BGE 70 IV 5
3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Februar 1944 i S,.
Abrecht gegen Staatsanwalt des Berner Seelandes.
Regeste:
Art. 2 Abs. 2
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 2 - 1 Est jugé d'après le présent code quiconque commet un crime ou un délit après l'entrée en vigueur de ce code. |
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1 | Est jugé d'après le présent code quiconque commet un crime ou un délit après l'entrée en vigueur de ce code. |
2 | Le présent code est aussi applicable aux crimes et aux délits commis avant la date de son entrée en vigueur si l'auteur n'est mis en jugement qu'après cette date et si le présent code lui est plus favorable que la loi en vigueur au moment de l'infraction. |
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 112 - Si l'auteur tue avec une absence particulière de scrupules, notamment si son mobile, son but ou sa façon d'agir est particulièrement odieux, il est puni d'une peine privative de liberté à vie ou d'une peine privative de liberté de dix ans au moins. |
Milderes Recht bei Mord: Begriff des Mordes nach neuem Recht.
Art. 2 al. 2 et art. 112 CP.
Droit transitoire en matière d'assassinat, notion de l'assassinat d'après le
nouveau droit.
Art. 2 cp. 2 e art. 112 CP.
Lex mitior in materia di assassinio; concetto dell'assassinio secondo il nuovo
diritto.
A. - Der 1915 geborene Paul Abrecht und sein Schwager Oskar Gygax oblagen am
4. November 1941 der
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Schleichjagd. Gygax wurde von Hans Schlup entdeckt und verfolgt. Abrecht
schoss aus dem Hinterhalt auf Schlup und tötete ihn.
B. - Das Geschworenengericht des IV. Bezirks des Kantons Bern verurteilte
Abrecht am 10. September 1943 wegen Mordes zu lebenslänglichem Zuchthaus und
zu Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit auf die Dauer von 10 Jahren.
Das Gericht wandte bernisches Recht an.
C. - In einer Nichtigkeitsbeschwerde brachte Abrecht u. a. vor, er hätte nach
dem schweizerischen Strafgesetzbuch beurteilt werden sollen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- .....
2.- Der Beschwerdeführer will nach dem schweizerischen Strafgesetzbuch
beurteilt werden. Er beging jedoch seine strafbaren Handlungen vor dessen
Inkrafttreten. Gemäss Art. 2 Abs. 2
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 2 - 1 Est jugé d'après le présent code quiconque commet un crime ou un délit après l'entrée en vigueur de ce code. |
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1 | Est jugé d'après le présent code quiconque commet un crime ou un délit après l'entrée en vigueur de ce code. |
2 | Le présent code est aussi applicable aux crimes et aux délits commis avant la date de son entrée en vigueur si l'auteur n'est mis en jugement qu'après cette date et si le présent code lui est plus favorable que la loi en vigueur au moment de l'infraction. |
ihn anwendbar, wenn es für ihn milder ist als das bernische Strafgesetzbuch,
das zur Zeit der Tat galt.
Das bernische wie das schweizerische Strafgesetzbuch sehen für Mord
lebenslängliches Zuchthaus vor, also die gleiche, absolut bestimmte Strafe.
Die beiden Gesetze umschreiben jedoch den Tatbestand des Mordes verschieden.
Das bernische Recht stimmt überein mit der Mehrzahl der kantonalen
Strafgesetzbücher, welche die Tötungsverbrechen in Mord und Totschlag
einteilten und die mit «Vorbedacht», oder mit «Überlegung», begangene Tötung
als Mord bezeichneten. Demgemäss ist nach Art. 123 des bernischen
Strafgesetzbuches des Mordes schuldig, «wer vorsätzlich und mit Vorbedacht
einen Menschen tötet».
Das schweizerische Strafgesetzbuch hat mit der Zweiteilung der
Tötungsverbrechen auch die herkömmliche, als unzulänglich kritisierte
Kennzeichnung des Mordes
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fallen gelassen. Der Entwurf von 1918 ersetzte sie, den Vorentwürfen folgend,
durch eine Aufzählung von Beweggründen und Begehungsarten, durch welche die
vorsätzliche Tötung zu einem besonders schweren Verbrechen wird (Art. 99). Die
eidgenössischen Räte zogen dieser Aufzählung eine allgemeine
Begriffsbestimmung des Mordes vor und nahmen in diese gemäss dem Antrag der
nationalrätlichen Kommission den eingelebten Ausdruck «Überlegung»
(préméditation) auf. Dieser Ausdruck erscheint somit auch im Mordtatbestand
des neuen Rechtes (Art. 112). Allein seine Bedeutung ist eine andere. Denn das
Kennzeichen des Mordes ist nach dem neuen Recht, wie schon nach dem
Grundgedanken des Entwurfs, die Gefährlichkeit oder die besonders verwerfliche
Gesinnung des Täters, die durch die Tat zum Ausdruck kommt. Die vom Täter
angestellte Überlegung fällt nur insofern in Betracht, als sie diese
Gefährlichkeit und Gesinnung offenbart. Sie ist zudem nicht notwendiges
Tatbestandsmerkmal, da sich Gefährlichkeit und verwerfliche Gesinnung auch aus
den Umständen der Tat ergeben können.
