BGE 71 IV 46
11. Urteil des Kassationshofes vom 9. März 1945 i.S. Zemp und Saxer gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
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Regeste:
Art. 335 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 335 - 1 Les cantons conservent le pouvoir de légiférer sur les contraventions de police qui ne sont pas l'objet de la législation fédérale. |
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1 | Les cantons conservent le pouvoir de légiférer sur les contraventions de police qui ne sont pas l'objet de la législation fédérale. |
2 | Ils peuvent édicter des sanctions pour les infractions au droit administratif et au droit de procédure cantonaux. |
1. Die Kantone dürfen das Konkubinat innerhalb der Grenzen, welche das
Bundesrecht diesem Begriff zieht, als Übertretung mit Strafe bedrohen.
Konkubinat erfordert eheähnliches Zusammenwohnen.
2. Wenn die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches vom kantonalen
Übertretungsstrafrecht als anwendbar erklärt werden, gelten sie als
kantonales, nicht als eidgenössisches Recht.
Art. 335 ch. 1 al. 1 CP.
1. Les cantons peuvent ériger en contravention le concubinat dans les limites
que le droit fédéral trace à cette notion. Le concubinat exige la vie en
commun à la manière de personnes mariées.
2. Lorsque la législation cantonale déclare applicables les dispositions
générales du Code pénal suisse, ces dispositions constituent du droit
cantonal, non du droit fédéral.
Art. 335 cifra 1 cp. 1 CP.
1. È nella facoltà dei cantoni di punire il concubinato nei limiti tracciati a
tale nozione dal diritto federale. IL concubinato esige una comunione di vita
simile a quella coniugale.
2. Quando la legislazione cantonale dichiara applicabili le disposizioni
generali del Codice penale svizzero, tali disposizioni sono considerate essere
di diritto cantonale, non già di diritto federale.
A. Elise Saxer lebte vom Sommer 1941 an mit ihrem ausserehelichen Kinde in
der Wohnung ihrer Tante Elise Zemp-Saxer. In der Folge stellte Frau Zemp fest,
dass ihr Ehemann mit Elise Saxer ein Liebesverhältnis unterhielt. Sie verliess
daher am 19. März 1943 die eheliche Wohnung und reichte am 30. September des
gleichen Jahres die Ehetrennungsklage ein. Elise Saxer blieb bei Zemp. Als er
am 16. September 1943 in eine andere Wohnung umzog, folgte sie ihm mit dem
Kinde nach. Sie gab ihre Stelle als Serviertochter auf, besorgte Zemp den
Haushalt, nächtigte mit ihm in seinem Schlafzimmer und lebte mit ihm in
Geschlechtsgemeinschaft. Am 27. Dezember 1943 mietete sie im gleichen Hause
zwei Mansardenzimmer, die sie jedoch nicht oder nur selten benützte. Am 14.
April 1944 reichte Frau Zemp gegen ihren
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Ehemann und gegen Elise Saxer Strafklage wegen Konkubinates ein.
B. Das Obergericht des Kantons Luzern als Appellationsinstanz erklärte am
23. Januar 1945 beide Beschuldigte des Konkubinates im Sinne des § 40 des
luzernischen EG zum StGB schuldig und verurteilte sie zu bedingt vollziehbaren
Haftstrafen von je einem Monat. Nach der Ansicht des Gerichts haben die
Verurteilten die Übertretung vom Herbst 1943 an begangen.
C. Beide Verurteilten haben die Nichtigkeitsbeschwerde erklärt mit dem
Antrag auf Freisprechung. Zur Begründung machen sie geltend, dass das
Strafgesetzbuch in Art. 187 bis 212 die strafbaren Handlungen gegen die
Sittlichkeit erschöpfend regle und gegen das Konkubinatsverhältnis ausserdem
auf dem Verwaltungswege und nach Art. 292
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 292 - Quiconque ne se conforme pas à une décision à lui signifiée, sous la menace de la peine prévue au présent article, par une autorité ou un fonctionnaire compétents est puni d'une amende. |
EG zum StGB sei daher bundesrechtswidrig. Die Beschwerdeführer bestreiten
ferner, im Konkubinat gelebt zu haben, und halten die Strafverfolgung für
verjährt.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 335 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 335 - 1 Les cantons conservent le pouvoir de légiférer sur les contraventions de police qui ne sont pas l'objet de la législation fédérale. |
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1 | Les cantons conservent le pouvoir de légiférer sur les contraventions de police qui ne sont pas l'objet de la législation fédérale. |
2 | Ils peuvent édicter des sanctions pour les infractions au droit administratif et au droit de procédure cantonaux. |
das Übertretungsstrafrecht soweit vor, als es nicht Gegenstand der
Bundesgesetzgebung ist. Das Konkubinat (wilde Ehe) ist im Strafgesetzbuch
nicht geregelt. Das entscheidet aber die Frage, ob es Gegenstand der
Bundesgesetzgebung sei, an sich nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob der
eidgenössische Gesetzgeber es deshalb nicht geregelt hat, weil er die
Rechtsvereinheitlichung auf diesem Gebiet für unangebracht hielt, oder ob er
diesen Tatbestand überhaupt nicht, auch nicht nach kantonalem Recht, bestraft
wissen wollte (BGE 68 IV 41, 111; 70 IV 85, 132). In letzterem Falle läge ein
qualifiziertes Schweigen vor.
