S. 246 / Nr. 41 Obligationenrecht (d)

BGE 69 II 246

41. Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. Juni 1943 i. S.
Verwaltungsgesellschaft Affida und Brupbacher gegen
Schweizerisch-Amerikanische Elektrizitätsgesellschaft.

Regeste:
Aktienrecht.
Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen, Art. 706
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 706 - 1 Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
1    Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
2    Anfechtbar sind insbesondere Beschlüsse, die:
1  unter Verletzung von Gesetz oder Statuten Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
2  in unsachlicher Weise Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
3  eine durch den Gesellschaftszweck nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung oder Benachteiligung der Aktionäre bewirken;
4  die Gewinnstrebigkeit der Gesellschaft ohne Zustimmung sämtlicher Aktionäre aufheben.561
5    Das Urteil, das einen Beschluss der Generalversammlung aufhebt, wirkt für und gegen alle Aktionäre.
OR.
Anfechtbar ist auch die Verletzung eines ungeschriebenen Grundsatzes des
Aktienrechts, z. B. des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Aktionäre.
Dieser Grundsatz verbietet nicht jede unterschiedliche Behandlung schlechthin,
sondern nur eine solche, die nicht durch die Interessen der Gesamtheit der
Aktionäre gerechtfertigt wird, sondern unsachlich ist.
Zulässigkeit einer Statutenrevision, durch die die Aktionäre einer Kategorie,
die jahrelang keine Dividende erhalten hatten, auch an kleinen Gewinnen
beteiligt werden, dafür aber bei grösseren Gewinnen und grösseren
Liquidationsüberschüssen erheblich weniger erhalten würden als nach der
bisherigen Regelung.
Société anonyme.
Contestation de décisions de l'assemblée générale, art. 706 CO.
Est aussi attaquable la violation d'un principe non écrit, par exemple de
celui du traitement égal de tous les actionnaires.
Cette règle ne s'oppose pas à toute inégalité de traitement, mais seulement à
celle que ne justifient point les intérêts de l'ensemble des actionnaires et
qui n'est par conséquent pas fondée.
Admissibilité d'une revision statutaire assurant à une catégorie

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d'actionnaires privés depuis longtemps de dividendes une participation aussi à
de petits bénéfices mais réduisant sensiblement leurs parts à de gros
bénéfices ou excédents de liquidation.
Società anonima.
Contestazione di deliberazione dell'assemblea generale, art. 706 CO. Può
essere contestata anche la violazione d'un principio non scritto; p. es.,
quello della parità di trattamento di tutti gli azionisti.
Questo principio non vieta ogni ineguaglianza di trattamento, ma soltanto
quella che non si giustifica cogli interessi della totalità degli azionisti e
che è pertanto infondata.
Ammissibilità d'una revisione degli statuti che accorda ad una categoria di
azionisti, la quale da lungo tempo non ha ricevuto dividendi, una
partecipazione anche ad utili di poca entità, ma riduce sensibilmente le loro
quote in caso di maggiori utili o di eccedenze di liquidazione.

Aus dem Tatbestand:
Die Schweizerisch-Amerikanische Elektrizitätsgesellschaft (SAEG), die trotz
Jahresergebnissen von 1,5-2 Millionen Franken infolge von Bewertungsausfällen
auf ihren ausländischen Beteiligungen während Jahren den Prioritätsaktionären
nur selten, den Aktionären der Serien A und B nie eine Dividende hatte
ausschütten können, fasste 1942 einen Sanierungs- und
Statutenrevisionsbeschluss, durch den die Aktien der Serie A von Fr. 250.- auf
Fr. 100.- abgeschrieben und den Prioritätsaktien im Range gleichgestellt, und
die Aktien der Serie B, unter Zusammenlegung von zwei alten zu einer neuen
Aktie, von Fr. 1.- auf Fr. -.50 abgeschrieben wurden. Ferner wurde die
Dividendenberechtigung in der Weise geregelt, dass die Aktionäre der früheren
Serie A an jedem Reingewinn beteiligt sein sollten; dagegen sollten sie bei
Ausschüttung einer allfälligen Superdividende, sowie bei der Liquidation von
einer allfälligen Superliquidationsquote inskünftig gleichviel erhalten, wie
die B-Aktionäre, statt des Fünffachen wie bisher.
Zwei Inhaber von Aktien der Serie A fochten die Sanierungs- und
Statutenrevisionsbeschlüsse an. Das Handelsgericht Zürich wies ihre Klage ab.
Das Bundesgericht bestätigt dieses Urteil.

