S. 296 / Nr. 69 Erfindungsschutz (d)

BGE 71 II 296

69. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. November 1945 i.S. Brown, Boveri &
Co. A.-G. gegen Maschinenfabrik Oerlikon A.-G.


Seite: 296
Regeste:
Auslegung des Patentanspruchs, Art. 6
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 6 - 1 Wenn der vom Patentbewerber genannte Erfinder darauf verzichtet, unterbleiben die in Artikel 5 Absatz 2 vorgeschriebenen Massnahmen.
1    Wenn der vom Patentbewerber genannte Erfinder darauf verzichtet, unterbleiben die in Artikel 5 Absatz 2 vorgeschriebenen Massnahmen.
2    Ein im Voraus erklärter Verzicht des Erfinders auf Nennung ist ohne rechtliche Wirkung.
PatG.
Rahmen, innerhalb dessen die Patentbeschreibung zur Auslegung herangezogen
werden darf (Erw. II 2).
Erfindungsbegriff, Art. 16
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
Ziff. l PatG.
Erfordernis der schöpferischen Idee im Gegensatz zur blossen nach dem Stand
der Technik naheliegenden Weiterentwicklung (Erw. II 3 und 4 a und b).
Voraussetzungen der sog. Übertragungserfindung (Erw. II 4 c und d).
Stellung einer Aufgabe und Lösung derselben als Erfindung (Erw. II 4 e).
Erfordernis des technischen Fortschrittes (Erw. III 1 - 3).
Loi fédérale sur les brevets d'invention.
Interprétation de la revendication, art. 5:
Limites dans lesquelles la description peut servir à l'interprétation de la
revendication (consid. II 2).
Notion de l'invention, art. 16 ch. l:
Exigence de l'idée créatrice, par opposition au simple développement auquel un
homme du métier peut être naturellement amené à songer dans l'état de la
technique (consid. II 3 et 4 a et b).
Conditions de l'invention dite d'adaptation ou de transposition (consid. II 4
c et d).
Position d'un problème et solution dudit, considérées comme une invention
(consid. II 4 e).
Exigence du progrès technique (consid. III l à 3).
Legge federale sui brevetti d'invenzione.
Interpretazione della rivendicazione, art. 6:
Limiti, entro i quali la descrizione può servire all'interpretazione della
rivendicazione (consid. II 2).
Concetto dell'invenzione, art. 16 cifra l:
Requisito dell'idea creatrice, in opposizione al semplice sviluppo, cui un
uomo può essere indotto a pensare, dato lo stadio della tecnica (consid. II 3
e 4 a e b).
Presupposti dell'invenzione detta d'adattamento o di trasposizione (consid. II
4 c e d).
Un problema e la sua soluzione considerati come un'invenzione (consid. II 4
e).
Requisito del progresso tecnico (consid. III 1-3).


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A. ­ Die Brown, Boveri & Co. A.-G. (BBC) ist Inhaberin des Schweizer Patents
Nr. 134520 (angemeldet am 17. November 1928, eingetragen am 31. Juli 1929,
Priorität: Deutschland, 9. November 1928) für ein «Verfahren zur Regelung von
mit Wechselstrommotoren betriebenen Schienenfahrzeugen». Dessen
Patentansprüche lauten wie folgt:
«I. Verfahren zur Regelung von mit Wechselstrommotoren verhältnismässig
niederer Spannung betriebenen Schienenfahrzeugen, die über einen
Leistungstransformator an eine Hochspannungsleitung angeschlossen sind,
dadurch gekennzeichnet, dass die Regelung der Fahrgeschwindigkeit auf der
Oberspannungsseite vorgenommen wird.
II. Einrichtung zur Ausübung des Verfahrens nach Patentanspruch I, dadurch
gekennzeichnet, dass der Transformator oberspannungsseitig mit den Anzapfungen
für die Spannungsregelung der niederspannungsseitig angeschlossenen
Triebmotoren versehen ist.»
Im weiteren enthält das Patent die beiden folgenden Unteransprüche:
«1. Einrichtung nach Patentanspruch II, dadurch gekennzeichnet, dass auf der
Oberspannungsseite zusätzliche Stufen- oder Drehtransformatoren verwendet
sind.
2. Verfahren nach Patentanspruch I, dadurch gekennzeichnet dass ausser auf der
Ober- auch auf der Unterspannungsseite des Transformators geregelt wird.»
B. ­ Die Maschinenfabrik Oerlikon A.-G. (MFO) stellte im Jahre 1938 im Auftrag
der SBB eine ebenfalls mit einer Hochspannungssteuerung ausgerüstete schwere
Gotthardlokomotive, Nr. 11852, her. Da die von der MFO ausgeführte
Hochspannungssteuerung nach der Auffassung von BBC ihr Patent Nr. 134520
verletzt, reichte sie gegen die MFO Unterlassungs- und Schadenersatzklage ein.
Die Beklagte bestritt, dass die von ihr ausgeführte Schaltungsanlage in den
Schutzbereich des Patentes der Klägerin eingreife und machte überdies geltend,
das Patent der Klägerin sei nichtig. Demgemäss beantragte sie Abweisung der
Klage und erhob Widerklage auf Nichtigerklärung des Patentes Nr. 134520.
C. ­ Das Handelsgericht Zürich holte ein Expertengutachten ein bei Ingenieur
Egg. Da dessen

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Schlussfolgerungen von der Klägerin beanstandet wurden und dem Gericht nicht
in allen Teilen als schlüssig erschienen, wurde eine Oberexpertise angeordnet,
mit deren Erstattung Prof. Ing. Rutgers betraut wurde. Dieser nahm jedoch nur
zu einer der ihm gestellten Fragen Stellung und zwar in einer Weise, die nach
der Auffassung des Handelsgerichtes eine Erledigung des Prozesses nicht
ermöglichte. Die von ihm verlangte Ergänzung seines Gutachtens lehnte der
Experte ab mit Rücksicht auf die von der Klägerin gegen sein Gutachten
erhobenen Einwendungen. Es wurde deshalb als neuer Oberexperte Ingenieur
Howald zugezogen, der ein Gutachten und eine Ergänzung dazu erstattete.
In Würdigung der gesamten Ergebnisse des Beweisverfahrens erklärte das
Handelsgericht mit Urteil vom 29. November 1944 in Gutheissung der Widerklage
das schweizerische Patent Nr. 134520 der Klägerin als nichtig und wies
demgemäss die Hauptklage ab.
D. ­ Gegen das Urteil des Handelsgerichts ergriff die Klägerin die Berufung an
das Bundesgericht unter Wiederholung ihrer vor der ersten Instanz gestellten
Begehren.
Die Beklagte und Widerklägerin trug auf Abweisung der Berufung und Bestätigung
des angefochtenen Entscheides an.
E. ­ Das Bundesgericht hat in Anwendung von Art. 67
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
OG den Experten Howald
beigezogen, um sich das für die Beurteilung der Sache erforderliche genaue
Verständnis des Tatbestandes zu verschaffen.
Den Parteien wurde Gelegenheit gegeben, der Expertenverhandlung beizuwohnen,
ohne dass ihnen dabei jedoch das Wort erteilt wurde zur Stellung von
Ergänzungsfragen an den Experten oder zur Erhebung von Einwendungen gegen die
erläuternden Erklärungen desselben.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
I. ALLGEMEINES.
1. ­ Bei den heute auf Vollbahnstrecken meist gebräuchlichen elektrischen
Einphasen-Wechselstrom-Lokomotiven,

