S. 245 / Nr. 35 Registersachen (d)

BGE 67 I 245

35. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Juni 1941 i. S. Ast
gegen Dr. Coppetti und Justizdirektion des Kantons Zürich.


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Regeste:
Handelsregister. Sind bei Auflösung einer Kollektivgesellschaft u. Übernahme
des Geschäftes durch einen der Gesellschafter die Beteiligten uneinig darüber,
in welchem Zeitpunkt Aktiven und Passiven übergehen, so ist der Eintragung
vorgängig eine richterliche Entscheidung über die Streitfrage herbeizuführen.
Registre du commerce. Dissolution d'une société en nom collectif avec reprise
de l'affaire par l'un des associés. Lorsque les intéressés ne peuvent
s'accorder sur le moment auquel le transfert de l'actif et du passif a lieu,
la question doit être soumise au juge avant que l'inscription puisse être
requise.
Registro di commercio: Scioglimento di una società in nome collettivo e
assunzione dell'azienda da parte di uno dei soci. Se gli interessati non
possono mettersi d'accordo sul momento in cui avviene il trasferimento
dell'attivo e del passivo, la questione dev'essere sottoposta al giudice prima
che l'iscrizione possa essere chiesta.

A. - Dr. Emil Coppetti und Jakob Ast bildeten zusammen die im Handelsregister
eingetragene Kollektivgesellschaft Coppetti & Cie, Börsenagentur für Waren in
Zürich. Durch Urteil vom 25. November 1940 löste das Bundesgericht die
Gesellschaft aus wichtigen Gründen mit Wirkung auf den 30. April 1940 auf und
erklärte Ast berechtigt, das Geschäft unter Zugrundelegung des Bilanzwertes zu
übernehmen und fortzusetzen. Ast machte von dem ihm eingeräumten Rechte durch
Erklärung vom 29. November 1940 Gebrauch. Eine Einigung über die Abfindung von
Dr. Coppetti ist bis jetzt nicht zustandegekommen.
In getrennten Eingaben meldeten beide Parteien beim Handelsregister die
Auflösung der Gesellschaft zur Eintragung an, Dr. Coppetti mit dem Zusatz,
dass die

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Liquidation von den wie bis anhin kollektiv zeichnungsberechtigten
Gesellschaftern durchgeführt werde, Ast mit dem Zusatz, dass die Firma nach
Übernahme der Aktiven und Passiven durch seine neue Einzelfirma erloschen sei.
Gleichzeitig verlangte Ast die Eintragung seiner neuen Firma mit der
Feststellung, dass diese Aktiven und Passiven der bisherigen
Kollektivgesellschaft übernehme.
Da jeder Gesellschafter sich weigerte, die Anmeldung des andern hinsichtlich
der Gesellschaft mitzuunterzeichnen, forderte das Handelsregisteramt am 15.
Januar 1941 auf, die Auflösung der Gesellschaft mit folgendem Zusatz
anzumelden: «Das Geschäft wird vom Gesellschafter Jakob Ast unter der
Einzelfirma Jakob Ast in Zürich fortgesetzt.»
Ebenso wies das Amt die Anmeldung über die neue Einzelfirma Ast zurück mit der
Begründung, dass nach SIEGWART, Kommentar, N. 1 zu Art. 580
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 580 - 1 Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
1    Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
2    Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine Bestimmung und können sich die Beteiligten nicht einigen, so setzt das Gericht den Betrag in Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens und eines allfälligen Verschuldens des ausscheidenden Gesellschafters fest.
und N. 28 zu Art.
545
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 545 - 1 Die Gesellschaft wird aufgelöst:
1    Die Gesellschaft wird aufgelöst:
1  wenn der Zweck, zu welchem sie abgeschlossen wurde, erreicht oder wenn dessen Erreichung unmöglich geworden ist;
2  wenn ein Gesellschafter stirbt und für diesen Fall nicht schon vorher vereinbart worden ist, dass die Gesellschaft mit den Erben fortbestehen soll;
3  wenn der Liquidationsanteil eines Gesellschafters zur Zwangsverwertung gelangt oder ein Gesellschafter in Konkurs fällt oder unter umfassende Beistandschaft gestellt wird;
4  durch gegenseitige Übereinkunft;
5  durch Ablauf der Zeit, auf deren Dauer die Gesellschaft eingegangen worden ist;
6  durch Kündigung von seiten eines Gesellschafters, wenn eine solche im Gesellschaftsvertrage vorbehalten oder wenn die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer oder auf Lebenszeit eines Gesellschafters eingegangen worden ist;
7  durch Urteil des Gerichts282 im Falle der Auflösung aus einem wichtigen Grund.
2    Aus wichtigen Gründen kann die Auflösung der Gesellschaft vor Ablauf der Vertragsdauer oder, wenn sie auf unbestimmte Dauer abgeschlossen worden ist, ohne vorherige Aufkündigung verlangt werden.
/ 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR, die Gesellschaft bis zur effektiven Abfindung des ausscheidenden
Teilhabers Trägerin des Geschäftsvermögens bleibe; demgemäss könne lediglich
eingetragen werden, dass die Firma Ast das Geschäft der aufgelösten
Kollektivgesellschaft Coppetti & Cie fortsetze. In diesem Sinne wurde Ast zu
einer neuen Anmeldung aufgefordert.
Sowohl Ast wie Dr. Coppetti lehnten es ab, der Aufforderung des Amtes Folge zu
leisten.
B. - Durch Entscheid vom 26. März 1941 schützte die kantonale Aufsichtsbehörde
den Standpunkt des Handelsregisteramtes u. verpflichtete die beiden
Gesellschafter, die verlangten Anmeldungen einzureichen.
C. - Gegen diesen Entscheid erhob Ast verwaltungsgerichtliche Beschwerde beim
Bundesgericht.
Die Beschwerde wird abgewiesen, aus folgenden Gründen:
(3.-) Dem Beschwerdestreit liegt die materiellrechtliche Frage zu Grunde, wann
bei Auflösung einer

