S. 205 / Nr. 37 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 72 I 205

37. Urteil vom 25. Oktober 1946 i.S. eidg. Steuerverwaltung gegen
Personalfürsorgestiftung der Firma H. und Basel-Stadt,
Wehropfer-Rekurskommission.


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Regeste:
Wehropfer: Personalfürsorgestiftungen sind nur dann vom Wehropfer befreit.
wenn ihr Vermögen dem Fürsorgezweck ausschliesslich dient.
Sacrifice pour la défense nationale: Les fondations en faveur du personnel ne
sont exonérées du sacrifice pour la défense nationale que lorsque leur fortune
sert exclusivement au but d'assis.
Sacrificio per la difesa nozionale: Le fondazioni a favore del personale sono
esonerato dal sacrificio per la difesa nazionale soltanto se la loro sostanza
serve esclusivamente a scopo assistenziale.

A. - Die Kollektivgesellschaft H. hat unter dem Namen Personalfürsorgestiftung
der Firma H. eine Stiftung im Sinne von Art. 80 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 80 - Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es der Widmung eines Vermögens für einen besondern Zweck.
. ZGB errichtet und im
Handelsregister eintragen lassen (Ziff. I der Stiftungsurkunde vom 27.
Dezember 1939). Die Stiftung soll der Fürsorge für die Angestellten der Firma
H. und einer allfälligen Rechtsnachfolgerin dienen, insbesondere einerseits
den Angestellten, die infolge Aufgabe des Geschäftes oder infolge von
Betriebseinschränkungen entlassen werden ­ über die gesetzlichen oder
vertraglichen Leistungen der Arbeitgeberin hinaus ­ zusätzliche Zuwendungen
zukommen lassen, und anderseits die Angestellten und ihre Angehörigen gegen
die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität und Tod schützen. In
welchen Fällen und in welchem Ausmasse Leistungen gemacht werden, bestimmt
allein der Stiftungsrat (aus Ziff. II). Bei der Errichtung widmete die Firma
H. der Stiftung einen Betrag von Fr. 400,000.­ in Form einer Buchforderung, zu
deren Verzinsung die Firma nicht verpflichtet sein sollte. Der Stiftungsrat
wurde berechtigt erklärt, das Stiftungsvermögen nach freiem Ermessen «auch
anderweitig anzulegen ohne indessen verantwortlich zu werden, wenn sich
infolge dieser Tatsache irgendwelche Verluste ergeben sollten». Weitere
Zuwendungen

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stehen der Firma frei, doch soll sie dazu nicht verpflichtet sein. Das
Stiftungskapital darf für den Stiftungszweck verbraucht werden (aus Ziff.
III). Bei Auflösung der Stiftung beschliesst der Stiftungsrat über die
Verwendung des dann vorhandenen Vermögens im Sinne des Stiftungszweckes. Die
Stiftung löst sich auch auf, wenn ihr gesamtes Vermögen für Stiftungszwecke
verwendet ist (aus Ziff. V).
Im Jahre 1940 machte die Stiftung keine Auszahlungen. Dagegen wurden einer
Anzahl von Angestellten, die auf den 31. Januar 1941 entlassen wurden,
einmalige Entschädigungen von zusammen Fr. 36,650.­ zugesprochen. Sodann
wurden Ende 1942 an die Tochter eines verstorbenen Angestellten Fr. 3000.­
ausbezahlt, anfangs 1943 wurde der Witwe eines Angestellten ein
Lebenskostenbeitrag von Fr. 100.­ im Monat auf Zusehen hin zugesprochen und
weiterhin eine bisher von der Firma ausgerichtete Pension an einen frühern
Angestellten auf Rechnung der Stiftung übernommen. Anderseits machte die Firma
der Stiftung weitere Zuwendungen von Fr. 28,000.­ Ende 1940, Fr. 13,650.­ Ende
1941 und Fr. 32,000.­ Ende 1942. Demgemäss hat die Stifterin der Stiftung in
der Zeit vom 1. Januar 1940 bis Ende Mai 1943 im Ganzen Fr. 73,650.­ zukommen
lassen, während in der gleichen Zeit Fr. 41,650.­ zu Auszahlungen an frühere
Angestellte oder deren Angehörige aufgewendet wurden.
B. - Bei Abgabe der Erklärung für das I. Wehropfer am 16. Dezember 1940 hatte
die Personalfürsorgestiftung Anspruch auf Befreiung gemäss Art. 12, Ziff. 3
WOB I erhoben, weil ihr Vermögen ausschliesslich zu Fürsorgezwecken bestimmt
sei und diesem Zwecke nicht entfremdet werden dürfe; später hat sie sich dann
auf Art. 12, Ziff. 4bis WOB I (BRB vom 7. Mai 1941) berufen. Die kantonale
Rekurskommission hat den Anspruch anerkannt mit der Begründung, nach dem
Stiftungsstatut bleibe das Vermögen dem Zwecke der Stiftung gesichert, auch
wenn, nach dem im Stiftungsstatut enthaltenen Vorbehalt, später