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Aus den Erwägungen:
1.- Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten
verstossen, können nach Art. 706
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 706 - 1 Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
1    Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
2    Anfechtbar sind insbesondere Beschlüsse, die:
1  unter Verletzung von Gesetz oder Statuten Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
2  in unsachlicher Weise Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
3  eine durch den Gesellschaftszweck nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung oder Benachteiligung der Aktionäre bewirken;
4  die Gewinnstrebigkeit der Gesellschaft ohne Zustimmung sämtlicher Aktionäre aufheben.561
5    Das Urteil, das einen Beschluss der Generalversammlung aufhebt, wirkt für und gegen alle Aktionäre.
OR binnen 2 Monaten von der Verwaltung und
jedem Aktionär beim Richter mit Klage gegen die Gesellschaft angefochten
werden.
Gegen das Gesetz verstösst ein Generalversammlungsbeschluss nicht nur dann,
wenn er eine bestimmte, vom Gesetz aufgestellte Vorschrift verletzt, sondern
auch dann, wenn ein ungeschriebener, allgemeiner Grundsatz des Aktienrechts
verletzt worden ist.
Die Kläger behaupten die Verletzung eines solchen Grundsatzes, nämlich des
Grundsatzes der gleichmässigen Behandlung aller Aktionäre. Das Bestehen eines
solchen Grundsatzes steht für das schweizerische Aktienrecht ausser Zweifel.
Das Gesetz enthält eine Reihe von Normen, die in Bezug auf bestimmte Fragen
die gleichmässige Behandlung der Aktionäre entweder ausdrücklich vorschreiben
oder sie zum Mindesten voraussetzen; so z. B. Art. 620 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 620 - 1 Die Aktiengesellschaft ist eine Kapitalgesellschaft, an der eine oder mehrere Personen oder Handelsgesellschaften beteiligt sind. Für ihre Verbindlichkeiten haftet nur das Gesellschaftsvermögen.
1    Die Aktiengesellschaft ist eine Kapitalgesellschaft, an der eine oder mehrere Personen oder Handelsgesellschaften beteiligt sind. Für ihre Verbindlichkeiten haftet nur das Gesellschaftsvermögen.
2    Die Aktionäre sind nur zu den statutarischen Leistungen verpflichtet.
3    Aktionär ist, wer mit mindestens einer Aktie an der Gesellschaft beteiligt ist.
OR in Verbindung
mit Art. 680 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 680 - 1 Der Aktionär kann auch durch die Statuten nicht verpflichtet werden, mehr zu leisten als den für den Bezug einer Aktie bei ihrer Ausgabe festgesetzten Betrag.
1    Der Aktionär kann auch durch die Statuten nicht verpflichtet werden, mehr zu leisten als den für den Bezug einer Aktie bei ihrer Ausgabe festgesetzten Betrag.
2    Ein Recht, den eingezahlten Betrag zurückzufordern, steht dem Aktionär nicht zu.
OR betreffend die Leistungspflicht, Art. 696
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 696
/97
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 97 - 1 Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.
1    Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.
2    Für die Vollstreckung gelten die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 11. April 188943 über Schuldbetreibung und Konkurs sowie der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 200844 (ZPO).45
OR
betreffend das Kontrollrecht, Art. 689
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 689 - 1 Der Aktionär übt seine Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft, wie Bestellung der Organe, Abnahme des Geschäftsberichtes und Beschlussfassung über die Gewinnverwendung, in der Generalversammlung aus.
1    Der Aktionär übt seine Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft, wie Bestellung der Organe, Abnahme des Geschäftsberichtes und Beschlussfassung über die Gewinnverwendung, in der Generalversammlung aus.
2    ...486
OR betreffend die Berechtigung zur
Teilnahme an der Generalversammlung, Art. 699 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 699 - 1 Die Generalversammlung wird durch den Verwaltungsrat, nötigenfalls durch die Revisionsstelle einberufen. Das Einberufungsrecht steht auch den Liquidatoren und den Vertretern der Anleihensgläubiger zu.
1    Die Generalversammlung wird durch den Verwaltungsrat, nötigenfalls durch die Revisionsstelle einberufen. Das Einberufungsrecht steht auch den Liquidatoren und den Vertretern der Anleihensgläubiger zu.
2    Die ordentliche Generalversammlung findet jährlich innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres statt.
3    Aktionäre können die Einberufung einer Generalversammlung verlangen, sofern sie zusammen mindestens über eine der folgenden Beteiligungen verfügen:
1  bei Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind: 5 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen;
2  bei anderen Gesellschaften: 10 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen.
4    Sie müssen die Einberufung schriftlich verlangen. Die Verhandlungsgegenstände und Anträge müssen im Begehren enthalten sein.
5    Entspricht der Verwaltungsrat dem Begehren nicht innert angemessener Frist, längstens aber innert 60 Tagen, so können die Gesuchsteller dem Gericht beantragen, die Einberufung anzuordnen.
OR betreffend das Recht,
die Einberufung der Generalversammlung zu verlangen, Art. 706
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 706 - 1 Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
1    Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
2    Anfechtbar sind insbesondere Beschlüsse, die:
1  unter Verletzung von Gesetz oder Statuten Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
2  in unsachlicher Weise Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
3  eine durch den Gesellschaftszweck nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung oder Benachteiligung der Aktionäre bewirken;
4  die Gewinnstrebigkeit der Gesellschaft ohne Zustimmung sämtlicher Aktionäre aufheben.561
5    Das Urteil, das einen Beschluss der Generalversammlung aufhebt, wirkt für und gegen alle Aktionäre.
OR betreffend
die Anfechtung gesetz- und statutenwidriger Beschlüsse. Darüber hinaus muss
aber ein allgemeines, wenn auch ungeschriebenes Prinzip der Gleichbehandlung
der Aktionäre anerkannt werden, das aus der Natur der A.-G. abzuleiten ist.
Denn auch die Handelsgesellschaften, die wie die A.-G. als juristische
Personen mit der Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind, bleiben in ihrem Kern
eben doch Gesellschaften, d. h. Gebilde, die auf einem Vertrag beruhen, durch
den die Gesellschafter, bei der A.-G. also die Aktionäre, zu einer
Zweckgemeinschaft zusammengeschlossen werden. Ein solcher Zusammenschluss ist
aber nur auf dem

