S. 255 / Nr. 59 Familienrecht (d)

BGE 71 II 255

59. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Dezember 1945 i.S.
Diethelm gegen Diethelm.


Seite: 255
Regeste:
Ehescheidung, güterrechtliche Auseinandersetzung (Art. 154 ZGB). Vom Ehemann
der Frau geschenkter, ererbter Familienschmuck ist von ihr zurückzugeben, wenn
die Ehe aus ihrem Verschulden geschieden wird.
Divorce, liquidation des biens (art. 154 CC). Le mari qui a donné sa femme des
bijoux qu'il avait hérités de sa famille est en droit d'en obtenir la
restitution en cas de divorce, si ce dernier est prononcé contre la femme.
Divorzio, liquidazione dei rapporti patrimoniali (art. 154 CC.) Il marito, che
ha dato a sua moglie dei gioielli della sua famiglia, ha diritto di ottenerne
la restituzione in caso di divorzio pronunciato contro sua moglie.

Die Beklagte beansprucht eine Anzahl wertvoller, von der Mutter bezw.
Grossmutter des Klägers stammender Schmuckstücke als ihr vom Ehemanne
geschenkt, während dieser sie ihr lediglich zum Gebrauch überlassen haben
will. Zu Unrecht glaubt die Beklagte sich der Beweislast für die Schenkung
deshalb enthoben, weil der Schmuck sich in ihrem Besitze befunden habe, bevor
sie ihn beim Gericht deponierte, und ihr Eigentum daher vermutet werden müsse.
Die gesetzliche Eigentumsvermutung aus Art. 930
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 930 - 1 Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer sei.
1    Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer sei.
2    Für jeden früheren Besitzer besteht die Vermutung, dass er in der Zeit seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen ist.
ZGB rechtfertigt sich nur da,
wo der Besitz so beschaffen ist, dass sich daraus wirklich vorläufig auf ein
Recht an der Sache schliessen lässt, nicht aber, wo der angebliche neue
Eigentümer nur neben dem frühern Gewalt über die Sache hat, wie dies
namentlich bei zusammenlebenden Familiengliedern der Fall ist (BGE 41 II 31,
50 II 241), zumal mit Bezug auf einen unbestrittenermassen vom andern
Ehegatten eingebrachten Gegenstand. A fortiori vermag die Mitnahme des
Schmuckes durch die

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Beklagte beim Verlassen des gemeinsamen Domizils nichts zu beweisen; denn
durch diese einseitige Massnahme konnte sie die damals gegebene Rechtslage
nicht ändern. Eine Erklärung der Beklagten gegenüber dem
Vizegerichtspräsidenten von Sargans, wonach sie den fraglichen Schmuck nach
dem Willen des Klägers nur zum Tragen, aber nicht zu Eigentum erhalten habe,
wird von ihr angefochten. Ob eine derartige bloss leihweise Hingabe von
wertvollem Familienschmuck vom Ehemann an die Frau tatsächlich, wie die
Vorinstanz annimmt, die Regel bildet, erscheint jedenfalls mit Bezug auf
Gesellschaftskreise, in denen solcher Schmuck vorhanden ist, mindestens
zweifelhaft. Beide Erwägungen können indessen bei Seite bleiben. Wenn ein
Ehemann derartige Familienerbstücke seiner Ehefrau zu Eigentum schenkt, darf
angenommen werden, dass es unter der stillschweigenden Bedingung geschieht,
dass die Ehe nicht aus Verschulden der Frau geschieden werde. Es würde gegen
das Rechtsgefühl verstossen, wenn wertvolle, in der Familie vererbte
Kleinodien, die der Ehemann der Frau gewissermassen als Nachfolgerin seiner
Mutter in ihrer Stellung in der Familie geschenkt hat, der Ehefrau verbleiben
sollten, nachdem sie aus eigenem Verschulden aufhört, diese Stellung
einzunehmen. Da vorliegend die zu vermutende, an die Schenkung geknüpfte
Resolutivbedingung mit der Gutheissung der Scheidungsklage des Mannes
eingetreten ist, hat die Beklagte den Schmuck zurückzugeben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 71 II 255
Datum : 01. Januar 1945
Publiziert : 06. Dezember 1945
Quelle : Bundesgericht
Status : 71 II 255
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Ehescheidung, güterrechtliche Auseinandersetzung (Art. 154 ZGB). Vom Ehemann der Frau geschenkter...


Gesetzesregister
ZGB: 154  930
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 930 - 1 Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer sei.
1    Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer sei.
2    Für jeden früheren Besitzer besteht die Vermutung, dass er in der Zeit seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen ist.
BGE Register
41-II-21 • 50-II-238 • 71-II-255
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • eigentum • ehegatte • mutter • ehe • wille • familie • liquidation • mann • rechtslage • resolutivbedingung • biene • vermutung • scheidungsklage • beweislast • bedingung • vorinstanz • weiler