S. 77 / Nr. 18 Familienrecht (d)

BGE 66 II 77

18. Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Juli 1940 i. S. T. gegen Gemeinderat
Hedingen.

Regeste:
Anfechtung der Kindesanerkennung (Art. 306
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 306 - 1 Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
1    Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
2    Sind die Eltern am Handeln verhindert oder haben sie in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber.408
3    Bei Interessenkollision entfallen von Gesetzes wegen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit.409
ZGB). Für den Nachweis, dass der
Anerkennende nicht der Vater des Kindes ist, gelten die gewöhnlichen
Beweisregeln; von Bundesrechts wegen steht nichts entgegen, dass hiefür auf
die Blutprobe (Gruppen A-B oder Faktoren M-N) abgestellt werde.
Contestation de la reconnaissance d'un enfant (art. 306 CC). La preuve que
l'auteur de la reconnaissance n'est pas le père de l'enfant se rapporte selon
les règles ordinaires; le droit fédéral ne s'oppose pas à la preuve par la
recherche de la formule sanguine (groupes A B ou facteurs M N).
Contestazione del riconoscimento di un infante (art. 306 CC).
La prova che l'autore del riconoscimento non è il padre dell'infante è fatta
secondo le norme ordinarie; il diritto federale non si oppone alla prova
mediante la ricerca dei gruppi sanguigni (gruppi A B o fattori M N).

A. - Am 2. April 1938 gebar die 37jährige, geistesschwache, seit Jahren bei
den Eheleuten M. in Oberkulm als Dienstmagd angestellte Luise L. ausserehelich
einen Knaben, als dessen Vater sie den 1934 im Alter von 16 Jahren auf dem
gleichen Hofe als Knecht eingetretenen Samuel T. angab. Dieser gab zu, mit der
L. einmal, im September 1934, geschlechtlich verkehrt zu haben, bestritt aber
weitere Beziehungen, abgesehen von unzüchtigen Betastungen, Trotzdem hat T.
unter dem Einfluss der Meistersleute und des Vormundes der L., am 18. November

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1938 vor dem Zivilstandsbeamten seines nunmehrigen Wohnsitzes Illnau das Kind
anerkannt. Auf die Mitteilung hievon focht der Gemeinderat seiner
Heimatgemeinde Hedingen die Anerkennung gemäss Art. 306
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 306 - 1 Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
1    Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
2    Sind die Eltern am Handeln verhindert oder haben sie in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber.408
3    Bei Interessenkollision entfallen von Gesetzes wegen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit.409
ZGB durch Klage gegen
das Kind, den Anerkennenden und die Kindsmutter an mit der Behauptung, dass T.
nicht der Vater sei.
B. - Sowohl das Bezirksgericht Affoltern als das Obergericht des Kantons
Zürich haben die Klage gutgeheissen und die Kindesanerkennung ungültig
erklärt. Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung des Kindes
und der Mutter mit dem Antrag auf Abweisung der Klage.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. . . . . . . .
2.- Hinsichtlich des Nachweises, «dass der Anerkennende nicht der Vater oder
der Grossvater des Kindes ist» (Art. 306
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 306 - 1 Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
1    Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
2    Sind die Eltern am Handeln verhindert oder haben sie in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber.408
3    Bei Interessenkollision entfallen von Gesetzes wegen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit.409
ZGB), ist der Vorinstanz darin
beizupflichten, dass die scharfen Grenzen, die der Gesetzgeber der Anfechtung
der Ehelichkeit des wenigstens 180 Tage nach Abschluss der Ehe geborenen
Kindes (Art. 254
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 254
ZGB) gezogen hat, der Klage aus Art. 306 nicht
entgegenstehen. Wird dort der strikte Beweis der absoluten Unmöglichkeit der
Vaterschaft des Anfechtenden verlangt, so genügt hier zur Anfechtung der
Nachweis schlechthin, dass der Anerkennende nicht der Vater des Kindes ist.
Für diesen Nachweis gelten von Bundesrechts wegen die gewöhnlichen
Beweisregeln. Nach der im Kanton Zürich geltenden freien Beweiswürdigung ist
der Nachweis erbracht, wenn sich der Richter vom Vorhandensein der hierfür
schlüssigen Umstände überzeugt erklärt, wobei allerdings blosse Zugeständnisse
der Parteien nicht genügen (BGE 51 II 8 f.).
Das Obergericht lässt dahingestellt, ob die von der ersten Instanz dafür, dass
T. nach dem Herbst 1934, insbesondere in der kritischen Zeit, mit der
Kindesmutter

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nicht mehr geschlechtlich verkehrt habe, als schlüssig erachteten Indizien zu
dieser Annahme genügen. Die Vorinstanz stellt vorwiegend auf das Ergebnis der
vom gerichtlich-medizinischen Institut der Universität Zürich an Mutter, Kind
und dem Anerkennenden durchgeführten Blutuntersuchung ab, die das Resultat
ergab, dass zwar nach den klassischen Blutgruppen A-B die Vaterschaft des
letztern nicht ausgeschlossen werden kann, wohl aber nach den Blutfaktoren M,
N und MN, welche Blutprobe nach dem heutigen Stande der Wissenschaft
hinsichtlich Zuverlässigkeit derjenigen nach den klassischen Blutgruppen sehr
nahe komme, d.h. praktisch wie diese so gut wie absolute Sicherheit biete.
Die Zulässigkeit der Blutprobe nach den Faktoren M-N ist vom Bundesgericht für
den Vaterschaftsprozess zur Begründung erheblicher Zweifel bereits wiederholt
bejaht worden (BGE 65 II 124 ff). Gegen die Anwendung der Blutprobe, handle es
sich nun um diejenige nach den Gruppen A-B oder diejenige nach den Faktoren
M-N, auch zum Beweise gemäss Art. 306
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 306 - 1 Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
1    Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
2    Sind die Eltern am Handeln verhindert oder haben sie in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber.408
3    Bei Interessenkollision entfallen von Gesetzes wegen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit.409
ZGB, für welchen, wie ausgeführt, die
gewöhnlichen Beweisregeln gelten, ist von Bundesrechts wegen nichts
einzuwenden. Wenn die kantonalen Richter auf Grund des Ergebnisses des
ärztlichen Gutachtens, das den in BGE 61 II 72 ff aufgestellten Anforderungen
entspricht, sich als überzeugt erklärt haben, dass T. nicht der Vater des
Kindes sei, so liegt darin keinerlei Rechtsverletzung.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 6. April 1940 bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 66 II 77
Datum : 01. Januar 1940
Publiziert : 10. Juli 1940
Quelle : Bundesgericht
Status : 66 II 77
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Anfechtung der Kindesanerkennung (Art. 306 ZGB). Für den Nachweis, dass der Anerkennende nicht der...


Gesetzesregister
ZGB: 254 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 254
306
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 306 - 1 Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
1    Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
2    Sind die Eltern am Handeln verhindert oder haben sie in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber.408
3    Bei Interessenkollision entfallen von Gesetzes wegen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit.409
BGE Register
51-II-6 • 61-II-72 • 65-II-124 • 66-II-77
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
vater • blutprobe • bundesgericht • gemeinderat • vorinstanz • mutter • geschlecht • begründung des entscheids • angabe • vormund • zweifel • ehe • erste instanz • tag • norm • rechtsverletzung