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Boden der grundsätzlichen Gleichbehandlung der Beteiligten denkbar. In
Übereinstimmung mit der in der Literatur herrschenden Meinung ist deshalb
davon auszugehen, dass, gleich wie dem deutschen und dem französischen, auch
dem schweizerischen Aktienrecht das Gleichbehandlungsprinzip zu Grunde liegt
(vgl. SPIESS, Der Grundsatz der gleichmässigen Behandlung der Aktionäre, S. 52
ff.; SIEGWART, Kommentar zum Aktienrecht, Einleitung N. 235; WIELAND,
Handelsrecht II 198 f.; HUG, Zur Revision des schweizerischen Aktienrechts S.
39; für das deutsche Recht COHN, Der Grundsatz der gleichmässigen Behandlung
aller Mitglieder im Verbandsrecht, im Archiv für zivilistische Praxis 1930 S.
129 ff.; HUECK, Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von
Generalversammlungsbeschlüssen bei Aktiengesellschaften, S. 101 ff.; WEIPERT,
Grosskommentar zum deutschen Aktienrecht § 195 Anm. 19; für das französische
Recht CORDONNIER, De l'égalité entre actionnaires).
Ob dieses Gleichbehandlungsprinzip als allgemeiner Grundsatz des objektiven
Rechts aufzufassen ist oder ob es den einzelnen Aktionären ein subjektives
Recht verschafft, kann dahingestellt bleiben; denn im einen wie im andern Fall
ist die Möglichkeit der Anrufung des Art. 706
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 706 - 1 Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
1    Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
2    Anfechtbar sind insbesondere Beschlüsse, die:
1  unter Verletzung von Gesetz oder Statuten Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
2  in unsachlicher Weise Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
3  eine durch den Gesellschaftszweck nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung oder Benachteiligung der Aktionäre bewirken;
4  die Gewinnstrebigkeit der Gesellschaft ohne Zustimmung sämtlicher Aktionäre aufheben.561
5    Das Urteil, das einen Beschluss der Generalversammlung aufhebt, wirkt für und gegen alle Aktionäre.
OR gegeben. Im Verhältnis zum
wohlerworbenen Recht des Aktionärs, wie auch zum Rechtsgebot der guten Sitte,
erweist sich das Gleichbehandlungsprinzip als ein erweiterter Schutz. Wenn
daher in einem konkreten Falle eine Verletzung des Gleichbehandlungsprinzips
verneint wird, so braucht zu der Frage des Verstosses gegen die guten Sitten
und der Beeinträchtigung wohlerworbener Rechte nicht mehr Stellung genommen zu
werden. Dem Verbot des Rechtsmissbrauches (Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB) gegenüber sodann stellt
sich das aktienrechtliche Gleichbehandlungsprinzip als lex specialis dar, das
jenem in der Anwendung auf das Aktienrecht einen ganz bestimmten Inhalt gibt,
in dem Sinne, dass der Aktionär gegen jede unterschiedliche Behandlung, die
durch die Interessen der Gesellschaft

