BGE 70 IV 152
40. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. Oktober 1944 i.S. Hug
und Mitangeklagte gegen Staatsanwaltschaft des bernischen Mittellandes.
Regeste:
Art. 23
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 23 - 1 Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen. |
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1 | Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen. |
2 | Sind an einer Tat mehrere Täter oder Teilnehmer beteiligt, so kann das Gericht die Strafe dessen mildern oder von der Bestrafung dessen absehen, der aus eigenem Antrieb dazu beiträgt, die Vollendung der Tat zu verhindern. |
3 | Das Gericht kann die Strafe auch mildern oder von der Bestrafung absehen, wenn der Rücktritt des Täters oder des Teilnehmers die Vollendung der Tat verhindert hätte, diese aber aus anderen Gründen ausbleibt. |
4 | Bemüht sich einer von mehreren Tätern oder Teilnehmern aus eigenem Antrieb ernsthaft, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht seine Strafe mildern oder von seiner Bestrafung absehen, wenn die Tat unabhängig von seinem Tatbeitrag begangen wird. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 118 - 1 Wer eine Schwangerschaft mit Einwilligung der schwangeren Frau abbricht oder eine schwangere Frau zum Abbruch der Schwangerschaft anstiftet oder ihr dabei hilft, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer eine Schwangerschaft mit Einwilligung der schwangeren Frau abbricht oder eine schwangere Frau zum Abbruch der Schwangerschaft anstiftet oder ihr dabei hilft, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Schwangerschaft ohne Einwilligung der schwangeren Frau abbricht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr166 bis zu zehn Jahren bestraft. |
3 | Die Frau, die ihre Schwangerschaft nach Ablauf der zwölften Woche seit Beginn der letzten Periode abbricht, abbrechen lässt oder sich in anderer Weise am Abbruch beteiligt, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 Absatz 1 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
4 | In den Fällen der Absätze 1 und 3 tritt die Verjährung in drei Jahren ein.167 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 119 - 1 Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist. |
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1 | Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist. |
2 | Der Abbruch einer Schwangerschaft ist ebenfalls straflos, wenn er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau, die geltend macht, sie befinde sich in einer Notlage, durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird. Die Ärztin oder der Arzt hat persönlich mit der Frau vorher ein eingehendes Gespräch zu führen und sie zu beraten. |
3 | Ist die Frau nicht urteilsfähig, so ist die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreterin oder ihres gesetzlichen Vertreters erforderlich. |
4 | Die Kantone bezeichnen die Praxen und Spitäler, welche die Voraussetzungen für eine fachgerechte Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen und für eine eingehende Beratung erfüllen. |
5 | Ein Schwangerschaftsabbruch wird zu statistischen Zwecken der zuständigen Gesundheitsbehörde gemeldet, wobei die Anonymität der betroffenen Frau gewährleistet wird und das Arztgeheimnis zu wahren ist. |
Versuchte Abtreibung an einer Nichtschwangeren ist nicht strafbar (Bestätigung
der Rechtsprechung).
Art. 23, 118 et 119 CP.
L'avortement tenté sur une personne non enceinte n'est pas punissable
(confirmation de la jurisprudence).
Art. 23, 118 e 119 CP.
L'aborto tentato su una persona non incinta non è punibile (conferma della
giurisprudenza).
Aus den Erwägungen:
Unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte und den Wortlaut der Art. 118
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 118 - 1 Wer eine Schwangerschaft mit Einwilligung der schwangeren Frau abbricht oder eine schwangere Frau zum Abbruch der Schwangerschaft anstiftet oder ihr dabei hilft, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer eine Schwangerschaft mit Einwilligung der schwangeren Frau abbricht oder eine schwangere Frau zum Abbruch der Schwangerschaft anstiftet oder ihr dabei hilft, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Schwangerschaft ohne Einwilligung der schwangeren Frau abbricht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr166 bis zu zehn Jahren bestraft. |
3 | Die Frau, die ihre Schwangerschaft nach Ablauf der zwölften Woche seit Beginn der letzten Periode abbricht, abbrechen lässt oder sich in anderer Weise am Abbruch beteiligt, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 Absatz 1 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
4 | In den Fällen der Absätze 1 und 3 tritt die Verjährung in drei Jahren ein.167 |
