S. 60 / Nr. 15 Verfahren (d)

BGE 71 IV 60

15. Auszug aus dem Entscheid der Anklagekammer vom 27. Februar 1945 i.S.
Untersuchungsrichter von Solothurn-Lebern gegen Bezirksanwaltschaft Zürich.

Regeste:
Art. 350 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
, Art. 346
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB. Die Tatsache, dass wegen Einstellung des
Verfahrens oder aus anderen Gründen ein Teil der in Untersuchung gezogenen
Handlungen ausscheidet und ausschliesslich oder grösstenteils nur noch
Handlungen zu verfolgen bleiben, die in einem anderen Kanton ausgeführt worden
sind, rechtfertigt für sich allein den nachträglichen Wechsel des
Gerichtsstandes nicht.
Art. 350 ch. 1, art. 346 CP. Le fait que, par suite d'un non-lieu ou pour
d'autres motifs, l'instruction cesse de porter sur une partie des actes
d'abord en cause et qu'il ne reste plus à poursuivre que des actes qui, tous
ou pour la plupart, ont été commis dans un autre canton, ne justifie pas à lui
seul le transfert de la juridiction.
Art. 350 cifra 1, art. 346 CP. La circostanza che, in seguito a non luogo a
procedere o per altri motivi, il procedimento venga a cadere rispetto a talune
azioni che già furono oggetto d'istruttoria, perdurando esclusivamente o in
massima parte per delle azioni commesse in un altro cantone, non giustifica,
per sé sola, la devoluzione della causa al foro del commesso delitto
rispettivamente del reato più grave.

Aus dem Tatbestand:
Walter Grossenbacher stand bei der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 24. März
1944 an gestützt auf Art 350 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.


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Abs. 2 StGB in einer Strafuntersuchung wegen einer Urkundenfälschung und
verschiedener Fälle von Betrug zum Nachteil der Wwe. Rosette Wyss, wegen
mehrfachen Betrugs zum Nachteil des Anton Renner und wegen Betrugs und
Zechprellerei zum Nachteil der Karolina Frei. Wegen der zum Nachteil der Wwe.
Wyss begangenen Handlungen war die Ehefrau Grossenbachers mitbeschuldigt.
Ausführungsort dieser Handlungen war Solothurn. Die Handlungen zum Nachteil
Renners hatte Grossenbacher dagegen in Zürich ausgeführt.
Am 29. Dezember 1944 stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich das
Verfahren gegen Grossenbacher in bezug auf die zum Nachteil Renners begangenen
Handlungen wegen Rückzugs des Strafantrages und mangels Beweises ein.
Eingestellt wurde durch Verfügung der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 26.
Januar 1945 mangels strafbaren Tatbestandes auch das Verfahren in Sachen Frei.
Am gleichen Tage verfügte die Bezirksanwaltschaft, die Strafuntersuchung gegen
die Eheleute Grossenbacher wegen Urkundenfälschung und Betrugs zum Nachteil
der Wwe. Wyss sei dem Untersuchungsrichteramt Solothurn-Lebern als der gemäss
Art. 346
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB örtlich zuständigen Behörde abzutreten.
Am 22. Februar 1945 hat der Untersuchungsrichter von Solothurn-Lebern der
Anklagekammer des Bundesgerichts beantragt, es seien die zürcherischen
Behörden zu verhalten, die Eheleute Grossenbacher in der Sache Wyss
weiterzuverfolgen und zu beurteilen.
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1. ­ Die nachträgliche Änderung des Gerichtsstandes ist nicht grundsätzlich
unzulässig; neue Tatsachen können immer berücksichtigt werden. Die Änderung
des von den Strafbehörden verschiedener Kantone vereinbarten oder von der
Anklagekammer festgesetzten Gerichtsstandes kommt aber nur dann in Frage, wenn
triftige Gründe dafür sprechen (BGE 69 IV 46 f.).

