S. 23 / Nr. 5 Vollziehung ausserkantonaler Zivilurteile (d)

BGE 71 I 23

5. Auszug aus dem Urteil vom 23. April 1945 i. S. Dr. Schulthess und Dr.
Schnyder gegen Mislin und Obergericht des Kantons Solothurn.


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Regeste:
Bedeutung der Garantie der Vollziehung ausserkantonaler Urteile nach Art. 61
BV, 80, 81 SchKG.
Diese Bestimmungen beziehen sich nur auf Zivilurteile.
Art. 61 BV schliesst auch aus, dass in einer Sache, in der bereits ein den
Anforderungen dieser Vorschrift entsprechendes Urteil vorliegt, in einem
andern Kanton nochmals geurteilt werde.
Erfordernis der Kompetenz des Gerichtes, welches das Urteil erlassen hat,
hiefür massgebendes Recht
Prüfungsbefugnis des Bundesgerichtes bei staatsrechtlichen Beschwerden gegen
Vorweigerung der Rechtsöffnung für ein ausserkantonales Urteil.
Erteilung der Rechtsöffnung durch das Bundesgericht bei Gutheissung einer
Beschwerde aus Art. 61 BV.
Caractère exécutoire des jugements rendus hors du canton. Portée du principe
selon les art. 61 Const. féd., 80 et 81 LP.
Ces dispositions ne visent que les jugements civils.
L'art. 61 Const. féd. s'oppose à ce qu'une affaire qui a déjà donné lieu à un
jugement répondant aux exigences de cet article soit jugée à nouveau dans un
autre canton.
Compétence du tribunal qui a rendu le jugement; droit applicable à cette
question.
Pouvoirs compétant au Tribunal fédéral en matière de recours de droit public
pour violation du droit de demander la mainlevée d'une opposition en vertu
d'un jugement rendu hors du canton.
Pouvoir du Tribunal fédéral de prononcer la mainlevée en cas d'admission d'un
recours fondé sur la violation de l'art. 61 Const. féd.
Portata della garanzia dell'esecutorietà dei giudizi extracantonali ai sensi
degli art. 61 CF, 80 e 81 LEF.
Tali disposizioni concernono soltanto le sentenze civili.
L'art. 61 CF s'oppone a che una causa conclusasi con una sentenza che adempie
le condizioni dal disposto stesso contemplate venga risottoposta a giudizio in
altro cantone.
Compentenza dell'autorità giudiziaria che ha prolato la sentenza; diritto
applicabile al riguardo.
Cognizione del Tribunale federale in caso di ricorso di diritto pubblico per
mancato rigetto d'opposizione chiesto in base ad un giudizio extracantonale.

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Rigetto dell'opposizione da parte dello stesso Tribunale federale in caso di
accoglimento del ricorso per violazione dell'art. 61 CF.

Das Obergericht des Kantons Solothurn hatte die Rechtsöffnung für ein
rechtskräftiges Urteil des Zivilgerichts (Dreiergerichts) von Basel-Stadt
verweigert. Im Urteile über die dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde
führt das Bundesgericht u. a. aus:
1. ­ Die Rekurrenten rufen ausser Art. 61 auch Art. 4 BV an. Doch hat die
Berufung auf Art. 4 neben derjenigen auf Art. 61 BV keine Bedeutung, soweit
wenigstens die Rüge der Willkür sich auf das Vorliegen der sachlichen
Voraussetzungen zur Vollstreckung des Urteils des Dreiergerichts Basel-Stadt
im Kanton Solothurn bezieht (die ausserdem gegenüber dem Obergericht erhobene
Rüge der Verweigerung des rechtlichen Gehörs haben die Rekurrenten
nachträglich fallen gelassen). Art. 80 , 81 SchKG führen für ausserkantonale,
auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichtete Urteile lediglich den
Grundsatz des Art. 61 BV gesetzlich aus, wonach in einem Kanton gefällte
rechtskräftige Zivilurteile in der ganzen Schweiz vollzogen werden sollen (die
in Art. 81 II vorbehaltenen Einwendungen gegen die Gewährung der Rechtsöffnung
decken sich mit den Erfordernissen, welche die Rechtsprechung der
Bundesbehörden zu Art. 61 BV schon früher für die Annahme der «Rechtskraft»,
Vollstreckbarkeit des Urteils aufgestellt hatte). Das Bundesgericht hat
deshalb, wenn über die Verweigerung der Rechtsöffnung für ein ausserkantonales
Urteil bei ihm Beschwerde geführt wird, alle Voraussetzungen der
Vollstreckbarkeit frei zu prüfen und es genügt zur Gutheissung der Beschwerde,
dass eine auch nur unrichtige Auslegung und Anwendung der Art. 80 , 81 SchKG
zur Abweisung des Rechtsöffnungsbegehrens geführt hat (BGE 28 I S. 247 E. 1;
29 I S. 443 E. 2; 39 I S. 211 E. 2; 41 I S. 121 E. 2; nicht veröffentliche
Urteile vom 25. Juni 1937 i. S. Grieb E. 1 und vom 16. Februar 1940 i. S.
Geissmann E. 1).
2. ­ Wie Art. 61 BV, so beziehen sich auch Art. 80 ,