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die an einer Hochspannungsleitung von 15000 Volt laufen, wird die
Geschwindigkeit dadurch geregelt, dass ihren Kollektor-Seriemotoren
verschiedene Spannungen aufgedrückt werden. Da diese in der Regel zwischen 0
und 600 Volt liegen, muss der Fahrdrahthochspannungsstrom auf der Lokomotive
auf diese wesentlich niedrigere Motorspannung hinunter transformiert werden.
Dabei muss die Möglichkeit bestehen, in rascher Folge eine Vielzahl von
Spannungsstufen zwischen O und 600 Volt einzuschalten, um der Lokomotive die
jeweils gewünschte Geschwindigkeit zu geben. Die hiefür notwendige
Regeleinrichtung wurde bei den von beiden Parteien bis 1928 gebauten
Lokomotiven in den Niederspannungskreis des Fahrzeugtransformators
(Motorstromkreis) eingebaut, was zur Folge hatte, dass Ströme verhältnismässig
niederer Spannung, aber entsprechend grosser Stromstärke geschaltet werden
mussten. Weil namentlich auf den Bergstrecken der SBB immer grössere
Anforderungen an die Zugkraft der Lokomotiven gestellt wurden, mussten immer
stärkere Maschinen mit mehr Motoren gebaut werden. Die dadurch bedingte
Schaltung von immer grösseren Stromstärken erforderte wiederum umfangreichere
und schwerere Schaltapparaturen, deren Unterbringung und Handhabung auf der
Lokomotive Schwierigkeiten bereitete. Das veranlasste die Klägerin, als die
SBB im Jahre 1929 zur Vermeidung von Vorspannlokomotiven bei schweren Zügen
auf der Gotthardlinie eine Doppellokomotive wünschten, am 14. Mai 1929 eine
von ihr entwickelte Hochspannungssteuerung vorzuschlagen, d.h. eine Regelung
der Triebmotoren auf der Hochspannungsseite des Lokomotivtransformators, womit
eine unverhältnismässig schwere und zu viel Platz erheischende Regelapparatur
vermieden werden könnte. Nach Einholung eines Gutachtens bei ihrem
Vertrauenssachverständigen, Dr. Huber-Stockar, stimmten die SBB dem Vorschlag
der Klägerin zu. Die neue Steuerungsart wurde demgemäss erstmals bei der von
der Klägerin gebauten Gotthardlokomotive Nr. 11801 angebracht, die im Winter
1930 /31 dem Betrieb übergeben

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wurde. Eine zweite, ähnliche Lokomotive, Nr. 11851, wurde von der Beklagten
gebaut, aber mit der von der Klägerin gelieferten Hochspannungssteuerung
ausgerüstet. Die Ausführung dieser Steuerung entsprach jedoch nicht dem
klägerischen Patent Nr. 134520, sondern dem von diesem abhängigen Patent Nr.
142560, das die Klägerin am 6. November 1929, mit deutscher Priorität vom 30.
November 1928, angemeldet und am 30. September 1930 erteilt erhalten hatte.
Da diese beiden Lokomotiven sich im Betrieb bewährten, anerbot sich die
Beklagte im Jahre 1938, für die SBB die eingangs erwähnte Lokomotive Nr. 11852
zu erstellen, deren Hochspannungssteuerung nach der Ansicht der Klägerin ihr
Patent Nr. 134520 verletzt. Die streitige Lokomotive wurde von der Beklagten
an der Landesausstellung in Zürich ausgestellt.
2. ­ Da bei Gutheissung der Widerklage auf Nichtigerklärung des Patentes Nr.
134520 der Klage ohne weiteres der Boden entzogen wird, ist in Übereinstimmung
mit der Vorinstanz in erster Linie die Frage der Nichtigkeit des genannten
Patentes zu prüfen.
Nach der Meinung der Beklagten ist das Streitpatent nichtig, weil keine
Erfindung vorliege (Art. 16 Ziffer 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG), ferner mangels gewerblicher
Verwertbarkeit (Art. 16 Ziffer 3), mangels Neuheit und wegen Vorwegnahme durch
ein anderes Patent (Art. 16 Ziffer 4 und 5). Weiter entbehrt das Patent nach
der Ansicht der Beklagten einer genügenden Beschreibung und einer klaren
Definition des Patentanspruches (Art. 16 Ziffer 7
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
und 8
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
). Endlich macht die
Beklagte noch geltend, das Patent der Klägerin müsse gelöscht werden, weil sie
es nie ausgeführt habe (Art. 18
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 18 - 1 ...59
1    ...59
2    Das Prioritätsrecht kann vom Erstanmelder oder von demjenigen beansprucht werden, der das Recht des Erstanmelders erworben hat, die gleiche Erfindung in der Schweiz zur Patentierung anzumelden.60
3    Sind die Erstanmeldung, die Anmeldung in der Schweiz oder beide von einer Person bewirkt worden, der kein Recht auf das Patent zustand, so kann der Berechtigte die Priorität aus der Erstanmeldung geltend machen.61
PatG).
Die Klägerin bestreitet das Vorliegen der von der Beklagten angerufenen
Nichtigkeitsgründe.
Das Handelsgericht Zürich hat den Hauptanspruch I des Patentes wegen Fehlens
eines schöpferischen Erfindungsgedankens, sowie mangels Angabe einer Lösung
der

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gestellten Aufgabe (Art. 16 Ziffer 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
und 7
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG), den Hauptanspruch II wegen
Fehlens eines technischen Fortschrittes (Art. 16 Ziffer 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG) als nichtig
erklärt. Die übrigen von der Beklagten angerufenen Nichtigkeitsgründe und das
auf Art. 18
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 18 - 1 ...59
1    ...59
2    Das Prioritätsrecht kann vom Erstanmelder oder von demjenigen beansprucht werden, der das Recht des Erstanmelders erworben hat, die gleiche Erfindung in der Schweiz zur Patentierung anzumelden.60
3    Sind die Erstanmeldung, die Anmeldung in der Schweiz oder beide von einer Person bewirkt worden, der kein Recht auf das Patent zustand, so kann der Berechtigte die Priorität aus der Erstanmeldung geltend machen.61
PatG gestützte Löschungsbegehren dagegen hat das Handelsgericht
zum Teil überhaupt nicht, zum Teil nicht abschliessend geprüft.
Da es sich bei Begründetheit der Auffassung der Vorinstanz erübrigt, die von
der Beklagten angerufenen weiteren Nichtigkeits- und Löschungsgründe zu
prüfen, ist vorerst zu untersuchen, ob das Streitpatent aus den von der
Vorinstanz angenommenen Gründen nichtig erklärt werden muss.
II. HAUPTANSPRUCH I.
1. ­ Zur Entscheidung darüber, ob dem Hauptanspruch I gemäss der Annahme der
Vorinstanz wegen Fehlens eines schöpferischen Erfindungsgedankens die
Patentfähigkeit abgehe, muss zunächst der Inhalt des Streitpatentes festgelegt
werden. Bereits in diesem Punkte, der für die Beantwortung der Frage nach dem
Vorliegen einer schöpferischen Idee, sowie des erforderlichen technischen
Fortschrittes und die Beurteilung der entgegengehaltenen Vorpatente und
Publikationen ausschlaggebende Bedeutung hat, gehen die Auffassungen der
Parteien auseinander.
Nach der Ansicht der Klägerin besteht nämlich die im Patentanspruch I
geschützte Erfindungsidee in der «oberspannungsseitigen Steuerung der
Triebmotoren bei Fahrdrahtspannung über 10,000 Volt». Demgegenüber vertritt
die Beklagte den Standpunkt, da im Hauptanspruch I des Patentes nur von
«Hochspannungsfahrleitung» die Rede sei, habe im Sinn der vom schweizerischen
Elektrotechnischen Verein herausgegebenen Normen für Spannungen und
Spannungsprüfungen als Hochspannung jede Spannung über 1000 Volt zu gelten.
Die Parteien sind ferner verschiedener Meinung darüber, was unter dem im
kennzeichnenden Teil des