Ein solches kennt das Strafgesetzbuch nach BGE 68 IV 41 und 111 mit Bezug auf
die Unzucht, und zwar sowohl die gewerbsmässige als auch die einfache, wie
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denn überhaupt die im Strafgesetzbuch enthaltene Regelung der strafbaren
Handlungen gegen die Sittlichkeit in geschlechtlichen Dingen als abschliessend
betrachtet werden muss. Wäre Konkubinat bloss wiederholte Unzucht, so dürfte
es deshalb nicht mit kantonaler Übertretungsstrafe bedroht werden. Allein es
erschöpft sich nicht in den unzüchtigen Beziehungen. Wenn zwei Personen wie
Eheleute zusammenleben, ohne miteinander verheiratet zu sein, massen sie sich
für ihre Geschlechtsverbindung auch die äussere Form der ehelichen
Gemeinschaft an. Das bringen gerade die Bezeichnung «wilde Ehe» und die
Wendung «wie Mann und Frau zusammenleben», mit der die Sprache des Volkes
solche Verhältnisse bezeichnet und durch die in einzelnen kantonalen Rechten
der Tatbestand des Konkubinates umschrieben wird (Uri Art. 15 EG, Schwyz § 16
EG), treffend zum Ausdruck. Die Verbindung tritt nach aussen wie eine eheliche
in Erscheinung. Damit verstösst sie gegen die öffentliche Ordnung, wonach
Grundlage für das Gemeinschaftsleben der Geschlechter die Ehe ist. Als
Verstoss gegen die öffentliche Ordnung regelt aber das Strafgesetzbuch das
Konkubinat weder positiv noch negativ. Die Ahndung solcher Verstösse ist,
soweit das Strafgesetzbuch nicht selber bestimmte Tatbestände als strafbar
erklärt, dem kantonalen Übertretungsstrafrecht anheimgestellt (BGE 70 IV 86).
Diese Regelung beruht auf der Erkenntnis, dass die Anschauungen darüber, was
als Verletzung der öffentlichen Ordnung strafwürdig sei, von Gegend zu Gegend
wechseln und dass daher die strafrechtliche Ahndung besser den Kantonen
überlassen werde. Das Konkubinat ist ein Muster eines Tatbestandes, der am
einen Ort als strafwürdig gilt, am andern nicht.
Diese Auffassung ist denn auch bei den Vorarbeiten zum Gesetz eindeutig zum
Ausdruck gekommen. In der ersten Expertenkommission wurde die Bestimmung über
Konkubinat in der ersten Lesung gutgeheissen, nachdem der Verfasser des
Vorentwurfes darauf hingewiesen hatte,
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dass die vollständige Straflosigkeit des Konkubinates das sittliche Gefühl
vieler Volkskreise, namentlich auf dem Lande, verletzen würde und die
vorgeschlagene Fassung («Personen, welche, polizeilicher Mahnung ungeachtet,
wie Eheleute zusammenwohnen...») anderseits der romanischen Auffassung
möglichst Rechnung trage (Verhandlungen 2 316). In der zweiten Lesung wurde
die Bestimmung gestrichen mit dem Hinweis, dass die Gesetzgebung über das
Konkubinat den Kantonen überlassen werden solle (Verhandlungen 2 744 f.). Die
gleiche Meinung nahm die zweite Expertenkommission, welche ebenfalls die
eidgenössische Regelung des Konkubinates ablehnte, ausdrücklich zu Protokoll
(Protokoll 3 209).
