S. 419 / Nr. 64 Registersachen (d)

BGE 71 I 419

64. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. November 1945 i.S. Staat Solothurn
und Jeltsch gegen Obergericht Solothurn.

Regeste:
Art. 24 Abs. Grundbuchverordnung. Eine rechtskräftig abgewiesene Anmeldung
kann nicht ein zweites Mal eingereicht werden. Eine neue Anmeldung auf Grund
anderer Belege, z. B. eines neuen Vertrages, ist mit der abgewiesenen nicht
identisch.

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Art. 24 al. 3 de l'ordonnance sur le registre foncier. Lorsqu'une réquisition
a été définitivement rejetée, on ne peut pas la renouveler, à moins qu'elle ne
se fonde sur d'autres pièces justificatives, telles, par exemple, qu'un
nouveau contrat.
Art. 24 cp. 3 del Regolamento pel registro fondiario. Se una richiesta è stata
definitivamente respinta, non può essere rinnovata salvo che si basi su altri
documenti giustificativi, quali, ad esempio, un nuovo contratto.

A. ­ Am 4. Oktober 1944 reichten der Staat Solothurn, vertreten durch sein
Finanzdepartement, und Kantonsbaumeister Max Jeltsch dem Grundbuchführer von
Solothurn einen zwischen ihnen abgeschlossenen undatierten Vertrag, durch
welchen dem M. Jeltsch auf einer dem Staate gehörenden Parzelle ein Baurecht
im Sinne des Art. 779
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 779 - 1 Ein Grundstück kann mit der Dienstbarkeit belastet werden, dass jemand das Recht erhält, auf oder unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu errichten oder beizubehalten.
1    Ein Grundstück kann mit der Dienstbarkeit belastet werden, dass jemand das Recht erhält, auf oder unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu errichten oder beizubehalten.
2    Dieses Recht ist, wenn es nicht anders vereinbart wird, übertragbar und vererblich.
3    Ist das Baurecht selbständig und dauernd, so kann es als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen werden.
ZGB eingeräumt wird, zur Eintragung im Grundbuch ein.
Das Baurecht sollte gemäss Art. 779 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 779 - 1 Ein Grundstück kann mit der Dienstbarkeit belastet werden, dass jemand das Recht erhält, auf oder unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu errichten oder beizubehalten.
1    Ein Grundstück kann mit der Dienstbarkeit belastet werden, dass jemand das Recht erhält, auf oder unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu errichten oder beizubehalten.
2    Dieses Recht ist, wenn es nicht anders vereinbart wird, übertragbar und vererblich.
3    Ist das Baurecht selbständig und dauernd, so kann es als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen werden.
/943
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 943 - 1 Als Grundstücke werden in das Grundbuch aufgenommen:
1    Als Grundstücke werden in das Grundbuch aufgenommen:
1  die Liegenschaften;
2  die selbständigen und dauernden Rechte an Grundstücken;
3  die Bergwerke;
4  die Miteigentumsanteile an Grundstücken.
2    Über die Voraussetzungen und über die Art der Aufnahme der selbständigen und dauernden Rechte, der Bergwerke und der Miteigentumsanteile an Grundstücken setzt eine Verordnung des Bundesrates das Nähere fest.
ZGB als Grundstück eingetragen
werden. Art. 2 des Vertrages bestimmte, dass das selbständige und dauernde
Baurecht veräusserlich und vererblich sei und dass es vom Bauberechtigten mit
Grundpfandrechten und andern Lasten beschwert werden könne; Veräusserung und
Vermietung des Baurechtsgrundstückes sollten jedoch der vorgängigen
Genehmigung des Regierungsrates bedürfen.
Der Grundbuchführer verweigerte die Eintragung u. a. mit der Begründung, dass
die im Vertrag vorgesehenen Veräusserungsbeschränkungen nicht mit dinglicher
Wirkung begründet werden könnten und diese lediglich obligatorisch
verbindliche Klausel nicht ins Grundbuch aufgenommen werden dürfe. Eine vom
Staate Solothurn gegen diese Abweisung eingereichte Beschwerde wurde vom
Obergericht als kantonaler Aufsichtsbehörde über die Grundbuchämter am 26.
Januar 1945 als unbegründet abgewiesen.
B. ­ Am 2. Februar 1945 reichten die Kontrahenten des Baurechtsvertrages dem
Grundbuchamt einen neuen, von diesem Tage datierten Vertrag ein, in welchem
Art. 2 Abs. 1 gleich wie im ersten Vertrag lautete, der frühere Abs. 2 jedoch
durch die Abs. 2 und 3 folgenden Wortlauts ersetzt war:

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«Die Veräusserung des Baurechtsgrundstückes bedarf jedoch der vorgängigen
Genehmigung des Regierungsrates.
Der vorgängigen Genehmigung des Regierungsrates bedarf ebenfalls die
Vermietung des Baurechtsgrundstückes, jedoch hat diese Beschränkung der freien
Vermietbarkeit lediglich persönliche und nicht dingliche Wirkung. Sie soll
deshalb nicht einen Teil des Grundbuches bilden.»
Auf diese Anmeldung trat das Grundbuchamt nicht ein mit der Begründung, dass
hinsichtlich der Gründe, die zur Abweisung der ersten Anmeldung geführt
hätten, keine neue Tatsachen vorlägen und daher kein Anlass für eine neue
Überprüfung bestehe.
C. ­ Eine Beschwerde der beiden Vertragspartner gegen diesen
Nichteintretensbescheid mit dem Antrag, der Grundbuchführer habe die Anmeldung
entgegenzunehmen und die Eintragung entweder vorzunehmen oder abzulehnen, ist
vom Obergericht als Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 22. März 1945, eröffnet
am 2. Juli 1945, abgewiesen worden. In der Begründung wird ausgeführt, dass
eine Anmeldung, nachdem sie rechtskräftig abgewiesen worden sei, nicht ein
zweites Mal entgegengenommen werden müsse. Die Abweisung stehe der neuen
Anmeldung des gleichen Rechts nur dann nicht entgegen, wenn hinsichtlich der
Gründe, welche zur Abweisung geführt hätten, neue Tatsachen vorlägen. Im
vorliegenden Falle sei das zweite Begehren mit dem ersten vollständig
identisch. Der Vertrag vom 2. Februar 1945 stimme mit dem ersten Vertrage so
sehr überein, dass er nicht als neues Beleg betrachtet werden könne. Die neue
Anmeldung ruhe somit auf der gleichen Rechtslage wie die erste, weshalb der
Grundbuchführer mit Recht auf sie nicht eingetreten sei.
D. ­ Mit der vorliegenden Beschwerde beantragen die Vertragspartner, dass der
Grundbuchführer zur Vornahme der verlangten Eintragung, eventuell zum
Eintreten auf die Anmeldung und zu materieller Stellungnahme dazu verhalten
werde. Sie verweisen darauf, dass der neuen Anmeldung ein neuer Vertrag mit
abgeändertem Wortlaut zugrunde liege. Eine Behandlung einer Anmeldung durch
Nichteintreten kenne das Grundbuchrecht überhaupt nicht,

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der Anmeldende habe in allen Fällen Anspruch auf Eintragung oder förmliche
Abweisung; eine dritte Möglichkeit gebe es nicht....
Die Vorinstanz beantragt Abweisung der Beschwerde. Das eidgenössische Justiz-
und Polizeidepartement befürwortet deren Gutheissung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Vorschrift des Art. 24 Abs. 3 GbVo, wonach die Abweisung einer Anmeldung
mit dem unbenutzten Ablauf der Beschwerdefrist rechtskräftig wird, bedeutet
lediglich, dass die abgewiesene Anmeldung nicht ein zweites Mal eingereicht
werden kann. Ob eine entgegen dieser Vorschrift erfolgte Neueinreichung der
gleichen Anmeldung mit Nichteintreten oder mit Abweisung beschieden werden
müsste, kann hier dahingestellt bleiben. Wird nämlich die zweite Anmeldung auf
Grund anderer Belege verlangt, dann ist sie nicht mehr mit der frühern
identisch, auch wenn sie inhaltlich noch so grosse Ähnlichkeit mit dieser
aufweist. Im vorliegenden Falle liegt ein neuer Vertrag vor, was sich schon
daraus ergibt, dass er vom 2. Februar 1945 datiert, also von einem Tage, der
nach dem Datum der Anmeldung (4. Oktober 1944) des frühern undatierten
Vertrags liegt; auch ist der Text abgeändert. Sollten der Eintragung auf Grand
dieses neuen Belegs die nämlichen Bedenken entgegenstehen, wie der ersten
Anmeldung, so kann das nur zur Abweisung der Anmeldung, nicht aber zum
Nichteintreten auf dieselbe führen. Das Grundbuchamt hat mithin die materielle
Behandlung der Anmeldung vom 2. Februar 1945 zu Unrecht verweigert....
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und
der Grundbuchführer von Solothurn angewiesen, auf die Anmeldung des
Baurechtsvertrages vom 2. Februar 1945 einzutreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 71 I 419
Datum : 01. Januar 1945
Publiziert : 22. November 1945
Quelle : Bundesgericht
Status : 71 I 419
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Art. 24 Abs. Grundbuchverordnung. Eine rechtskräftig abgewiesene Anmeldung kann nicht ein zweites...


Gesetzesregister
ZGB: 779 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 779 - 1 Ein Grundstück kann mit der Dienstbarkeit belastet werden, dass jemand das Recht erhält, auf oder unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu errichten oder beizubehalten.
1    Ein Grundstück kann mit der Dienstbarkeit belastet werden, dass jemand das Recht erhält, auf oder unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu errichten oder beizubehalten.
2    Dieses Recht ist, wenn es nicht anders vereinbart wird, übertragbar und vererblich.
3    Ist das Baurecht selbständig und dauernd, so kann es als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen werden.
943
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 943 - 1 Als Grundstücke werden in das Grundbuch aufgenommen:
1    Als Grundstücke werden in das Grundbuch aufgenommen:
1  die Liegenschaften;
2  die selbständigen und dauernden Rechte an Grundstücken;
3  die Bergwerke;
4  die Miteigentumsanteile an Grundstücken.
2    Über die Voraussetzungen und über die Art der Aufnahme der selbständigen und dauernden Rechte, der Bergwerke und der Miteigentumsanteile an Grundstücken setzt eine Verordnung des Bundesrates das Nähere fest.
BGE Register
71-I-419
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