BGE 69 II 282
46. Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. November 1943 i. S. Rudolphi gegen
Secchi.
Regeste:
Vaterschaftsklage. Einrede des Mehrverkehrs.
Nur wo die Vaterschaft des Beklagten so unvergleichlich viel wahrscheinlicher
ist als die des Dritten, dass diese letztere praktisch ausser Betracht fällt,
vermag der nachgewiesene Drittverkehr die exceptio nicht zu begründen.
In casu: Schwangerschaftsdauer bei Zeugung durch den Dritten 284 Tage, bei
Zeugung durch den Beklagten 264-274 Tage: erstere ist für vollreifes Kind noch
ebenso normal wie letztere; daher Einrede begründet. (Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
Action en recherche de paternité. Exceptio plurium.
C'est dans le cas seulement où la probabilité de la paternité du défendeur
l'emporte sur celle de la paternité du tiers au point d'exclure pratiquement
cette dernière, que les rapports prouvés avec le tiers ne permettent pas
d'élever l'exception.
Dans l'espèce, durée de la grossesse en cas de paternité du tiers, 284 jours,
en cas de paternité du défendeur, 264 à 274 jours; la première paternité étant
aussi normale que la seconde s'agissant d'un nouveau-né complètement
développé, l'exception est fondée.
Azione di paternità, exceptio plurium.
Solo nel caso, in cui la paternità del convenuto appare così probabile
rispetto a quella del terzo da escludere praticamente quest'ultima, i rapporti
provati col terzo non permettono di sollevare l'eccezione.
Nel fattispecie: durata della gravidanza in caso di paternità del terzo 284
giorni; in caso di paternità del convenuto, 264-274 giorni, la prima paternità
essendo tanto normale quanto la seconda, poichè si tratta di un infante
completamente sviluppato, l'exceptio plurium è fondata.
A. - Mit Urteil vom 10. Juni 1943 hat das Bezirksgericht Oberlandquart die
Vaterschaftsklage der Lea Secchi und ihres am 17. Januar 1942 ausserehelich
geborenen Kindes gegen C. Rudolphi gutgeheissen und diesen zur Leistung einer
Entschädigung an die Mutter im
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Betrage von Fr. 350.- sowie monatlicher Unterhaltsbeiträge von Fr. 45.- bis
zum vollendeten 18. Altersjahre des Kindes verpflichtet.
Der Beklagte hat zugegeben, in der kritischen Zeit (23. März - 21. Juli 1941)
mit der Klägerin geschlechtlich verkehrt zu haben. Die Vorinstanz stellt, der
Darstellung der Klägerin folgend, fest, dass dies zweimal der Fall war,
nämlich ein Mal in der Zeit zwischen dem 17. und dem 27. April und ein zweites
Mal am 28. April 1941. Im Rahmen der vom Beklagten erhobenen Einreden aus Art.
314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 315 - 1 Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438 |
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1 | Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438 |
2 | Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält. |
3 | Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde. |
Klägerin am 8. April 1941 mit einem Dritten namens Spälti Geschlechtsverkehr
gehabt hat. Es erklärt den Verkehr mit den beiden Männern mit Rücksicht auf
das freundschaftliche Verhältnis der Klägerin zu Spälti und das Misslingen des
Beweises für die behaupteten weitern Beziehungen als nicht so schwerwiegend,
dass ihr Lebenswandel als unzüchtig zu bezeichnen wäre. Was die Würdigung des
festgestellten Drittverkehrs unter dem Gesichtspunkt der exceptio plurium
(Art. 314 Abs. 2) anbetrifft, führt die Vorinstanz aus, nach der
Rechtsprechung vermöge die Tatsache, dass ein Dritter in der Empfängniszeit
der Mutter beigewohnt habe, nicht ohne weiteres erhebliche Zweifel an der
Vaterschaft des Beklagten zu begründen. Innerhalb der gesetzlichen
Empfängniszeit fielen nicht alle Zeitpunkte mit der gleichen
Wahrscheinlichkeit als Konzeptionsdaten in concreto in Betracht. Es sei daher
festzustellen, welcher Geschlechtsverkehr mit der grössern Wahrscheinlichkeit
zur Schwängerung geführt habe. Der Verkehr mit dem Beklagten habe zwischen dem
274. und dem 264. bezw. am 264. Tage, derjenige mit Spälti am 284. Tage vor
der Geburt stattgefunden. Da über den Reifegrad des Kindes bei der Geburt
keine Feststellung vorliege, müsse mit einer normalen Tragzeit gerechnet
werden, die nach Dr. P. Hüssy 275 Tage post coitum betrage. Dies führe zum
Schlusse, dass eine Zeugung zwischen dem 264.
