S. 194 / Nr. 36 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 72 I 194

36. Urteil vom 8. November 1946 i. S. Allgemeine Konsumgenossenschaft Grenchen
und Umgebung gegen eidg. Steuerverwaltung.


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Regeste:
Ausgleichsteuer: Herabsetzung im Hinblick auf Sozialleistungen des
Steuerpflichtigen an das eigene Personal (Art. 11 Abs. 4 lit. b AStB).
Impôt compensatoire: Réduction accordée en raison des prestations sociales
faites par le contribuable à son propre personnel (art. 11 al. 4 lit. b AIC).
Imposta compensativa: Riduzione accordata a motivo delle prestazioni sociali
fatte dal contribuente al suo personale (art. 11 cp. 4 lett. b DIC).

A. - Der Bundesbeschluss über die Ausgleichsteuer vom 4. September 1940 (AStB)
bestimmt in Art. 11 Abs. 4:
«Die nach Anlage I berechnete Steuer kann um höchstens einen Viertel
herabgesetzt werden:
a) .....
b) wenn die sozialen Leistungen des Steuerpflichtigen an das eigene Personal
in dem dem Steuerjahr vorangegangenen Jahr 5% der Lohnsumme überstiegen haben.
Die Steuer darf auf keinen Fall um mehr als den Betrag dieses Überschusses
ermässigt werden.
Einsprachen, die sich aus der Anwendung dieser Bestimmung ergeben, werden nach
Einholung eines Gutachtens der Ausgleichsteuerkommission entschieden.»
Nach der Praxis der eidgenössischen Steuerverwaltung wird die
Steuerermässigung nicht in allen Fällen, wo die Voraussetzung von Art. 11 Abs.
4 lit. b erfüllt ist, in der zulässigen Maximalhöhe (Überschuss der
Sozialleistungen über 5% der Lohnsumme bezw. ein Viertel der Steuer) gewährt,
sondern nach der Höhe der Sozialleistungen abgestuft. Bis 1942 wurde dafür
abgestellt auf die Verhältniszahl der Sozialleistungen zur Lohnsumme zuzüglich
5%: Wer 5-20% der Lohnsumme an Sozialleistungen ausgerichtet hatte, konnte
dementsprechend 10-25% der Steuer abziehen; bei Sozialleistungen von mehr als
20% der Lohnsumme betrug

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der Abzug das Maximum von 25%. Dieser Auslegung pflichtete die
Ausgleichsteuerkommission in einem Gutachten vom 21. Januar 1944 in Sachen
Robert Ober bei mit der Empfehlung, ab 1. Januar 1943 den Zuschlag von 5% auf
7% zu erhöhen. Dementsprechend wurde die Praxis seit 1943 geändert.
B. - Die der Ausgleichsteuerpflicht unterliegende Allgemeine
Konsumgenossenschaft Grenchen & Umgebung beanspruchte in ihrer Abrechnung für
das Steuerjahr 1942 gestützt auf Art. 11 Abs. 4 lit. b AStB die Herabsetzung
der Steuer um einen Viertel, d. h. um Fr. 1226.80. Auf Anfrage begründete sie
dies damit, dass ihre Sozialleistungen an das eigene Personal im Jahre 1941
Fr. 13,065.­ betrugen, also mehr als 5% der Lohnsumme von Fr. 178,209.90.
Am 24. März 1944 entschied die eidgenössische Steuerverwaltung gemäss ihrer
vorerwähnten Praxis, dass die von der Rekurrentin für das Jahr 1942 zu
entrichtende Ausgleichsteuer um 12,3% = Fr. 605.05 herabgesetzt werden dürfe,
weil ihre Sozialleistungen im Jahre 1941 7,3% der Lohnsumme ausmachten.
Hiegegen erhob die Rekurrentin Einsprache mit dem Antrag auf Abzug der 5% der
Lohnsumme übersteigenden Sozialleistungen in vollem Umfang bis zu einem
Viertel der Steuersumme. Sie bezeichnete die von der eidgenössischen
Steuerverwaltung aufgestellte Skala als gesetzwidrig, willkürlich und
unmoralisch.
Die Ausgleichsteuerkommission gab in ihrer Sitzung vom 22. Mai 1946 mit
Mehrheit folgendes Gutachten ab:
«Art. 11 Abs. 4 lit. b AStB gibt dem Steuerpflichtigen das Recht, die
geschuldete Steuer um den Betrag herabzusetzen, um den seine Sozialleistungen
5% der Lohnsumme übersteigen, höchstens jedoch um 25% der Steuerschuld.»
Eine Minderheit stimmte für ein gegenteiliges Gutachten:
«Die eidgenössische Steuerverwaltung bleibt im Rahmen ihrer Zuständigkeit,
wenn sie Art. 11 Abs. 4 lit. b AStB anhand einer

