BGE 71 II 61
17. Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. März 1945 i. S. Dilpert gegen
Schweiz. Anstalt für Epileptische und Dr. Braun.
Regeste:
Haftung des Familienhauptes Art. 333
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 333 - 1 Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
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1 | Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
2 | Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustand eines Hausgenossen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.470 |
3 | Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen. |
1. Findet ein unmündiger oder entmündigter, ein geistesschwacher oder
geisteskranker Hausgenosse gemäss besonderer Vereinbarung abwechslungsweise in
verschiedenen Hausgemeinschaften Aufnahme, so wechselt die Hausgewalt über ihn
periodisch.
2. Verletzung einer Sorgfaltspflicht durch Beurlaubung eines geisteskranken
Anstaltsinsassen zu seinen Eltern? Mangelhafte Beaufsichtigung in der Anstalt
1. Lorsqu'en vertu d'une convention spéciale, un mineur ou un interdit, une
personne atteinte de maladie mentale ou un faible d'esprit est placé à tour de
rôle dans diverses communautés domestiques, l'autorité dont il dépend change
périodiquement.
2. Violation d'un devoir d'attention de la part d'un établissement qui accorde
à un de ses pensionnaires, atteint d'une maladie mentale, un congé pour se
rendre chez ses parents? Défaut de surveillance dans l'établissement?
Responsabilità del capo di famiglia, art. 333) CC.
1. Quando, in virtù di una convenzione particolare, un minorenne o un
interdetto, un infermo o un debole di mente trovi asilo alternatamente in due
comunioni domestiche, la potestà cui è subordinato cambia ogni qualvolta egli
passi dall'una all'altra economia domestica, ed è quindi esercitata dal
preposto alla comunione in cui il bisognoso di vigilanza soggiorna, di volta
in volta.
2. Violazione di un obbligo di diligenza da parte di un istituto che permette
ad un ricoverato psicopatico di far visita ai propri genitori? Culpa in
vigilando da parte dell'istituto?
A. Am 23. März 1940 (Karsamstag) verübte der am 12. Januar 1920 geborene
Paul Handel, ein imbeziller Epileptiker, der zu jener Zeit in der Schweiz.
Anstalt für Epileptische in Zürich 8 untergebracht war, das
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Wochenende jedoch regelmässig bei seinen Eltern in Zürich-Seebach verbrachte,
an Frau Dilpert im Uhrengeschäft ihres Ehemannes in Zürich 1 einen
Raubmordversuch. Mit einer Walther-Pistole, die er am 12. März 1940 mit
gestohlenem Geld bei einem Waffenhändler in Zürich gekauft und hernach bis zum
16. März 1940 in der Anstalt, dann bei seinen Eltern versteckt gehalten hatte,
brachte er ihr einen Kopfschuss bei, der sie des Augenlichts beraubte. Das
gegen ihn eingeleitete Strafverfahren wurde wegen Unzurechnungsfähigkeit
eingestellt.
B. Frau Dilpert belangte die Schweiz. Anstalt für Epileptische, die als
Verein im Handelsregister eingetragen ist, eventuell deren ärztlichen Leiter
Dr. Braun unter Solidarhaft der Anstalt auf Schadenersatz, indem sie sich auf
Art. 333
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 333 - 1 Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
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1 | Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
2 | Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustand eines Hausgenossen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.470 |
3 | Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen. |
Verbindung mit Art. 55 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 55 - 1 Die Organe sind berufen, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben. |
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1 | Die Organe sind berufen, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben. |
2 | Sie verpflichten die juristische Person sowohl durch den Abschluss von Rechtsgeschäften als durch ihr sonstiges Verhalten. |
3 | Für ihr Verschulden sind die handelnden Personen ausserdem persönlich verantwortlich. |
Klage ab, das Obergericht des Kantons Zürich dagegen bejahte die Haftung der
Anstalt und verpflichtete diese mit Urteil vom 28. März 1944 zur Bezahlung der
eingeklagten Teilschadenssumme von Fr. 20000..
C. Gegen dieses Urteil haben die Anstalt und Frau Dilpert die Berufung an
das Bundesgericht erklärt,
a) die Anstalt mit dem Antrage, die Klage abzuweisen, eventuell den
Schadenersatzbetrag auf höchstens Fr. 5000. herabzusetzen,
b) Frau Dilpert mit dem Antrage, die Klage gegenüber Dr. Braun zu schützen,
falls sie gegenüber der Anstalt abgewiesen werden sollte.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Verursacht ein unmündiger oder entmündigter, ein geistesschwacher oder
geisteskranker Hausgenosse einen Schaden, so ist nach Art. 333 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 333 - 1 Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
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1 | Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
2 | Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustand eines Hausgenossen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.470 |
3 | Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen. |
Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das
übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der
Beaufsichtigung beobachtet hat.
