S. 158 / Nr. 26 Obligationenrecht (d)

BGE 70 II 158

26. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Juni 1944 i.S. Y.
gegen Z.


Seite: 158
Regeste:
Unlauterer Wettbewerb, Art. 48
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 48
OR.
Die Angabe des Gründungsjahres (Altersberühmung) dient der Reklame und muss
daher wahr sein.
Bei der Prüfung, ob eine Auskündung zutrifft, ist davon auszugehen, wie sie im
Verkehr verstanden wird.
Die Altersberühmung ist wahr, wenn ein Geschäft vom angegebenen Gründungsjahr
hinweg als wirtschaftliche Einheit ununterbrochen geführt wurde. Wechsel von
Firma und Inhaber ist grundsätzlich unerheblich.
Bedeutung eines seit der Gründung eingetretenen Konkurses.
Concurrence déloyale, art. 48 CO.
L'indication de la date de fondation d'une entreprise (ancienneté) a un but de
réclame et doit par conséquent être vraie.
L'exactitude d'une indication doit être examinée en partant de la
signification que lui attribuent les intéressés.
L'indication de l'ancienneté est vraie lorsque l'entreprise a été exploitée
sans interruption à partir de la date mentionnée. Les changements de raison ou
de titulaire sont en principe sans importance.
Portée d'une faillite survenue depuis la fondation.
Concorrenza sleale, art. 48 CO.
L'indicazione della data di fondazione d'un'azienda commerciale ha uno scopo
pubblicitario e deve quindi essere vera.
L'esattezza d'un'indicazione dev'essere esaminata basandosi sul significato
che le attribuiscono gli interessati.
L'indicazione della data di fondazione è vera, quando l'azienda sussiste
ininterrottamente da quella data come unità commerciale.
I cambiamenti di ditta o di titolare sono in massima irrilevanti.
Portata del fallimento sopraggiunto dopo la fondazione.

A. ­ Der Beklagte Z. betreibt in X. ein «Gipser-, Maler- und
Isolationsgeschäft». Seine Spezialität ist die Verarbeitung von
Isolierplatten. In seinen Geschäftsdrucksachen findet sich nebst der Angabe
der Firma und dem Hinweis auf die erwähnte Spezialität der Vermerk «gegründet
1896».
Die Klägerin, die Firma Y. in X. befasst sich u. a. ebenfalls mit dem Einbau
von Isolierplatten. Mit ihrer Klage verlangte sie, «es sei dem Beklagten zu
verbieten, sich in seiner geschäftlichen Propaganda, sowie auf seinen

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Briefköpfen, als im Jahre 1896 gegründete Firma auszugeben».
Die Klage wurde von der kantonalen Instanz abgewiesen. Das Bundesgericht
bestätigte dieses Urteil.
Aus den Erwägungen:
1. ­ Die Angabe des Gründungsjahres ist die am meisten verbreitete Form der im
Geschäftsleben seit jeher üblichen Altersberühmung. Deren Zweck liegt auf der
Hand. Im geschäftlichen Wettbewerb kann auf die Dauer nur bestehen, wer sich
durch seine Leistung bewährt. Zudem sammeln sich bei langjähriger Ausübung des
gleichen Gewerbes Erfahrungen an, die sich ständig zu Gunsten der Güte der
Leistung auswerten lassen. Mit der Angabe des Alters soll daher mittelbar die
Leistungsfähigkeit eines Unternehmens dargetan sowie die Güte und Beliebtheit
seiner Ware angepriesen werden. Die Altersberühmung ist somit nicht ein bloss
beiläufig verwendeter Hinweis, sondern ein ausgesprochenes Mittel der Reklame,
dem grundsätzlich eine gewisse, wenn auch nicht zu überschätzende Wirkung auf
den Abnehmerkreis zugesprochen werden muss. In der Rechtsprechung und im
Schrifttum wird dies auch allgemein anerkannt (vgl. schon BGE 19, 256).
Die von der Klägerin angefochtene Angabe des Gründungsjahres durch den
Beklagten ist demnach an sich geeignet, die Klägerin, die am gleichen Ort wie
der Beklagte zum Teil dieselbe geschäftliche Tätigkeit ausübt, in ihrer
Kundschaft zu beeinträchtigen oder zu bedrohen.
2.­Die Klage kann indessen nur dann zugesprochen werden, wenn auch die weitere
Voraussetzung des Art. 48
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 48
OR erfüllt ist und der streitige Gründungshinweis
entsprechend der Behauptung der Klägerin eine unwahre Auskündung enthält. Dies
ist auf Grund des folgenden, von der Vorinstanz festgestellten Tatbestandes zu
entscheiden:
Im Jahre 1896 eröffnete der Vater des Beklagten in