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sachlich nicht gerechtfertigt werden kann, geschützt ist. Damit erübrigt sich
jeweils auch eine besondere Prüfung unter dem Gesichtspunkt von Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB.
Inhaltlich darf der Grundsatz der Gleichbehandlung allerdings nicht etwa dahin
verstanden werden, dass er eine absolute Gleichbehandlung aller Aktionäre
gewährleisten wolle. Es genügt vielmehr, wenn die Organe der .A.-G. bei
Beschlüssen, welche die rechtlichen Beziehungen zwischen den Aktionären und
der Gesellschaft betreffen, alle Aktionäre soweit gleich behandeln, als nicht
Abweichungen im Interesse der Gesamtheit der Gesellschafter an der Verfolgung
des Gesellschaftszweckes unumgänglich notwendig sind; eine ungleichmässige
Behandlung der Aktionäre ist mit andern Worten dort, aber auch nur dort,
zulässig, wo sie ein angemessenes Mittel zu einem gerechtfertigten Zweck
darstellt, also nicht unsachlich ist. Dass die Besserstellung gewisser
Aktionäre überdies durch Mehrleistungen derselben aufgewogen werden müsse (so
SIEGWART, Kommentar zum Aktienrecht, Einleitung Nr. 235), ist dagegen nicht
unumgänglich notwendig. Eine solche Mehrleistung kann eine unterschiedliche
Behandlung z. B. hinsichtlich des Stimmrechts, der Dividende etc.
rechtfertigen, ist aber nicht der einzige Grund, der eine solche Bevorrechtung
mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung als vereinbar erscheinen lässt.
2.- Vor der Prüfung der Frage, ob im Lichte der vorstehenden Erörterungen die
von den Klägern beanstandeten Beschlüsse vor dem Grundsatz der
Gleichbehandlung der Aktionäre standhalten, ist noch zu untersuchen, welchen
Einfluss es hat, dass die angefochtenen Beschlüsse auch in Sonderversammlungen
der einzelnen Aktionärkategorien mehrheitlich gebilligt worden sind.
a) .....
b) Die Stellung der Aktionäre der Serie A wurde durch die Sanierungsbeschlüsse
vom 16. Juni 1942 im Verhältnis zur Stellung der B-Aktionäre insofern
verschlechtert, als infolge der Reduktion des Nennwertes ihrer Aktien von

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Fr. 250.- auf Fr. 100.- ihr Anteil am Reingewinn und am Liquidationsergebnis
verringert wurde, so dass schon bei einem kleineren Reingewinn, bezw.
Liquidationsergebnis, ein Teil an die B-Aktionäre fallen würde. Mit Rücksicht
auf diese Beeinträchtigung einer Vorzugsstellung bedurfte es gemäss Art. 654
Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 654 - 1 Die Generalversammlung kann nach Massgabe der Statuten oder auf dem Wege der Statutenänderung die Ausgabe von Vorzugsaktien beschliessen oder bisherige Aktien in Vorzugsaktien umwandeln.
1    Die Generalversammlung kann nach Massgabe der Statuten oder auf dem Wege der Statutenänderung die Ausgabe von Vorzugsaktien beschliessen oder bisherige Aktien in Vorzugsaktien umwandeln.
2    Hat eine Gesellschaft Vorzugsaktien ausgegeben, so können weitere Vorzugsaktien, denen Vorrechte gegenüber den bereits bestehenden Vorzugsaktien eingeräumt werden sollen, nur mit Zustimmung sowohl einer besonderen Versammlung der beeinträchtigten Vorzugsaktionäre als auch einer Generalversammlung sämtlicher Aktionäre ausgegeben werden. Eine abweichende Ordnung durch die Statuten bleibt vorbehalten.
3    Dasselbe gilt, wenn statutarische Vorrechte, die mit Vorzugsaktien verbunden sind, abgeändert oder aufgehoben werden sollen.
OR auch in diesem Punkte einer Sonderversammlung der A-Aktionäre.
Die Sonderversammlung der A-Aktionäre stimmte den Sanierungsvorschlägen, durch
die ihre Rechtsstellung verschlechtert wurde, mit 46509 gegen 6698 Stimmen zu.
Es fragt sich nun, ob. angesichts dieser Stellungnahme der Sonderversammlung
die Minderheit überhaupt noch die Möglichkeit habe, eine Verletzung des
Gleichbehandlungsprinzips geltend zu machen. Man könnte nämlich versucht sein
zu argumentieren, wenn das Gesetz schon eine Sonderversammlung von
Vorzugsaktionären vorsehe, und diese alsdann eine Verschlechterung ihrer
Vorzugsstellung billige, so sei dieser Beschluss für die ganze Kategorie
schlechthin verbindlich. Nach dem Willen des Gesetzgebers hatte jedoch die
Einführung einer Sonderabstimmung lediglich den Zweck, zu verhüten, dass ein
die Vorrechte einer bestimmten Aktionärkategorie beeinträchtigender Beschluss
gegen die Mehrheit der Angehörigen dieser Kategorie gefasst werden könne. Das
Recht der nicht zustimmenden Aktionäre, sich zu ihrem Schutz auf das
Gleichbehandlungsprinzip zu berufen, sollte durch die Zustimmung der
Sonderversammlung jedenfalls dem Grundsatze nach nicht ausgeschaltet sein. Das
geschriebene Recht sieht zwar eine gerichtliche Überprüfung der Beschlüsse der
Sonderversammlung nicht vor. Allein es muss wiederum als ein Satz des
ungeschriebenen Rechtes anerkannt werden, dass auch die durch die Mehrheit
einer Sonderversammlung gedeckte Verletzung des Prinzips der Gleichbehandlung
nicht unanfechtbar ist. Tatsächlich ist es denn auch an sich sehr wohl
denkbar, dass eine Neuordnung unsachlich ist, obwohl die Mehrheit der davon
Betroffenen sich mit ihr einverstanden erklärt. Immerhin

