, den er am
Stichtag (1. Januar 1945) weder als Kapital, noch dem Ertrage nach hätte
realisieren können.
Das Bundesgericht hat den angefochtenen Entscheid aufgehoben und die Sache zu
neuer Beurteilung an die kantonale Rekurskommission zurückgewiesen
in Erwägung:
1.- Landwirtschaftlich genutzte Grundstücke werden ausschliesslich zum
Ertragswert bewertet, wenn ihr Verkehrswert im wesentlichen durch die
landwirtschaftliche Nutzungsart bestimmt wird (Art. 31 , Abs. 2 WStB),
andernfalls gilt für sie, nach der allgemeinen Schätzungsregel für
Grundstücke, die Bewertung unter billiger Berücksichtigung des Verkehrswertes
und des Ertragswertes (Art. 31 , Abs. 1 WStB). Damit eine Schätzung
ausschliesslich zum Ertragswerte zulässig sei, genügt es demnach nicht, dass
ein Grundstück landwirtschaftlicher Nutzung dient; vielmehr muss sich
weiterhin die Annahme rechtfertigen, dem Grundstück werde auch im Verkehr ein
Wert

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beigemessen, der sich im wesentlichen nach dieser Nutzungsart bestimmt. Das
trifft zu bei Grundstücken, die nach Lage und Beschaffenheit dauernd zum
landwirtschaftlichen Boden gehören. Wo andere, günstigere Verwendungsarten
möglich sind und den Veräusserungswert erheblich beeinflussen, soll bei der
Einschätzung auch der (höhere) Veräusserungswert mitberücksichtigt werden. Der
tatsächlichen Verwendung für die weniger erträgliche landwirtschaftliche
Bewirtschaftung wird dadurch Rechnung getragen, dass der durch sie bestimmte
Ertragswert ebenfalls in Betracht gezogen wird, während bei andern
Vermögensgegenständen, vor allem bei beweglichem Vermögen, der Verkehrswert
allein den Steuerwert bestimmt (Art. 30 WStB). Die Unterscheidung von rein
landwirtschaftlichen Grundstücken und solchen, bei denen eine Ausbeutung zu
andern Zwecken dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen würde, ist keine
Besonderheit der Kriegssteuergesetzgebung. Sie wird z. B. auch im bäuerlichen
Erbrecht verwendet (vgl. BGE 50 II 330).
Als Nutzungsarten, die den Veräusserungswert erheblich beeinflussen, kommt vor
allem die Verwendung als Bau- und als Industrieland in Betracht. Grundstücke,
die nach Lage und Beschaffenheit als Bau- oder als Industrieland anzusprechen
sind, unterliegen, sofern ihr Verkehrswert durch diese andere
Nutzungsmöglichkeit wesentlich mitbestimmt wird, grundsätzlich, als nicht rein
landwirtschaftlicher Boden, der Bewertung unter Berücksichtigung des Ertrags-
und des Verkehrswertes.
2.- Es besteht im Grunde kein Streit darüber, dass der Schützenmatthof nach
Lage und Beschaffenheit Bauland in dem Sinne ist, dass die Eigentümerin, wenn
sie verkaufen wollte, ohne weiteres Käufer finden würde, die bereit wären, das
Land zu Preisen zu übernehmen, die durch die Möglichkeit einer Verwertung
durch Überbauung bestimmt sind. Die im Verfahren vor Bundesgericht
vorgenommene Besichtigung der Liegenschaft hat den schon zuvor auf Grund der
Akten gewonnenen Eindruck durchaus bestätigt,