2. Sind die Kantone befugt, das Konkubinat als Übertretung mit Strafe zu
bedrohen, so darf das immerhin nicht dazu führen, blosse Unzucht, sei es
einfache, sei es gewerbsmässige, als Konkubinat zu bezeichnen und zu
bestrafen. Da das Bundesrecht den ausserehelichen Geschlechtsverkehr als
solchen nicht bestraft wissen will, darf er vom kantonalen Recht nicht deshalb
zur Übertretung erhoben werden, weil er während längerer Zeit fortgesetzt
wird. Die Grenzen, innerhalb welcher die aussereheliche
Geschlechtsgemeinschaft Gegenstand der kantonalen Strafgesetzgebung bilden
darf, werden vom Bundesrecht gezogen. Zum Konkubinat gehört ein eheähnliches
Zusammenwohnen. So fassten der Vorentwurf Stooss, Art. 224, und die erste
Expertenkommission den Begriff auf («wie Eheleute zusammenwohnen»), und mit
ähnlicher Umschreibung («Personen, welche in ausserehelicher
Geschlechtsverbindung in einer Wohnung zusammenleben») wurde auch in der
zweiten Expertenkommission versucht, ihn in den Entwurf einzuführen. Demnach
dürfen die Kantone den Begriff des Konkubinates beispielsweise nicht so
auffassen, wie einzelne romanische Länder, welche ein ehebrecherisches
Verhältnis des Ehemannes genügen lassen, ohne ein eheähnliches Zusammenleben
mit der Konkubine zu verlangen, auch nicht etwa
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so wie Kronauer (ZSStrR 5 213), der darunter die ohne zivile Trauung
eingegangene dauernde Geschlechtsgemeinschaft von Mann und Frau, namentlich
das Halten einer Mätresse, versteht. Anderseits darf als Konkubinat nicht
bloss der eindeutigste Fall gelten, wo Mann und Weib zu ausserehelicher
Geschlechtsgemeinschaft sich vollständig häuslich miteinander einrichten. Es
rechtfertigt sich umso weniger, von Bundesrechts wegen an den Begriff des
Konkubinates allzu strenge Anforderungen zu stellen, als in manchen Kantonen
schon die Straffreiheit der Unzucht, namentlich der gewerbsmässigen, sich mit
dem Volksempfinden nur schwer verträgt. Es muss den Kantonen gestattet sein,
den Begriff des Zusammenlebens weit zu fassen, immerhin so, dass nicht schon
kurze, wenn auch häufige Besuche darunter fallen. Voraussetzung ist stets,
dass der Grund der kantonalen Zuständigkeit, die Verletzung der öffentlichen
Ordnung, erfüllt ist. Das kantonale Übertretungsstrafrecht darf gegen
aussereheliche Geschlechtsverbindungen dann einschreiten, wenn Merkmale einer
Wohngemeinschaft vorhanden sind und das Verhältnis infolgedessen geeignet ist,
öffentliches Ärgernis zu erregen. Die Wohngemeinschaft braucht keine
ausschliessliche zu sein; Konkubinat kann auch vorliegen, wenn einer der
Beteiligten ausser der gemeinsamen Wohnung noch eine eigene hat, in der er
sich zeitweise aufhält.
3. Das luzernische Recht verletzt die vom Bundesrecht gezogenen Grenzen
weder durch die allgemeine Umschreibung des Begriffs des Konkubinates, noch
durch die Auslegung, welche ihm die Vorinstanz in der Anwendung auf den
vorliegenden Fall gegeben hat. Nach § 40 EG zum StGB machen sich des
Konkubinates schuldig «Personen, welche in ausserehelicher
Geschlechtsverbindung in einer Wohnung zusammenleben n. Nach Ansicht des
Obergerichts haben die Beschwerdeführer diese Übertretung seit Herbst 1943
begangen. Damals, am 15. September 1943, zogen sie in die von Zemp gemietete
neue Wohnung. Elise Saxer hielt sich zwar nicht
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ausschliesslich, aber doch vorwiegend dort auf. Sie besorgte Zemp den
Haushalt, nächtigte mit ihm im gleichen Zimmer und unterhielt mit ihm
geschlechtliche Beziehungen. Die beiden Mansardenzimmer im gleichen Hause,
über die sie übrigens nicht von Anfang an verfügte, benutzte sie nicht oder
nur selten. Dieser Tatbestand, den die kantonalen Instanzen festgestellt haben
und der durch Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden kann (Art. 273
lit. b, 277 bis BStrP, Fassung nach Art. 168
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 335 - 1 Les cantons conservent le pouvoir de légiférer sur les contraventions de police qui ne sont pas l'objet de la législation fédérale. |
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1 | Les cantons conservent le pouvoir de légiférer sur les contraventions de police qui ne sont pas l'objet de la législation fédérale. |
2 | Ils peuvent édicter des sanctions pour les infractions au droit administratif et au droit de procédure cantonaux. |
Bundesrecht als Konkubinat gewürdigt und bestraft werden.
4. Die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches gelten für das
kantonale Übertretungsstrafrecht nicht von Bundesrechts wegen (BGE 69 IV 11).
Die Vorinstanz hat die Frage der Verjährung nach diesen Vorschriften nur
beurteilt, weil § 1 des luzernischen EG zum StGB sie als anwendbar erklärt.
Damit sind sie nicht als eidgenössisches, sondern als kantonales Recht
angewendet worden (BGE 69 IV 211). Da mit der Nichtigkeitsbeschwerde nur die
Verletzung eidgenössischen Rechts geltend gemacht werden kann (Art. 269 Abs. 1
BStrP), ist auf die Frage der Verjährung nicht einzutreten.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden
kann.