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von der Ausgleichsteuerkommission anlässlich der Sitzung vom 21. Januar 1944
genehmigten Skala in einer dem Gesetze entsprechenden Weise zu vollziehen
sucht.»
C. - Mit Entscheid vom 6. Juni 1946 hat die eidgenössische Steuerverwaltung
die Einsprache der Rekurrentin abgewiesen. Zur Begründung führt sie aus, Art.
11, Abs. 4 AStB stelle für den Abzug wegen Sozialleistungen ein doppeltes
Maximum auf, lege aber nicht fest, wie hoch er innert dieser Grenze zu
bemessen sei, lasse vielmehr dem Ermessen der eidgenössischen Steuerverwaltung
Spielraum; nur dadurch könne der Vielgestaltigkeit der Erscheinungen und dem
tiefern Sinn der Bestimmung in zweckmässiger Weise Rechnung getragen werden.
In Anwendung dieses Ermessens lege die eidgenössische Steuerverwaltung der
Berechnung des Steuerabzuges die beschriebenen und seinerzeit von der
Ausgleichsteuerkommission gebilligten Richtlinien zugrunde, die gesetzlich
zulässig und im Effekt vernünftig seien. Sie könne sich dem anders lautenden
Gutachten der Kommissionsmehrheit umso weniger anschliessen, als die
Minderheit an der bisherigen Stellungnahme der Kommission festhalte.
D. - Mit rechtzeitig geführter verwaltungsgerichtlicher Beschwerde beantragt
die Rekurrentin, dieser Entscheid sei aufzuheben und zu erkennen, dass sie
berechtigt sei, die 5% der Lohnsumme übersteigenden Sozialleistungen in vollem
Umfang bis zu einem Viertel von der Ausgleichsteuersumme pro 1942 abzuziehen.
Art. 11 Abs. 4 AStB gebe dem Pflichtigen einen genau abgegrenzten Anspruch auf
Herabsetzung seiner Steuerleistung; deren Verweigerung durch die
eidgenössische Steuerverwaltung sei eine Ermessensüberschreitung und Willkür.
Der Gesetzgeber betrachte als sozialen Arbeitgeber den, der mehr als 5% der
Lohnsumme an Sozialleistungen erbringe, und belohne ihn durch einen Abzug, der
einerseits durch die 5% der Löhne, anderseits auf 25% der Steuer begrenzt sei.
Indem die eidgenössische

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Steuerverwaltung diese Abstufung verschärfe, nehme sie dem Steuerpflichtigen
willkürlich weg, was ihm der Gesetzgeber gewährt habe. Zugleich werde damit
die Steuer im Sinne von Art. 104 Abs. 2 OG offensichtlich unrichtig berechnet.
Entgegen der Absicht des Gesetzgebers werde nach der Skala der eidgenössischen
Steuerverwaltung nicht mehr der soziale Arbeitgeber belohnt; denn wer 18%
Sozialleistungen über die Löhne hinaus gewähre, sei sicher kein guter
Lohnzahler. Die gleiche Behandlung ungleicher tatsächlicher Verhältnisse -
verschiedener Löhne - verstosse gegen die Rechtsgleichheit.
Die Aufstellung der Skala durch die eidgenössische Steuerverwaltung sei keine
Verwendung von Erfahrungsziffern im Rahmen ihres Ermessens, sondern eine
Ausführungsverordnung, zu deren Erlass sie nicht zuständig sei, und schliesse
gerade die richtige Handhabung des Ermessens, d. h. die Beurteilung des
Einzelfalles, aus.
Wenn auch die Ausgleichsteuerkommission nur konsultativen Charakter habe, so
habe ihr doch der Gesetzgeber grosse Bedeutung einräumen wollen. Dem Urteil
seien die Gedankengänge ihres Gutachtens zugrunde zu legen, über das sich die
eidgenössische Steuerverwaltung hinwegsetze. Ihre Berufung auf eine frühere
Stellungnahme der Kommission gehe fehl; denn im Falle Ober habe es sich um
eine ganz andere Frage gehandelt.
E. - Die eidgenössische Steuerverwaltung beantragt Abweisung der Beschwerde.
F. - Für das Jahr 1946 hat die Steuerverwaltung eine neue abgeänderte Skala
für die Erledigung von Herabsetzungsgesuchen aufgestellt. Danach wird eine
Herabsetzung der Steuer im gesetzlich zulässigen Höchstbetrage von einem
Viertel den Steuerpflichtigen gewährt, deren Sozialleistungen mindestens 10%
der Lohnsumme ausmachen. Bei Sozialleistungen im gesetzlichen Mindestbetrag
(mehr als 5% der Lohnsumme) werden 15% abgezogen. In diesem Rahmen steigen die
Abzüge je um