119
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 119 - 1 Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist. |
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1 | Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist. |
2 | Der Abbruch einer Schwangerschaft ist ebenfalls straflos, wenn er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau, die geltend macht, sie befinde sich in einer Notlage, durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird. Die Ärztin oder der Arzt hat persönlich mit der Frau vorher ein eingehendes Gespräch zu führen und sie zu beraten. |
3 | Ist die Frau nicht urteilsfähig, so ist die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreterin oder ihres gesetzlichen Vertreters erforderlich. |
4 | Die Kantone bezeichnen die Praxen und Spitäler, welche die Voraussetzungen für eine fachgerechte Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen und für eine eingehende Beratung erfüllen. |
5 | Ein Schwangerschaftsabbruch wird zu statistischen Zwecken der zuständigen Gesundheitsbehörde gemeldet, wobei die Anonymität der betroffenen Frau gewährleistet wird und das Arztgeheimnis zu wahren ist. |
Sinne des Art. 23
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 23 - 1 Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen. |
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1 | Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen. |
2 | Sind an einer Tat mehrere Täter oder Teilnehmer beteiligt, so kann das Gericht die Strafe dessen mildern oder von der Bestrafung dessen absehen, der aus eigenem Antrieb dazu beiträgt, die Vollendung der Tat zu verhindern. |
3 | Das Gericht kann die Strafe auch mildern oder von der Bestrafung absehen, wenn der Rücktritt des Täters oder des Teilnehmers die Vollendung der Tat verhindert hätte, diese aber aus anderen Gründen ausbleibt. |
4 | Bemüht sich einer von mehreren Tätern oder Teilnehmern aus eigenem Antrieb ernsthaft, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht seine Strafe mildern oder von seiner Bestrafung absehen, wenn die Tat unabhängig von seinem Tatbeitrag begangen wird. |
versucht wird, somit ein untauglicher Abtreibungsversuch an einer
Nichtschwangeren wegen Fehlens der Leibesfrucht, die allein Gegenstand der
Abtreibung sein könne, nicht möglich sei, hat der Kassationshof in Sachen
Baumeler und Mitangeklagte Abtreibungshandlungen an einer Nichtschwangeren als
nicht strafbar erklärt (BGE 70 IV 9).
Der Entstehungsgeschichte wurde entnommen, dass der Vorentwurf von 1908
strafbar erklärte einerseits die «Schwangere», welche ihre Frucht abtreibt
oder abtreiben lässt (Art. 68 Ziff. 1), anderseits den Dritten, welcher einer
«Frau» die Frucht abtreibt (Art. 68 Ziff. 2 und 3). Diese
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Verschiedenheit der Ausdrücke entsprach dem ursprünglichen Beschluss der
ersten Expertenkommission, welche die Abtreibungshandlungen einer sich
irrtümlich für schwanger haltenden Person straflos lassen, die
Abtreibungshandlungen eines Dritten an einer Nichtschwangeren dagegen
bestrafen wollte (Protokoll 1 332 f.). Dem späteren Beschluss der gleichen
Kommission, die sich irrtümlich für schwanger haltende Frau für den
Abtreibungsversuch doch auch zu bestrafen (Protokoll 2 398 ff.), trug der
Vorentwurf von 1908 nicht Rechnung. Die zweite Expertenkommission hielt an
diesem Entwurf fest, obschon sie auf die sich aus der Verschiedenheit der
Ausdrucksweise ergebenden Folgen, dass die Nichtschwangere für
Abtreibungshandlungen straflos bleibe, der Dritte dagegen bestraft werde,
aufmerksam gemacht wurde (Protokoll 2 186 f.). Per Vorentwurf vom August 1915
bezeichnete dann die Frauensperson sowohl in der Bestimmung über ihre eigene
Tat (Art. 109) als auch in der Bestimmung über die Tat des Dritten (Art. 110)
als «Schwangere». Aus der Genehmigung dieser Fassung in der zweiten Lesung der
zweiten Expertenkommission (Protokoll 8 224 ff.), dem Übergang in den Entwurf
von 1918 und der unwidersprochenen Annahme durch die eidgenössischen Räte hat
der Kassationshof geschlossen, dass für Abtreibungshandlungen an einer
Nichtschwangeren nicht nur diese, sondern auch der Dritte straflos gelassen
werden sollten. Die Vorinstanz wendet nun ein, die Verwendung des Ausdruckes
«Schwangere» in den Art. 109 und 110 des Vorentwurfes vom August 1915 gehe
darauf zurück, dass der Ausdruck «Frau» nicht mehr gepasst habe, da der
Vorentwurf von 1915 in Art. 101 Ziff. 1 diesen Ausdruck für die weibliche
Person im Alter von mindestens sechzehn Jahren vorbehalten habe. An diesem
Einwand ist richtig, dass die Weiterverwendung des Ausdruckes «Frau» nach der
Aufnahme des Art. 101 Ziff. 1 in den Vorentwurf von 1915 zur Folge gehabt
