S. 191 / Nr. 43 Personenrecht (d)

BGE 67 II 191

43. Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Dezember 1941 i.S. Segesser (von
Brunegg) gegen Segesser.


Seite: 191
Regeste:
Namensänderung, bewilligt von der Regierung des Heimatkantons, aber
angefochten durch eine Person, die sich als verletzt erklärt (Art. 30
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 30 - 1 Die Regierung des Wohnsitzkantons kann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen.46
1    Die Regierung des Wohnsitzkantons kann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen.46
2    ...47
3    Wer durch Namensänderung verletzt wird, kann sie binnen Jahresfrist, nachdem er von ihr Kenntnis erlangt hat, gerichtlich anfechten.
ZGB).
1. Freie Abwägung der entgegengesetzten Interessen durch den Richter.
2. Adlige Namen: Unter Namensschutz steht auch der schlichte Familienname ohne
Adelszusatz, wenn er häufig so verwendet wird.
Changement de nom autorisé par le gouvernement du canton d'origine, mais
attaqué par une personne se disant lésée. (art. 30 CC.)
1. Libre appréciation des intérêts opposés par le juge.
2. Noms de personnes nobles: La protection du nom s'étend aussi au simple nom
de famille sans adjonction nobiliaire, s'il est souvent employé ainsi.
Cambiamento del nome concesso dal governo del cantone d'origine, ma impugnato
da una persona che si pretende lesa (art. 30 CC).
1. Il giudice apprezza liberamente gl'interessi contrastanti.
2. Nomi di persone nobili: la protezione del nome si estende anche al semplice
nome di famiglia senz'aggiunta nobiliare, se è sovente adoperato così.

Friedrich Sägesser von Bannwil, Kanton Bern, Kaufmann in Luzern, suchte beim
Regierungsrat des Kantons Bern die Änderung seines Namens in Max Friedrich
Segesser nach. Dem Gesuch wurde am 20. Juni 1939 entsprochen und der Beschluss
veröffentlicht. Binnen der Frist des Art. 30 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 30 - 1 Die Regierung des Wohnsitzkantons kann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen.46
1    Die Regierung des Wohnsitzkantons kann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen.46
2    ...47
3    Wer durch Namensänderung verletzt wird, kann sie binnen Jahresfrist, nachdem er von ihr Kenntnis erlangt hat, gerichtlich anfechten.
ZGB focht Hans Segesser,
berechtigt in Luzern, unterstützt durch den ebenfalls von Luzern stammenden
Rudolf Segesser als Intervenienten, diese Namensänderung, soweit den
Familiennamen betreffend, gerichtlich an. Der Appellationshof des Kantons Bern
wies die Klage am 10. Juni 1941 ab, aus

