S. 148 / Nr. 34 Jagd und Vogelschutz (d)

BGE 68 IV 148

34. Urteil des Kassationshofes vom 10. September 1942 i. S. Generalprokurator
des Kantons Bern gegen Wahli.

Regeste:
1. Art. 270 Abs. 1 BStrP. Der öffentliche Ankläger ist zur
Nichtigkeitsbeschwerde ohne Rücksicht auf seine Stellungnahme vor der
kantonalen Instanz legitimiert.

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2. Art. 57 Ziff. 4 BG über Jagd und Vogelschutz vom 10. Juni 1925.
Jagdpolizeibeamter im Sinne dieser Bestimmung ist, wem Funktionen der
Jagdpolizei öffentlich übertragen sind, gleichgültig, ob er besoldet sei oder
nicht.
1. Art. 270 al. 1 PPF. L'accusateur public a qualité pour se pourvoir en
nullité quel que fût son attitude devant la juridiction cantonale.
2. Art. 57 ch. 4 LF du 10 juin 1925 sur la chasse et la protection des
oiseaux. Est un «agent de la police de la chasse» aux termes de cet article
celui auquel l'autorité a confié des fonctions de ladite police, qu'il touche
ou non un traitement.
1. Art. 270 cp. 1 PPF. Il pubblico accusatore ha veste per ricorrere in
cassazione, indipendentemente dal suo atteggiamento davanti alla giurisdizione
cantonale.
2. Art. 67 cifra 4 della legge federale 10 giugno 1926 sulla caccia e la
protezione dogli uccelli. E' un «agente di polizia della caccia» ai sensi di
questa disposizione colui, al quale l'autorità ha affidato funzioni di questa
polizia, nulla importando s'egli sia stipendiato o no.

A. ­ Am 16. September 1940 erlegte Rudolf Wahli vom offenen Jagdgebiet aus
eine angeschossene Gemse, welche in das Banngebiet Wallritzen geflohen war.
Wegen Widerhandlung gegen das Jagdgesetz angeklagt, wurde er vom
erstinstanzlichen Richter schuldig befunden und zu einer Busse von Fr. 320.-
verurteilt. Auf Appellation hin erklärte durch Entscheid vom 13. Mai 1942 die
Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern die Verfolgung als verjährt,
denn das Jagen im Bannbezirk sei lediglich mit Busse bedroht, sei also eine
Übertretung, die gemäss Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 72 - Das Gericht verfügt die Einziehung aller Vermögenswerte, welche der Verfügungsmacht einer kriminellen oder terroristischen Organisation unterliegen. Bei Vermögenswerten einer Person, die sich an einer solchen Organisation beteiligt oder sie unterstützt hat (Art. 260ter), wird die Verfügungsmacht der Organisation bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.
und Art. 109
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 109 - Die Strafverfolgung und die Strafe verjähren in drei Jahren.
StGB verjähre. Die
Verjährungsbestimmungen des neuen Rechts kämen auf die vor 1942 begangene Tat
gemäss Art. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
StGB zur Anwendung.
B. ­ Gegen dieses Urteil hat der Generalprokurator des Kantons Bern
rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht ergriffen. Er macht
geltend, dass nicht Art. 42, sondern Art. 57 Ziff. 4 des Jagdgesetzes
anwendbar sei, der auf die in Frage stehende Widerhandlung nicht lediglich
Busse, sondern neben oder an Stelle derselben Gefängnis bis zu vier Monaten
androhe. Wahli habe nämlich als Jagdpolizeibeamter zu gelten, da er
freiwilliger Jagdaufseher sei. Nach Art. 22 des bernischen Gesetzes

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vom 30. Januar 1921 über Jagd und Vogelschutz könnten patentierte Jäger,
welche von den kantonalen bernischen Jagdschutzvereinen als geeignet empfohlen
werden, von der Forstdirektion als freiwillige Jagdaufseher bezeichnet werden.
Sie seien in dieser Eigenschaft vom zuständigen Regierungsstatthalter zu
beeidigen. Die beeidigten Jagdaufseher stünden nach Art. 23 des bernischen
Jagdgesetzes in der Verfolgung von Widerhandlungen gegen die Vorschriften der
eidgenössischen und kantonalen Gesetzgebung über Jagd und Vogelschutz in den
nämlichen Pflichten und Rechten wie die untern Beamten der gerichtlichen
Polizei. Darunter seien die untern Organe der gerichtlichen Polizei im Sinne
von Art. 66 StrV verstanden, der sogar die beeidigten Wald-, Feld-, Jagd- und
Fischereiaufseher von Privatleuten als solche aufführe; umso mehr fielen
darunter die von der Forstdirektion ernannten und beeidigten Jagdaufseher.
Auch in § 60 der kantonalen Jagdverordnung vom 17. Oktober 1941 würden die
Jagdaufseher als Organe der Jagdpolizei aufgeführt. Da nach der Strafdrohung
des Art. 67 des BG über Jagd und Vogelschutz Widerhandlung gegen diese
Bestimmung Vergehen sei, würde die Strafverfolgung nach StGB in 7 1/2 Jahren
verjähren, wenn es überhaupt anwendbar wäre, was indessen nicht der Fall sei,
da die Verjährung nach dem alten Gesetz (Art. 53 Jagdgesetz in Verbindung mit
Art. 34 lit. c BStrR) in drei Jahren eintrete, das alte Recht also günstiger
sei. Aber auch diese dreijährige Frist laufe noch.
Der Generalprokurator beantragt Aufhebung des Entscheids und Rückweisung der
Sache zur einlässlichen Beurteilung an die kantonale Instanz.
Der Beschwerdegegner beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, denn
der angefochtene Entscheid über die Verjährung entspreche dem eigenen Antrag
der Staatsanwaltschaft vor der kantonalen Instanz. Bei Eintreten sei die
Beschwerde abzuweisen, denn Art. 57 Ziff. 4 des Jagdgesetzes treffe nicht zu.
Jagdpolizeibeamter sei nur der Beamte im engeren Sinne, andernfalls hätte das