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Patentanspruchs verwendeten Begriff der «Regelung der Fahrgeschwindigkeit auf
der Oberspannungsseite» zu verstehen sei.
Die Klägerin will als oberspannungsseitig jede Regelung verstanden wissen, die
an die Primärwicklung des Leistungstransformators oder zwischen dieser und der
Hochspannungsleitung angeschlossen ist. Nach der Ansicht der Beklagten dagegen
ist zufolge der Formulierung des Patentes erforderlich, dass einer der Orte
der Regulierung, d. h. mindestens ein Teil derselben, in der Primärwicklung
des Leistungstransformators liegen müsse, während die übrigen Regelstellen
zwischen dieser und dem Fahrdraht eingeschaltet sein könnten.
Es ist daher vorerst abzuklären, welche Bedeutung die beiden im Patent
verwendeten Begriffe «Hochspannungsfahrleitung» und «Regelung auf der
Oberspannungsseite» haben.
2. ­ Nach Art. 5
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 5 - 1 Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
1    Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
2    Die vom Patentbewerber genannte Person wird im Patentregister, in der Veröffentlichung des Patentgesuchs und der Patenterteilung sowie in der Patentschrift als Erfinder aufgeführt.15
3    Absatz 2 ist entsprechend anwendbar, wenn ein Dritter ein vollstreckbares Urteil vorlegt, aus welchem hervorgeht, dass nicht die vom Patentbewerber genannte Person, sondern der Dritte der Erfinder ist.
PatG hat der Patentanspruch die Erfindung durch diejenigen
Begriffe zu definieren, welche der Patentbewerber zur Bestimmung des
Gegenstandes des Patentes für erforderlich und als ausreichend erachtet. Zur
Auslegung des Patentanspruches, der für die Neuheit der Erfindung und den
sachlichen Geltungsbereich des Patentes massgebend ist, kann die Beschreibung
herangezogen werden. Die Auslegung eines Patentes ist Rechtsfrage und fällt
daher in die Zuständigkeit des Bundesgerichtes.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes, die mit Rücksicht auf
die im Schrifttum laut gewordene Kritik in BGE 70 II 239 f. einer erneuten
Prüfung unterzogen und bestätigt wurde, ist davon auszugehen, dass das
geltende Patentrecht in Art. 5
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 5 - 1 Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
1    Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
2    Die vom Patentbewerber genannte Person wird im Patentregister, in der Veröffentlichung des Patentgesuchs und der Patenterteilung sowie in der Patentschrift als Erfinder aufgeführt.15
3    Absatz 2 ist entsprechend anwendbar, wenn ein Dritter ein vollstreckbares Urteil vorlegt, aus welchem hervorgeht, dass nicht die vom Patentbewerber genannte Person, sondern der Dritte der Erfinder ist.
PatG die Patentbeschreibung in eine dem
Patentanspruch untergeordnete Stellung verweist, weshalb die Beschreibung bei
der Auslegung nicht in der Weise herangezogen werden darf, dass der
Patentanspruch durch sie eine Ergänzung erfährt. Gegenüber dem Einwand, dass
jede Auslegung im Grunde genommen eine

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Ergänzung bedeute, hat das Gericht in dem oben erwähnten Entscheid seinen
Standpunkt dahin präzisiert, dass bei der Auslegung im Sinne von Art. 5
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 5 - 1 Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
1    Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
2    Die vom Patentbewerber genannte Person wird im Patentregister, in der Veröffentlichung des Patentgesuchs und der Patenterteilung sowie in der Patentschrift als Erfinder aufgeführt.15
3    Absatz 2 ist entsprechend anwendbar, wenn ein Dritter ein vollstreckbares Urteil vorlegt, aus welchem hervorgeht, dass nicht die vom Patentbewerber genannte Person, sondern der Dritte der Erfinder ist.
PatG
nur eine Ergänzung in dem durch die auszulegenden Ausdrücke und Wendungen
gezogenen Rahmen in Betracht komme. Eine Auslegung an Hand der
Patentbeschreibung ist also nur möglich in Bezug auf Dinge, die im
Patentanspruch zwar nicht klar und eindeutig gesagt, aber doch für den gut
ausgebildeten Fachmann entweder andeutungsweise darin enthalten sind oder als
selbstverständlich vorausgesetzt gelten dürfen. Auslegung setzt somit Angaben
im Patentanspruch voraus, welche gestatten, in der Beschreibung enthaltene
Erläuterungen daran anzuknüpfen. Andernfalls wird dem Patentanspruch etwas
hinzugefügt. Darlegungen, die sich ausschliesslich in der Beschreibung
vorfinden und sich nicht in der geschilderten Weise an den Patentanspruch
anknüpfen lassen, dürfen daher zur Auslegung des Patentanspruchs nicht
herangezogen werden.
An Hand der vorstehenden Grundsätze ist nun zu prüfen, wie die beiden oben
erwähnten streitigen Begriffe im vorliegenden Fall aufzufassen sind.
a) Hinsichtlich des Begriffs «Hochspannungsleitung» ist zunächst
festzustellen, dass der Patentanspruch diesen Ausdruck verwendet. Hieran darf
also angeknüpft werden, was in der Beschreibung an Angaben über Hochspannung
enthalten ist. Nach den oben gemachten Ausführungen darf sogar darüber hinaus
auch an das angeknüpft werden, was im Zusammenhang mit dem Begriff
Hochspannung als selbstverständlich im Patentanspruch vorausgesetzt gelten
kann. Massgebender Zeitpunkt hiefür ist derjenige des deutschen
Prioritätspatentes Nr. 564,298, d. h. der 9. November 1928.
Die Patentbeschreibung enthält keine zahlenmässige Angabe darüber, wo die
Hochspannung im Sinne des Patentes beginne. Lediglich beiläufig ist in der
Beschreibung die Rede von einer Oberleitung von zum Beispiel 15,000 Volt. Das
gibt immerhin einen gewissen Anhaltspunkt für den

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im Patentanspruch gebrauchten Begriff der Hochspannung, indem damit zum
Ausdruck gebracht wird, dass jedenfalls auch Spannungen von 15,000 Volt dazu
gehören. Die Klägerin selber hat freilich in ihren BBC-Mitteilungen vom Mai
1917 in einer Tabelle auch eine Leitung von 5500 Volt als Hochspannungsleitung
bezeichnet, und ebenso in den BBC-Mitteilungen vom März 1922 bei Ausführungen
über die Brembana-Bahn eine Leitung von 6000 Volt. Damals wurden aber sowohl
in der Schweiz als im Ausland im Bahnbetrieb bereits Spannungen von über
10,000 Volt verwendet. Wenn also die Klägerin, die doch in erster Linie als
Fachmann auf diesem Gebiete zu gelten hat, 6 Jahre später den Begriff der
Hochspannung einschränkend als Spannung «von mindestens 10,000 Volt»
verstanden wissen wollte, so mussten dafür entweder besondere Gründe oder aber
Angaben im Patent vorliegen, welche mindestens für den Fachmann bei Lektüre
und Prüfung des Streitpatentes erkennen liessen, dass dieses unter der
Bezeichnung Hochspannung eine solche von mehr als 6000 Volt, genauer eine
solche von mindestens 10,000 Volt oder in der allgemeinen Grössenordnung von
15,000 Volt voraussetzte.
Ob dies der Fall sei, könnte als zweifelhaft erscheinen angesichts der
Verordnung vom 7. Juli 1933 über Erstellung, Betrieb und Unterhalt der
elektrischen Ausrüstung von Bahnen. Soweit diese Vo keine anderen Bestimmungen
enthält, stellt sie auf die Vo über Starkstromanlagen ab. Danach hat die Vo
von 1933 auch nach der Anmeldung des Streitpatentes noch die Grenze von 1000
Volt als die Trennungslinie betrachtet. Ebenso wollen die Experten Egg und
Howald auf Grund der Normalien des SEV alle Spannungen über 1000 Volt als
Hochspannung ansehen. Etwas höher liegt die Grenze nach dem massgebenden Werk
von SEEFEHLNER «Elektrische Zugförderung», das als Hochspannungsbetriebe
solche von 2500-16,000 Volt Fahrdrahtspannung bezeichnet.
Selbst wenn man nun mit Rücksicht hierauf die in der