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2% für jedes Prozent der Sozialleistungen. Es ergeben sich folgende Ansätze:
Verhältnis Sozialleistungen/Lohnsumme Herabsetzung
über 5 % 15 %
mindestens 6 % 17 %
mindestens 7 % 19 %
mindestens 8 % 21 %
mindestens 9 % 23 %
mindestens 10 % 25 %
mit dem Vorbehalt, dass die Steuerherabsetzung nicht höher sein darf als der
Unterschied zwischen dem Gesamtbetrag der Sozialleistungen und dem Betrage von
5 % der Lohnsumme (Art. 11, Abs. 4, lit. b, letzter Satz AStB).
Das Bundesgericht hat die Herabsetzung der Ausgleichsteuer auf 19 %
festgesetzt
in Erwägung:
1.- Art. 11 Abs. 4 AStB umschreibt einerseits die Voraussetzungen, unter denen
eine Ermässigung der Ausgleichsteuer gewährt werden kann: Der jährliche
Detailwarenumsatz darf Fr. 30000.­ pro Verkaufsperson nicht übersteigen (lit.
a), oder die sozialen Leistungen müssen mehr als 5 % der Lohnsumme ausmachen
(lit. b). Anderseits begrenzt er die Herabsetzung auf höchstens einen Viertel
der Steuersumme und im Falle der lit. b überdies auf den Betrag des
Überschusses der Sozialleistungen über 5 % der Lohnsumme. Diese beiden
Bestimmungen sind als Höchstgrenzen gefasst: Die Steuer «kann um höchstens
einen Viertel herabgesetzt werden» bezw. «darf auf keinen Fall um mehr als den
Betrag dieses Überschusses ermässigt werden». Die erste, die sich sowohl auf
lit. a als auf lit. b bezieht, ist absolut eindeutig und schliesst die
Auslegung aus, dass die

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Herabsetzung in allen Fällen, wo eine der Voraussetzungen oder beide erfüllt
sind, einen Viertel betragen müsse; denn dann hätte das Wort «höchstens» gar
keinen Sinn. Aber auch die zweite, auf lit. b beschränkte, fügt unzweideutig
jenem Maximum noch ein anderes hinzu und besagt lediglich, dass die
Ermässigung den genannten Überschuss nicht übersteigen dürfe, nicht aber, dass
sie ihn erreichen müsse, solange er nicht mehr als einen Viertel der
Steuersumme beträgt. Entgegen der Auffassung der Rekurrentin gibt Art. 11 Abs.
4 AStB seinem Wortlaut nach dem Steuerpflichtigen nicht «einen genau
abgegrenzten Anspruch auf Herabsetzung seiner Steuerleistung», sondern sagt
nur, unter welchen Voraussetzungen er eine Ermässigung beanspruchen und
welches Höchstmass dieselbe erreichen kann; er stellt einen Rahmen von 0-25 %
des Steuerbetrages bezw. bis zur Höhe des Überschusses auf; die genaue
Festsetzung der Ermässigung innerhalb dieses Rahmens aber ist nicht geregelt
und damit dem Ermessen der eidgenössischen Steuerverwaltung überlassen.
Dieses Ergebnis der grammatikalischen Auslegung wird bestätigt, wenn der Zweck
der Bestimmung, wie er in der Voraussetzung der Steuerermässigung zum Ausdruck
kommt, berücksichtigt wird: die Begünstigung des sozial vorbildlichen
Arbeitgebers. Daraus ergibt sich zugleich das Kriterium für die Bemessung der
Herabsetzung innerhalb des aufgestellten Rahmens: Da die Begünstigung nur
gewährt wird, wenn die Sozialleistungen 5 % der Lohnsumme übersteigen, und auf
keinen Fall mehr als den Betrag dieses Überschusses ausmachen darf, ist es
gegeben, sie innerhalb jenes Rahmens nach der Höhe des Überschusses zu
bemessen. Die Auslegung der Rekurrentin und der Mehrheit der
Ausgleichsteuerkommission würde dazu führen, dass es in der Praxis nur zwei
Kategorien von Steuerpflichtigen gäbe: 1) solche, deren Sozialleistungen 5 %
der Lohnsumme nicht übersteigen und die deshalb keinen Anspruch auf
Steuerherabsetzung

