S. 28 / Nr. 6 Kompetenzkonflikt zwischen bürgerlicher und
Militärgerichtsbarkeit (d)

BGE 71 I 28

6. Urteil vom 29. Januar 1945 i. S. M. gegen Divisionsgericht 3 B.


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Regeste:
Kompetenzkonflikt zwischen bürgerlicher und Militärgerichtsbarkeit.
Untersteht der Angeklagte in Bezug auf die ihm zur Last gelegten Handlungen
der Militärgerichtsbarkeit, wenn er sich zur Zeit der Handlungen im
Militärdienst befunden hat oder in Uniform aufgetreten ist, so hat das
Bundesgericht zu prüfen, ob diese Voraussetzung zutreffe. Dabei stellt es
verbindlich einen Teil des Vergehenstatbestandes fest, soweit das für die
Beurteilung der Zuständigkeitsfrage notwendig ist.
Pflicht des Militärgerichts, die Akten dem Bundesgericht zur neuen Überprüfung
der Zuständigkeitsfrage zu unterbreiten, wenn sich in der Hauptverhandlung
neue Tatsachen ergeben, die zu Zweifeln an der Richtigkeit der tatsächlichen
Feststellungen des Bundesgerichts führen.
Ein Wehrmann befindet sich auch während einer Urlaubszeit im Militärdienst im
Sinne des Art. 2 Ziff. 1 des Militärstrafgesetzes, wenn der Urlaub nur zwei
Tage dauert.
Conflit de compétence entre la juridiction ordinaire et la juridiction
militaire.
Lorsque, vu la prévention qui pèse sur lui, l'inculpé est soumis à la
juridiction militaire pour autant qu'au moment d'agir il se trouvait au
service militaire ou était revêtu de l'uniforme, le Tribunal fédéral doit
examiner si cette condition est remplie. A cet égard, il constate
souverainement une partie des faits constitutifs de l'infraction, dans la
mesure où l'exige la décision sur la compétence.
Obligation du Tribunal militaire de soumettre le dossier au Tribunal fédéral
pour nouvel examen de la question de compétence lorsque les débats révèlent
des faits nouveaux qui font douter de l'exactitude des constatations à la base
de l'arrêt de règlement.
Durant un congé, le militaire est encore au service dans le sens de l'art. 2
ch. 1 Code pénal militaire, si ce congé ne dépasse pas deux jours.
Conflitto di competenza fra la giurisdizione ordinaria e quella militare.
Il Tribunale federale, adito per la definizione di un conflitto di

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competenza fra la giurisdizione ordinaria e quella militare, è tenuto a
giudicare, quando ciò costituisca questione pregiudiziale per la
determinazione della competenza, se l'accusato ha commesso l'azione
imputatagli trovandosi in servizio militare o indossando l'uniforme. Nella
misura in cui ciò è necessario ai fini del giudizio, il Tribunale federale
procede sovranamente all'accertamento di una parte della fattispecie
costituente oggetto d'imputazione.
Obbligo del Tribunale militare di ritrasmettere gli atti al Tribunale federale
per riesame della questione della competenza ove dal dibattimento risultino
dei fatti nuovi tali da far dubitare dell'esattezza degli accertamenti sui
quali è stato fondato il giudizio sulla competenza.
Un congedo della durata di soli due giorni è considerato come servizio
militare ai sensi dell'art. 2 cifra 1 CPM.