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Änderungen an der Stiftung vorgenommen werden sollten. Dass das
Stiftungsvermögen in einer unverzinslichen Forderung an die
Kollektivgesellschaft bestehe, hindere die Befreiung nicht. Übrigens habe die
Stifterin der Stiftung in den Jahren 1940 bis 1943 Zuwendungen gemacht, die
den überhaupt denkbaren Ertrag des Stiftungsvermögens wie auch die
Aufwendungen der Stiftung für Wohlfahrtszwecke weit übersteigen. Unter diesen
Umständen seien die Voraussetzungen nach Art. 12, Ziff. 4bis WOB I zweifellos
erfüllt (Entscheid vom 8. März 1946).
C. - Die eidgenössische Steuerverwaltung erhebt die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, diesen Entscheid aufzuheben und
die Personalfürsorgestiftung der Firma H. für ein Vermögen von Fr. 400,000.­
wehropferpflichtig zu erklären. Sie führt zur Begründung aus, die
Personalfürsorgestiftung der Firma H. erfülle die Voraussetzungen für die
Befreiung nicht, weil der aus den beiden unbeschränkt haftenden
Gesellschaftern der Stifterin bestehende Stiftungsrat berechtigt sei, das
Vermögen nach freiem Ermessen anzulegen, ohne für die daraus entstehenden
Verluste verantwortlich zu werden, und weil das Stiftungsvermögen in Form
einer Forderung an die Stifterin bestellt werde, zu deren Verzinsung die
Stifterin nicht verpflichtet sei. Eine derartige Ordnung widerspreche den
Anforderungen, die an eine reine Personalfürsorgestiftung gestellt werden
müssten.
D. ­ Die kantonale Rekurskommission und die Beschwerdegegnerin beantragen
Abweisung der Beschwerde. Die Rekurskommission bemerkt im wesentlichen, dass
eine Entfremdung des Stiftungsvermögens möglich wäre, lasse sich auf Grund der
Ordnung im Stiftungsstatut nicht annehmen. Unbegründet sei auch der Vorwurf,
dass das Vermögen der Stiftung von der Stifterin als billiger unkündbarer
Kredit ausgenützt werde. Eine anderweitige Anlage des Vermögens sei ­ wie im
kantonalen Rekursverfahren glaubhaft dargetan wurde ­ lediglich aus
Sicherheitsgründen unterblieben. Ausserdem seien aber auch die

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erheblichen weiteren Zuwendungen zu berücksichtigen, die für die Stiftung
aufgebracht worden seien.
Auch die Beschwerdegegnerin bestreitet die Möglichkeit einer Entfremdung des
Stiftungsgutes. Wenn dem Stiftungsrat vorbehalten werde, das Stiftungsvermögen
nach freiem Ermessen, d.h. nicht in einer Forderung an die Firma H. anzulegen,
ohne dabei für Verluste verantwortlich zu werden, so sei dies mit Rücksicht
darauf geschehen, dass in wenig stabilen Zeiten auch mündelsichere Anlagen
Kursverluste bringen können, die die Zinserträgnisse vieler Jahre aufzehren.
Der Stiftungsrat habe nie etwas anderes beabsichtigt, als das
Stiftungsvermögen in schweizerischen mündelsicheren Obligationen anzulegen.
Tatsächlich seien denn auch im Juni 1945, bei einem Stiftungsvermögen von Fr.
437,000.­, Fr. 350,000.­ in eidgenössischen Obligationen angelegt worden. ­
Dass das Einkommen der Stiftung für andere als Wohlfahrtszwecke verwendet
werde, weise die Beschwerdeführerin nicht nach. Die Firma habe das
Stiftungsgut gleich ihren eigenen Mitteln verwaltet, d. h. angesichts der
damaligen Unsicherheit verzinslicher Anlagen zinslos bei schweizerischen
Banken stehen lassen. Über die Richtigkeit einer derartigen Anlagepolitik
seien zwar Meinungsverschiedenheiten denkbar. Doch ändere das nichts daran,
dass kein Einkommen der Stiftung zu stiftungsfremden Zwecken verwendet worden
sei. Übrigens bestreite die eidg. Steuerverwaltung nicht, dass die sukzessiven
Zuwendungen der Kollektivgesellschaft H. einen normalen Ertrag des
Stiftungsvermögens erheblich überstiegen.
Das Bundesgericht hat den angefochtenen Entscheid aufgehoben und die
Personalfürsorgestiftung wehropferpflichtig erklärt,
in Erwägung:
1.- Nach Art. 12, Ziff. 4bis WOB I sind vom eidgenössischen Wehropfer befreit
die nach Art. 80 f
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 80 - Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es der Widmung eines Vermögens für einen besondern Zweck.
. ZGB errichteten Stiftungen, deren Vermögen dauernd Zwecken