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Patentbeschreibung enthaltene Erwähnung einer Fahrleitung von 15,000 Volt
nicht als Hinweis auf die Grössenordnung dessen betrachtet, was der
Patentbewerber unter Hochspannung im Sinne des Patentanspruchs verstanden
wissen wollte, sondern lediglich als beiläufiges Beispiel, so ergibt sich doch
aus den übrigen Umständen, dass der Hauptanspruch eine Spannung, welche an der
oberen Grenze der damals im Bahnbetrieb allgemein üblichen oder wenigstens in
deren oberer Hälfte liegt, als selbstverständlich voraussetzte. Der
Oberexperte Howald hat zwar erklärt, der gesetzliche Begriff der Hochspannung
beginne auch für den Bahnfachmann bei 1000 Volt. Er hat aber sofort beigefügt,
aus der örtlichen Praxis heraus habe sich der Bahnfachmann schon im Jahre 1928
bei Einphasenbetrieben im Allgemeinen unter Hochspannungsleitung eine solche
von 10-16,000 Volt vorgestellt. Auf den Fachmann aber und dessen Vorstellung
kommt es an, wie oben ausgeführt worden ist. In dieser Vorstellung musste er
bei der Lektüre der Beschreibung noch bestärkt werden, da diese, wenn auch nur
beispielsweise, von einer Spannung von 15,000 Volt als etwas geradezu
Selbstverständlichem spricht. Überdies nennt Abs. 2 der Patentbeschreibung als
Ausgangspunkt des Patentes die Tatsache, dass nach der Erfindung der Schritt
gewagt werde, die Regelung der Triebmotoren eines Fahrzeuges auf der
Hochspannungsseite vorzunehmen, und gibt als Grund für diesen Schritt an, dass
man inzwischen gelernt habe, auch hochgespannte Ströme zu schalten. Die
Schaltung von Strömen von 1000 bis 3000 Volt, ja sogar von solchen von 5000
Volt war aber schon lange vor 1928 bekannt und hätte keiner besonderen
Erwähnung bedurft.
In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist deshalb unter dem im Patent
gebrauchten Begriff «Hochspannungsfahrleitung» entsprechend der in
Bahntraktions-Fachkreisen 1928 üblichen Terminologie und unter Beizug der
Patentbeschreibung eine Leitung von 10-15,000 Volt Fahrdrahtspannung zu
verstehen. Der von der Beklagten auch

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vor dem Bundesgericht noch eingenommene Standpunkt, die Vorinstanz habe den
Patentanspruch mit dem konstitutiven Merkmal «mindestens 10 000 Volt
Fahrdrahtspannung», das selbst in der Patentbeschreibung fehle, bereichert und
dadurch Bundesrecht verletzt, geht somit fehl.
b) Zu dem weiter streitigen Begriff der Regelung der Fahrgeschwindigkeit auf
der Oberspannungsseite ist Folgendes zu bemerken:
Als oberspannungsseitig sind mit dem Oberexperten Howald zunächst alle jene
Lösungen zu betrachten, bei denen die Regulierungsvorrichtung am Objekt
selbst, d. h. an der Oberspannungsseite des Leistungs- (Motor-) Transformators
liegt, oder im Raum vor dem Objekt, d. h. zwischen Oberspannungsseite des
Leistungstransformators und Fahrdraht. Hiebei wird im letzteren Fall vom
Oberexperten Howald vorausgesetzt, dass Anzapfungen an der Oberspannungsseite
vorhanden seien.
Besonders zu prüfen ist, ob unter den vom Streitpatent verwendeten Begriff
«Regelung auf der Oberspannungsseite» auch solche Lösungen fallen, bei denen
die Reguliervorrichtung zwischen Fahrdraht und Oberspannungsseite des
Leistungstransformators liegt, bei denen aber diese Oberspannungsseite keine
Anzapfungen aufweist.
Der Oberexperte hat gefunden, der Patentanspruch sei derart allgemein
gehalten, dass auch solche Lösungen darunter fallen. Da die Patentbeschreibung
aber stets von Anzapfungen spreche, den allgemeinen Begriff also einschränkend
erläutere, sei anzunehmen, dass nach dem Patent wenigstens ein Teil der
Regulierungsvorrichtung an der Primärwicklung des Transformators liegen müsse,
während Lösungen ohne Anzapfungen auf der Oberspannungsseite vom Patent nicht
beansprucht werden.
Zur Klarstellung des hier zu erörternden Begriffs darf entsprechend den
eingangs gemachten grundsätzlichen Ausführungen die Patentbeschreibung
herangezogen werden. Allein in dieser Rechtsfrage kommt der Patentbeschreibung

Seite: 307
nicht derart ausschliessende Bedeutung zu, wie der Experte annimmt. Die
Vorinstanz hat es vielmehr mit Recht abgelehnt, aus der Patentbeschreibung zu
folgern, der Anmelder wolle nur gerade für das den Patentschutz verlangen, was
er erläuterungsweise in der Beschreibung erwähnt (vgl. S. 24 des angefochtenen
Urteils). Oft wird er lediglich den Hauptfall erläutern, ohne deshalb auf ihm
untergeordnet erscheinende Varianten verzichten zu wollen.
Überdies sind, wenn die Beschreibung beigezogen wird, zur Abklärung des hier
in Frage stehenden Begriffs nicht bloss die dort vorkommenden Hinweise auf
«Anzapfungen auf der Hochspannungsseite» zu beachten. Die Patentbeschreibung
bietet noch einen andern, spezielleren Anhaltspunkt. In Abs. 2 der
Beschreibung wird nämlich das Gegenteil der Oberspannungsseite erwähnt, die
Regelung auf der Unterspannungsseite. Im Zusammenhang damit führt der
Patentbewerber aus, man sei bisher mit Rücksicht auf das bei
Schienenfahrzeugen baulich Erreichbare gezwungen gewesen, «die Regelung der
Motoren im gleichen Stromkreis, d. h. auf der Unterspannungsseite» vorzusehen.
Die Unterspannungsseite wird hier also dem Motorstromkreis gleichgesetzt.
Somit umfasst der Begriff «Regelung auf der Hochspannungsseite» jede Regelung,
welche nicht im Motorstromkreis erfolgt.
Oberspannungsseitig im Sinne des Patentes ist daher auch ein Regelverfahren,
bei welchem die Regelapparatur zwar auch zwischen Fahrdraht und
Motorstromkreis liegt, bei welchem aber die Oberspannungsseite des
Leistungstransformators nicht in die Regelapparatur einbezogen (also nur zur
Durchleitung der bereits geregelten Stromgrösse gebraucht) wird.
Auch in Bezug auf die Auslegung des Begriffs der «Regelung auf der
Oberspannungsseite» ist daher die Kritik der Beklagten am angefochtenen Urteil
unbegründet.
c) Bestimmt man den Inhalt des Hauptanspruchs I in der oben dargelegten Weise,
so ergibt sich auch der Unterschied zwischen ihm und dem Hauptanspruch II:

Seite: 308
Hauptanspruch I betrifft ein verfahren zur Regelung der Geschwindigkeit,
Hauptanspruch II dagegen beschlägt eine bestimmte Ausführungsform, nämlich
eine solche, die Anzapfungen auf der Oberspannungsseite des
Leistungstransformators aufweist.
3. ­ Ausgehend von dem in Erw. 2 umschriebenen Inhalt des Streitpatentes ist
nun weiter zu prüfen, ob im Hinblick auf den Stand der Technik im massgebenden
Zeitpunkt ­ 9. November 1928 ­ der Hauptanspruch I des Patentes eine
schöpferische Idee aufweist.
Die von der Klägerin mit dem Patent beanspruchte Anweisung zum technischen
Handeln geht, kurz gesagt, dahin: Regle die Geschwindigkeit von elektrischen
Schienenfahrzeugen, d. h. Lokomotiven, und zwar durch Änderung der Spannung
auf der Oberspannungsseite. Hiebei ist nach den in Erw. 2 gemachten
Darlegungen vorauszusetzen, dass es sich bei dieser Oberspannungsseite um eine
Hochspannung von mehr als 10,000 Volt handelt. Das Charakteristische ihrer
Erfindung, die Grundidee, das Schöpferische und gegenüber dem Vorbekannten
Neue erblickt die Klägerin also einerseits darin, dass ihr Verfahren zur
Regelung der Geschwindigkeit Schienenfahrzeuge betrifft im Gegensatz zu
stationären Anlagen, und anderseits darin, dass es sich auf eine Oberspannung
bezieht, die mehr als 10,000 Volt beträgt.
Bei der Prüfung der Frage des Vorliegens einer schöpferischen Idee ist von dem
auszugehen, was die Vorinstanz an Hand der Expertengutachten und nach
Untersuchung der Entgegenhaltungen der Beklagten über den Stand der Technik
zur Zeit der Patentanmeldung festgestellt hat. Insoweit befindet sich das
Bundesgericht im Bereich tatsächlicher Feststellungen, an die es gebunden ist,
es sei denn, sie seien aktenwidrig (Art. 63 Abs. 2
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 5 - 1 Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
1    Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
2    Die vom Patentbewerber genannte Person wird im Patentregister, in der Veröffentlichung des Patentgesuchs und der Patenterteilung sowie in der Patentschrift als Erfinder aufgeführt.15
3    Absatz 2 ist entsprechend anwendbar, wenn ein Dritter ein vollstreckbares Urteil vorlegt, aus welchem hervorgeht, dass nicht die vom Patentbewerber genannte Person, sondern der Dritte der Erfinder ist.
OG), wie dies seitens
beider Parteien in verschiedenen Punkten geltend gemacht wird. Rechtsfrage ist
dann die darauf basierende Entscheidung, ob der Schritt vom Vorbekannten nach
vorwärts derart beschaffen ist, dass er als schöpferisch

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im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung qualifiziert werden kann.
Die einlässlichen Darlegungen der Vorinstanz über den Stand der Rechnik, die
sich auf S. 29-43 des angefochtenen Urteils finden, gelangen zu den folgenden
abschliessenden Feststellungen:
a) Bei stationären Anlagen war die Idee der Hochspannungsschaltung von
Stufentransformatoren bekannt, und zwar auch für Ströme, die als hochgespannt
im Sinne des Streitpatentes anzusehen sind, d. h. für Ströme über 10,000 Volt
Spannung. Schon im Jahre 1906 war in der «Elektrotechnischen Zeitschrift»
durch eine Abhandlung des Ingenieurs Jacques Büchi ein Stufenschalter zur
einwandfreien Regelung von Spannungen bis zu 150,000 Volt dargelegt worden.
b) Bekannt war sodann auch der Gedanke, Motoren oberspannungsseitig zu
steuern, wie das Schweizer Patent 87,274 der Siemens-Schuckert-Werke von 1919
(mit deutscher Priorität von 1918) zeigt, dem die gleiche Idee wie dem
Streitpatent zu Grunde liegt. Nicht mit Sicherheit erwiesen ist lediglich, ob
dieses Patent sich auch auf Fahrzeugmotoren bezog und ob damit auch höhere
Spannungen als solche von 1000 Volt geschaltet werden sollten.
c) Dagegen wird der Gedanke der oberspannungsseitigen Steuerung auch von
Fahrzeugmotoren vorweggenommen durch das USA-Patent 1,243,430 von Lamme, sowie
durch die in der Zeitschrift «Electrical World and Engineer» von 1904
erschienene Beschreibung des «British Lamme Single-Phase Railway Motor
Patent». Allerdings bezweckt das erstgenannte Patent nicht einen Wechsel der
Fahrgeschwindigkeit, sondern eine Steigerung der Maximalzugkraft des Motors
bei besonders hoher Belastung, und das zweitgenannte zieht nur eine
Kontrollerspannung von 1500 Volt in Betracht.
Weiter ist die dem Streitpatent zu Grunde liegende Schaltweise auch schon in
der Beschreibung des DRP 298,787 der Siemens-Schuckert-Werke und dem

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entsprechenden USA-Patent 823,220 enthalten, wobei indessen ersteres mit einer
Spannung von 1000 Volt, das andere mit einer solchen von 3000 Volt rechnet.
Eine Kombination von ober- und unterspannungsseitiger Regelung (wie
Unteranspruch 2 des Streitpatentes sie vorsieht) weist endlich auch das DRP
294,435 der Maffei-Schwarzkopfwerke vom Jahre 1913 auf. Eine Ausführung der
dort gezeigten Steuerung findet sich bei einem Lokomotiventypus der
Preussischen Staatsbahn und ist einlässlich dargelegt in «Glasers Annalen» vom
Jahre 1917. Entsprechend dem damaligen Stand der Technik dachte man
allerdings, wie der Oberexperte Howald bemerkt, nur an höhere Niederspannungen
oder Hochspannungen geringerer Höhe. Ferner unterscheidet sich diese
Konstruktion vom Streitpatent dadurch, dass die Hochspannung nicht über den
magnetischen Kreis des Leistungstransformators geleitet wird; die Regelung
erfolgt also zwar nicht im Motorstromkreis, aber auch nicht direkt
oberspannungsseitig.
d) Bekannt war nach den Darlegungen des Oberexperten Howald die durch die
oberspannungsseitige Regelung ermöglichte Gewichts- und Raumeinsparung, wie
sich aus Figur 11 der erwähnten Abhandlung in «Glasers Annalen» von 1917
ergebe.
e) Nicht erwiesen ist lediglich, ob das an sich bekannte Schaltungsprinzip
schon für Lokomotiven vorgeschlagen worden war, die an einer
Hochspannungsfahrleitung von über 10,000 Volt laufen.
4. ­ a) Der rechtliche Schluss aus diesen Feststellungen der Vorinstanz über
den Stand der Technik vor 1928 drängt sich ohne weiteres auf. Die
Nutzbarmachung des an sich auch für Schienenfahrzeuge bekannten Gedankens der
oberspannungsseitigen Regelung für Fahrzeuge mit Spannungen von über 10,000
Volt bedeutete zwar einen gewissen Fortschritt, stellte aber keine
schöpferische Idee, kein neues Konstruktionsprinzip dar. Beide Experten
bezeichnen denn auch übereinstimmend das Patent der

