S. 332 / Nr. 66 Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege (d)
BGE 70 I 332
66. Urteil vom 20. Oktober 1944 i. S. Knüsli gegen eidg. Departement des
Innern.
Regeste:
Kautionen:
1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist gegeben bei Entscheiden über
Kautionen, die zur Sicherstellung im öffentlichen Rechte begründeter Pflichten
auferlegt werden. Unerheblich ist, ob Art und Weise (Form) der
Kautionsleistung und deren Rechtswirkungen des nähern geordnet sind
(Praxisänderung).
2. Die Rückerstattung einer Kaution, die zur Sicherstellung der
Wiederaufforstung gerodeten Schutzwaldes auferlegt wurde, darf verweigert
werden, solange für die Rodung kein Ersatz durch Neuaufforstung geboten oder
ein solcher Ersatz von den zuständigen Behörden als unnötig erklärt worden
ist.
Cautionnements:
1. On peut attaquer par la voie du recours de droit administratif les
décisions touchant les cautionnements destinés à garantir l'exécution des
devoirs qui découlent du droit public. Peu importe que le mode de constitution
(forme) et les effets juridiques du cautionnement soient réglés en détail ou
non (changement de jurisprudence).
2. La restitution de la caution imposée pour garantir le reboisement d'une
forêt protectrice défrichée peut être refusé aussi longtemps que le défrichage
n'a pas été compensé par un reboisement ou que l'autorité compétente n'a pas
décidé qu'une telle compensation était superflue.
Cauzioni:
1. Il ricorso di diritto amministrativo è esperibile contro decisioni
concernenti le cauzioni destinate a garantire degli obblighi di diritto
pubblico. Poco importa che la forma e gli effetti giuridici della cauzione
siano o non siano particolareggiatamente regolati dal diritto pubblico
(modificazione di giurisprudenza).
2. La restituzione di una cauzione prestata a garanzia del rimboschimento di
una foresta protettrice disboscata può essere rifiutata fino a che il
rimboschimento non sia stato eseguito o non venga dichiarato superfluo da
parte dell'autorità competente.
A. - Am 2. Dezember 1931 erteilte das eidgenössische Oberforstinspektorat der
Aktiengesellschaft Steinbruch
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Seedorf auf ihr Gesuch hin die Bewilligung zur Rodung von rund 1 ha Buschwald
in dem von ihr gepachteten Steinbruch Bolzbach (Kanton Uri) unter der
Bedingung, dass als Garantie für die Wiederaufforstung der ausgebeuteten
Steinbruchfläche eine Kaution von Fr. 500.- bei der Kantonskasse Uri
hinterlegt werde. Die Verfügung wurde der Gesuchstellerin durch das
Kantonsforstamt eröffnet. Die Kaution ist geleistet worden.
Im Jahre 1938 hat die Steinbruch Seedorf A.-G. die Pacht aufgegeben. Die
Gesellschaft ist aufgelöst. Ingenieur Emil Knüsli, als ihr Rechtsnachfolger,
hat beim Regierungsrat des Kantons Uri wiederholt um Rückerstattung der
Kaution nachgesucht. Der Regierungsrat hat in einem ersten Entscheid vom 24.
Februar 1940 den damaligen Eigentümer des Steinbruches als kautionspflichtig
erklärt und verfügt, dass die von der Aktiengesellschaft Steinbruch Seedorf
geleistete Kaution herauszugeben sei, sobald der Eigentümer des Steinbruches
die ihm auferlegte Kaution geleistet habe. In einer weitern Verfügung, vom 20.
Februar 1943, lehnte er die Aushändigung der Hinterlage für so lange ab, als
dafür nicht Ersatz geleistet sei.
Das eidgenössische Departement des Innern hat eine hiegegen erhobene
Beschwerde am 5. Juli 1944 abgewiesen.
B. - Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird beantragt, den Entscheid des
Departements aufzuheben und den Regierungsrat des Kantons Uri, bezw. das
Kantonsforstamt Uri, anzuweisen, die s. Z. von der Steinbruch Seedorf A.-G.
geleistete Wiederaufforstungskaution von Fr. 500.- nebst den seither
aufgelaufenen Zinsen an den Beschwerdeführer herauszugeben, eventuell nach
vorgängiger Vollstreckung der Verfügung vom 24. Februar 1940, unter Kosten und
Entschädigungsfolge. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, die
Kautionspflicht der Steinbruch Seedorf A.-G. sei dahingefallen,
kautionspflichtig sei der Eigentümer des Steinbruches. Der Beschwerdeführer
dürfte nur dann als weiterhin kautionspflichtig erklärt werden, wenn man von
ihm auch die
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Wiederaufforstung verlangen könnte. Nun habe er aber keinerlei Beziehungen
mehr zum Steinbruch und zu dem gerodeten Land und sei daher nicht in der Lage
eine Wiederaufforstung durchzuführen, sofern sie überhaupt verlangt würde.
Übrigens wäre sie zur Zeit auch nicht möglich, da der Steinbruch immer noch
ausgebeutet werde. Nur der derzeitige Eigentümer wäre dazu imstande, weshalb
auch die Kautionspflicht nur ihn treffen könne. Die Kaution der Steinbruch
Seedorf A.-G. sei daher herauszugeben.