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Die Tatsache, dass wegen Einstellung des Verfahrens oder aus andern Gründen
ein Teil der in Untersuchung gezogenen Handlungen aus der Strafverfolgung
ausscheidet und ausschliesslich oder grösstenteils nur noch Handlungen übrig
bleiben, die in einem andern Kanton ausgeführt worden sind, kann für sich
allein den nachträglichen Wechsel des Gerichtsstandes nicht rechtfertigen.
Dass Schuldbeweise in Zweifel gezogen werden, bloss damit die Behörde sich
durch Abtretung der Sache an die Behörden eines anderen Kantons auch der
Pflicht zur Verfolgung der übrigen strafbaren Handlungen entziehen könne,
dürfte zwar nicht vorkommen. Der Wechsel des Gerichtsstandes wäre aber in der
Regel mit Nachteilen verbunden, wenn die Untersuchung bis zur Einstellung des
Verfahrens beziehungsweise bis zur Überweisung der Sache an das urteilende
Gericht gediehen ist. Es hätte zur Folge, dass das Verfahren im anderen Kanton
neu begonnen werden müsste. Denkbar wäre in einem solchen Falle sogar ein
mehrmaliger Wechsel des Gerichtsstandes, wenn die Behörden verschiedener
Kantone nacheinander das Verfahren stets wegen der mit der schwersten Strafe
bedrohten noch in Frage stehenden Tat einstellen würden. Dies wäre mit einer
ökonomischen Prozessführung und wirksamen Verbrechensbekämpfung nicht
vereinbar. Die Überlegung, dass es unlogisch sei, jemanden in einem Kanton
verfolgen und beurteilen zu lassen, in welchem er keine oder jedenfalls von
den noch zu beurteilenden nicht die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat
begangen hat, ist nicht durchschlagend; sonst müsste der Gerichtsstand auch
dann wechseln, wenn nicht schon im Überweisungsstadium, sondern erst im Urteil
(durch Freisprechung) festgestellt wird; dass der Angeklagte für die im
Urteilskanton ausgeführte Tat nicht bestraft werden kann. Diese unpraktische
Folge kann das Gesetz nicht wollen. Ein ausnahmsloses Recht des Beschuldigten,
von den Behörden des Begehungsortes beurteilt zu werden, kennt es nicht. Wenn
das Festhalten am ursprünglichen Gerichtsstand bei

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teilweiser Einstellung des Verfahrens ausnahmsweise zu Unzukömmlichkeiten
führt, kann die Anklagekammer gemäss Art. 263 BStrP (Art. 399 lit. e
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB)
einen neuen Gerichtsstand festsetzen.
2. ­ Es bestehen keine Gründe, dies im vorliegenden Falle zu tun. Wenn auch
die Beschuldigten zur Zeit der Tat im Kanton Solothurn wohnten, sind sie doch
mit ihm nicht besonders verwachsen. Sie sind seither in ihren Heimatkanton
Bern und kürzlich in den Kanton Zürich umgesiedelt. In letzteren hat sich
Grossenbacher auch schon kurz nach der Tat für mehrere Monate verzogen, um
dort die Früchte seiner Verbrechen zu verprassen. Die Eheleute Grossenbacher
sind den zürcherischen Behörden auch aus der Untersuchungshaft bekannt. Die
solothurnischen Strafbehörden haben sich bis jetzt mit den Beschuldigten nur
auf die Rechtshilfegesuche der zürcherischen Behörden hin zu befassen gehabt.
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Der Gerichtsstand bleibt auch für die von den Eheleuten Grossenbacher im
Kanton Solothurn begangenen strafbaren Handlungen Zürich.

Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 71 IV 60
Datum : 01. Januar 1945
Publiziert : 27. Februar 1945
Quelle : Bundesgericht
Status : 71 IV 60
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 350 Ziff. 1, Art. 346 StGB. Die Tatsache, dass wegen Einstellung des Verfahrens oder aus...


Gesetzesregister
StGB: 346  350 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
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BGE Register
69-IV-44 • 71-IV-60
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Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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