A. ­ Der Rekurrent M. wohnt in L. Er ist militärisch eingeteilt bei der
........... Durch Anklageschrift vom 3. Dezember 1944 wurde er beim
Divisionsgericht 3 B angeklagt:
«1. der Unzucht mit Kindern gem. Art. 156 Ziff. 2
SR 321.0 Codice penale militare del 13 giugno 1927 (CPM)
CPM Art. 156 - 1. Chiunque compie un atto sessuale con una persona minore di sedici anni,
1    Chiunque compie un atto sessuale con una persona minore di sedici anni,
2    L'atto non è punibile se la differenza di età tra le persone coinvolte non eccede i tre anni.
3    Se il colpevole, al momento dell'atto o del primo atto, non aveva ancora compiuto i vent'anni e sussistono circostanze particolari, l'autorità competente può prescindere dal procedimento penale, dal rinvio a giudizio o dalla punizione.301
4    La pena è una pena detentiva sino a tre anni o una pena pecuniaria se il colpevole ha agito ritenendo erroneamente che la vittima avesse almeno sedici anni, benché usando la dovuta cautela gli fosse possibile evitare l'errore.
5    ...302
6    ...303
MStG begangen während er
sich mit seiner Einheit im Aktivdienst befand, bezw. in Uniform, im Frühjahr
1942 zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt, als er bei seinen
Schwiegereltern ........... in R. auf Besuch war dadurch, dass er eines abends
mit seiner am 2.7.1927 geborenen, also damals ca. 15 jährigen Schwägerin
unzüchtige Handlungen vornahm:
.......................................
2. der Unzucht mit Kindern gem. Art. 156 Ziff. 1
SR 321.0 Codice penale militare del 13 giugno 1927 (CPM)
CPM Art. 156 - 1. Chiunque compie un atto sessuale con una persona minore di sedici anni,
1    Chiunque compie un atto sessuale con una persona minore di sedici anni,
2    L'atto non è punibile se la differenza di età tra le persone coinvolte non eccede i tre anni.
3    Se il colpevole, al momento dell'atto o del primo atto, non aveva ancora compiuto i vent'anni e sussistono circostanze particolari, l'autorità competente può prescindere dal procedimento penale, dal rinvio a giudizio o dalla punizione.301
4    La pena è una pena detentiva sino a tre anni o una pena pecuniaria se il colpevole ha agito ritenendo erroneamente che la vittima avesse almeno sedici anni, benché usando la dovuta cautela gli fosse possibile evitare l'errore.
5    ...302
6    ...303
MStG begangen am
darauffolgenden Tage, vermutlich einem Sonntag, als er seine Schwägerin auf
dem unverschlossenen Abort antraf dadurch, dass er dort mit ihr den Beischlaf
ausübte, eventuell dass er mit ihr eine beischlafsähnliche Handlung vornahm
...........»
B. ­ Darauf hat M. am 13. Dezember beim Bundesgericht die
Kompetenzkonfliktsbeschwerde nach Art. 223 des Militärstrafgesetzes erhoben
mit dem Antrag:
«Es sei zu erkennen, dass die Militärgerichte und speziell das
Divisionsgericht 3 b zur Beurteilung der gegen den Beschwerdeführer
behaupteten strafbaren Handlungen

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(Unzucht mit Kindern gemäss Art. 156
SR 321.0 Codice penale militare del 13 giugno 1927 (CPM)
CPM Art. 156 - 1. Chiunque compie un atto sessuale con una persona minore di sedici anni,
1    Chiunque compie un atto sessuale con una persona minore di sedici anni,
2    L'atto non è punibile se la differenza di età tra le persone coinvolte non eccede i tre anni.
3    Se il colpevole, al momento dell'atto o del primo atto, non aveva ancora compiuto i vent'anni e sussistono circostanze particolari, l'autorità competente può prescindere dal procedimento penale, dal rinvio a giudizio o dalla punizione.301
4    La pena è una pena detentiva sino a tre anni o una pena pecuniaria se il colpevole ha agito ritenendo erroneamente che la vittima avesse almeno sedici anni, benché usando la dovuta cautela gli fosse possibile evitare l'errore.
5    ...302
6    ...303
Zif. 1 und 2 MStG) nicht zuständig seien,
und es sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer für diese Verfehlungen der
bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterstehe.»
Der Rekurrent macht geltend: Zur Zeit, da er die ihm zur Last gelegten
Vergehen begangen habe oder begangen haben solle, habe er sich weder in
Uniform noch im Militärdienst befunden. Es wäre an sich möglich, dass er
damals Urlaub gehabt hätte. Aus Schriftstücken, die er vorlege, ergebe sich
aber, dass er sich während des in Frage kommenden Urlaubs nicht in R., sondern
in L. oder K. aufgehalten habe. Der Beweis dafür, dass er in Uniform gewesen
sei, könne nicht erbracht werden. Im Zweifel sei zu Gunsten der bürgerlichen
Gerichtsbarkeit zu entscheiden.
C. ­ Der Grossrichter des Divisionsgerichts 3 B hat auf Gegenbemerkungen
verzichtet.
D. ­ Der Armee-Auditor hat beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen und das
Divisionsgericht 3 B zur Weiterführung des Verfahrens als zuständig zu
erklären.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Es handelt sich um einen Anstand über die Zuständigkeit der militärischen und
der bürgerlichen Gerichtsbarkeit im Sinne des Art. 223 des
Militärstrafgesetzes. Über diesen Anstand hat das Bundesgericht zu
entscheiden, da der Angeklagte vor der militärgerichtlichen Hauptverhandlung
beim Bundesgericht die Zuständigkeit der Militärgerichte bestritten hat (vgl.
BGE 66 I S. 61 f., 161 Erw. 2, 163 Erw. 4).
Gegen den Rekurrenten ist Anklage erhoben worden wegen Unzuchtstatbeständen,
die sich im Frühjahr 1942 in R. im Hause seiner Schwiegereltern ereignet haben
sollen. Der Rekurrent untersteht in Bezug auf diese ihm zur Last gelegten
Handlungen dem Militärstrafrecht und damit der Militärgerichtsbarkeit, wenn er
sich zur Zeit der Handlungen im Militärdienst befunden hat