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X. ein Gipser- und Malergeschäft, wobei er sich von Anfang an namentlich mit
Schilfbrettarbeiten zu Isolationszwecken befasste. Nach einigen Jahren war
Vater Z. für solche Arbeiten weit über den Platz X. hinaus bekannt. Als er im
Jahre 1910 starb, übernahm der Beklagte das Geschäft mit Aktiven und Passiven
und führte es unverändert weiter. Im Jahre 1914 fiel der Beklagte in Konkurs,
worauf seine Ehefrau das Geschäft als Ganzes übernahm und die Firma in «A.
Z... S...» abgeändert wurde. In Wirklichkeit betrieb aber der Beklagte das
Geschäft auch nach dem Konkurs wie vorher weiter und verkehrte mit Lieferanten
und Kunden als selbständiger Geschäftsmann. Die im Jahre 1938 ausgesprochene
Scheidung der Ehe Z.-S. war denn auch auf den Bestand und die Führung des
Geschäftes ohne Einfluss und hatte einzig zur Folge, dass der Beklagte in der
Firma den Frauennamen wegliess und fortan die seither in das Handelsregister
eingetragene Firma führte.
Gestützt auf diesen Sachverhalt bringt die Klägerin in erster Linie vor, der
streitige Gründungshinweis sei unwahr, weil er sich auf die Firma beziehe und
die gegenwärtige Firma erst seit 1938 geführt werde. Diese Ansicht kann die
Klägerin jedenfalls nicht schon belegen mit dem Hinweis auf eine Textreklame,
die der Beklagte nach Einreichung der Klage in einer Zeitung erscheinen liess
und worin es heisst, die «Firma» des Beklagten sei im Jahre 1896 gegründet
worden. Denn aus dem weitern Text jener Anzeige geht für jedermann klar
hervor, dass unter «Firma» nicht der Name des Geschäftes oder dessen Träger,
sondern ­ gemäss einem weit verbreiteten und selbst dem Gesetz nicht
unbekannten Sprachgebrauch ­ das Geschäft selbst verstanden ist (vgl. Art. 10
SR 221.411 Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV)
HRegV Art. 10 Ausnahmen - Nicht der Öffentlichkeit des Handelsregisters nach Artikel 936 OR unterstehen:
a  die AHV-Nummer12;
b  die mit der Eintragung zusammenhängende Korrespondenz;
c  Kopien von Ausweisdokumenten;
d  Kopien der Unterlagen nach Artikel 62.

HRegV und His, Note 6 ff. zu Art. 934
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 934 - 1 Weist eine Rechtseinheit keine Geschäftstätigkeit mehr auf und hat sie keine verwertbaren Aktiven mehr, so löscht das Handelsregisteramt sie aus dem Handelsregister.
1    Weist eine Rechtseinheit keine Geschäftstätigkeit mehr auf und hat sie keine verwertbaren Aktiven mehr, so löscht das Handelsregisteramt sie aus dem Handelsregister.
2    Das Handelsregisteramt fordert die Rechtseinheit auf, ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Eintrags mitzuteilen. Bleibt diese Aufforderung ergebnislos, so fordert es weitere Betroffene durch Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt auf, ein solches Interesse mitzuteilen. Bleibt auch diese Aufforderung ergebnislos, so wird die Rechtseinheit gelöscht.765
3    Machen weitere Betroffene ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Eintrags geltend, so überweist das Handelsregisteramt die Angelegenheit dem Gericht zum Entscheid.
OR). Der Behauptung, mit dem
Gründungshinweis in den Geschäftsdrucksachen sei die Firma gemeint, ist sodann
entgegenzuhalten, dass es bei der Prüfung der Frage, ob eine geschäftliche
Anpreisung wahr ist, einzig darauf ankommt, wie diese

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vom Personenkreis, an den sie sich richtet, verstanden wird. Mit Bezug auf die
Verkehrsmeinung muss also die Anpreisung zutreffen. Nun wird im angefochtenen
Gründungshinweis der Ausdruck «Firma» überhaupt nicht gebraucht. Zur irrigen
Annahme, der Beklagte führe die gegenwärtige Firma schon seit 1896, gäbe daher
der Hinweis nur dann Anlass, wenn derartige Gründungsangaben im Verkehr
gemeinhin auf die Führung der Firma, also auf den Namen des Geschäftes bezogen
würden und nicht auf das Geschäft als solches, das im Laufe der Zeit den
Inhaber und die Firma wechseln kann. Von einer solchen Verkehrsauffassung kann
aber ­ wie schon die Vorinstanz entschieden hat und wie das Bundesgericht aus
eigner Kognition feststellen kann (BGE 69 II 204 ff.)­nicht die Rede sein. Der
in Erw. 1 dargestellte Zweck der Altersberühmung führt vielmehr zwangsläufig
dazu, dass der Hinweis auf das Gründungsjahr nicht als Mitteilung eines
rechtlichen Sachverhaltes, sondern als Selbstberühmung über die geschäftlichen
Verhältnisse aufgefasst und demgemäss ohne weiteres mit dem Bestand des
Geschäftes als wirtschaftlicher Erscheinung in Verbindung gebracht wird. Denn
auf die Bewährung, langjährige Erfahrung und besondere Leistungsfähigkeit, die
mit der Altersberühmung dargetan werden sollen, sind die Abnehmer dann zu
schliessen geneigt, wenn ein Unternehmen während längerer Zeit als
wirtschaftliche Einheit bestanden hat und fortwährend betrieben wurde. Nach
dieser Richtung hin muss daher der Altershinweis wahr sein. Dagegen frägt der
Abnehmer nicht darnach, ob das Unternehmen während dieser Zeit stets dieselbe
Firma geführt habe und in der gleichen Rechtsform organisiert war. Die
Altersangabe weist im Gegenteil über solche, einem erheblichen Wechsel
unterworfene Verhältnisse formell-rechtlicher Art hinaus auf Umstände, die im
Betrieb des Unternehmens, also auf der wirtschaftlichen Seite liegen. In der
Regel sind dem Abnehmer selbst die im Unternehmen tätigen Personen