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Gesetz sicherlich den Ausdruck Jagdpolizeiorgane gebraucht. Eine
unterschiedliche Behandlung der eigentlichen Beamten einerseits und der
blossen Hülfsorgane anderseits rechtfertige sich schon deshalb, weil der
Beamte besoldet sei und überhaupt in viel engerem Verhältnis zum Staate stehe
als das blosse Hülfsorgan, das seine Funktion unentgeltlich und nur
gelegentlich ausübe. Ob freiwillige Jagdaufseher als solche beeidigt würden
oder nicht, sei gleichgültig. Die Beeidigung an sich mache niemanden zum
Beamten. Übrigens müsste der Beschwerdegegner auch bei Anwendung von Art. 57
des Jagdgesetzes freigesprochen werden, da er aus zureichenden Gründen
angenommen habe, er sei berechtigt, dem waidwunden Tier den Fangschuss zu
geben.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Der öffentliche Ankläger ist zur Nichtigkeitsbeschwerde ohne Rücksicht
auf seine Stellungnahme vor der kantonalen Instanz legitimiert. Da der
Strafrichter von den Anträgen der Parteien unabhängig ist, diese lediglich
Anregungen zur Rechtsanwendung an den Richter darstellen, ist auch die Partei
selbst an diese Anträge in anderer Instanz nicht gebunden und wird sie von der
Anfechtung des Entscheides dadurch nicht ausgeschlossen, dass er ihren
Anträgen entspricht. Das ist allgemein anerkannt (vgl. GARRAUD, Traité
d'instruction criminelle 5 133, 400; LOEWE, Komm. DStrV 1 832).
2. ­ Die Widerhandlung gegen das Jagdgesetz untersteht der strengern Strafe
des Art. 57 unter anderem, wenn sie von einem Jagdpolizeibeamten begangen
werden (Ziffer 4). Jagdpolizeibeamter im Sinne dieser Bestimmung ist, wem
Funktionen der Jagdpolizei öffentlich übertragen sind. Der öffentliche Auftrag
und die Verpflichtung des Beauftragten auf denselben ist charakteristisch für
die Beamtung; die Besoldung berührt das Wesen der Beamtung nicht, sie ist
lediglich ein zwar regelmässiges, aber kein notwendiges Attribut, was schon in
der geläufigen

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Benennung «ehrenamtliche Funktion» zum Ausdruck kommt. Das kann gerade im
vorliegenden Verhältnis nicht bezweifelt werden. Die Widerhandlung gegen
Vorschriften ausgerechnet von Seiten eines Täters, der zu ihrem Hüter bestellt
ist, wirkt als Missbrauch des in ihn gesetzten besonderen Vertrauens
erschwerend und heischt strengere Ahndung. Darin liegt der natürliche, sich
aufdrängende Grund der qualifizierten Strafbestimmung des Art. 57, der nicht
darnach zu fragen erlaubt, ob die Hüterpflicht freiwillig und ohne Besoldung
oder nur gegen Besoldung übernommen worden. Der bernische freiwillige
Jagdaufseher ist Beamter in diesem Sinne. Denn er steht nach Art. 23 des
bernischen Jagdgesetzes in der Verfolgung von Widerhandlungen gegen die
Vorschriften der eidgenössischen und kantonalen Gesetzgebung über Jagd und
Vogelschutz in den nämlichen Pflichten und Rechten wie die untern Organe der
gerichtlichen Polizei, d. h. wie die Kantonspolizisten, und er wird denn auch
wie diese auf seine Pflichterfüllung gegenüber dem Staate beeidigt.
Die eingeklagte Widerhandlung ist mithin nicht als Übertretung im Sinne des
Art. 42
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
, sondern als Vergehen im Sinne des Art. 57
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 57 - 1 Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
1    Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
2    Der Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59-61 geht einer zugleich ausgesprochenen sowie einer durch Widerruf oder Rückversetzung vollziehbaren Freiheitsstrafe voraus. Ebenso geht die Rückversetzung in eine Massnahme nach Artikel 62a einer zugleich ausgesprochenen Gesamtstrafe voraus.
3    Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug ist auf die Strafe anzurechnen.
des Jagdgesetzes zu prüfen,
als das sie nicht verjährt ist. Denn Art. 337
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 57 - 1 Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
1    Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
2    Der Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59-61 geht einer zugleich ausgesprochenen sowie einer durch Widerruf oder Rückversetzung vollziehbaren Freiheitsstrafe voraus. Ebenso geht die Rückversetzung in eine Massnahme nach Artikel 62a einer zugleich ausgesprochenen Gesamtstrafe voraus.
3    Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug ist auf die Strafe anzurechnen.
StGB ergibt für sie keine
kürzere Verjährungsfrist als die in Art. 53 Jagdgesetz in Verbindung mit Art.
34 BStrR gesetzte von drei Jahren, welche im vorliegenden Falle noch läuft.
Zur Vornahme dieser Prüfung ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der II. Strafkammer
des Obergerichts des Kantons Bern vom 13. Mai 1942 aufgehoben und die Sache zu
neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 68 IV 148
Date : 31. Dezember 1942
Published : 10. September 1942
Source : Bundesgericht
Status : 68 IV 148
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : 1. Art. 270 Abs. 1 BStrP. Der öffentliche Ankläger ist zur Nichtigkeitsbeschwerde ohne Rücksicht...


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