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bedarf es für die Aufhebung eines Beschlusses der Sonderversammlung, zumal
wenn Fragen der Angemessenheit im Vordergrund stehen, einer offenbaren
Unsachlichkeit. Eine solche darf, wenn sich die Mehrheit mit der
Beeinträchtigung ihrer Rechte abzufinden gewillt ist, nicht leichthin
angenommen werden...
Da die Anfechtung der Sonderbeschlussfassung sich auf die gleichen Gründe
stützt, die auch für die Anfechtung der Gesamtbeschlussfassung vorgebracht
werden, ist sie jedoch zusammen mit der letzteren zu behandeln.
Dies rechtfertigt sich um so mehr, als die einer Sonderbeschlussfassung
bedürftigen Fragen weniger weit reichen als die Gesamtneuordnung. Denn nach
der eigenen Darstellung der Kläger liegt die Verschlechterung der Stellung der
Aktionäre der alten Serie A nicht nur in einer Beeinträchtigung ihrer
Vorzugsrechte gegenüber den B-Aktionären, sondern greift darüber hinaus in
ihre allgemeine aktienrechtliche Stellung ein.
3.- .....
4.- Das Schwergewicht ihrer Beanstandungen legen die Kläger auf den Umstand,
dass die Aktien der alten Serie B nur um 50 % (nämlich von Fr. 1.- auf Fr.
-.50) diejenigen der alten Serie A dagegen um 60 % (nämlich von Fr. 250.- auf
Fr. 100.-) reduziert worden sind, was zur Folge hat, dass die
entschädigungslose Kapitalherabsetzung fast gänzlich zu Lasten der A-Aktionäre
geht, indem diese daran Fr. 12000000.- beizutragen haben gegenüber nur Fr.
346250.- der Aktionäre der alten Serie B.
Ob mit Rücksicht hierauf die Massnahme als unsachlich zu betrachten sei, lässt
sich nur beurteilen, wenn man die Sanierungsbestimmungen in ihrer Gesamtheit
ins Auge fasst und dabei insbesondere berücksichtigt, wie sich die Sanierung
auf das Stimmrecht, die Dividendenberechtigung und die Berechnung des
Liquidationsanteils auswirkt.
a) In Bezug auf das Stimmrecht ist folgendes zu bemerken:

Seite: 253
Vor der Sanierung hatten die Aktionäre der Serie A 80000 von insgesamt 842500
Stimmen, d. h. 9,5 % der gesamten Stimmkraft.
Durch die Sanierung erhielten sie 80000 Stimmen von insgesamt 752500. Die
ihnen zustehenden Stimmen machen lediglich 10,63 % der Gesamtstimmenzahl aus,
gegenüber den bisherigen 9,5 %. Ihre Stimmkraft verstärkte sich also nur in
einem praktisch nicht ins Gewicht fallenden Masse.
In dieser Neuordnung der Stimmkraft kann daher keinerlei Ersatz für die
Schlechterstellung erblickt werden, die die Aktien der alten Serie A durch die
Herabsetzung des Nominalwertes erfahren haben.
b) Weiter ist zu untersuchen, welche Auswirkungen die Sanierung in Bezug auf
die Dividendenberechtigung der einzelnen Aktienkategorien hat.
(Es folgen Ausführungen und Berechnungen darüber, dass bei einem zur
Verteilung gelangenden Gewinn von 1 Million Franken die Aktionäre der alten
Serie A besser gestellt sind als früher, bei höheren Gewinnen dagegen sich
ihre Stellung gegenüber der früheren Regelung um so mehr verschlechtert, je
grösser der Gewinn ist, während die Auswirkung auf die Stellung der bisherigen
Prioritätsaktionäre umgekehrt ist und für die Aktionäre der früheren Serie B
die Schlechterstellung erst bei einem Gewinn von 3 Millionen Franken beginnt
und prozentual viel geringer ist.)
Es ergibt sich somit, dass die Aktionäre der alten Serie A, die schon bei der
Kapitalherabsetzung das grösste Opfer haben bringen müssen, auch noch bei der
Dividendenverteilung erheblich schlechter wegkommen als die übrigen
Beteiligten.
c) Endlich ist noch zu prüfen, wie sich die durch die Sanierung geschaffene
Neuordnung in Bezug auf die Ansprüche der Aktionäre der alten Serie A am
Liquidationsergebnis auswirkt.
(Es folgen Ausführungen und Berechnungen darüber, dass bei einem
Liquidationsüberschuss bis zu 30 Millionen