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oder in Uniform aufgetreten ist (Militärstrafgesetz Art. 2 Ziff. 1, 3). Da
dabei eine generelle Unterstellung unter das Militärstrafrecht vorliegt, so
lässt sich die Zuständigkeitsfrage auseinanderhalten von der materiellen
Frage, ob sich der Rekurrent der ihm zur Last gelegten Vergehen schuldig
gemacht habe. Deshalb hat das Bundesgericht nach der Praxis zu prüfen, ob die
erwähnte Voraussetzung für die Unterstellung unter das Militärstrafrecht
zutreffe (vgl. BGE 67 I S. 339 ff.).
Dabei kommt es auf den Zeitpunkt der Handlungen an, die Gegenstand der Anklage
sind. Die Anklageschrift lässt die Frage offen, an welchem Tage die Handlungen
stattfanden. Doch ist, wie der Armee-Auditor mit Recht hervorgehoben hat, nach
den Untersuchungsakten anzunehmen, dass sie sich, wenn überhaupt, am 4. und 5.
April 1942 während des zweitägigen Osterurlaubes des Rekurrenten ereignet
haben. Das will denn auch zweifellos die Anklage in erster Linie geltend
machen. Es genügt, hiefür auf die Vernehmlassung des Armee-Auditors zu
verweisen. Das Bundesgericht schliesst sich der Auffassung des
Militärkassationsgerichtes an, dass ein Wehrmann sich auch während einer
Urlaubszeit im Militärdienst im Sinne des Art. 2 Ziff. 1 des
Militärstrafgesetzes befindet, wenn der Urlaub nur 2 Tage dauert (Entsch. des
Militärkassationsgerichtes aus den Jahren 1936-1940 Nr. 84). Der Rekurrent
untersteht somit in Bezug auf die ihm zur Last gelegten Handlungen der
Militärgerichtsbarkeit. Es kommt daher nicht darauf an, ob er am 4. und 5.
April 1942 in Uniform war. Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen.
Das Bundesgericht stellt damit allerdings verbindlich einen Teil des
Vergehenstatbestandes fest, was ihm als Kompetenzkonfliktsbehörde im
allgemeinen nicht zukommt (vgl. BGE 67 I S. 341). Doch lässt sich das nicht
umgehen. Das Bundesgericht kann sich in einem Fall, wie dem vorliegenden, wo
entweder die Militärgerichte oder die bürgerlichen Gerichte zuständig sind,
nicht auf