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folgenden Gründen: Wohl sei die Familie des Klägers in Luzern und auch in der
übrigen Schweiz wegen der Verdienste seiner Vorfahren sehr angesehen. Dem
Beklagten müsste verwehrt werden, den Familiennamen des Klägers zu führen und
sich damit den Anschein der Zugehörigkeit zur nämlichen Familie zu geben,
falls er dazu nicht besonders wichtige Gründe habe, was zu bezweifeln sei. Nun
laute aber der Familienname des Klägers (und des Intervenienten) nicht bloss
Segesser, sondern Segesser von Brunegg, und von diesem adligen Namen
unterscheide sich der vom Beklagten angenommene bürgerliche Name Segesser
hinlänglich. Die Angehörigen jener alten Luzerner Familie seien verpflichtet,
ihren vollständigen Namen «Segesser von Brunegg» oder mindestens die bisweilen
gebrauchte Abkürzung «von Segesser» zu führen. Der einfache Name Segesser
könnte schon deshalb nicht geschützt werden, weil es ausserhalb der Familie,
welcher der Kläger entstammt, noch zahlreiche Personen dieses Namens gebe,
denen die Führung des Namens ohnehin nicht untersagt werden könnte, auch wenn
sie sich in Luzern niederliessen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers und des
Intervenienten an das Bundesgericht.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Gegenüber der nach Art. 30 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 30 - 1 Die Regierung des Wohnsitzkantons kann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen.46
1    Die Regierung des Wohnsitzkantons kann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen.46
2    ...47
3    Wer durch Namensänderung verletzt wird, kann sie binnen Jahresfrist, nachdem er von ihr Kenntnis erlangt hat, gerichtlich anfechten.
ZGB durch den Regierungsrat des
Heimatkantons bewilligten Namensänderung bleibt die gerichtliche Anfechtung
durch einen Verletzten nach Abs. 3 daselbst vorbehalten. Der Richter hat die
sich widersprechenden Interessen der Beteiligten abzuwägen und zu prüfen, ob
die Gründe zur Annahme des neuen Namens wichtig genug sind (BGE 52 II 103).
Der Beklagte meint, solche Prüfung verstosse gegen die Verfügungsgewalt der
Verwaltungsbehörde; jedenfalls sei, entsprechend den Ausführungen von Guhl zur
erwähnten Entscheidung (Zeitschrift des bernischen Juristenvereins 63, 433),
eine Anfechtungsklage nach Art. 30 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 30 - 1 Die Regierung des Wohnsitzkantons kann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen.46
1    Die Regierung des Wohnsitzkantons kann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen.46
2    ...47
3    Wer durch Namensänderung verletzt wird, kann sie binnen Jahresfrist, nachdem er von ihr Kenntnis erlangt hat, gerichtlich anfechten.
ZGB

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nur dann zu schützen, wenn die Interessen des Anfechtungsklägers ganz
beträchtlich mehr Schutz verdienen als diejenigen des neuen Namensträgers. Die
gesetzliche Ordnung beruht indessen auf dem Grundsatz, dass jedermann den ihm
von Rechts wegen zukommenden Namen behalten soll, er hätte denn wichtige
Gründe zur Annahme eines andern Namens. Die Anfechtungsklage ist jedem
Verletzten zuerkannt. Natürlich fällt nur eine Verletzung in Betracht, die als
rechtserheblich zu gelten verdient, wie denn der Namensschutz nur in den
Schranken schutzwürdiger Interessen angerufen werden kann (BGE 66 II 261).
Unter diesem Gesichtspunkt hat der Richter ­ wie bereits in der erwähnten
Entscheidung dargelegt ­ eine Interessenabwägung vorzunehmen und die
Namensänderung trotz erheblicher Verletzung der Interessen des Klägers
bestehen zu lassen, wenn die Gründe des Beklagten für die Annahme dieses
Namens als schutzwürdiger erscheinen. Wie es sich damit verhält, ist Sache der
Abwägung im Einzelfalle. Der Richter hat sie nach eigenem Ermessen
vorzunehmen; denn ihm steht die Entscheidung darüber zu, ob die Namensänderung
erhebliche Interessen des Klägers verletze; somit muss er auch darüber zu
befinden haben, ob allenfalls trotz solcher Verletzung die Klage mit Rücksicht
auf wichtigere Gegengründe des Beklagten abgewiesen werden müsse. An dieser
Entscheidungsbefugnis und Entscheidungspflicht des Richters ändert es nichts,
dass die Verwaltungsbehörde bereits auch die Möglichkeit einer Verletzung
anderer Personen erwogen hat. Dem Beklagten wurde übrigens nach den
vorliegenden Akten die Namensänderung bewilligt, ohne dass die Interessen der
bekannten Luzerner Familie Segesser, welcher der Kläger und der Intervenient
angehören, berücksichtigt worden wären.
Der Kläger hat nun ein offensichtliches und erhebliches Interesse, dem
Beklagten ­ der in Luzern wohnt, sich dort auch in der Öffentlichkeit betätigt
und bereits in den Grossen Stadtrat hat wählen lassen ­ die Annahme