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haben; 2) solche, deren Sozialleistungen mehr als 5% der Lohnsumme ausmachen
und deren Steuer daher um den Überschuss bis zu einem Viertel der Steuersumme
herabzusetzen ist. Dagegen würde innerhalb der zweiten Kategorie die
verschiedene Höhe der Sozialleistungen ­ sie schwanken nach einer Aufstellung
der eidgenössischen Steuerverwaltung zwischen 5 und 34% ­ in keiner Weise
berücksichtigt und damit der Zweck, die sozial vorbildlichen Arbeitgeber zu
begünstigen, nur in sehr beschränktem Masse erreicht. Die Bestimmung von Art.
11 Abs. 4 lit. b AStB will offenbar die Arbeitgeber nicht nur zu
Sozialleistungen von knapp 5 % der Lohnsumme, sondern zu möglichst hohen
Leistungen anregen und dafür prämieren.
Da Wortlaut und Sinn der Bestimmung eindeutig sind, bleibt eigentlich kein
Raum für eine historische Interpretation; doch führt das Zurückgreifen auf die
Gesetzesmaterialien zum gleichen Resultat. Die lit. b war im bundesrätlichen
Entwurf des AStB nicht enthalten und wurde von der nationalrätlichen
Kommission eingefügt. Daselbst hatte Nationalrat Herzog folgenden Antrag
gestellt: «Die Steuer wird um denjenigen Betrag ermässigt, den der
steuerpflichtige Unternehmer für die soziale Versicherung seines Personals
aufwendet, soweit dieser Betrag 3 % der gesamten Lohnsumme übersteigt.» Laut
Protokoll wurde der Antrag von verschiedenen Seiten (Bundesrat Obrecht,
Nationalräte Seiler und Lachenal) bekämpft; Bundesrat Wetter erklärte, wenn
man der Idee Rechnung tragen wolle, so sei es nur in dem Sinne tunlich, dass
man den Unternehmungen, welche ausserordentliche Sozialleistungen für ihr
Personal aufweisen, eine Steuerermässigung zugestehe, die höchstens einen
Viertel der Steuer ausmache; darauf zog Nationalrat Herzog seinen Antrag
zugunsten einer Bestimmung im Sinne dieser Ausführungen zurück, die dann als
lit. b mit 8 gegen 3 Stimmen angenommen wurde. Hatte schon Bundesrat Wetter in
seinem erwähnten Votum betont, dass es sich um Ermessensfragen handle, so
führten auch