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die Prüfung der Frage beschränken, ob das Militärgericht nach der Darstellung
der Anklage oder des Untersuchungs- richters im Militärstrafprozess über die
Zeit des Vergehens zuständig sei, da diese Darstellung nur für das
Militärstrafverfahren, nicht auch für den bürgerlichen Prozess gilt. Vielmehr
hat das Bundesgericht die für die Kompetenz massgebenden Tatsachen selbständig
festzustellen, um einen für beide Gerichtsbarkeiten gültigen Entscheid treffen
zu können. Immerhin soll der heutige, auf Grund der Untersuchungsakten
gefällte Entscheid nicht unter allen Umständen unabänderlich sein. Wenn sich
in der Hauptverhandlung vor dem Divisionsgericht neue Tatsachen ergeben
sollten, die zu ernsthaften Zweifeln führen, ob der 4. und 5. April 1942 als
Begehungszeit anzusehen seien, so sind die Akten vom Divisionsgericht wieder
dem Bundesgericht zu neuem Entscheid über die Zuständigkeitsfrage zu
unterbreiten *.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
* Dieser Fall ist eingetreten. Das Divisionsgericht hat die Akten dem
Bundesgericht zu neuem Entscheid unterbreitet, weil sich aus den Aussagen der
an der Hauptverhandlung einvernommenen Zeugen einwandfrei ergebe, dass Ostern
1942 (4. /5. April) als Begehungszeit der inkriminierten Delikte nicht in
Frage komme.
Das Bundesgericht hat durch Urteil vom 7. Mai 1945 den Entscheid vom 29.
Januar aufgehoben, die Kompetenzkonfliktsbeschwerde gutgeheissen und
festgestellt, dass der bürgerliche Richter zuständig ist zur Beurteilung der
dem Rekurrenten in der Anklageschrift zur Last gelegten Vergehen. Dieses
Urteil beruht auf der Annahme, dass der Rekurrent die Vergehen wahrscheinlich
im Jahre 1941 und zwar nicht während eines Urlaubes, sondern nach der
Entlassung aus dem Dienst, in Zivilkleidern begangen habe. Übrigens ist. so
wird ausgeführt, die Zuständigkeit

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der bürgerlichen Gerichte selbst dann gegeben, «wenn auch nur mit dieser
Möglichkeit ernsthaft zu rechnen ist und eine nähere Abklärung der
Verhältnisse nicht mehr erfolgen kann; denn in diesem Falle ist der Beweis für
jene Tatsache, die den Angeschuldigten ausnahmsweise der militärischen
Gerichtsbarkeit unterstellt hätte, nicht erbracht».
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 71 I 28
Data : 01. gennaio 1945
Pubblicato : 29. gennaio 1945
Sorgente : Tribunale federale
Stato : 71 I 28
Ramo giuridico : DTF - Diritto amministrativo e diritto internazionale pubblico
Oggetto : Kompetenzkonflikt zwischen bürgerlicher und Militärgerichtsbarkeit.Untersteht der Angeklagte in...


Registro di legislazione
CPM: 156
SR 321.0 Codice penale militare del 13 giugno 1927 (CPM)
CPM Art. 156 - 1. Chiunque compie un atto sessuale con una persona minore di sedici anni,
1    Chiunque compie un atto sessuale con una persona minore di sedici anni,
2    L'atto non è punibile se la differenza di età tra le persone coinvolte non eccede i tre anni.
3    Se il colpevole, al momento dell'atto o del primo atto, non aveva ancora compiuto i vent'anni e sussistono circostanze particolari, l'autorità competente può prescindere dal procedimento penale, dal rinvio a giudizio o dalla punizione.301
4    La pena è una pena detentiva sino a tre anni o una pena pecuniaria se il colpevole ha agito ritenendo erroneamente che la vittima avesse almeno sedici anni, benché usando la dovuta cautela gli fosse possibile evitare l'errore.
5    ...302
6    ...303
Registro DTF
66-I-61 • 67-I-337 • 71-I-28
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
accusa • accusato • atto d'accusa • autorità giudiziaria • casale • competenza • conflitto di competenza • decisione • domenica • dubbio • esame • esame • esattezza • giorno • incarto • incontro • infrazione • presentazione • presunzione • procedura penale militare • quesito • suoceri • testimone • tribunale federale • volontà