Seite: 311
Klägerin lediglich als die Anwendung eines vorbekannten Prinzips und
vorbekannter Mittel auf die 1928 beim Bahnbetrieb üblich gewordenen höheren
Spannungen. Die bei stationären Anlagen bereits verwendete Regelung von
Spannungen über 10,000 Volt auf Fahrzeuge zu übertragen, sei 1928 jedem gut
ausgebildeten Fachmann möglich gewesen; man habe nur die Schaltapparate so
bauen müssen, dass sie den Erschütterungen des Bahnbetriebes Stand hielten.
Danach handelt es sich also bei dem von der Klägerin eingeschlagenen Vorgehen
um einen nach dem damaligen Stand der Technik naheliegenden Fortschritt, um
eine Weiterentwicklung, wie sie schon dem gut ausgebildeten Fachmann möglich
war. Es fehlte ihm gerade das Moment, das erst die schutzfähige und
schutzwürdige Erfindung ausmacht.
b) Die Klägerin wirft auf S. 12/13 ihrer Berufungsschrift der Vorinstanz und
dem Experten vor, sie hätten nicht erklärt, warum denn die Lehre des
Streitpatentes die gewöhnliche fachmännische Durchschnittsarbeit nicht
übersteige. Dieser Vorwurf ist unbegründet. Zunächst ist hervorzuheben, dass
nicht das Wissen und Können des Durchschnittsfachmanns massgebend ist,
sondern, wie bemerkt, dasjenige des gut ausgebildeten Fachmannes. Sodann hat
der Experte Egg angeführt, warum dies dem gutausgebildeten Fachmann möglich
war: Nach ihm war die Idee der oberspannungsseitigen Regelung auch im Bereich
von Spannungen über 10,000 Volt die natürliche Lösung. Die Schwierigkeit der
Lösung lag mehr im Gebiet der Konstruktion. Wie der Experte Egg sagt, handelte
es sich darum, die Schaltapparate so zu bauen, dass sie die von der
Regelungsart und dem Ort ihrer Anwendung beanspruchte Isolationsfestigkeit und
Betriebssicherheit besassen. Der springende Punkt lag in der Beantwortung der
Frage, wie die Hochspannungsschaltorgane zu konstruieren waren, um eine
genügende Sicherheit im Fahrzeugbetrieb, im Bahnbetrieb zu gewährleisten. Auf
Grund

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der Darlegungen des Experten (S. 18-23 des Gutachtens) ist daher in
Übereinstimmung mit der Vorinstanz das Vorliegen einer schöpferischen Idee in
Bezug auf Hauptanspruch I zu verneinen. Der Grundgedanke, die
oberspannungsseitige Geschwindigkeitsregelung, war bekannt. Ihre Übertragung
auf höhere Spannungen lag für den Fachmann nahe. Das Erfinderische, das
Schöpferische, konnte nicht in der Übertragung dieser allgemeinen Idee auf
Hochspannungen im Sinne der Klägerin beruhen, sondern hätte bestenfalls in der
Darlegung dessen bestehen können, wie die vorbekannte Lösungsidee bei
Lokomotiven zu verwirklichen war, die an Fahrdrahtleitungen mit über 10,000
Volt Spannung laufen.
c) Für den Fall, dass man im Streitpatent nur die Übertragung einer
vorbekannten Idee erblicken wollte, macht die Klägerin in der Berufungsschrift
(S. 13) geltend, der Erfindungscharakter, die «Erfindungshöhe», sei dem Patent
deswegen zuzubilligen, weil es die Überwindung des technischen Vorurteils der
Fachleute darstelle; vor allem bei den Bahnfachleuten habe ein ausgesprochenes
Misstrauen gegen die Hochspannungssteuerung von über 10,000 Volt bestanden.
Die Behebung dieses Vorurteils durch die Übertragung des erprobten
Hochspannungsstufenschalters auf die Lokomotivsteuerung habe nach der
Äusserung des Oberexperten Howald einen grossen Fortschritt bedeutet, der mit
nicht geringem Wagnis verbunden war. Nach demselben Experten sei es ein
grosses Verdienst und eine Pioniertat von BBC, die an und für sich bekannten
Mittel und bekannten Schaltungen nunmehr auch für Spannungen über 10,000 Volt
und für grosse Leistungen im Lokomotivbau erstmalig verwendet zu haben.
Allein sowohl der Experte Egg (S. 38), wie der Oberexperte Howald
(Hauptgutachten S. 19, Ergänzungsgutachten S. 15 f.) verneinen auch unter
diesem Gesichtspunkt das Vorliegen einer Erfindung. Wie nämlich der Experte
Egg sagt, erforderte weder die Erkenntnis, dass in

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stationären Betrieben bewährte Regelungsarten auch auf Fahrzeugen verwendet
werden können, noch die Erkenntnis, dass beim Schalten in Stromkreisen höherer
Spannung der Schaltstrom und damit Gewicht und Dimensionen der Schaltapparate
kleiner werden, eine besondere erfinderische Tätigkeit, und es waren auch
keine besonderen technischen Schwierigkeiten zu überwinden.
Dass bei den «eher konservativen Bahnfachleuten» ein Misstrauen gegen
Schaltapparate in 15,000 Volt bestand, hat der Oberexperte Howald bestätigt.
Bei den übrigen Fachleuten bestand es aber nicht oder in geringerem Masse. In
«Glasers Annalen» vom November 1916, S. 156 ist allerdings die Rede von dem
«ungestümen und gefährlichen Hochspannungsgesellen», den man möglichst rasch
wieder loswerden wolle. Bei der Würdigung dieser bildhaften und darum zum
vorneherein mit Vorsicht aufzunehmenden Äusserung ist aber zu berücksichtigen,
dass sie 12 Jahre hinter der streitigen Erfindung zurückliegt. Wie allgemein
bekannt ist, nahm gerade in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg mit der starken
Entwicklung der Technik die Vertrautheit mit der Elektrizität und elektrischen
Einrichtungen in entsprechendem Masse zu. Solche Äusserungen aus dem Jahre
1916 beweisen daher nichts für die Einstellung der Ingenieure und
Fahrzeugfabriken im Jahre 1928. Die Klägerin selbst führt ja in der
Beschreibung des Streitpatentes den Grund an, der dazu bestimmte, bei
Fahrzeugen die Regelung im Hochspannungskreis vorzunehmen: Man hatte
inzwischen gelernt, auch hochgespannte Ströme zu schalten. Das lag, wie Howald
urteilte, im Zuge der Entwicklung. Man kann also jedenfalls nicht sagen, es
hätte sich vorliegend darum gehandelt, einen eigenen Weg zu gehen und die
praktische Durchführbarkeit einer Idee zu erproben, die auf Grund der
herrschenden Ansichten als von vorneherein aussichtslos gelten musste (BGE 69
II 187
). Ebenso liegt kein Sachverhalt vor, der mit demjenigen des Entscheides
über den «Mordaxstollen» (BGE 69 II 200) in Parallele gesetzt