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gleichgültig, sofern wenigstens die Bewährung eines Unternehmens nicht eng an
die Person eines Inhabers und die ihm eigenen Fähigkeiten geknüpft ist.
... (Eine Ausnahme in diesem Sinne besteht im vorliegenden Fall nicht. Somit
kommt es für die Wahrheit der Auskündung einzig darauf an, ob in dem heute vom
Beklagten geführten Unternehmen vom angegebenen Gründungsjahr hinweg bis zur
Gegenwart eine ununterbrochene Betätigung auf den zur Zeit vom Beklagten
gepflegten Geschäftszweigen stattgefunden habe. Dieser wirtschaftliche
Zusammenhang ist nach den gegebenen Umständen zu bejahen, trotz des im Jahre
1914 eingetretenen Konkurses)...
Die Klägerin erhebt noch den allgemeinen Einwand, durch den Ausbruch des
Konkurses werde die in der Altersberühmung liegende Behauptung widerlegt, dass
sich ein Unternehmen wirtschaftlich und fachtechnisch habe halten können; kein
Geschäft dürfe sich daher auf einen über den Zeitpunkt der Konkurseröffnung
hinausgehenden Bestand berufen. Indessen ist die Bedeutung des Konkurses auch
in dieser Hinsicht, gleich wie für die Frage des wirtschaftlichen
Zusammenhanges, von Fall zu Fall zu untersuchen. Die Altersberühmung des
Beklagten könnte höchstens dann als unlauter angesehen werden, wenn der nach
der angegebenen Gründung eingetretene Konkurs die Folge ungenügender
geschäftlicher Leistungen gewesen wäre. Dafür bestehen aber keine
Anhaltspunkte.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 70 II 158
Datum : 01. Januar 1943
Publiziert : 27. Juni 1944
Quelle : Bundesgericht
Status : 70 II 158
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Unlauterer Wettbewerb, Art. 48 OR.Die Angabe des Gründungsjahres (Altersberühmung) dient der...


Gesetzesregister
HRegV: 10
SR 221.411 Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV)
HRegV Art. 10 Ausnahmen - Nicht der Öffentlichkeit des Handelsregisters nach Artikel 936 OR unterstehen:
a  die AHV-Nummer12;
b  die mit der Eintragung zusammenhängende Korrespondenz;
c  Kopien von Ausweisdokumenten;
d  Kopien der Unterlagen nach Artikel 62.
OR: 48 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 48
934
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 934 - 1 Weist eine Rechtseinheit keine Geschäftstätigkeit mehr auf und hat sie keine verwertbaren Aktiven mehr, so löscht das Handelsregisteramt sie aus dem Handelsregister.
1    Weist eine Rechtseinheit keine Geschäftstätigkeit mehr auf und hat sie keine verwertbaren Aktiven mehr, so löscht das Handelsregisteramt sie aus dem Handelsregister.
2    Das Handelsregisteramt fordert die Rechtseinheit auf, ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Eintrags mitzuteilen. Bleibt diese Aufforderung ergebnislos, so fordert es weitere Betroffene durch Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt auf, ein solches Interesse mitzuteilen. Bleibt auch diese Aufforderung ergebnislos, so wird die Rechtseinheit gelöscht.765
3    Machen weitere Betroffene ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Eintrags geltend, so überweist das Handelsregisteramt die Angelegenheit dem Gericht zum Entscheid.
BGE Register
69-II-202 • 70-II-158
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • unternehmung • sachverhalt • werbung • dauer • bundesgericht • wirtschaftliche einheit • vorinstanz • gipser • frage • vater • kundschaft • bilanz • entscheid • wirkung • überprüfungsbefugnis • angabe • berechtigter • sprachgebrauch • maler
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