S. 43 / Nr. 11 Verfahren (d)

BGE 70 IV 43

11. Urteil des Kassationshofes vom 17. März 1944 i.S. Brunner und
Mitbeteiligte gegen Staatsanwaltschaft Zürich.

Regeste:
Schreibgebühren in Bundesstrafsachen, die von kantonalen Gerichten zu
beurteilen sind, Art. 251 Abs. 3 BStrP.
Der Grundsatz der Unentgeltlichkeit bezieht sich nur auf die für die Partei
bestimmte Urteilsausfertigung; für die amtliche, bei den Akten bleibende
Ausfertigung können die Kantone Schreibgebühren berechnen.
Frais d'expédition du jugement dans les causes pénales de la Confédération
jugées par les cantons, art. 251 al. 3 PPF.
Le principe de la gratuité ne concerne que l'expédition du jugement destinée à
la partie; les cantons peuvent percevoir des

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émoluments pour l'établissement de la minute qui reste au dossier.
Spese di scritturazione della sentenza nelle cause penali federali attribuite
alle autorità cantonali, art. 251 cp. 3 PPF.
Il principio della gratuità concerne soltanto la copia del giudizio destinata
alla parte, i cantoni possono riscotere sportule di cancelleria per la minuta
che resta nell'inserto.

A. - Am 2. Juni 1943 hat das Obergericht des Kantons Zürich einen Straffall
beurteilt, der gemäss Art. 18 BStrP vom eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartement an die Gerichtsbarkeit des Kantons Zürich delegiert worden
war und Widerhandlungen gegen die BRB vom 6. August 1940 über Massnahmen gegen
die kommunistische und anarchistische Tätigkeit und vom 26. November 1940 über
die Auflösung der kommunistischen Partei der Schweiz durch ungefähr 50
Angeklagte zum Gegenstand hatte.
Das Obergericht Zürich fällte für jeden Angeklagten ein besonderes Urteil aus
mit einer 84-86 Seiten umfassenden Begründung. Hievon entfallen 78 Seiten auf
allgemeine tatsächliche und rechtliche Ausführungen, die in allen Fällen
gleich lauten. Diese 78 Seiten sind daher mit Matrizen vervielfältigt worden.
Die verbleibenden 6-8 Seiten enthalten die jeden Angeklagten besonders
betreffenden Ausführungen. Jedem verurteilten Angeklagten auferlegte das
Obergericht die der vollen Seitenzahl des Urteils entsprechenden
Schreibgebühren von Fr. 3.­ pro Seite, d.h. ca. Fr. 260.­.
B. - Gegen diese Auferlegung von Schreibgebühren richtet sich die vorliegende
Nichtigkeitsbeschwerde, mit der die Aufhebung des Kostendispositivs und die
Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Fällung eines neuen Kostenspruches
beantragt wird. Die Beschwerde wird damit begründet, dass der Bezug von
Schreibgebühren gegen Art. 251 Abs. 3 BStrP verstosse, wonach die Parteien auf
Verlangen unentgeltlich schriftliche Ausfertigungen des Urteils erhalten.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt Abweisung der Beschwerde.
Sie macht geltend. dass ausschliesslich

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das kantonale Recht für die Prozesskostenberechnung in den an die Kantone
delegierten Bundesstrafsachen massgebend sei. Mit Art. 251 BStrP habe der
Bundesgesetzgeber keine Norm für die Kostenberechnung aufgestellt. Nach
zürcherischem Prozessrecht sei in jedem Fall eine schriftliche, eingehend
begründete Urteilsausfertigung zu erstellen, die Bestandteil der Akten bilde,
ob nun eine solche dem Verurteilten von amteswegen oder auf Verlangen
ausgehändigt werde. Die Schreibgebühren beziehen sich auf diese amtliche
Originalausfertigung für amtliche Zwecke. Das Exemplar, das der Verurteilte
erhalte, erhöhe die Schreibgebühren nicht. An Mehrkosten könnte nur der
Papierwert der Ausfertigung in Betracht fallen. Das Papier werde aber gar
nicht berechnet, sondern nur die Schreibarbeit nach amtlichem Tarif mit Fr.
3.­ pro Seite. Art. 251 BStrP enthalte keine materielle Norm über das, was
durch das urteilende Gericht zum Gegenstand der Kostenauflage gemacht werden
dürfe.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Art. 251 Abs. 3 BStrP schreibt vor, dass die Parteien auf Verlangen
unentgeltlich schriftliche Ausfertigung des Urteils erhalten. Die
Unentgeltlichkeit gilt natürlich ebenfalls, wenn die Zustellung der
Ausfertigungen auf Grand kantonaler Gesetzesvorschrift ohne besonderes
Verlangen der Parteien zu geschehen hat, wie es im Kanton Zürich der Fall ist.
Denn die zitierte Bestimmung stellt den Grundsatz der Unentgeltlichkeit der
für die Partei bestimmten Urteilsausfertigung auf. Hingegen sagt sie nichts
über die Kostenpflicht für die Urteilsausfertigung überhaupt, lässt also die
Möglichkeit offen, für die amtliche Ausfertigung des Urteils (die in den Akten
bleibt) eine Gebühr zu berechnen. So wurde schon die gleichlautende Vorschrift
des Art. 152 Abs. 2 OG tatsächlich gehandhabt. Die Beratungen der
nationalrätlichen Kommission für den BStrP von 1934, welche entgegen dem
Vorschlag des Bundesrates die bisherige Vorschrift in dem BStrP hinübernahm,