hätte, dass Abtreibungen an Mädchen unter sechzehn Jahren nicht hätten
bestraft werden können,
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worauf auch in der zweiten Expertenkommission hingewiesen wurde (Protokoll 8
225 Votum GAUTIER). Das erklärt aber nur, weshalb das Wort «Frau» in Art. 110
des. Vorentwurfes nicht mehr verwendet werden konnte, sagt dagegen nicht,
weshalb nicht ein anderer Ausdruck, der sowohl die Schwangere wie die
Nichtschwangere umfasst hätte, z.B. nach dem Vorbild des Vorentwurfes von 1896
(Art. 56 Abs. 2) «Frauensperson» eingesetzt wurde. Die zweite
Expertenkommission wusste, weil von Gautier nachdrücklich darauf aufmerksam
gemacht (Protokoll 2 186), dass die Verwendung des Ausdrucks «Schwangere» in
Art. 68 Ziff. 1 des Vorentwurfes von 1908 zur Folge hatte, den
Abtreibungsversuch der Nichtschwangeren straflos zu lassen, und dass die
Verwendung des gleichen Ausdruckes in der Bestimmung über Abtreibung durch
Drittpersonen zur Auffassung führen musste, der Gesetzgeber habe Drittpersonen
für Handlungen an Nichtschwangeren wie diese selbst von Strafe befreien
wollen. Der Gedanke, den Abtreibungsversuch an einer Nichtschwangeren
besonders, von der allgemeinen Bestimmung über untauglichen Versuch
unabhängig, zu regeln, lag nicht fern, ging doch z.B. auch die Praxis des
französischen Kassationshofes dahin, den im Code pénal nicht geregelten
Versuch des Verbrechens am fehlenden Gegenstande (versuchtes Plündern eines
leeren Opferstockes, Schuss auf ein leeres Bett, in welchem der Täter das
Opfer vermutet, Griff des Taschendiebes in eine leere Tasche) im allgemeinen
zu bestrafen (DALLOZ, Recueil périodique 1878 I 33, 35, 1896 I 21), die auf
Abtreibung einer nicht bestehenden Leibesfrucht gerichteten Handlungen dagegen
straflos zu lassen (DALLOZ, Recueil périodique 1859 I 336). Schliesslich
spricht für die Strafbarkeit der Abtreibungshandlungen an einer
Nichtschwangeren auch nicht der Umstand, dass diese Handlungen im Nationalrat
als Beispiel eines untauglichen Versuchs erwähnt wurden (AStenBull,
Sonderausgabe, NatR 89). Es geschah dies bei der Erörterung der allgemeinen
Bestimmungen über den Versuch, also in
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einem Zeitpunkt, als über die Sonderregelung der Art. 105 und 106 des
Entwurfes (Art. 118 und 119 des Gesetzes) noch nicht verhandelt wurde und
daher auch nicht Anlass bestand, gegen das erwähnte Beispiel unter dem
Gesichtspunkt dieser Artikel Stellung zu nehmen.
Wie dem aber auch sei, so schliesst die Aufnahme von «Schwangere» als
Tatbestandsmerkmal in den Gesetzestext die Anwendung von Art. 23 bei fehlender
Schwangerschaft aus. Das sollte zunächst nicht zweifelhaft sein können für die
passive und die Selbstabtreibung gemäss Art. 118. Wenn hier als Täterin des
vollendeten Vergehens die Schwangere bezeichnet ist, so fehlt der
Nichtschwangern die gesetzliche Tätereigenschaft, die für den Versuch so nötig
ist wie für das vollendete Delikt. Die Frage nach dem Versuch am untauglichen
Objekt im Sinne von Art. 23 stellt sich hier gar nicht, weil schon das Subjekt
untauglich ist. Die in Anlehnung an RGE 47 66 von der Vorinstanz erhobene
Einwendung, dass «Schwangere» nur die abgekürzte Formulierung für
«Frauensperson, die im Normalfall des vollendeten Deliktes schwanger war»
bedeute, nimmt nicht gebührend Rücksicht auf die durch Art. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt. |
Auslegung des Strafgesetzes gezogene Grenze, vollends nicht angesichts der
durch die Protokolle der Expertenkommissionen erwiesenen Hinweise auf die
Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen «Schwangere» und «Frauensperson» für
die Frage der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs.
Und weil die Verwendung des Ausdrucks «Schwangere» in 119 wie in 118 keine so
zufällige ist, erlaubt sie auch nicht, Abtreibungshandlungen des Dritten an
der Nichtschwangern als untauglichen Versuch gemäss Art. 23 zu bestrafen. Wohl
will Art. 23 die Bestrafung gerade dann ermöglichen, wenn die Ausführung der
Tat sich gegen einen Gegenstand richtet, der nicht der tatbestandsmässige ist,
wenn nur der Täter das Delikt in seinen gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zu
begehen beabsichtigte. Wenn aber das Gesetz eine Eigenschaft des Gegenstandes
des Delikts
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besonders betont, insbesondere wenn es ihn einschränkend bezeichnet, dann
bedeutet dies, dass die Tat straflos zu bleiben hat, wenn sich ihre Ausführung
nicht gegen einen Gegenstand in diesen Schranken richtet, und darum kann sie
nicht dennoch als Versuch am untauglichen Objekt strafbar sein. So liegt, wenn
der Beischlaf mit dem Kinde unter sechzehn Jahren strafbar erklärt ist (Art.