Seite: 314
werden könnte. Dort wurde das Erfinderische darin erblickt, dass der technisch
hervorragende Fortschritt gegen alle Voraussicht auf Grund systematischer und
umfassender Versuche herausgefunden worden war. Im Gegensatz zu den dortigen
Verhältnissen lag es für die Fachleute des Elektromotorenbaues und des
Schienenfahrzeugbaues im Zuge der Entwicklung, die bekannte Idee, die ja schon
bei stationären Hochspannungsanlagen ausprobiert worden war, auf
Fahrzeugmotoren zu übertragen. Diese Übertragung war nicht eine Etappe im
Kampf um Vorurteile gegen die Lösungsidee an sich, sondern ein
Konstruktionsproblem. Man musste insbesondere die gesamten Schalteinrichtungen
so bauen, dass sie trotz den Erschütterungen des Bahnbetriebes zuverlässig
spielten. In dieser Richtung lagen, wie schon früher bemerkt wurde,
offensichtlich gewisse erfinderische Möglichkeiten. Diese sind im Streitpatent
noch nicht verwirklicht; denn es offenbart gerade nicht, wie man es bei
Fahrzeugen zu machen habe. Das wurde erst in dem ein Jahr später
herausgenommenen Patent der Klägerin, Nr. 142,560, kundgetan. Dabei ist nach
der Oberexpertise Howald die Schaltung anders getroffen, indem der
Motortransformator selbst keine Anzapfungen aufweist. Es zeigt sich somit,
dass das Erfindungsmoment nicht im Hauptanspruch I liegen konnte, sondern
höchstens im Hauptanspruch II, zu welchem später Stellung zu nehmen ist.
d) Dass die im Hauptanspruch I gegebene Regel für das technische Handeln im
Zuge der Entwicklung lag und im Jahre 1928 nicht mehr ernstlichen Vorurteilen
begegnete, geht schliesslich aus der eigenen Stellungnahme der Klägerin in
ihrer Offerte vom 14. Mai 1929 an die SBB hervor, wo sie unter anderm
ausführt:
«Obwohl die Hochspannungssteuerung für die Einphasenlokomotiven neu ist,
handelt es sich doch nur um die Anwendung eines Schaltsystems, das für die
Spannungsregulierung in stationären Anlagen schon seit längerer Zeit
eingeführt ist und Stufenschalter für Spannungen bis

Seite: 315
110,000 Volt und Stufenspannungen von 2000 Volt sind schon vielfach im
Betrieb; gegenwärtig befinden sich solche für 150,000 Volt im Bau. Die
Erfahrungen, welche für solche Regulierschalter, die zudem in den meisten
Fällen noch dreipoliger Ausführung sind, gesammelt wurden, lassen sich ohne
weiteres für die Stufenschalter von Lokomotiven verwerten, wobei
selbstverständlich den besonderen mechanischen und elektrischen Bedingungen
des Lokomotivbetriebes bei der Durchbildung des Apparates Rechnung getragen
wird.»
Die Klägerin kann diese Ausführungen nicht abschwächen durch die Erklärung, es
habe sich um eine «nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgefasste
Offerteingabe» gehandelt. Diese Ausführungen stehen in einer naturgemäss von
Technikern verfassten «Beschreibung der Schnell- und Güterzugslokomotive», und
es ist nicht anzunehmen, dass ein Unternehmen vom Ansehen der Firma BBC sich
bei solcher Gelegenheit einer anderen Sprache bedienen würde als sonst.
Auch unter diesem besonderen Gesichtspunkt ist daher das Vorliegen einer
Erfindung zu verneinen.
e) Auf S. 15/16 der Berufungsbegründung wiederholt die Klägerin ihre bereits
vor dem Handelsgericht vertretene Auffassung, der Patentanspruch I habe eine
«erfinderische Aufgabenstellung» zum Gegenstand. Sie habe sich zur Aufgabe
gestellt, eine Steuerung zu erfinden, welche die im Bau elektrischer
Lokomotiven bestehenden Schwierigkeiten überwinde. Die Lösung dieser Aufgabe
habe darin bestanden, die Steuerung trotz Hochspannung über 10,000 Volt auf
die Oberspannungsseite des Leistungstransformators zu verlegen. Die Mittel zur
Durchführung der Hochspannungssteuerung nach Hauptanspruch I seien dem
Fachmann bekannt und geläufig gewesen. Die Klägerin habe übrigens nicht bloss
eine Aufgabe gestellt, sondern zugleich das technische Lösungsprinzip bekannt
gegeben, und der Einrichtungsanspruch (II) mit der technischen Beschreibung
offenbare auch eine

Seite: 316
Ausführungsform. Der Klägerin sei «das technische Prinzip der
Hochspannungssteuerung bei Lokomotiven» geschützt, das neu gewesen sei und
alle Merkmale einer schöpferischen Leistung aufweise.
Diese Betrachtungsweise der Klägerin geht an den entscheidenden tatsächlichen
und rechtlichen Gesichtspunkten vorbei. Wer sich im Jahre 1928 die Aufgabe
stellte, eine Steuerung zu erfinden, welche die im Bau elektrischer
Lokomotiven bestehenden Schwierigkeiten zu überwinden gestatte, hat damit kein
bisher nicht erkanntes Bedürfnis erfüllt und darum keine Erfindung gemacht.
Das Bedürfnis hiefür lag damals auf der Hand (WEIDLICH und BLUM S. 60 Anm. 5
a). Damals war die oberspannungsseitige Regelung von Schienenfahrzeugen
bekannt für Hochspannungen niedriger Höhe; bekannt war auch die
Spannungsänderung bei stationären Motoren unter Hochspannung im Sinne des
klägerischen Patentes. Die Übertragung der Idee der
Geschwindigkeitsregulierung durch Spannungsänderung bei Lokomotiven von über
10,000 Volt Fahrdrahtspannung war, wie ausgeführt, für den Fachmann
naheliegend. Problematischer dagegen war die Durchführungsweise. Die blosse
Anweisung zur Übertragung der an sich bekannten Lösungsidee auf Lokomotiven
mit über 10,000 Volt Spannung bedeutete daher nichts Erfinderisches (vgl. BGE
56 II 146, 148). Erfindungsschutz konnte somit nicht schon der Stellung dieser
Aufgabe zukommen, sondern bestenfalls ihrer konkreten Lösung, d. h. der
Offenbarung einer Anleitung, wie die bei dieser Anwendung sich zeigenden
Schwierigkeiten zu überwinden seien und wie dabei die notwendige Raum- und
Gewichtsersparnis zu erreichen war. Der Experte Egg hat dies auf S. 23 seines
Gutachtens überzeugend dargelegt. Entgegen der Auffassung der Klägerin (S. 16
der Berufungsschrift) gibt auch der Hauptanspruch II keinen Aufschluss
darüber, wie diese einer Übertragung entgegenstehenden Schwierigkeiten
technisch befriedigend gelöst werden könnten. Auch Hauptanspruch II gibt somit
keine dem Hauptanspruch I entsprechende, zugeordnete Lösung.