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Art. 333
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 333 - 1 Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
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1 | Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
2 | Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustand eines Hausgenossen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.470 |
3 | Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen. |
haftpflichtig, der im Zeitpunkt der Schadensverursachung die Hausgewalt über
den Schadenstifter innegehabt hat.
Erste Voraussetzung für das Bestehen einer Hausgewalt ist nach Art. 331
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 331 - 1 Haben Personen, die in gemeinsamem Haushalte leben, nach Vorschrift des Gesetzes oder nach Vereinbarung oder Herkommen ein Familienhaupt, so steht diesem die Hausgewalt zu. |
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1 | Haben Personen, die in gemeinsamem Haushalte leben, nach Vorschrift des Gesetzes oder nach Vereinbarung oder Herkommen ein Familienhaupt, so steht diesem die Hausgewalt zu. |
2 | Die Hausgewalt erstreckt sich auf alle Personen, die als Verwandte467 und Verschwägerte oder auf Grund eines Vertragsverhältnisses als Arbeitnehmer oder in ähnlicher Stellung in dem gemeinsamen Haushalte leben.468 |
ein gemeinsamer Haushalt. Als Träger der Hausgewalt über einen Unmündigen oder
Entmündigten, einen Geistesschwachen oder Geisteskranken kann bei gegebener
Hausgemeinschaft grundsätzlich aber nur gelten, wer ihm gegenüber tatsächlich
so gestellt ist, dass er über ihn die Aufsicht ausüben kann, die das Gesetz
dem Familienhaupte zumutet; denn der Vorwurf der Verletzung einer
Sorgfaltspflicht kann nur jemand treffen, der imstande gewesen wäre, sie zu
erfüllen; wo dieser Vorwurf von vornherein nicht erhoben werden kann, ist die
besondere Haftung gemäss Art. 333
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 333 - 1 Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
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1 | Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
2 | Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustand eines Hausgenossen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.470 |
3 | Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen. |
die Art. 333
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 333 - 1 Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
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1 | Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
2 | Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustand eines Hausgenossen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.470 |
3 | Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen. |
kann demzufolge nacheinander verschiedenen Personen zustehen. Dass die
Vorsteher verschiedener Haushaltungen die Hausgewalt über ein und dieselbe
Person nebeneinander innehaben, ist dagegen schon deshalb ausgeschlossen, weil
niemand im gleichen Zeitpunkt mehreren Hausgemeinschaften angehören kann. Die
abweichende Ansicht der Vorinstanz findet an den von ihr angezogenen
Ausführungen Oftingers (Haftpflichtrecht II S. 616 Zif. 5) keine Stütze.
Weilt der Gewaltunterworfene nur vorübergehend in einem andern Hause, so kommt
dessen Vorstand meist nicht in die Lage, die Vorkehren zu treffen, die seine
Beaufsichtigung erfordert. Bei kurzen Besuchen findet deshalb in der Regel
kein Übergang der Hausgewalt statt. Anders verhält es sich dagegen, wenn eine
besondere Vereinbarung vorsieht, dass ein Gewaltunterworfener
abwechslungsweise in zwei verschiedenen Hausgemeinschaften Aufnahme finden
soll. Hier kann am einen wie am andern Orte für die nötige Aufsicht gesorgt
werden, auch wenn der zu Beaufsichtigende sich jeweilen nur kurze Zeit im
einen oder
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andern Hause aufhält. Die Hausgewalt wechselt hier also unter Umständen in
kurzen Perioden. So wird z.B. der minderjährige Lehrling, der während der
Arbeitswoche tagsüber in der Familie seines Lehrmeisters lebt und für die
übrige Zeit bei einer andern Familie untergebracht ist, normalerweise vom
Eintreffen beim Lehrmeister bis zur Rückkehr an den Logisort der Hausgewalt
des Lehrmeisters und im übrigen derjenigen des Logisgebers unterliegen.