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die Berichterstatter im Plenum des Nationalrates aus, die Anwendung der beiden
Bestimmungen in Absatz 4 sei weitgehend eine ermessensweise, weil die
besonderen Verhältnisse in jedem Falle gewürdigt werden müssten (Sten.
Bulletin 1940, NR S. 544). Das bezieht sich offensichtlich auf die Bemessung
der Steuerherabsetzung innerhalb des gesetzlichen Rahmens und nicht, wie die
Rekurrentin geltend macht, auf die Auslegung der Begriffe Sozialleistungen und
Lohnsumme. Zu der Herabsetzung nach der jetzigen lit. a, die im
bundesrätlichen Entwurf allein vorgesehen war, hatte schon die Botschaft vom
20. Dezember 1939 (BB 1939 II S. 919) bemerkt: «Die Steuerermässigung soll
höchstens 25 % betragen. Ihre Höbe wird davon abhängig zu machen sein, um
wieviel die kritische Summe von 30.000 Franken unterschritten wird. Bei der
Beurteilung entsprechender Gesuche wird auch gewürdigt werden können, ob im
Detailverkaufsgeschäft qualifiziertes und normal belöhntes Personal verwendet
wird.» Das ist offenbar die ermessensweise Anwendung, von der die
Kommissionsreferenten sprachen. In ähnlicher Weise ist bei der Herabsetzung
nach lit. b das dort aufgestellte Kriterium des Überschusses der
Sozialleistungen über 5 % der Lohnsumme zu verwenden, um die Höhe der
Steuerermässigung innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bestimmen. Auch aus
den Gesetzesmaterialien ergibt sich somit, dass der Gesetzgeber dem
Steuerpflichtigen nicht einen genau begrenzten Anspruch auf die
Steuerherabsetzung einräumen, sondern deren Bestimmung im Einzelfalle dem
Ermessen der eidgenössischen Steuerverwaltung anheimstellen wollte.
2.- Gewährt Art. 11 Abs. 4 lit. b AStB der Rekurrentin keinen Anspruch auf
Herabsetzung der Steuer im vollen Umfang des Überschusses der Sozialleistungen
über 5 % der Lohnsumme, so bleibt lediglich ihre Rüge zu prüfen, die von der
eidgenössischen Steuerverwaltung für das Mass der Herabsetzung aufgestellte
Skala sei gesetzwidrig und willkürlich. (Dem Vorwurf, sie sei unmoralisch,

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kommt daneben wohl keine selbständige Bedeutung zu, sondern nur diejenige
einer Begründung für die behauptete Gesetzwidrigkeit und Willkür.)
Die «gesetzlichen Voraussetzungen» der Steuerermässigung werden durch die
Skala nicht berührt. Die eidgenössische Steuerverwaltung vertritt selbst die
Auffassung, dass die Erfüllung der Voraussetzung von Absatz 4 lit. b dem
Steuerpflichtigen einen Anspruch auf Herabsetzung gibt, das «kann» also bei
dessen Geltendmachung ein «muss» bedeutet; die Skala betrifft lediglich das
Mass der Herabsetzung innerhalb des gesetzlichen Rahmens. Aus der
Feststellung, dass Art. 11 Abs. 4 litt. b AStB nur einen Rahmen für die
zulässige Herabsetzung aufstellt, ergibt sich nicht nur das Recht, sondern die
Pflicht der eidgenössischen Steuerverwaltung, deren Höhe innerhalb des Rahmens
im einzelnen Falle festzusetzen. Durch die Aufstellung einer allgemeinen
Richtlinie hiefür handelt sie dem AStB nicht zuwider und greift auch nicht in
die Kompetenz des Gesetzgebers ein, sondern nimmt lediglich einen Teil der
Beurteilung vorweg, die sie sonst im Einzelfalle vorzunehmen hätte. Freilich
schränkt sie damit die Handhabung ihres Ermessens im einzelnen Falle ein; sie
bleibt aber im Rahmen ihrer Befugnisse, wenn die Richtlinien den durch den
AStB gegebenen Gesichtspunkten entsprechen, die sie ohnehin zu berücksichtigen
hätte. Das trifft jedenfalls insofern zu als die Skala das nach dem Willen des
Gesetzgebers zu prämierende soziale Verhalten des Steuerpflichtigen zugrunde
legt und als Massstab dafür das in lit. b selbst aufgestellte Kriterium, das
Verhältnis der Sozialleistungen zur Lohnsumme, verwendet. Wenn sich daraus
auch eine gewisse Schematisierung ergibt, so kann doch von Gesetzwidrigkeit
oder Willkür keine Rede sein. Vollends unbegründet ist der weitere Vorwurf der
Rekurrentin, die eidgenössische Steuerverwaltung habe die vom AStB angesetzte
Höchstgrenze hinausgeschoben; denn die Skala respektiert sowohl die Begrenzung
auf einen Viertel des