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Franken die Stellung der Aktionäre der alten Serie A nach der neuen Regelung
günstiger ist, sich aber bei höheren Liquidationsüberschüssen in starkem Masse
verschlechtert, während die Stellung der früheren Prioritäts- und B-Aktionäre
sich von Liquidationsüberschüssen von 60 bezw. 40 Millionen Franken an
erheblich verbessert.)
Auch hinsichtlich der Beteiligung am Liquidationsüberschuss stellen sich also
die Aktionäre der alten Serie A im Durchschnitt bedeutend schlechter als vor
der Sanierung.
5.- Die Beklagte bestreitet, dass es zulässig sei, auch Dividenden und
Liquidationserlöse in Rechnung zu stellen, die höhere als die bisher erzielten
Gewinne voraussetzen; denn solche sind nach ihrer Ansicht in absehbarer Zeit
nach dem normalen Lauf der Dinge nicht zu erwarten. Die Mitberücksichtigung
von günstigen Liquidationsergebnissen hält sie deshalb für unstatthaft, weil
praktisch eine Liquidation nur dann in Frage komme, wenn die finanzielle Lage
der Gesellschaft dies gebieten wurde. Die Vorinstanz hat sich diesen
Auffassungen der Beklagten angeschlossen.
Dazu ist folgendes zu bemerken: Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die
Neuordnung im Falle einer Sanierung unter Berücksichtigung aller
Entwicklungsmöglichkeiten den einzelnen Aktionärkategorien eine angemessene
Stellung einräumen muss. An sich sind daher gute und schlechte Jahre in
Rechnung zu stellen, und es darf auch nicht etwa die Möglichkeit einer
Liquidation in einem Zeitpunkte, in dem sich ein hoher Liquidationsüberschuss
ergibt, von vorneherein ausgeschlossen werden. Im vorliegenden Falle kann
nicht in Abrede gestellt werden, dass die Aktionäre der alten Serie A nicht
nur bei der Kapitalherabsetzung am meisten belastet wurden, sondern dass sie
darüber hinaus auch noch hinsichtlich der Dividendenberechtigung und der
Beteiligung am Liquidationserlös bei besonders günstigen Abschlüssen absolut
und relativ schlechter dastehen, als dies früher der Fall war. Dieser
Schlechterstellung steht eine entsprechende Besserstellung der

Seite: 255
früheren Prioritätsaktionäre sowie der Aktionäre der früheren Kategorie B
gegenüber. Dass diese beabsichtigt war, und zwar als Entschädigung für
anderweitige aus der Sanierung sich ergebende Nachteile, kann nicht von der
Hand gewiesen werden. Die Behauptung der Beklagten, dass derart hohe Gewinne
und Liquidationsergebnisse nicht realisierbar seien und deshalb bloss
theoretische Bedeutung hätten, ist daher mit Vorsicht aufzunehmen. Wenn es
sich wirklich so verhielte, wie die Beklagte behauptet, so ist nicht recht
verständlich, warum dann nicht wenigstens die Superdividende und die
Superliquidationsquote für die Aktionäre der alten Serie A etwas günstiger
verlegt wurde und weshalb sich die Beklagte auch heute noch einer Korrektur zu
Gunsten der Kläger und ihrer Kategorie wenigstens nach dieser Richtung hin
widersetzt.
Eine Erörterung dieser Fragen erübrigt sich indessen, weil letzten Endes doch
die folgenden Überlegungen den Ausschlag geben:
Der Anstoss zu einer Sanierung der Beklagten ging u.a. gerade auch von
Aktionären der alten Serie A aus. Denn diese hatten seit dem Jahre 1931 keine
Dividende mehr bezogen. Die alten Prioritätsaktionäre waren allerdings auch
nicht viel besser weggekommen, da ihre Aktien abgesehen von einer Abfindung
bezw. Sanierungszahlung von Fr. 32.- im Jahre 1937 sowie Dividendenzahlungen
von je Fr. 25.- für die Geschäftsjahre 1937/38 und 1939/40, seit 1931
ebenfalls dividendenlos geblieben waren. Allein die alten Prioritätsaktionäre
hatten immerhin die Aussicht, in besseren Jahren von der sich auf drei Jahre
erstreckenden Dividendenkumulation zu profitieren, ganz abgesehen davon, dass
sie im Falle einer Dividendenausschüttung allein im ersten Rang standen. Die
Aussicht, in absehbarer Zeit - zunächst hätten aus den Erträgnissen noch die
Bewertungsausfälle getilgt werden müssen - doch noch eine Dividende zu
erhalten, war daher für sie immerhin nicht so schlecht, wie für die Inhaber
von Aktien der alten Serie A. Diese hatten anlässlich der Sanierung von