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81 SchKG nur auf Zivilurteile (BGE 54 I S. 172 E. 4 a.A.; JAEGER, Komm. zu
Art. 81 SchKG N. 13). Für Urteile über öffentlichrechtliche Ansprüche kann die
Vollstreckung in einem anderen Kanton von Bundesrechts wegen nicht verlangt
werden (was freilich die Kantone nicht hindert, sie auf Grund ihrer
Gesetzgebung unter Umständen doch zu gewähren). Hätte das Dreiergericht
Basel-Stadt durch sein Urteil über ein öffentlichrechtliches Verhältnis
entschieden, wie das Obergericht des Kantons Solothurn im angefochtenen
Entscheide geltend machen zu wollen scheint, so hätte demnach die
Rechtsöffnung ohne Verstoss gegen Art. 61 BV, Art. 80 , 81 SchKG verweigert
werden dürfen. Doch ist diese Annahme offenbar unrichtig.
..........................................................
3. ­ Damit das Urteil von einem zuständigen Gericht im Sinne dieser
Vorschriften ausgegangen ist, genügt es, dass die Zuständigkeit des Basler
Richters nach seiner eigenen Gesetzgebung gegeben war und von ihm ohne
Verletzung bundesrechtlicher Gerichtsstandsbestimmungen in Anspruch genommen
werden konnte. Trifft das zu, so durfte die Rechtsöffnung nicht deshalb
versagt werden, weil nach der Gesetzgebung des Kantons der Vollstreckung,
Solothurn eine andere Behörde oder das Gericht eines anderen Kantons zuständig
gewesen wäre. Da das Zivilprozessrecht grundsätzlich Sache der Kantone ist,
muss das in einem Kanton gefällte Urteil auf dem Prozessrecht des eigenen
Kantons beruhen, soweit es dem Bundesrecht nicht widerspricht. Das Recht des
Kantons, wo die Vollstreckung stattfinden soll, kann für den Sachrichter nicht
massgebend sein, zumal es oft nicht feststehen wird, welches dieser Kanton
ist. In der den Kantonen durch Art. 61 BV auferlegten Pflicht zur
Vollstreckung auch der Zivilurteile anderer Kantone liegt eingeschlossen, dass
sie, in den Schranken des Bundesrechts, das Prozessrecht anderer Kantone als
dem ihren gleichwertig anerkennen müssen (BGE 61 I S. 262 unten, 263; nicht
veröffentlichtes Urteil vom 11. September 1936 i. S. Roneo A.-G., E. 2 und