191), darin die negative Entscheidung, dass der Beischlaf mit der
Sechzehnjährigen nicht als untauglicher Versuch bestraft werden darf, der
Beischläfer mag noch so fest der Überzeugung und willens gewesen sein, es mit
einem Kinde unter sechzehn Jahren zu tun zu haben. Oder würde der Gesetzgeber
die Tötung am lebenden Kind als Kindestötung (Art. 116) unter Strafe gestellt
haben, so hätte er damit betont, dass der Tötungsversuch am totgeborenen nicht
als Versuch am untauglichen Objekt bestraft werden dürfe. Genau so liegt eine
negative Entscheidung gegen die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs der
Abtreibung darin, dass die Schwangerschaft als Tatbestandsmerkmal
hervorgehoben ist (ebenso THORMANN-OVERBECK, Komm. StGB Art. 119 N. 7). Es
wäre übrigens ein erstaunlicher Widerspruch, die Selbstabtreiberin gemäss dem
eindeutigen Text von Art. 118 bei bloss vermeintlicher Schwangerschaft
straflos zu lassen, aber den Dritten, dessen sie sich zur Abtreibung bedient,
z.B. den Arzt, der nach den Regeln der Kunst vorgeht, zu bestrafen.
In gleicher Weise folgerte die obzitierte französische Gerichtspraxis aus
gleichem Gesetzestext (femme enceinte) die Straflosigkeit des
Abtreibungsversuchs bei fehlender Schwangerschaft und bedurfte es in
Frankreich einer Gesetzesänderung (décret du 29 juillet 1939, art. 82: femme
enceinte ou supposée enceinte), um seine Strafbarkeit herzustellen. Anderseits
kann die Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts, welche den
Abtreibungsversuch an der Nichtschwangern schon immer bestrafte, obschon die
frühere Fassung des § 218 RStGB ebenfalls die»Schwangere» nannte (heute
bezeichnenderweise abgeändert in
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«Frau»), nicht zum Vergleiche herangezogen werden, denn sie geht gerade von
der für das StGB oben abgelehnten Auffassung aus, dass der Ausdruck
«Schwangere» im Text des deutschen Gesetzes keine andere Bedeutung als
«Frauensperson» habe (RGE 47 66). Wohl huldigt im übrigen das deutsche
Reichsgericht einem Begriff des Versuchs, der nicht einmal vor einem eigens
betonten gesetzlichen Tatbestandsmerkmal Halt macht, sondern auch hier genügen
lässt, dass es in der Vorstellung des Täters vorhanden ist, so dass sogar der
Beischläfer im obigen Beispiel des untauglichen Versuchs schuldig wird (RGE 39
316). Allein diese logisch bis ins Extrem befolgte subjektive Auffassung des
Versuchs widerspricht allzusehr dem Rechtsgefühl, um sie Art. 23
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 23 - 1 Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen. |
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1 | Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen. |
2 | Sind an einer Tat mehrere Täter oder Teilnehmer beteiligt, so kann das Gericht die Strafe dessen mildern oder von der Bestrafung dessen absehen, der aus eigenem Antrieb dazu beiträgt, die Vollendung der Tat zu verhindern. |
3 | Das Gericht kann die Strafe auch mildern oder von der Bestrafung absehen, wenn der Rücktritt des Täters oder des Teilnehmers die Vollendung der Tat verhindert hätte, diese aber aus anderen Gründen ausbleibt. |
4 | Bemüht sich einer von mehreren Tätern oder Teilnehmern aus eigenem Antrieb ernsthaft, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht seine Strafe mildern oder von seiner Bestrafung absehen, wenn die Tat unabhängig von seinem Tatbeitrag begangen wird. |
zu legen. Sie ist auch von der I. Expertenkommission anlässlich der Beratung
des Art. 14 VE 1893 = 19 StGB unmissverständlich abgelehnt worden (Prot. 1
82/88, 98, 2 385 /6).
Nicht entscheidend ist, dass der Kassationshof heute an der Auffassung nicht
festhält, dass es ohne Gegenstand, an dem die Ausführung versucht wird, einen
strafbaren untauglichen Versuch überhaupt nicht gebe. Es gibt Fälle des
Angriffs auf einen fehlenden Gegenstand, die allgemein als untaugliche
Versuche bezeichnet werden und von denen mit Gewissheit feststeht, dass der
Gesetzgeber sie erfassen wollte, wenn er einmal den objektiven Versuchsbegriff
aufgab. Das verbietet, die gesetzliche Definition des Versuchs am untauglichen
Gegenstande in Art. 23 wörtlich zu nehmen.