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der Wohlfahrt von Angestellten und Arbeitern einer oder mehrerer
Unternehmungen gewidmet ist und deren Einkommen ausschliesslich für solche
Zwecke verwendet wird. Es werden also zwei Erfordernisse aufgestellt, damit
die Befreiung eintritt, das Vermögen der Stiftung muss dauernd dem
Personalfürsorgezweck gewidmet sein, und das Einkommen der Stiftung muss
ausschliesslich für solche Zwecke verwendet werden.
2.- Auf Grund der Ordnung des Stiftungsstatuts darf davon ausgegangen werden,
dass die Widmung des Stiftungskapitals von Fr. 400,000.­ als definitiv
anzusehen ist und dass das Kapital dem Stiftungszweck auf alle Fälle gesichert
bleibt. Die Stiftungsurkunde behält zwar die Möglichkeit von späteren
Abänderungen der Stiftungsordnung vor, indessen dürfen dabei (Ziff. II, Abs.
3) die «bis zu diesem Zeitpunkte» der Stiftung zugeführten Mittel dem
Stiftungszweck nicht entfremdet werden. Was die Stiftung bis dahin erhalten
hat, also auch das ursprüngliche Guthaben von Fr. 400,000.­ (in seinem
jeweiligen Bestande), soll dem Stiftungszweck verbleiben. Es kann übrigens
auch bei Auflösung der Stiftung nicht zurückgenommen werden. Denn es darf in
diesem Falle darüber nicht anders als «im Sinne des Stiftungszweckes» (Ziff.
V, Abs. 2) verfügt werden. In den Anordnungen über die Anlage des
Stiftungsvermögens und die Verantwortung für daraus etwa entstehende Verluste
(Ziff. III, Abs. 2) sodann liegt wohl kaum eine Ermächtigung zu
Spekulationsgeschäften mit dem Stiftungsgute. Sie sollen wohl, richtig
verstanden, dem Stiftungsrate ermöglichen, über die Anlage des
Stiftungsvermögens, vor allem die Umwandlung der zinslosen Anlage bei der
Firma in verzinsliche Anlagen, nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden
im Rahmen der Gesichtspunkte, von denen die Stiftungsräte bei den eigenen
Anlagen der Firma ausgehen; es soll also die Auffassung des Stiftungsrates
über die jeweiligen Verhältnisse des Anlagemarktes massgebend sein. Dem
Stiftungsrate werden damit wohl kaum weitere