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dortige Zitate, insbes. JAEGER, Komm. zu Art. 81 SchKG N. 16, wo auch die
abweichende Ansicht von BURCKHARDT, Komm. z. BV 3. Aufl. S. 576, zutreffend
widerlegt wird, dass das Bundesgericht die Zuständigkeit nach von ihm
aufzustellenden interkantonalen Regeln zu bestimmen hätte). Dass im
vorliegenden Fall auch nach baselstädtischem Recht der dortige Zivilrichter
nicht zuständig gewesen wäre, wird aber nicht eingewendet (s. § 11 der
baselstädtischen ZPO, der die Begründung des Gerichtsstandes durch
Vereinbarung für vermögensrechtliche Zivilansprüche allgemein zulässt, soweit
nicht nach diesem Gesetze ein ausschliesslicher Gerichtsstand besteht). Auch
ist nicht richtig, wenn man von der oben festgestellten Natur des
Streitverhältnisses als eines zivil-obligationenrechtlichen ausgeht, dass
wegen des Wohnsitzes des Rekursbeklagten in Dornach der Prorogation auf den
staatlichen Richter eines anderen Kantons Art. 59 BV entgegen gestanden habe.
Nach feststehender Rechtsprechung kann auf die hier ausgesprochene Garantie
des Wohnsitzrichters vom Beklagten nicht nur durch vorbehaltlose Einlassung
auf die bei einem anderen Richter erhobene Klage, sondern auch zum voraus,
durch Vereinbarung verbindlich verzichtet werden. Dass die hier in Frage
stehende Gerichtsstandsklausel wegen Willensmängeln (Art. 23 ff . OR) für den
Rekursbeklagten unverbindlich wäre, wird nicht behauptet. Bei der
unmissverständlichen Fassung der Klausel und der besonderen Hervorhebung durch
eine fettgedruckte Überschrift könnte davon auch nicht die Rede sein.
4. ­ Aus der durch Art. 61 BV ausgesprochenen positiven Pflicht der Kantone,
zur Vollstreckung rechtskräftig festgestellter Zivilansprüche die staatliche
Zwangsgewalt zur Verfügung zu stellen, selbst wenn das Urteil, das den
Anspruch feststellt, in einem anderen Kanton ergangen ist, folgt freilich
zugleich negativ, dass in einer Sache, in der bereits ein den Anforderungen
dieser Verfassungsnorm und der Art. 80 , 81 SchKG entsprechendes Urteil
vorliegt,

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nicht nochmals in einem anderen Kanton geurteilt werden darf (ULLMER,
staatsrechtliche Praxis I Nr. 244; BGE 30 I S. 681 E. 2). Wäre es richtig,
dass über die Streitfrage, die Gegenstand der Klage der Rekurrenten vor dem
Dreiergericht Basel-Stadt bildete, bereits vorher rechtskräftig durch den
früheren Entscheid des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 2. April 1941
erkannt worden wäre, so hätte sich deshalb der Basler Richter mit der Klage
nicht mehr befassen dürfen und könnte für das von ihm darüber gefällte Urteil
die Vollstreckung in einem anderen Kanton nicht beansprucht werden. Doch hält
auch diese Einwendung nicht Stich.
..........................................................
6. ­ Andere Einwendungen gegen die Rechtsöffnung als die vorstehend
zurückgewiesenen sind nicht geltend gemacht worden, insbesondere auch nicht in
der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde des heutigen Rekursbeklagten, wo er sich
auf die Einrede der Unzuständigkeit des Basler Richters beschränkte, und es
ist nicht ersichtlich, dass sie mit Grund erhoben werden könnten. Entsprechend
dem gestellten Hauptantrage ist daher nicht nur der angefochtene Entscheid
aufzuheben, womit die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen würde, sondern
die nachgesuchte Rechtsöffnung sofort durch das Bundesgericht zu erteilen, wie
es bei Beschwerden aus Art. 61 BV, wenn die Rechtslage klar ist, allgemein
geschieht (BGE 42 I S. 101; 51 I S. 446 E. 4; 57 I S. 437 E. 6).
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 71 I 23
Datum : 01. Januar 1945
Publiziert : 22. April 1945
Quelle : Bundesgericht
Status : 71 I 23
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Bedeutung der Garantie der Vollziehung ausserkantonaler Urteile nach Art. 61 BV, 80, 81 SchKG.Diese...


Gesetzesregister
BV: 4  59  61
OR: 23
SchKG: 80  81
BGE Register
28-I-244 • 30-I-676 • 42-I-99 • 54-I-166 • 61-I-258 • 71-I-23
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • basel-stadt • einwendung • richtigkeit • staatsrechtliche beschwerde • entscheid • voraussetzung • zivilgericht • sicherstellung • garantie des wohnsitzrichters • gerichtsstandsvereinbarung • rechtskraft • solothurn • richterliche behörde • gerichts- und verwaltungspraxis • rechtskraft • kantonales rechtsmittel • frage • stelle • gleichwertigkeit • weiler • zitat • dornach • vorinstanz • sachrichter • beklagter • rechtslage
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