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dass der Schützenmatthof ausgesprochenes Stadtgebiet geworden ist, und zwar
nicht allein schon wegen seiner Lage in nächster Nähe der Altstadt, sondern
vor allem zufolge fortschreitender Überbauung seiner Umgebung, der Ausdehnung
der Stadt rings um ihn herum und weit über ihn hinaus, sowie wegen seiner Lage
an der neuen Rötistrasse in unmittelbarer Nähe der Rötibrücke, mit der er in
die Nähe des Hauptbahnhofes gerückt ist und einen direkten Zugang dazu
erhalten hat. Das Hofgut ist offensichtlich lediglich deshalb noch nicht
überbaut, weil die Eigentümerin (verständlicherweise) vorzieht, die
hergebrachte Art der Bewirtschaftung fortzuführen. Ein solches Grundstück ist
nach Lage und Beschaffenheit eine städtische Liegenschaft, was grundsätzlich
bei der Festsetzung des Steuerwertes zu berücksichtigen ist. Eine Veranlagung
lediglich zum landwirtschaftlichen Ertragswert, wie sie von der
Beschwerdegegnerin beantragt wird, kann hier nach den bestehenden Vorschriften
über die Bewertung von Grundstücken offensichtlich nicht in Frage kommen.
Die Rekurskommission hat denn auch nach der Begründung ihres Entscheides nicht
allein auf den (landwirtschaftlichen) Ertragswert abgestellt, sondern auch
darauf Rücksicht genommen, dass die Liegenschaft in Handel und Wandel höher
gewertet würde. Dagegen hat sie geglaubt, bei Bestimmung des Betrages, der als
Verkehrswert anzurechnen ist, an die Beschränkungen gebunden zu sein, die die
Gesetzgebung über die Bodenspekulation dem Grundstückverkehr bei
landwirtschaftlichen Liegenschaften auferlegt. Sie nimmt an, im Hinblick auf
diese Gesetzgebung könne auch für den Verkehrswert nur ein Ansatz in Frage
kommen, der nach der Nutzung als Bauerngewerbe bemessen wird, nämlich
höchstens 130 % des landwirtschaftlichen Ertragswertes. Sie beruft sich auf
Art. 8, Abs. 1, Ziff. 1 des BRB vom 19. Januar 1940 über die Bodenspekulation,
wonach dem Verkaufe landwirtschaftlicher Grundstücke die für die Eintragung im
Grundbuch erforderliche

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Genehmigung (Art. 43 BRB) versagt werden soll, wenn ein Kaufpreis vereinbart
ist, der den landwirtschaftlichen Ertragswert mit einem Zuschlag von höchstens
30 % übersteigt. Da sie diesen Ansatz als den nach der bestehenden
Gesetzgebung höchstmöglichen Veräusserungswert ansah, mass sie dem Umstande
keine Bedeutung bei, «dass der Hof unmittelbar vor den Toren der Altstadt
gelogen ist, nach seiner Lage also gesuchtes Bauland darstellen würde, und
dass in der Stadt Solothurn starke Nachfrage nach Bauland herrscht» (S. 11/12
des Entscheides). Sie lehnte also die Bewertung als Bauland ab. Sie konnte
sich dabei auf eine Auskunft berufen, die der Vertreter der
Beschwerdebeklagten beim kantonalen Landwirtschaftsdepartement eingezogen
hatte. Darin wurde erklärt, «dass dem Verkauf des Schützenmatthofes, soweit
dieser landwirtschaftlich genutzt ist, die Genehmigung versagt werden müsste,
sofern ein Kaufpreis vereinbart würde, welcher den seinerzeit auf Fr. 65,000.­
errechneten Ertragswert um mehr als 30 % übersteigt... Die Genehmigung müsste
auch dann versagt werden, wenn von der oben erwähnten Liegenschaft grössere
Parzellen einzeln verkauft werden wollten. Nach Art. 9 des BRB soll die
Genehmigung in der Regel versagt werden, ... wenn bei Veräusserung von
Parzellen und Teilen ... die zurückbehaltenen Parzellen und Teile die
landwirtschaftliche Existenz des Betriebes nicht mehr sichern würden. Auch
hinsichtlich kleinerer Teilstücke ­ wenn Art. 9 nicht zutreffen würde ­ müsste
die Genehmigung der Handänderung dann versagt werden, wenn jene nicht
unmittelbar zu Bauzwecken erschlossen wären. Dies ist dann der Fall, wenn
Bebauungsplan, Strassenanschluss, Kanalisationen fehlen ...». Es frägt sich
daher, wie es sich in dieser Beziehung verhält.
3.- Es ist davon auszugehen, dass die Beschränkungen, denen der BRB den
Grundstückverkehr unterwirft, bei der Besteuerung berücksichtigt werden
müssen, soweit sie sich auf die für die Einschätzung massgebenden Werte
auswirken. Wenn eine Liegenschaft, für die die Steuergesetzgebung