Die vom bernischen und schweizerischen Strafgesetzbuch als Mord bezeichneten
Tatbestände überschneiden sich also, und zwar auch dann, wenn «Überlegung» im
Sinne von «Vorbedacht» zu verstehen ist, worauf der französische Text des Art.
112
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 112 - Si l'auteur tue avec une absence particulière de scrupules, notamment si son mobile, son but ou sa façon d'agir est particulièrement odieux, il est puni d'une peine privative de liberté à vie ou d'une peine privative de liberté de dix ans au moins. |
Vorbedacht Mord vorliegen, sofern nämlich aus den Umständen der Tat eine
besonders verwerfliche Gesinnung oder die Gefährlichkeit des Täters
hervorgeht. Umgekehrt ist eine vorsätzliche, mit Vorbedacht begangene Tötung
nicht ohne weiteres Mord, sondern nur dann, wenn der Vorbedacht jene Gesinnung
oder die Gefährlichkeit des Täters offenbart.
3.- Um das anwendbare Recht festzustellen, hatte das Geschwornengericht somit
zu prüfen, ob Abrecht auch nach dem schweizerischen Strafgesetzbuch des Mordes
schuldig sei. Das Gericht hat dies getan und die Frage
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bejaht. Eidgenössisches Recht hat es damit nicht verletzt. Denn nach den
Umständen der Tat durfte es die Voraussetzungen des Art. 112 als erfüllt
erachten.
Zunächst ist festzuhalten, dass Abrecht im Augenblick der Tat selbst nicht
entdeckt, geschweige denn verfolgt war. Auch sein Schwager Gygax war nicht in
seiner Gesundheit bedroht. Denn Schlup war unbewaffnet. Er war zufällig durch
die Schüsse der Wilderer aufmerksam geworden, hatte Gygax entdeckt und wollte
diesen einfach stellen. Abrecht schoss Schlup nieder, um das gemeinsame
Jagdvergehen zu verdecken.
Die Tatsache, dass es Abrecht aus diesem Beweggrund über sich brachte, den
ahnungslosen Schlup durch einen wohlgezielten Kopfschuss heimtückisch zu
töten, führt für sich schon zur Annahme der Vorinstanz, es handle sich bei ihm
um eine «kalte, verbrecherische Natur». Für diese Würdigung der Tat konnte
sich die Vorinstanz zudem auf weitere Anhaltspunkte stützen. Abrecht hatte
zwei Tage vorher im Gespräch mit unbeteiligten Arbeitskameraden durchblicken
lassen, dass er sich auf die Schleichjagd verstehe. Auf die warnende Frage
«und wenn si di de verwütsche?» hatte er geantwortet: «De schiesst me die
Cheibe-n-eifach abe». Dieser Ausspruch war nicht Prahlerei, sondern Ernst, wie
die nachfolgende Tat bewies. Er zeigt, dass Abrecht, ein gewohnheitsmässiger
Wilderer, zum vorneherein entschlossen war, jeden, der ihn auf der
Schleichjagd erwischen konnte, kurzerhand niederzuknallen. Dazu kommt, dass
Abrecht im Besitz mehrerer Schusswaffen war, die er sich zum Teil durch einen
Einbruch verschafft hatte. Seine Vorliebe für Waffen zeigte sich auch in der
Gewohnheit, zu einem bestimmten, bei der Arbeit getragenen Kleid stets einen
Revolver mit sich zu führen. Abrecht hatte überdies seinen verbrecherischen
Willen schon mehrfach betätigt. Wegen Einbruchdiebstahl und Hehlerei hatte er
schon zwei längere Freiheitsstrafen verbüsst. Trotzdem hatte er in den Jahren
1940 und 1941 zwei weitere Einbrüche verübt.
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Bei dieser Sachlage hatte die Vorinstanz zureichenden Grund, die Tat des
Beschwerdeführers nicht als einmaligen, aussergewöhnlichen Fehltritt eines
Wilderers aufzufassen, sondern als Handlung eines zur Gewaltanwendung
geneigten, sittlich hemmungslosen und daher gefährlichen Menschen.
Abrecht müsste somit auch nach dem neuen Recht wegen Mordes zu
lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt werden. Das schweizerische
Strafgesetzbuch ist für ihn nicht milder, sodass die Vorinstanz mit Recht das
bernische Gesetz anwandte.