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Kollektivgesellschaft und Übernahme des Geschäftes durch einen der
Gesellschafter Aktiven und Passiven an diesen übergehen. Diese Frage sucht der
Beschwerdeführer auf dem Wege über das Handelsregister und die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu seinen Gunsten entscheiden zu lassen, in dem
Sinne, dass Aktiven und Passiven bereits mit der Auflösung der Gesellschaft an
ihn übergegangen seien. Der Zeitpunkt, auf welchen sich der Übergang
vollzieht, ist jedoch in Lehre und Praxis umstritten. Nach der einen
Auffassung bleibt die Gesellschaft bis zur effektiven Abfindung des
ausscheidenden Gesellschafters Trägerin des Geschäftsvermögens (so WIELAND,
Handelsrecht I S. 724/ 25, und SIEGWART, Kommentar, Nr. 28 zu Art. 580),
während nach der andern Ansicht der ausscheidende Gesellschafter nur einen
obligatorischen Abfindungsanspruch erhält, Aktiven und Passiven also ohne
weiteres an den verbleibenden Gesellschafter übergehen (so einzelne
Gerichtsurteile, abgedruckt in der SJZ, VII S. 214, Nr. 64, und in der
Schweiz. Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht, 9 S. 161 und 10 S.
92, ferner FLACHSMANN, Die Auswirkung von Vorgängen bei der Gesellschaft auf
die Vermögensverschiebung und deren grundbuchliche Behandlung, Zürcher Diss.,
S. 51). Bei dieser Unsicherheit über die materielle Rechtslage kann keine Rede
davon sein, dass im Handelsregister auf einseitiges Begehren einer Partei und
gegen den Widerspruch der andern eine Eintragung in diesem oder jenem Sinne
vorzunehmen sei. Die Parteien haben vielmehr die Streitfrage auf dem Wege des
Zivilprozesses durch den ordentlichen Richter entscheiden zu lassen, und erst
auf dessen Urteilsspruch hin werden dann sowohl bei der Kollektivgesellschaft
wie bei der neuen Einzelfirma entsprechende Eintragungen möglich sein.
Man hätte sich fragen können, ob nicht bezüglich der neuen Einzelfirma, der
gegenüber der Beschwerdebeklagte Dr. Coppetti als Dritter erscheint, gemäss
Art. 32 Abs. 2
SR 221.411 Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV)
HRegV Art. 32 Prüfung und Genehmigung durch das EHRA - 1 Das EHRA prüft die Einträge und genehmigt sie, sofern sie die Voraussetzungen des Gesetzes und der Verordnung erfüllen. Es teilt seine Genehmigung dem kantonalen Handelsregisteramt elektronisch mit.
1    Das EHRA prüft die Einträge und genehmigt sie, sofern sie die Voraussetzungen des Gesetzes und der Verordnung erfüllen. Es teilt seine Genehmigung dem kantonalen Handelsregisteramt elektronisch mit.
2    Eine Einsichtnahme in die Anmeldung und in die Belege erfolgt nur ausnahmsweise, soweit dafür ein besonderer Anlass besteht.
3    Die Prüfungspflicht des EHRA entspricht derjenigen des Handelsregisteramts.
4    Das EHRA übermittelt die genehmigten Einträge elektronisch dem Schweizerischen Handelsamtsblatt.
HRegV vorzugehen, dem Einsprechenden also eine