Seite: 256
1942 die Wahl zu treffen, ob sie die voraussichtlich noch Jahre dauernde
Dividendenlosigkeit ausschalten wollten durch die Zustimmung zu einer
Neuordnung, die zwar ihre Stellung im Ganzen genommen verschlechterte, ihnen
dafür aber im Rahmen einer nach menschlicher Voraussicht wahrscheinlichen
Entwicklung eine bescheidene, dafür aber um so sichere Dividenden- und
Liquidationserlös-Berechtigung verschaffte, oder ob sie in der Hoffnung auf
spätere grosse Gewinne ein weiteres Andauern der Dividendenlosigkeit in Kauf
nehmen wollten. Der Aktionär, der zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu
wählen hatte, befand sich in der Lage irgendeines Vertragsschliessenden der
ebenfalls Vor- und Nachteile der beabsichtigten Transaktion gegeneinander
abwägen, insbesondere aber auch gewisse Zukunftsaussichten mit in Rechnung
stellen muss. Die Entscheidung konnte je nach Temperament und sonstiger
Veranlagung, je nach der Beurteilung der zukünftigen Entwicklung, schliesslich
aber auch je nach dem momentanen Geldbedürfnis und vielen andern Faktoren mehr
in guten Treuen so oder anders getroffen werden.
Wenn nun in einem solchen Falle die grosse Mehrheit einer Aktienkategorie eine
bestimmte Lösung billigt, d.h. bestimmte Opfer auf sich nimmt, um eine
Neuregelung herbeizuführen, die sie nach den für sie massgebenden Richtungen
hin als günstig und daher den Vorzug verdienend ansieht, so wird der Richter,
wie schon früher in anderm Zusammenhang angetönt worden ist, nicht leichthin
annehmen dürfen, die Neuordnung sei unsachlich und verletze darum den
Grundsatz der Gleichbehandlung. Denn die Beteiligten sind selbst am besten in
der Lage, über die Angemessenheit einer Regelung zu entscheiden, und wenn sich
unter ihnen eine Mehrheit und eine Minderheit gegenüberstehen, so wird eine
billige Interessenabwägung regelmässig dazu führen, dass auf die Mehrheit
abgestellt wird. Dies nicht etwa deshalb, weil von der Vermutung auszugehen
wäre, dass die Mehrheit das Richtige wolle, wohl aber deshalb, weil es sich um
Berechtigungen handelt, die der

Seite: 257
freien Verfügungsgewalt des Rechtssubjekts unterliegen, und daher, wenn die
Mehrheit ihren Willen nicht durchsetzen darf, ein richterlicher Eingriff in
die Privatsphäre erfolgt, der in der Regel viel einschneidender ist, als im
umgekehrten Falle, d.h. wenn der Minderheit zugemutet wird, sich der Mehrheit
zu fügen. Es darf eben nicht ausser Acht gelassen werden, dass dem Anspruch
der Minderheit auf grundsätzlich gleiche Behandlung aller Aktionäre ein
Anspruch der Mehrheit der gleichen Aktienkategorie gegenübersteht,
Neuordnungen treffen zu helfen, die einen nach ihrer Auffassung
unbefriedigenden Zustand ersetzen sollen. Damit die Minderheit einer
Aktienkategorie gegen die Mehrheit derselben in Schutz genommen werden kann,
genügt daher nicht allein schon der Umstand, dass bei objektiver,
unparteiischer Abwägung aller Elemente der Richter die Überzeugung erhält, der
Standpunkt der Minderheit sei angemessener. Darüber hinaus muss vielmehr
erwiesen sein, dass die Mehrheit der Aktionäre der betreffenden Kategorie sich
von unsachlichen Motiven habe leiten lassen. Erst dann ist es für die
Minderheit unzumutbar, sich zu unterziehen...
Wie schon in anderm Zusammenhang erwähnt worden ist, sieht das Gesetz in Art.
654
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 654 - 1 Die Generalversammlung kann nach Massgabe der Statuten oder auf dem Wege der Statutenänderung die Ausgabe von Vorzugsaktien beschliessen oder bisherige Aktien in Vorzugsaktien umwandeln.
1    Die Generalversammlung kann nach Massgabe der Statuten oder auf dem Wege der Statutenänderung die Ausgabe von Vorzugsaktien beschliessen oder bisherige Aktien in Vorzugsaktien umwandeln.
2    Hat eine Gesellschaft Vorzugsaktien ausgegeben, so können weitere Vorzugsaktien, denen Vorrechte gegenüber den bereits bestehenden Vorzugsaktien eingeräumt werden sollen, nur mit Zustimmung sowohl einer besonderen Versammlung der beeinträchtigten Vorzugsaktionäre als auch einer Generalversammlung sämtlicher Aktionäre ausgegeben werden. Eine abweichende Ordnung durch die Statuten bleibt vorbehalten.
3    Dasselbe gilt, wenn statutarische Vorrechte, die mit Vorzugsaktien verbunden sind, abgeändert oder aufgehoben werden sollen.
OR Sonderabstimmungen nur dort vor, wo es sich um die Aufhebung oder
Beeinträchtigung von Vorzugsrechten, bezw. um die Ausgabe von neuen
Vorzugsaktien neben bereits bestehenden handelt. Im vorliegenden Falle sind
aber die Aktionäre der alten Serie A, um deren Rechtsstellung es heute geht,
nur im Verhältnis zu den Inhabern von Aktien der alten Serie B bevorrechtet.
Nach der Vorschrift des Gesetzes war daher auch nur in Bezug auf dieses
Verhältnis eine Sonderabstimmung erforderlich. In Wirklichkeit steht aber
überdies auch das Verhältnis zu den alten Prioritätsaktien in Frage. Da
natürlich der Sanierungsbeschluss nicht aufgespalten werden konnte, ist er von
der Sonderversammlung der Aktionäre der alten Kategorie A in globo genehmigt
worden, also mindestens implicite auch so weit, als