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Steuerbetrages als auch diejenige auf den Überschuss der Sozialleistungen über
5 % der Lohnsumme.
Die Rekurrentin kritisiert die von der eidgenössischen Steuerverwaltung
aufgestellte Skala auch inhaltlich und beanstandet namentlich, dass sie
ausschliesslich das Verhältnis der Sozialleistungen zur Lohnsumme, nicht aber
die Höhe der Löhne selbst berücksichtigt. Hierin liegt insofern ein richtiger
Kern, als das soziale Verhalten des Arbeitgebers nicht nur in den als solche
bezeichneten Sozialleistungen, sondern vor allem in der Höhe der bezahlten
Löhne zum Ausdruck kommt. Angesichts der grossen Verschiedenheit der
Verhältnisse ist es jedoch sehr schwer, diese richtig zu beurteilen, zumal ein
objektiver Massstab dafür fehlt. Nachdem Art. 11 Abs. 4 lit. b AStB selbst die
Gewährung der Steuerherabsetzung vom Verhältnis zwischen Sozialleistungen und
Lohnsumme abhängig macht, liegt es durchaus in seinem Sinne, wenn die
eidgenössische Steuerverwaltung auch bei der Bemessung ihrer Höhe hierauf
abstellt. Darin kann weder ein Verstoss gegen das Gesetz noch gegen die
Rechtsgleichheit erblickt werden; dieses einzige messbare Kriterium wird ja
gerade angewendet, um gleiche Verhältnisse gleich zu behandeln. Mag ihm auch
eine gewisse Starrheit anhaften und die Höhe der Löhne zu wenig berücksichtigt
werden, so geht es doch keineswegs an, aus relativ hohen Sozialleistungen den
Schluss zu ziehen, es würden eben schlechte Löhne bezahlt, wie das die
Rekurrentin tun möchte.
Dagegen ist die Skala insofern zu beanstanden, als sie die Herabsetzung im
gesetzlichen Maximalbetrage von einem Viertel nur denjenigen Steuerpflichtigen
gewährt, deren Sozialleistungen 18 % (und bis 1942 20 %) der Lohnsumme
übersteigen. Denn damit wird der Abzug in dieser Höhe zu einer seltenen
Ausnahme, beschränkt auf Fälle, bei denen offensichtlich besondere
Verhältnisse vorliegen; und auch Herabsetzungen von mehr als 18 % werden nur
in ganz vereinzelten Fällen erreicht.

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Unternehmungen, deren Sozialleistungen sich in dem Rahmen bewegen, der nach
den Erfahrungen als die Norm erscheint, werden davon von vornherein
ausgeschlossen. Nach der von der eidgenössischen Steuerverwaltung
eingereichten Liste machen die Sozialleistungen in 82 % aller Fälle 6 bis 11 %
der Lohnsumme aus; höhere Ansätze kommen nur in wenigen Einzelfällen vor; sie
verteilen sich auf Leistungen von 11 bis 34 % der Lohnsumme, was sie mit als
Sonderfälle charakterisiert.
Wenn aber das Gesetz Herabsetzungen bis zu 25 % vorsieht, so bedeutet das,
dass der Höchstbetrag der Herabsetzung auch gewährt werden muss. Eine Skala,
bei der Erleichterungen in dieser Höhe nur ganz ausnahmsweise, in besonderen
Fällen, eintreten können, während die Fälle, die nach den Erfahrungen als die
Norm gelten müssen, weit darunter bleiben, wird offensichtlich der Anordnung
im Gesetz nicht gerecht, und die Verwaltungsbehörde, die sie ihrer
Herabsetzungspraxis zu Grunde legt, verletzt damit den Rahmen des ihr
eingeräumten Ermessens. Wenn die Verwaltung die Herabsetzung nach dem
Verhältnis der Sozialleistungen zu den Lohnsummen abstufen will, so hat sie
die Skala innerhalb derjenigen Fälle anzulegen, die als Norm erscheinen, und
Einzelfälle, die diesen Rahmen übersteigen, unberücksichtigt zu lassen. Diesem
Erfordernis entspricht die Skala, die die Steuerverwaltung für das Jahr 1946
aufgestellt hat. Sie ist auch im vorliegenden Falle anzuwenden. Danach ist, da
die Sozialleistungen der Beschwerdeführerin 7,3 % der Lohnsumme betragen, die
Ausgleichssteuer für das Jahr 1942 um 19 % herabzusetzen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 I 194
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 08. November 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 I 194
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Ausgleichsteuer: Herabsetzung im Hinblick auf Sozialleistungen des Steuerpflichtigen an das eigene...


Gesetzesregister
OG: 104
BGE Register
72-I-194
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
innerhalb • ermessen • arbeitgeber • richtigkeit • maximum • nationalrat • mass • wille • bundesrat • norm • berechnung • betrug • weiler • minderheit • kategorie • konsumgenossenschaft • verhalten • grammatikalische auslegung • sucht • begünstigung
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