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die Berücksichtigung des Verkehrswertes vorschreibt, den für das
landwirtschaftliche Bodenrecht geltenden Preisbeschränkungen unterliegt und
aus diesem Grunde überhaupt nur unter Beobachtung dieser Schranken veräussert
werden kann, so muss sich auch der für die Besteuerung massgebende
Verkehrswertansatz grundsätzlich in diesen Schranken halten (vgl. auch
KAUFMANN: Bodenrecht S. 101). Dass das landwirtschaftliche Bodenrecht auf
zeitlich beschränkten Vollmachtenbeschlüssen beruht, ist kein Grund, es nicht
zu berücksichtigen. Der Schutz, den es gewährt, entspricht nach heutiger
Erkenntnis Notwendigkeiten, die nicht zeitlich bedingt sind. Die Schranken des
landwirtschaftlichen Bodenrechts haben daher, ungeachtet der Form der Erlasse,
auf denen sie zur Zeit beruhen, dauernden Charakter, was es ausschliesst, sie
bei der Besteuerung zu übergehen.
Für rein landwirtschaftliche Gewerbe und Grundstücke allerdings, d. h. solche,
bei denen der Verkehrswert im wesentlichen durch die landwirtschaftliche
Nutzungsart bestimmt wird, bedeuten die Vorschriften des landwirtschaftlichen
Bodenrechts keine Schranken der Besteuerung. Als Steuerwert gilt hier der
Ertragswert. Ein Zuschlag, wie ihn die Rekurskommission in Betracht gezogen
hat, kommt nicht in Frage. Auch wenn der landwirtschaftliche Verkehrswert den
landwirtschaftlichen Ertragswert übersteigt, wird ausschliesslich auf den
Ertragswert abgestellt (Art. 31 , Abs. 2 WStB). Dass ein Verkauf zu einem etwas
höheren Preise zulässig wäre, ist nicht zu berücksichtigen. Eine Schranke kann
sich höchstens ergeben in Fällen, wo bei landwirtschaftlichen Liegenschaften
neben dem Ertragswert auch ein durch andere Nutzungsmöglichkeiten bestimmter,
höherer Verkehrswert zu berücksichtigen ist. Voraussetzung ist dabei, dass es
sich um eine Liegenschaft handelt, auf die der BRB anwendbar ist und für die
er in Wirklichkeit eine Schranke enthält. Die Rekurskommission hat auf Grund
der Auskunft des kantonalen Landwirtschaftsdepartements angenommen, dass es
sich hier so

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verhalte. Indessen erheben sich gegen diese Auffassung Bedenken.
4.- Der Augenschein hat ergeben, dass der Schützenmatthof heute nach Lage und
Beschaffenheit städtisches Bauland ist. Danach wird sich, falls der jetzige
Eigentümer das Land veräussern sollte, der Kaufpreis in der Hauptsache
richten; Darauf, dass es sich nicht um erschlossenes Bauterrain handelt, dass
für das Grundstück noch kein Bebauungsplan besteht, dass darauf noch keine
Strassen und Kanalisationen errichtet sind, kommt es nicht an. Die
Erschliessung als Bauterrain ist kein Erfordernis für die Charakterisierung
eines Gebietes als Bauland. Ob sie stattfindet, hängt ab vom Willen des
Eigentümers. Er wird sie nicht vornehmen, wenn und solange er die Uberbaunng
verhindern will, z. B. das Grundstück aus Liebhaberei, Eigensinn oder
Spekulation landwirtschaftlich bewirtschaftet, während es infolge seiner Lage
als Bau- und Industrieland ein Mehrfaches seines landwirtschaftlichen Ertrages
abwerfen würde (BGE 50 II S. 331). Für die Charakterisierung als Bauland muss
es genügen, dass die Liegenschaft im Verkehr als Bauland bewertet würde und
dass sich unter Berücksichtigung aller Verhältnisse die Annahme rechtfertigt,
der Eigentümer werde das Land, wenn er verkaufen will, nur zu Baulandpreisen
abgeben.
Unter dieser Voraussetzung wäre aber auch das landwirtschaftliche Bodenrecht
hier wohl kaum ein Hindernis für eine Veräusserung zu Baulandpreisen. Denn
seine Preisbeschränkungen sind auf städtisches Bauland nicht anwendbar. Der
BRB schliesst nicht nur die Preisbeschränkung für Verkäufe zu Bauzwecken aus
(Art. 2, Abs. 3), sondern er lässt Liegenschaften, die in Städten oder in
Ortschaften mit städtischen Verhältnissen gelegen sind, überhaupt von der
Ordnung des landwirtschaftlichen Bodenrechts ausnehmen (Art. 50, Abs. 1 BRB).
Für städtische Grundstücke soll die regionale Ordnung durch die kantonale und
Gemeindegesetzgebung vorbehalten sein