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Befugnisse eingeräumt, als ihm nach der gesetzlichen Ordnung der
Stiftungsverwaltung ohnehin zustehen würden. Im übrigen untersteht die
Stiftungsverwaltung der Stiftungsaufsicht. Diese hätte von amteswegen
einzuschreiten, wenn der Stiftungsrat Massnahmen treffen sollte, die einer
sachgemässen Verwaltung des Stiftungsvermögens nicht mehr entsprächen. Auch in
dieser Beziehung darf also die Widmung des Vermögens für die Zwecke der
Stiftung als gesichert angesehen werden.
3.- Gleichwohl ist das Begehren um Befreiung vom Wehropfer nicht begründet.
Denn die Stifterin hat das Stiftungsvermögen dem Wohlfahrtszwecke nicht
vollständig zugewendet, sondern sie hat ihre Zuweisung auf den Kapitalbetrag
beschränkt, die Nutzung am Stiftungsgute dagegen zurückbehalten. Damit ist
aber das Stiftungsgut dem Stiftungszwecke nicht ganz gewidmet, sondern es
dient, solange diese Ordnung beibehalten wird, gleichzeitig einem doppelten
Zweck. Einerseits bildet es eine Reserve, die im wesentlichen für die
statutarischen Leistungen zurückgestellt ist, die der Stiftung später,
vielleicht in einem entfernt liegenden Zeitpunkte erwachsen mögen bei
Auflösung der Unternehmung H., oder in Krisenzeiten, in denen die Firma die
laufenden Leistungen für die Personalfürsorge nicht aufzubringen vermag; sowie
als Ausgleichsfonds für den Fall, dass die Leistungen, die während des
Bestandes der Unternehmung H. fortlaufend zu Lasten der Stiftung zugesprochen
werden, die Zuwendungen vorübergehend übersteigen, die die Unternehmung hiefür
jährlich aus Mitteln des Geschäftsbetriebes zur Verfügung stellt. Ein solcher
Überschuss ergab sich auf den 31. Januar 1941, also zu Beginn des zweiten
Jahres nach Errichtung der Stiftung, anlässlich der Entlassung von 19
Arbeitskräften. Er betrug Fr. 8650.­ und wurde auf Ende 1941 ausgeglichen.
Seither genügten die Zuwendungen der Firma zur Deckung der Leistungen, die der
Stiftungsrat zusprach. Anderseits bildet der Stiftungsfonds, soweit er nicht
zu derartigen Überbrückungen in Anspruch

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genommen ist, eine Verstärkung der Betriebsmittel der Unternehmung und sollte
als für Zwecke des Geschäftsbetriebes dauernd in Anspruch genommenes fremdes
Kapital verzinst werden. Dadurch, dass die Stifterin die normale Verzinsung
bei der Zuwendung statutarisch ausgeschlossen hat, nimmt sie das
Stiftungskapital, solange es lediglich Garantiefonds für eine spätere ­
vielleicht in heute unabsehbarer Zeit liegende - Verwendung zurückgelegt
worden ist, mit für einen Zweck in Anspruch, der mit der Fürsorge nichts zu
tun hat, im Hinblick auf welche in Art. 12, Ziff. 4bis WOB I eine Befreiung
vom Wehropfer angeordnet worden ist.
Darauf, wie die Firma H. ihre eigenen Mittel anlegt, wenn sie verfügbar
werden, kann es nicht ankommen. Denn das Stiftungsgut wäre, wenn es der
Stiftung ganz und zu ausschliesslicher Verwendung zugesprochen würde, für die
Stifterin und für deren Geschäftsbetrieb zu fremden Mitteln geworden und
hätte, wenn eine vollständige Ausscheidung beabsichtigt gewesen wäre, im
Betrieb der Firma H. als eine Schuld, als langfristiges Darlehen behandelt
werden müssen. Es wäre dafür demnach die Verzinsung zu gewähren gewesen, die
Unternehmungen von der Art der Stifterin sonst für solche Darlehen
aufzubringen haben. Die Firma H. behandelt aber das Stiftungsgut, solange es
nicht in Anspruch genommen ist, wie ihre eigenen Mittel, sieht also von einer
vollständigen Ausscheidung des Stiftungsgutes und seiner Zuweisung an die
Stiftung zu ausschliesslicher Verwendung ab.
Die jährlichen Zuwendungen der Firma H. aber dienen offensichtlich im
wesentlichen den laufenden Bedürfnissen der Stiftung. Sie werden zudem nach
ausdrücklicher Ordnung im Stiftungsstatut durchaus freiwillig, lediglich auf
Zusehen hin erbracht und vermögen die mangelnde Verzinsung des Stiftungsgutes
schon deshalb nicht zu ersetzen, weil jede Garantie dafür fehlt, dass sie
regelmässig und dauernd, auch bei schlechtem Geschäftsgang, ausgerichtet
würden.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 I 205
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 25. Oktober 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 I 205
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Wehropfer: Personalfürsorgestiftungen sind nur dann vom Wehropfer befreit. wenn ihr Vermögen dem...


Gesetzesregister
ZGB: 80
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 80 - Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es der Widmung eines Vermögens für einen besondern Zweck.
BGE Register
72-I-205
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
stiftung • stiftungsrat • weiler • stiftungskapital • unternehmung • kollektivgesellschaft • ermessen • beginn • zahl • widmung • richtigkeit • stiftungsurkunde • darlehen • entscheid • ausgabe • beendigung • errichtung eines dinglichen rechts • benutzung • begründung des entscheids • arbeitnehmer
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