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Frist anzusetzen sei, um eine provisorische richterliche Verfügung zu
erwirken. Wie sich aus den vom Beschwerdebeklagten eingereichten Akten ergibt,
hat aber der Beschwerdeführer beim Handelsgericht des Kantons Zürich bereits
Klage erhoben mit dem Begehren, sich als Rechtsnachfolger, eventuell als
Übernehmer der Firma Coppetti & Cie bezeichnen zu dürfen, weil Aktiven und
Passiven der Gesellschaft auf ihn übergegangen seien. Damit ist die erwähnte
Streitfrage beim Richter anhängig gemacht, sodass sich eine Fristansetzung an
den Beschwerdebeklagten erübrigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 67 I 245
Datum : 31. Dezember 1941
Publiziert : 17. Juni 1941
Quelle : Bundesgericht
Status : 67 I 245
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Handelsregister. Sind bei Auflösung einer Kollektivgesellschaft u. Übernahme des Geschäftes durch...


Gesetzesregister
HRegV: 32
SR 221.411 Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV)
HRegV Art. 32 Prüfung und Genehmigung durch das EHRA - 1 Das EHRA prüft die Einträge und genehmigt sie, sofern sie die Voraussetzungen des Gesetzes und der Verordnung erfüllen. Es teilt seine Genehmigung dem kantonalen Handelsregisteramt elektronisch mit.
1    Das EHRA prüft die Einträge und genehmigt sie, sofern sie die Voraussetzungen des Gesetzes und der Verordnung erfüllen. Es teilt seine Genehmigung dem kantonalen Handelsregisteramt elektronisch mit.
2    Eine Einsichtnahme in die Anmeldung und in die Belege erfolgt nur ausnahmsweise, soweit dafür ein besonderer Anlass besteht.
3    Die Prüfungspflicht des EHRA entspricht derjenigen des Handelsregisteramts.
4    Das EHRA übermittelt die genehmigten Einträge elektronisch dem Schweizerischen Handelsamtsblatt.
OR: 47 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
545 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 545 - 1 Die Gesellschaft wird aufgelöst:
1    Die Gesellschaft wird aufgelöst:
1  wenn der Zweck, zu welchem sie abgeschlossen wurde, erreicht oder wenn dessen Erreichung unmöglich geworden ist;
2  wenn ein Gesellschafter stirbt und für diesen Fall nicht schon vorher vereinbart worden ist, dass die Gesellschaft mit den Erben fortbestehen soll;
3  wenn der Liquidationsanteil eines Gesellschafters zur Zwangsverwertung gelangt oder ein Gesellschafter in Konkurs fällt oder unter umfassende Beistandschaft gestellt wird;
4  durch gegenseitige Übereinkunft;
5  durch Ablauf der Zeit, auf deren Dauer die Gesellschaft eingegangen worden ist;
6  durch Kündigung von seiten eines Gesellschafters, wenn eine solche im Gesellschaftsvertrage vorbehalten oder wenn die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer oder auf Lebenszeit eines Gesellschafters eingegangen worden ist;
7  durch Urteil des Gerichts282 im Falle der Auflösung aus einem wichtigen Grund.
2    Aus wichtigen Gründen kann die Auflösung der Gesellschaft vor Ablauf der Vertragsdauer oder, wenn sie auf unbestimmte Dauer abgeschlossen worden ist, ohne vorherige Aufkündigung verlangt werden.
580
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 580 - 1 Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
1    Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
2    Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine Bestimmung und können sich die Beteiligten nicht einigen, so setzt das Gericht den Betrag in Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens und eines allfälligen Verschuldens des ausscheidenden Gesellschafters fest.
BGE Register
67-I-245
Stichwortregister
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kollektivgesellschaft • einzelfirma • auflösung der gesellschaft • frage • entscheid • bundesgericht • bilanz • einsprache • verwaltungsgerichtsbeschwerde • kantonales rechtsmittel • unternehmung • gesuch an eine behörde • liquidation • grundbuch • wiese • zivilprozess • weiler • frist • sucht • rechtslage
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