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und 274. Tage wahrscheinlicher sei als eine solche am 284. Tage vor der
Geburt, dies umso mehr, als bei Erstgebärenden die Schwangerschaftsdauer
erfahrungsgemäss eher etwas kürzer sei.
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B. - Mit der vorliegenden Berufung hält der Beklagte an den erhobenen Einreden
fest und beantragt Abweisung der Klage. Die Klägerschaft trägt auf Bestätigung
des Urteils an.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Mit ihrer Argumentation, wonach eine Zeugung durch den Dritten Spälti weniger
wahrscheinlich sei als durch den Beklagten, weshalb die Tatsache des Verkehrs
mit jenem als zweifelbegründende im Sinne des Art, 314 Abs. 2 ZGB wegfalle,
gibt die Vorinstanz dem in BGE 61 II 305 ausgesprochenen Gedanken (übrigens
ohne diesen Entscheid zu zitieren) eine zu allgemeine Anwendung. Das
Bundesgericht hat in einem neuern Urteil das Anwendungsgebiet dieser Ausnahme
von der Regel der exceptio plurium genauer abgegrenzt (BGE 68 II 150). Es
wurde dort ausgeführt:
«Es ist davon auszugehen, dass nach wie vor die Regel der Grundsatz bildet,
wonach ein Drittverkehr in der kritischen Zeit die exceptio begründet. Diese
Regel wird nicht schon dann durchbrochen, wenn nach den - immer noch
unvollkommen bekannten - biologischen Gesetzen die Vaterschaft des Beklagten
mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat als diejenige des Dritten, sondern nur in
den ausgesprochenen Ausnahmefällen, wo die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft
des letztern, verglichen mit der des Beklagten, so gering ist, dass die
Möglichkeit der Paternität des Dritten praktisch sogut wie ausgeschlossen
erscheint».
Es ist mithin nicht so, dass in jedem Falle, wo ausser dem Beklagten ein
Dritter in der kritischen Zeit mit der Klägerin verkehrt hat, in Ansehung
einerseits der
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festgestellten Beiwohnungsdaten und der sich hieraus ergebenden präsumtiven
Schwangerschaftsdauern, anderseits des Reifegrades des Kindes grundsätzlich
eine Rangfolge der Wahrscheinlichkeiten der beiden Zeugungen aufgestellt
werden müsste, so gering der Unterschied zwischen den beiden
Wahrscheinlichkeiten auch sein möge, und im Falle der geringern
Wahrscheinlichkeit der Zeugung durch den Dritten die Einrede zu verwerfen
wäre. Nur wo die Vaterschaft des Beklagten so unvergleichlich viel
wahrscheinlicher ist als die des Dritten, dass diese letztere praktisch ausser
Betracht fällt, vermag der nachgewiesene Drittverkehr die exceptio nicht zu
begründen.
Von einem solchen Unterschied in der Wahrscheinlichkeit kann im vorliegenden
Falle keine Rede sein. Die sich für Spälti ergebende Tragzeit von 284 Tagen,
also nur 9 Tage über dem von der Vorinstanz angenommenen Normalwert von 275
Tagen, ist für ein vollreifes Kind noch ebenso normal wie die um 1-11 Tage
unter diesem Mittel liegende im Falle des Beklagten (vgl. BGE 61 II 306 und 68
II 154, wo eine Schwangerschaftsdauer von 283 Tagen als normale bezeichnet
wurde). Unter diesen Umständen spricht die Schwangerschaftsdauer keineswegs so
eindeutig gegen die Möglichkeit einer Zeugung durch Spälti, dass diese sogut
wie ausgeschlossen erschiene.
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Die Einrede des Art. 314 Abs. 2 ist mithin begründet und geeignet, die
Vermutung der Vaterschaft des Beklagten zu Fall zu bringen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die
Klage abgewiesen.