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f) Zutreffend hat die Vorinstanz auf S. 49 /50 ihres Urteils schliesslich
hervorgehoben, dass dem Hauptanspruch I, gewollt oder ungewollt, in seiner
allgemeinen Fassung die gleiche Wirkung zukäme wie einem Sperrpatent. Bei der
gegebenen Sachlage ist das aber unzulässig, weil der Grundgedanke des
Hauptanspruches I keine schöpferische Idee offenbarte.
5. ­ Hauptanspruch I des Streitpatentes ist daher in Übereinstimmung mit der
Vorinstanz wegen Fehlens eines schöpferischen Erfindungsgedankens gestützt auf
Art. 16 Ziffer 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG nichtig zu erklären.
Daneben die Nichtigkeit auch noch auf Grund von Art. 16 Ziffer 7 mangels
Angabe einer Lösung der gestellten Aufgabe auszusprechen (welcher Tatbestand
an sich nach den vorstehenden Ausführungen wohl gleichfalls zu bejahen wäre)
besteht keine Notwendigkeit. Es genügt das Vorliegen eines
Nichtigkeitsgrundes. Deshalb erübrigt sich auch eine Prüfung der von der
Beklagten gegen Hauptanspruch I ins Feld geführten weitern Nichtigkeitsgründe.
Ebenso braucht nicht untersucht zu werden, ob die Vorinstanz bei der
Festlegung des Standes der Technik gewisse Entgegenhaltungen der Beklagten zu
Unrecht als nicht in Betracht fallend bezeichnet hat, wie die Beklagte in
Bezug auf verschiedene Punkte geltend gemacht hat.
III. HAUPTANSPRUCH II.
1. ­ Patentanspruch II bezieht sich, wie in Erwägung II 2 c bereits bemerkt
worden ist, auf eine bestimmte Ausführungsform des Verfahrens, für das mit
Hauptanspruch I der Patentschutz beansprucht wird. Als Kennzeichen dieser
Ausführungsform betrachtet die Klägerin die Anbringung der Anzapfungen für die
Spannungsregulierung der niederspannungsseitig angeschlossenen Triebmotoren
auf der Oberspannungsseite des Transformators.
Die Vorinstanz hat nicht untersucht, ob Hauptanspruch II eine schöpferische
Idee offenbare; sie hat das andere Merkmal einer Erfindung, den erheblichen
technischen Fortschritt, verneint.

Seite: 318
Die Klägerin glaubt, mit Rücksicht auf die von ihr ­ und gelegentlich auch
schon vom Bundesgericht (BGE 69 II 424 Erw. 3 am Ende) ­ angenommene
Wechselbeziehung der Merkmale «Erfindungshöhe» und «technischer Fortschritt»
sei es bundesrechtswidrig, wenn nur die eine oder die andere dieser beiden
Voraussetzungen untersucht werde. Diese Frage könnte sich jedoch nur stellen,
sofern überhaupt ein ­ wenn auch geringer ­ technischer Fortschritt vorhanden
wäre. Im vorliegenden Falle entbehrt aber die durch Hauptanspruch II unter
Schutz gestellte Vorrichtung jeden technischen Fortschrittes, wie auf Grund
der verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz anzunehmen ist. Die Vorinstanz
hat ihre Feststellungen über diese Frage auf übereinstimmende Äusserungen der
beiden Experten gestützt. Alles, was die Klägerin auf S. 18-20 ihrer
Berufungsschrift hiegegen vorbringt, wird bereits durch die Ausführungen des
vorinstanzlichen Urteils, S. 52-56, widerlegt. Nach der Patentbeschreibung
will das Patent eindeutig für grössere Lokomotiven eine neue, vorteilhafte
Schaltungsmöglichkeit zeigen, deren technische und wirtschaftliche Vorteile
gerade in der geringeren Dimensionierung der Apparate und in ihrem geringeren
Gewicht liegen sollen. Diesen Effekt bringt die Lösung nach Hauptanspruch II
gar nicht; sie erreicht den gesetzten Zweck auch deswegen nicht, weil sie
keine genügenden Abstufungen bei der Regelung gestattet, also gar keine
Bereicherung der Technik der Geschwindigkeitsregulierung bei grossen
Lokomotiven in sich schliesst. Für die Begründung dieser Schlussfolgerung kann
im einzelnen auf die Ausführungen der Experten und der Vorinstanz verwiesen
werden.
Die Klägerin beanstandet auf S. 20 ihrer Berufungsschrift den von der
Vorinstanz auf S. 56 ihres Urteils gezogenen Schluss, die Tatsache, dass nie
eine Lokomotive nach dem Streitpatent gebaut worden sei, spreche ebenfalls für
das Fehlen eines technischen Fortschrittes. Die Klägerin will dies damit
rechtfertigen, dass sie eben keine

Seite: 319
Bauaufträge erhalten habe. Das vermag jedoch die Nichtausführung des Patentes
nicht oder doch nicht allein zu erklären. Wie der Experte Egg auf S. 29/30
seines Gutachtens mit Recht hervorhebt, geht aus der Beschreibung des Patentes
der Klägerin Nr. 142,560 und den Ausführungen des Erfinders in seiner
«Beschreibung der Schnell- und Güterzugslokomotive Nr. 11,801 der SBB» (Akt.
10) hervor, dass nach der eigenen Ansicht der Klägerin die in Hauptanspruch II
des Streitpatentes vorgeschlagene Lösung nicht wirtschaftlich war und dass man
daher eine andere Lösung suchen musste; diese wurde denn auch gefunden und in
der erwähnten Lokomotive Nr. 11,801 erstmals verwirklicht.
2. ­ Braucht mangels jeden technischen Fortschrittes das Verhältnis dieses
Merkmals zu demjenigen der sog. «Erfindungshöhe» nicht untersucht zu werden,
so erübrigt sich auch eine Diskussion darüber, was unter der «Erfindungshöhe»
genau zu verstehen ist und ob an diesem Begriff festgehalten werden könne,
welche Fragen in der Literatur zur Zeit noch umstritten sind (vgl. einerseits
MATTER in den Verhandlungen des schweizerischen Juristenvereins 1944, Heft 1
S. 17 a ff., anderseits das Votum BOLLA, a.a.O. Heft 3, S. 349 a f., sowie
STECK, L'idée créatrice, condition de la brevetabilité).
3. ­ Fehlt dem Hauptanspruch II das Erfordernis des technischen Fortschrittes,
so ist auch er mangels Vorliegen einer Erfindung gestützt auf Art. 16 Ziffer 1
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.

PatG nichtig zu erklären. Eine Prüfung der gegen ihn von der Beklagten weiter
vorgebrachten Nichtigkeitsgründe ist deshalb nicht erforderlich.
IV. UNTERANSPRÜCHE 1 UND 2.
Die Vorinstanz hat zu den beiden Unteransprüchen nicht Stellung genommen. Sie
konnte davon ohne weiteres Umgang nehmen. Die beiden Unteransprüche sind
offensichtlich weder neu, noch erfinderisch und können daher bei Wegfall der
Patentansprüche nicht von Bedeutung werden

Seite: 320
(WEIDLICH und BLUM, S. 177 und dort erwähnte Entscheidungen). Dass der
Unteranspruch 2 betreffend eine kombinierte Regelung auf der Ober- und
Unterspannungsseite etwas Erfinderisches enthalte, hat die Klägerin auch vor
Bundesgericht nicht ernstlich behauptet. Wie in Erw. 3 c bemerkt wurde, nahm
das Maffei-Patent DRP 294,435 diese Lösung vorweg. Ebenso ist an Hand der
Expertengutachten offensichtlich, dass die Verwendung zusätzlicher Stufen-
oder Drehtransformatoren keine Erfindung darstellte.
V. HAUPTKLAGE.
Ist in Gutheissung der Widerklage das Patent Nr. 134,520 der Klägerin nichtig
zu erklären, so entfällt die Klage ohne weiteres, wie bereits eingangs bemerkt
worden ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichtes des Kantons
Zürich vom 29. November 1944 wird bestätigt.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 71 II 296
Date : 01. Januar 1945
Published : 20. November 1945
Source : Bundesgericht
Status : 71 II 296
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Auslegung des Patentanspruchs, Art. 6 PatG.Rahmen, innerhalb dessen die Patentbeschreibung zur...


Legislation register
OG: 63  67
PatG: 5  6  16  18
BGE-register
56-II-141 • 69-II-180 • 69-II-188 • 69-II-421 • 70-II-232 • 71-II-296
Keyword index
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