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(vgl. KAUFMANN: Bodenrecht § 5, S. 8 f., 107 f.). Dass diese Regelung
vorbehalten wird, beruht auf dem Gedanken, dass die materielle Ordnung des
landwirtschaftlichen Bodenrechts für städtischen Grund und Boden nicht passt
und dass es sachlich unrichtig wäre und zu unrichtigen Ergebnissen führen
würde, ihn dieser Ordnung zu unterwerfen.
Eine gewisse Unsicherheit könnte sich höchstens daraus ergeben, dass die
kantonale Gesetzgebung von der ihr in Art. 50, Abs. 1 BRB eingeräumten
Befugnis, das Stadtgebiet zu bezeichnen, sehr spärlich Gebrauch gemacht hat
(KAUFMANN, a.a.O. S. 107 f.). Das hat zur Folge, dass landwirtschaftlich
beworbene Grundstücke, auch wenn sie in Städten liegen, dem
landwirtschaftlichen Bodenrecht bis zu ihrer Veräusserung formell unterstellt
bleiben und dass über die Anwendbarkeit seiner materiellen Bestimmungen
massgebend erst entschieden wird, wenn ein konkretes Rechtsgeschäft über sie
im Grundbuch eingetragen werden soll (Art. 42 ff. BRB). Die Eintragung darf
nicht vorgenommen werden, bevor das Geschäft von der zuständigen Behörde
genehmigt ist. Im Genehmigungsverfahren erweist sich dann, ob die materiellen
Vorschriften über den Rechtsverkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken
überhaupt anzuwenden sind und welche Beschränkungen sich eventuell aus ihnen
ergeben. Aus dem Umstande allein, dass ein Grundstück formell dem
Genehmigungsverfahren unterliegt, darf daher, wenn es sich um ein städtisches
Grundstück handelt, weder geschlossen werden, dass es der landwirtschaftlichen
Bodengesetzgebung materiell unterworfen ist, noch dass sich aus ihr im Falle
einer Veräusserung Preisbeschränkungen ergeben. Zudem bestände für Verkäufe,
die zu Bauzwecken erfolgen, auch die Ausnahme in Art. 2, Abs. 3 des BRB.
5.- Die kantonale Rekurskommission hat angenommen, dass auf den
Schützenmatthof die Preisbeschränkung in Art. 8, Abs. 1, Ziff. 1 des BRB
anzuwenden sei und dass die Eigentümerin bei Veräusserung des gesamten Hofes

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oder bei Veräusserung einzelner Teile nur einen Preis lösen könnte, welcher
dem Ertragswert unter Hinzurechnung eines Zuschlages von höchstens 30 %
entspricht. Sie hat sich dabei auf die Auskunft des
Landwirtschaftsdepartements vom 22. Januar 1946 berufen. Indessen hat die
Auskunft schon an sich nicht die Tragweite, die ihr die Rekurskommission
beigemessen hat. Denn sie schliesst nicht jede Veräusserung zu Baulandpreisen
schlechtweg aus, sondern würde (unter Vorbehalt von Art. 9 BRB:
Lebensfähigkeit des verbleibenden Landwirtschaftsbetriebes) Baulandpreise
wenigstens für kleinere Stücke in einem als Bauland erschlossenen Teil des
Gutes zulassen. Weiterhin ist aber, was in der Auskunft offenbar nicht
genügend erwogen worden ist, zu berücksichtigen, dass der Schützenmatthof
heute ausgesprochen städtisches Gebiet ist, auch soweit ein Bebauungsplan
nicht besteht, und dass die Lage des Grundstückes und die Verhältnisse des
Liegenschaftsmarktes in der Stadt Solothurn notwendig zu einer Verwertung als
Bau- oder Industrieland führen müssten, wenn nicht die derzeitige Eigentümerin
die Bewirtschaftung als Bauerngewerbe einer wirtschaftlich günstigeren
Verwertung vorziehen würde. Unter diesen Umständen ist die Auffassung, dass
der Verkehrswert des Schützenmatthofes durch die Vorschriften des BRB
beschränkt wird, nicht haltbar. Sie verkennt, dass das Grundstück nach Lage
und Beschaffenheit den Charakter von Bauland in städtischen Verhältnissen
aufweist, auch wenn die Eigentümerin das darauf eingerichtete Bauerngewerbe
aufrecht erhält.
Die Einschätzung muss daher aufgehoben werden. Die Rekurskommission wird den
Wert der Liegenschaft neu zu bestimmen haben, wobei der Verkehrswert
unabhängig von der in Art. 8, Abs. 1 Ziff. 1 des BRB für landwirtschaftliche
Grundstücke vorgesehenen Preisbegrenzung zu bemessen ist.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 I 212
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 18. Oktober 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 I 212
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Wehropfer II: Bewertung eines in städtischem Gebiete liegenden landwirtschaftlichen...


Gesetzesregister
WStB: 30  31
BGE Register
50-II-329 • 72-I-212
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
ertragswert • bauland • landwirtschaftsbetrieb • steuerwert • kaufpreis • landwirtschaftliches grundstück • wert • bodenspekulation • frage • berechnung • wille • kaufmann • bundesgericht • bewilligung oder genehmigung • wirkung • grundbuch • genehmigungsverfahren • charakter • benutzung • unternehmung
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