Ähnliche Verhältnisse bestehen im vorliegenden Falle. Nach den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz entsprach die regelmässige Beurlaubung Handels
über das Wochenende und namentlich auch die Gewährung des Osterurlaubs,
während dessen er seine Tat gegen die Klägerin verübte, der Vereinbarung, die
bei seiner Aufnahme in die Anstalt für Epileptische im September 1939 zwischen
Mutter Handel und dem Fürsorgeamt der Stadt Zürich einerseits und der Anstalt
anderseits getroffen worden war. Während der Wochentage, die er nach dieser
Vereinbarung in der Anstalt verbrachte, gehörte also Handel wie die andern
Pfleglinge der im Anstaltsbetrieb begründeten Hausgemeinschaft an und war der
Hausgewalt der Anstalt als solcher oder ihres Leiters unterworfen. Während der
vereinbarten Wochenendurlaube ging dagegen die Hausgewalt nach dem Gesagten
auf seine Eltern über, in deren Haushalt er dann jeweilen Aufnahme fand. War
Vater Handel, wie behauptet wird, bevormundet, und will man ihn deswegen nicht
als Träger der Hausgewalt anerkennen, so hat Mutter Handel als deren Inhaberin
zu gelten. Auf Grund von Art. 333
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 333 - 1 Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
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1 | Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
2 | Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustand eines Hausgenossen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.470 |
3 | Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen. |
Schaden haftbar gemacht werden, den Handel zur erwähnten Zeit, d.h. am dritten
Tage seines Osterurlaubs, der Klägerin zugefügt hat.
2. Die Klägerin macht freilich geltend, die Tat vom 23. März 1940 sei auf
Fehler zurückzuführen, die die Beklagten vor der Rückkehr Handels zu seinen
Eltern begangen haben. Sie behauptet, Handel hätte im September 1939 nicht in
die Anstalt für Epileptische, eine offene
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Anstalt, aufgenommen und an Ostern 1940 nicht zu seinen Eltern beurlaubt
werden dürfen; dies auf alle Fälle nicht ohne vorherige Erkundung des dortigen
Milieus und ohne Instruktion der Eltern über die Beaufsichtigung Handels, wie
es geschehen sei; ferner seien in der Anstalt die Habseligkeiten Handels nicht
genügend überwacht worden. Ob ein nach Art. 333
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 333 - 1 Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
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1 | Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
2 | Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustand eines Hausgenossen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.470 |
3 | Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen. |
wenn sich die Folgen seiner mangelhaften Pflichterfüllung erst nach dem
Übergang der Hausgewalt auf eine andere Person einstellen, noch auf Grand von
Art. 333
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 333 - 1 Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
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1 | Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
2 | Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustand eines Hausgenossen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.470 |
3 | Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen. |
Familienhaupt der Haftung gemäss dieser Bestimmung unterliegt, oder ob in
solchen Fällen die Vorschriften von Art. 41 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
dahingestellt bleiben, da den Beklagten weder unter dem Gesichtspunkt von Art.
333
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 333 - 1 Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
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1 | Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
2 | Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustand eines Hausgenossen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.470 |
3 | Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
einer Sorgfaltspflicht vorzuwerfen ist.
Im Jahre 1935 hatte Dr. Braun als ärztlicher Leiter der beklagten Anstalt, wo
Handel schon vom Juli 1934 bis zum Juli 1935 untergebracht gewesen war, in
Berichten an das Fürsorgeamt zwar selber erklärt, Handel sei wegen zahlreicher
krimineller Züge für seine Umgebung gefährlich und daher in einer
geschlossenen Anstalt zu versorgen. Während der vier Jahre, die Handel hierauf
in der Anstalt Littenheid verbrachte, haben sich dann aber nach den
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sein Krankheitszustand und sein
psychisches Verhalten wesentlich gebessert. Die Anstalt Littenheid gewährte
ihm nach einiger Zeit freien Sonntagsausgang und liess ihn sogar wiederholt
für längere Zeit nach Hause gehen, ohne dass er diese Urlaube je missbraucht