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er ihre Rechtsstellung im Verhältnis zu den bisherigen Prioritätsaktionären
betraf. Es fragt sich nun, ob dieser Umstand rechtlich von Bedeutung sei,
obwohl das Gesetz nach dieser Richtung hin keine Sonderabstimmung vorschreibt.
Die Frage ist dabei nicht etwa die, ob eine solche Sonderabstimmung in
analoger Anwendung von Art. 654
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 654 - 1 Die Generalversammlung kann nach Massgabe der Statuten oder auf dem Wege der Statutenänderung die Ausgabe von Vorzugsaktien beschliessen oder bisherige Aktien in Vorzugsaktien umwandeln.
1    Die Generalversammlung kann nach Massgabe der Statuten oder auf dem Wege der Statutenänderung die Ausgabe von Vorzugsaktien beschliessen oder bisherige Aktien in Vorzugsaktien umwandeln.
2    Hat eine Gesellschaft Vorzugsaktien ausgegeben, so können weitere Vorzugsaktien, denen Vorrechte gegenüber den bereits bestehenden Vorzugsaktien eingeräumt werden sollen, nur mit Zustimmung sowohl einer besonderen Versammlung der beeinträchtigten Vorzugsaktionäre als auch einer Generalversammlung sämtlicher Aktionäre ausgegeben werden. Eine abweichende Ordnung durch die Statuten bleibt vorbehalten.
3    Dasselbe gilt, wenn statutarische Vorrechte, die mit Vorzugsaktien verbunden sind, abgeändert oder aufgehoben werden sollen.
OR als notwendig erachtet werden müsse,
sondern zur Diskussion steht einzig, ob, wenn tatsächlich eine solche
Abstimmung stattgefunden hat, daraus gewisse Schlüsse gezogen werden dürfen.
Dies ist grundsätzlich ohne Bedenken zu bejahen, indessen wiederum nur in dem
Sinne, dass die Tatsache der mehrheitlichen Zustimmung dem Richter den Schluss
darauf nahelegt, dass die Neuordnung in Würdigung der konkreten Umstände für
die Beteiligten die richtige Lösung darstellt, vorbehältlich des Gegenbeweises
dafür, dass die Mehrheit sich von unsachlichen Motiven hat leiten lassen.
Im vorliegenden Falle könnte die getroffene Lösung daher höchstens dann als
unsachlich betrachtet werden, wenn von ihr zu sagen wäre, dass ein vernünftig
handelnder Mensch sie nicht gewählt hätte. Davon kann aber hier nicht die Rede
sein. Zwar muten, wie in anderm Zusammenhang angetönt worden ist, gewisse
Einzelheiten der Sanierungsbestimmungen etwas befremdend an. So leuchtet nicht
recht ein, warum den Aktionären der alten Serie A über das Opfer einer nicht
unerheblichen Herabsetzung des Aktiennennwertes hinaus bei höheren
Erträgnissen dann auch noch über 20 % der bisherigen Gewinnbeteiligung
entzogen wird. Ähnliches gilt in Bezug auf die Neuordnung der Verteilung des
Liquidationsüberschusses. Allein es war ausschliesslich Sache wirtschaftlicher
Abwägung, zu bestimmen, ob dieses Opfer nicht zu gross sei, um eine
Dividendenlosigkeit, die schon zehn Jahre gedauert hatte und voraussichtlich
noch längere Zeit weiter gedauert haben würde, endlich auszumerzen und so ein
ertragsfähiges Papier zu schaffen. Ein optimistisch eingestellter Mensch hätte
vielleicht auf eine bessere Zukunft

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spekuliert und das Opfer abgelehnt. Wer aber anders entschied, kann heute
nicht einer vernunftwidrigen Handlungsweise bezichtigt werden. Dies selbst
dann nicht, wenn tatsächlich, wie die Kläger dies behaupten, schon die
bisherige Entwicklung gezeigt haben sollte, dass man anlässlich der Sanierung
in Bezug auf die Zukunftaussichten zu schwarz sah. Entscheidend ist einzig, ob
im Lichte der Verhältnisse, wie sie sich 1942 darboten, vernunftgemässes
Handeln die beschlossene Sanierung auch vom Standpunkt der Aktionäre der alten
Serie A aus als annehmbare Lösung erscheinen lassen konnte, was in
Wirklichkeit eben zutrifft.
6.- Ist somit der Grundsatz der aktienrechtlichen Gleichbehandlung nicht
verletzt, so muss die Klage ohne weiteres abgewiesen werden.
Vgl. auch Nr. 43. - Voir aussi No 43.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 69 II 246
Date : 01. Januar 1942
Published : 28. Juni 1943
Source : Bundesgericht
Status : 69 II 246
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Aktienrecht.Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen, Art. 706 OR.Anfechtbar ist auch die...


Legislation register
OR: 97  620  654  680  689  696  699  706
ZGB: 2
BGE-register
69-II-246
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