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des Familiennamens Segesser zu verwehren, dessen Führung nicht näher
Unterrichtete dazu verleiten möchte, den Beklagten für einen Angehörigen der
Luzerner Familie Segesser zu halten, welcher der Kläger und der Intervenient
entstammen. Der Appellationshof glaubt dem Kläger das Anfechtungsrecht deshalb
versagen zu sollen, weil die vollständige Benennung dieser Familie nicht bloss
Segesser, sondern Segesser von Brunegg lautet. Es steht jedoch in der Schweiz
nach eingewurzeltem Gewohnheitsrecht den Angehörigen adliger Familien frei,
beim Gebrauch ihres Familiennamens im schriftlichen wie im mündlichen Verkehr
das Adelsprädikat wegzulassen, ausgenommen besondere Umstände, unter denen
etwa die Abstammung angegeben werden muss. Nun gebrauchen tatsächlich, wie die
Klägerschaft nachweist, Angehörige der Familie Segesser von Brunegg häufig den
Familiennamen ohne Adelsbezeichnung, auch in amtlichen Urkunden, wie zum
Beispiel ein dieser Familie entstammter Staatsschreiber die Erlasse und ein
anderer Familiengenosse als Präsident des eidgenössischen
Versicherungsgerichtes dessen Geschäftsbericht mit dem einfachen Namen
Segesser unterzeichnet haben. Der bekannteste Vertreter dieses Geschlechtes im
19. Jahrhundert, Philipp Anton Segesser, wird gleichfalls oft ohne
Adelsbezeichnung genannt. Es verschlägt nichts, dass diese nicht durchwegs
ausser Gebrauch gekommen ist und, wie der Name selbst, als Namenszusatz in den
Namensschutz einzubeziehen ist. Das rechtserhebliche Interesse, auch der
Annahme des blossen Namens Segesser durch den Beklagten entgegenzutreten,
ergibt sich genügend daraus, dass Angehörige der Familie des Klägers oft mit
dem schlichten Familiennamen ohne Zusatz auftreten, so dass, wer sich in
Luzern Segesser schreibt, gewöhnlich für einen Angehörigen dieser Familie
gehalten wird. Dass der Name Segesser in Stadt und Kanton Luzern noch
zahlreichen andern Einwohnern zukomme, hat der Beklagte nicht zu beweisen
vermocht; die von ihm angeführten

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Personen haben sich gegenteils als Angehörige des Geschlechtes Segesser von
Brunegg erwiesen.
Gegenüber dem Anfechtungsinteresse des Klägers erscheint das Interesse des
Beklagten an der Aufrechterhaltung der Namensänderung geringfügig.
Veranlassung dazu gab ihm lediglich die im Laufe der Zeit in Gebrauch
gekommene, eben der Schreibweise des Luzerner Namens Segesser entsprechende
Misschreibung seines angestammten Namens Sägesser. Er zog es vor, selbst zu
der andern Schreibweise überzugehen, was jedoch vor den dadurch verletzten
Interessen des Klägers nicht standhält.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen und die Zuweisung des Namens Segesser an den
Beklagten aufgehoben.
Das Zivilstandsamt der Gemeinde Bannwil, Kanton Bern, und der
Bürgerregisterführer von Bannwil werden angewiesen, die auf Grund des
Beschlusses des Regierungsrates des Kantons Bern vom 20. Juni 1939
eingetragene Änderung des Familiennamens Sägesser in Segesser zu löschen.
Der Beklagte wird verpflichtet, den Namen Segesser in seinen Ausweisschriften
durch den zutreffenden Namen Sägesser ersetzen zu lassen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 67 II 191
Date : 31. Dezember 1941
Published : 10. Dezember 1941
Source : Bundesgericht
Status : 67 II 191
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Namensänderung, bewilligt von der Regierung des Heimatkantons, aber angefochten durch eine Person...


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52-II-103 • 66-II-261 • 67-II-191
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