S. 82 / Nr. 21 Strafgesetzbuch (d)

BGE 70 IV 82

21. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. Februar 1944 i.S. Im
Obersteg gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.

Regeste:
Art. 307 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 307 - 1 Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...417
3    Bezieht sich die falsche Äusserung auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Geldstrafe.418
StGB ist nicht immer schon dann anwendbar, wenn die falsche
Äusserung auf die richterliche Entscheidung nicht eingewirkt hat, sondern nur
dann, wenn sie sich von vornherein, ihrem Gegenstande nach, gar nicht eignete,
auf den Prozessausgang irgendwelchen Einfluss auszuüben.
Art. 307 al. 3 CP. Pour que cette disposition s'applique, il ne suffit pas que
la fausse déposition n'ait pas influé sur la décision du juge, il faut qu'elle
n'ait d'emblée pas été de nature à exercer une influence quelconque sur
l'issue du procès.
Art. 307 cp. 3 CP. Affinché questa disposizione sia applicabile, non basta che
la falsa testimonianza non abbia influito sulla decisione del giudice, occorre
ch'essa non sia stata senz'altro tale da esercitare un qualsiasi influsso
sull'esito del processo.

Aus den Erwägungen:
Art. 307 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 307 - 1 Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...417
3    Bezieht sich die falsche Äusserung auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Geldstrafe.418
StGB beschränkt die Strafe des falschen Zeugnisses auf
Gefängnis bis zu sechs Monaten, wenn sich die Aussage auf Tatsachen bezieht,
die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind. Diese Bestimmung geht
zurück auf einen Antrag, der in der zweiten Expertenkommission

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gestellt worden ist (Protokolle 5 283, 288, 290, 292), und der die mildere
Bestrafung vorsah, «si la fausse déposition ... ne visait que des faits
accessoires ...». Als «faits accessoires, secondaires» bezeichnete der
Antragsteller Tatsachen, welche den Ausgang des Prozesses nicht beeinflussen,
im Gegensatz zu den «faits importants, essentiels», welche die Überzeugung des
Richters bestimmen und sich demgemäss im Urteil entscheidend auswirken. Der
Antrag wurde bekämpft, wobei unter anderem bemerkt wurde, man dürfe jedenfalls
nicht den Zeugen darüber entscheiden lassen, ob seine Aussage sich auf eine
erhebliche oder auf eine nebensächliche Tatsache beziehe. Der Antrag fand aber
gleichwohl eine Mehrheit. Bei der Redaktion wurde indessen nicht der
vorgeschlagene Wortlaut übernommen, sondern man wählte die Fassung, aus
welcher Art. 307 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 307 - 1 Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
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3    Bezieht sich die falsche Äusserung auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Geldstrafe.418
StGB hervorgegangen ist: «... für die richterliche
Entscheidung unerheblicher Tatsache», «... des faits ne pouvant exercer aucune
influence sur la décision du juge» (Protokolle 5 462 f.). Damit wollte - das
ergibt sich jedenfalls aus dem französischen Text - auf die Einwendungen
Rücksicht genommen werden, welche gegen den erwähnten Antrag erhoben worden
waren. Es soll entgegen der vom Antragsteller geäusserten Auffassung nicht
darauf ankommen, ob die Aussage auf das Urteil tatsächlich eingewirkt hat, ob
es also ohne diese Aussage anders ausgefallen wäre, sondern die mildere Strafe
soll nur dann ausgesprochen werden, wenn die Aussage von vornherein, ihrem
Gegenstande nach, gar nicht geeignet ist, auf den Prozessausgang irgendwelchen
Einfluss auszuüben. Das Urteil beeinflussen können aber alle Aussagen über
Tatsachen, welche sich irgendwie auf das Prozessthema beziehen (nicht zur
Sache gehörende Aussagen, z. B. Angaben des Zeugen über seine Personalien,
scheiden schon nach Art. 307 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 307 - 1 Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
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3    Bezieht sich die falsche Äusserung auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Geldstrafe.418
StGB aus), und welche nicht unzweifelhaft
ganz ausserhalb der zu entscheidenden Rechtsfragen liegen. Ob der Richter der
Aussage glaubt oder nicht. ob die bezeugte Tatsache durch eine andere,

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einredeweise geltend gemachte, ihre rechtliche Bedeutung einbüsst, oder ob sie
sich aus irgendeinem anderen Grunde im Urteil nicht auswirkt, z. B. weil
schliesslich andere Tatsachen zur rechtlichen Begründung des streitigen
Anspruches genügen spielt keine Rolle. Unerheblich sind dagegen Tatsachen, die
zwar mit dem zu beurteilenden Sachverhalt im Zusammenhang stehen, aber ihrer
Natur nach für eine rechtliche Schlussfolgerung schlechtweg nicht in Betracht
kommen, z. B. Tatsachen, nach denen der Richter bloss frägt, um mit dem Zeugen
in Kontakt zu kommen, oder um dessen Beobachtungen auf ihre Zuverlässigkeit
hin zu prüfen, bei einem Automobilunfall z. B. die Farbe des Automobils.
Grundsätzlich im gleichen Sinne hat sich der deutsche Berichterstatter im
Nationalrat ausgesprochen, indem er erklärte, dass Äusserungen, welche «nicht
beweiserheblich» seien, unter die mildere Strafe fallen (AStenBull NatR 1929
604).
Die deutsche Fassung des Gesetzes und auch die italienische, die von «fatti
non influenti sulla decisione del giudice» spricht, sind somit im Sinne der
französischen zu verstehen: «des faits qui ne peuvent exercer aucune influence
sur la décision du juge». Etwas anderes wäre auch weder mit der Sicherheit des
Rechtsganges und der Autorität der Rechtspflege, noch mit dem Grundsatz des
Schuldstrafrechts vereinbar. Die Wahrheitspflicht des Zeugen kann nicht
verschieden sein, je nachdem seine Aussage die richterliche Entscheidung
letzten Endes tatsächlich beeinflusst oder nicht. Sonst müsste z. B. bei
Abschluss eines Vergleichs stets entweder Art. 307 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 307 - 1 Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
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3    Bezieht sich die falsche Äusserung auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Geldstrafe.418
StGB angewendet
werden, womit dem Zeugen die nicht urteilsmässige Erledigung des Prozesses
unverdienterweise zugute käme, oder der Strafrichter müsste, was ebenso
unbefriedigend wäre, den ganzen Prozesstoff selber durcharbeiten und ihn
vielleicht durch neue Beweismassnahmen ergänzen, um festzustellen, wie der
Sachrichter vermutlich geurteilt und wie sich die falsche Zeugenaussage im
Urteil ausgewirkt hätte.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 70 IV 82
Datum : 01. Januar 1943
Publiziert : 18. Februar 1944
Quelle : Bundesgericht
Status : 70 IV 82
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 307 Abs. 3 StGB ist nicht immer schon dann anwendbar, wenn die falsche Äusserung auf die...


Gesetzesregister
StGB: 307
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 307 - 1 Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...417
3    Bezieht sich die falsche Äusserung auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Geldstrafe.418
BGE Register
70-IV-82
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