hätte. Am 24. Juli 1939 entliess sie ihn schliesslich «für unbestimmte Zeit»
nach Hause, da er als affektiv ziemlich ausgeglichen erscheine und
Aufregungszustände bei ihm kaum zu beobachten seien. Seine Eltern verbrachten
ihn im September 1939 nur deswegen wieder in die Anstalt für Epileptische,
weil
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sie für ihn keine passende Stelle hatten finden können, und weil er wieder
einige epileptische Anfälle gehabt hatte; eine Verschlimmerung des psychischen
Zustandes war dagegen nicht beobachtet worden. Auch in der Folge wurden der
Anstalt keine Tatsachen bekannt, die zum Aufsehen gemahnt hätten. Namentlich
zeigte sich Handel in der Anstalt weder aufgeregt noch bösartig und gingen
über sein Benehmen während der Wochenendurlaube keinerlei Klagen ein. Eine
«manifeste Wahrscheinlichkeit von Gemeingefährlichkeit» lag nach dem Gutachten
von Prof. VERAGUTH, auf das die Vorinstanz in diesem Punkte abstellt, bei der
zweiten Aufnahme in die Anstalt für Epileptische und beim anschliessenden
zweiten Aufenthalte daselbst anders als gegen Ende des ersten Aufenthaltes
nicht vor; die «Warnung bezüglich krimineller Veranlagung», die Dr. Braun
seinerzeit ausgesprochen hatte, musste als «durch die günstigen Beobachtungen
über das Verhalten des Patienten überholt erscheinen» Unter diesen Umständen
verletzten die Beklagten damit, dass sie Handel wieder aufnahmen und ihm eine
gewisse Bewegungsfreiheit gewährten und namentlich auch ohne weiteres die
vereinbarten Wochenendurlaube bewilligten, keine ihnen obliegende
Sorgfaltspflicht. Von einer nähern Erforschung der Verhältnisse im Elternhause
durften sie im Hinblick auf die guten Erfahrungen, die schon die Anstalt
Littenheid mit der Beurlaubung Handels nach Hause gemacht hatte, Umgang
nehmen, zumal da die Eltern Handels diesen aus freien Stücken in die Anstalt
verbracht hatten und es also anscheinend in der Hand gehabt hätten, ihn
überhaupt bei sich zu behalten. Den Eltern irgendwelche Weisungen zu erteilen,
bestand bei der geschilderten Sachlage ebenfalls kein Anlass. Die Eltern
wussten bereits aus langer Erfahrung, dass ihr Sohn geistig nicht normal war
und einer gewissen Aufsicht bedurfte. Dass diese Aufsicht eine ständige sein
müsse, brauchte damals niemand anzunehmen, sodass keine dahingehende Weisung
geboten war. Für den Fall sodann, dass sich Handel wider Erwarten neuerdings
als gemeingefährlich zeigen sollte, durften die Beklagten
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von den Eltern (namentlich von der Mutter, die Handel in die Anstalt gebracht
hatte, und die eine rechtschaffene Frau ist) auch ohne besondere Weisung eine
Meldung erwarten. Sie konnten nicht voraussehen, dass die Eltern ihnen eine so
beunruhigende Tatsache wie den von ihnen (den Eltern) festgestellten
Waffenbesitz Handels vorenthalten würden.
Was endlich die Überwachung der Habseligkeiten Handels anlangt, so hat Pfleger
Wyss, nachdem der Patient Burkhardt am 20. März 1940 den Verlust eines
Betrages von ungefähr Fr. 40. gemeldet und neben einem andern Patienten auch
Handel als Dieb verdächtigt hatte, gleichen Tages in dessen Fach Nachschau
gehalten und ferner dessen Wäscheköfferchen geschüttelt, ohne dabei einen
Inhalt wahrzunehmen. Dass gegen Handel, der sich dann nach der Tat vom 23.
März 1940 als Dieb bekannte, über die eben erwähnte Kontrolle hinaus keine
weitern Untersuchungsmassnahmen getroffen wurden, ist verständlich und
entschuldbar, da Burkhardt schon wiederholt unbegründete Diebstahlsanzeigen
erstattet hatte, und da grundlose Anschuldigungen auf geistig beschränkte
Personen sehr ungünstig wirken können. Auch eine eingehendere Untersuchung in
der Anstalt hätte im übrigen nicht zur Entdeckung der aus dem gestohlenen Geld
gekauften Waffe führen können, da Handel sie bereits vor der Anzeige
Burkhardts nach Hause geschafft hatte. Von dieser Anzeige abgesehen, bestand
für die Anstalt kein Anlass, die Effekten Handels häufiger als diejenigen der
andern Patienten zu durchsuchen.
Die Klage ist daher gegenüber beiden Beklagten abzuweisen, ohne dass noch zu
prüfen wäre, ob die Haftpflicht gemäss Art. 333
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 333 - 1 Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
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1 | Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469 |
2 | Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustand eines Hausgenossen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.470 |
3 | Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen. |
beklagte Anstalt als solche oder ihren ärztlichen Leiter oder ein anderes
Organ getroffen hätte.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung der Klägerin wird abgewiesen, diejenige der beklagten Anstalt
dagegen gutgeheissen und die Klage auch dieser gegenüber abgewiesen.