Übrigens bestehe noch der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Uri vom
24. Februar 1940 zu Recht, durch welchen die Kaution dem derzeitigen
Eigentümer auferlegt worden sei. Der Entscheid des Regierungsrates vom 20.
Februar 1943 setzte sich damit in Widerspruch und sei daher willkürlich.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
in Erwägung:
1.- Nach Art. 4, lit. b und Art. 6, Abs. 1 VDG ist die verwaltungsgerichtliche
Beschwerde zulässig gegen Entscheide der Bundesverwaltung über Ansprüche auf
Leistung oder Rückerstattung öffentlichrechtlicher Kautionen. Hier handelt es
sich um eine solche Kaution. Die Kaution ist der Aktiengesellschaft Seedorf
A.-G. auferlegt worden zur Sicherstellung der im öffentlichen Rechte, dem
Forstpolizeigesetze, begründeten Pflicht zur Wiederaufforstung gerodeten
Schutzwaldes (Art. 31, Abs. 3 Forst-polG). Allerdings hat das Bundesgericht in
einem früheren Entscheide (BGE 56 III S. 244) angenommen, eine Kaution sei nur
dann als «öffentlichrechtliche» im Sinne von Art. 4, lit. b und Art. 6, Abs. 1
VDG anzusehen, wenn das öffentliche Recht die Kautionspflicht statuiert und
zudem «des nähern die Art und Weise (Form) der Kautionsleistung und namentlich
deren Rechtswirkungen» ordnet. Indessen bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt
für eine solche Einschränkung. Es spricht von «öffentlichrechtlichen
Kautionen» schlechthin und weist damit auf den Rechtsgrund
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hin, dem die Kaution dient, nicht auf die Form, in der sie erfolgt. Die II.
Zivilabteilung des Bundesgerichtes hat sich im Meinungsaustausch mit dieser
Lösung einverstanden erklärt.
2.- Die Kaution ist der Aktiengesellschaft Steinbruch Seedorf auferlegt worden
gestützt auf Art. 31, Abs. 3 Forst-polG, wonach bei Schutzwald der Bundesrat
oder die von ihm mit dieser Aufgabe betrauten eidgenössischen Behörden darüber
zu entscheiden haben, ob und inwieweit für Verminderung des Waldareals Ersatz
durch Neuaufforstung zu bieten sei. Kautionspflichtig erklärt wurde die
Pächterin des Steinbruches, weil sie um die Bewilligung der Rodung eingekommen
war. Die Auflage beruht auf dem für polizeiliche Massnahmen allgemein
geltenden Grundsatze, dass die Pflicht zur Beseitigung eines polizeiwidrigen
Zustandes in erster Linie dessen Urheber treffe. Die Aktiengesellschaft hat
die Rodung vorgenommen und damit den Grund gesetzt, dem die Kaution dienen
soll. Dieser Grund ist aber damit nicht dahingefallen, dass die
Aktiengesellschaft die Pacht des Steinbruchs aufgegeben hat. Er bleibt
vielmehr bestehen, solange für die Rodung kein Ersatz durch Neuaufforstung
gebeten oder ein solcher Ersatz durch die zuständigen Behörden als unnötig
erklärt worden ist. Bis dahin darf auch die Rückgabe der Kaution verweigert
werden. Wenn der Beschwerdeführer daher sein Interesse an der Abklärung der
Frage weiterverfolgen will, ob die Kaution nach Aufgabe der Pacht frei wird,
so hat er zunächst einen Entscheid der zuständigen Behörde gemäss Art. 31,
Abs. 3 Forst-polG darüber zu erwirken, ob und in welcher Weise für die frühere
Rodung des Schutzwaldes Ersatz durch Neuaufforstung geleistet werden muss.
Dann wird sich ergeben, ob er als Rechtsnachfolger der aufgelösten
Steinbruchunternehmung, auch nach Aufgabe der Pacht, für die Wiederaufforstung
der gerodeten Fläche oder für eine allfällige Ersatzaufforstung aufzukommen
hat oder ob die Aufforstungspflicht, wenn sie besteht, einen Dritten trifft.
Dass der Regierungsrat des Kantons Uri mit seinem
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Entscheide vom 24. Februar 1940 versucht hat, den Eigentümer des Steinbruches
zur Leistung einer Kaution für die Wiederaufforstung des gerodeten Waldes zu
verhalten, ist unerheblich. Der Eigentümer hat die Kaution nicht geleistet.
Die Voraussetzung, unter der der Regierungsrat damals die Rückerstattung der
von der Pächterin geleisteten Kaution in Aussicht gestellt hatte, ist nicht
eingetroffen, weshalb sich auch der Regierungsrat mit diesem Entscheide nicht
in Widerspruch setzt, wenn er dem neuen Gesuch des Beschwerdeführers um
Rückgabe der Kaution nicht entsprochen hat. Ob der Regierungsrat überhaupt
zuständig gewesen wäre, von sich aus die Rückerstattung der Kaution
anzuordnen, ohne vorgängige Zustimmung der eidgenössischen Aufsichtsbehörde,
mag dahingestellt bleiben.
Vgl. Nr. 61, 62, 65. - Voir nos 61, 62, 65.