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könnten zwar die Meinung aufkommen lassen, dass die Urteilsausfertigung
überhaupt gebührenfrei zu bleiben habe. Nationalrat Dicker machte nämlich
darauf aufmerksam, dass im Kanton Genf alle Urteile der Fiskalabgabe
unterstellt seien; das wäre bei Aufnahme der Bestimmung nicht mehr möglich.
Dieser Auffassung stimmte der antragstellende Präsident der Kommission zu. Und
ein Antrag Grünenfelder, wonach zwar das Gesetz dafür zu sorgen habe, dass auf
jeden Fall «unabhängig von einer Kostenerhebung, sei es Vorauszahlung oder
Nachnahme, eine Urteilsausfertigung mit Motiven verlangt werden kann, womit
aber nicht ausgeschlossen sein soll, dass für die Urteilsausfertigung Gebühren
berechnet werden», wurde verworfen (Prot. II S. 2/3). Aber im Nationalrat
selbst gab der Kommissionsreferent bei der Differenzbereinigung - der
Ständerat hatte die Bestimmung abgelehnt - für den Antrag auf Festhalten die
Begründung, wer vor Strafgericht erscheinen müsse, habe Anrecht auf ein
schriftliches Urteil, ohne dass er dafür erst noch Geld auslegen müsse (Bull.
1933 S. 904); diese Begründung spricht doch wohl dafür, dass man die für die
Partei bestimmte Ausfertigung im Auge hatte. Jedenfalls war die Erklärung, auf
die hin der Ständerat dem Nationalrat schliesslich zustimmte, klar in diesem
Sinne: «La remise d'une copie gratuite de la décision est une formalité à
laquelle nous pouvons nous rallier...» (Bull. 1934 S. 14). Für Einschränkung
der Bestimmung auf die für die Partei bestimmte Ausfertigung spricht auch die
Erwägung, dass der bundesrechtliche Eingriff in die kantonale Zuständigkeit
zur Regelung der Kostenpflicht im kantonalen Verfahren nicht in unnötiger
Weise ausgedehnt werden darf. Der Zweck des Eingriffs heischt aber nur, dass
die Partei sich über die genauen Gründe der Entscheidung orientieren könne,
ohne hierfür Auslagen machen zu müssen. Dem Bezug einer Schreibgebühr für das
gar nicht für die Partei bestimmte Urteilsexemplar steht dieser Zweck nicht
entgegen. Wenn sich übrigens die Vorschrift auf jede
Urteilsausfertigungsgebühr

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beziehen sollte, so wäre ihre Umgehung auf erlaubtem Wege durch die Kantone
ein leichtes, mindestens zu Lasten der kostenpflichtigen Partei. Die
Urteilsausfertigungsgebühr brauchte nur mit der Gerichtsgebühr zu einer
einheitlichen Gebühr zusammengefasst zu werden, wie das gerade das Zürcher
Gerichtsverfassungsgesetz in Art. 233 dem Obergericht anheimstellt. Denn über
die Bemessung der Gerichtsgebühr im kantonalen Verfahren bestehen keine
bundesrechtlichen Vorschriften. Nichts hindert daher die Kantone, die
Gerichtsgebühr unter Einbeziehung der aufzuwendenden Schreibkosten zu
bemessen, zu welchem Aufwand auch die Urteilsschreibgebühren gehören, wenn das
Urteil nicht bloss mündlich erlassen, sondern notwendig in vollständiger
Ausfertigung den Akten einverleibt wird, wie das im Kanton Zürich der Fall
ist.
In vorliegender Sache handelt es sich nun nach den Erklärungen der
Staatsanwaltschaft je um die Schreibgebühr für das amtliche Exemplar des
Urteils, nicht für die der Partei zugestellte Abschrift. Das lässt sich nicht
bestreiten, weil laut Ausweis der Protokolle des Bezirksgerichtes und des
Obergerichtes nicht ein einheitliches Urteil in gemeinsamem Verfahren
gegenüber sämtlichen Angeklagten ausgefällt worden ist, sondern gegenüber
jedem Angeklagten ein besonderes, das nach den zürcherischen Vorschriften den
Akten einverleibt werden muss. Daran ändert der Umstand nichts, dass jedes
einzelne Urteil den Straftatbestand im grossen und ganzen in Bezug auf
sämtliche Angeklagten festlegt, infolgedessen sämtliche Urteile im weitaus
grössten Teil der Seitenzahl identisch lauten und insoweit mechanisch
vervielfältigt worden sind...
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 70 IV 43
Datum : 01. Januar 1943
Publiziert : 17. März 1944
Quelle : Bundesgericht
Status : 70 IV 43
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Schreibgebühren in Bundesstrafsachen, die von kantonalen Gerichten zu beurteilen sind, Art. 251...


Gesetzesregister
OG: 152
BGE Register
70-IV-43
Stichwortregister
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