S. 77 / Nr. 13 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 66 I 77

13. Urteil vom 24. April 1940 i. S. B. gegen Bern, Rekurskommission.

Regeste:
Krisenabgabe: Das Einkommen aus der Nutzung eigener Liegenschaften zu
Wohnzwecken wird bemessen nach dem Mietwert.
Contribution fédérale de crise: Le revenu que représente, pour le
contribuable, la jouissance de son propre immeuble (habitation) s'estime selon
la valeur locative.
Contribuzione federale di crisi: Il reddito che rappresenta pel contribuente
il godimento del suo stabile (casa di abitazione) è stabilito in base al
valore locativo.


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A. ­ Bei der Einschätzung des Rekurrenten für die III. Periode der eidg.
Krisenabgabe wurde der Mietwert der Wohnung im eigenen Hause auf 5% der rohen
Grundsteuerschatzung von Fr. 131230.­ bemessen, also mit Fr. 6561.­ in die
Einkommensberechnung eingesetzt. In einem Rekurs an die kantonale
Rekurskommission hat der Rekurrent die Herabsetzung des Mietwertes auf Fr.
4000.­ verlangt, womit der Ertrag, der aus einer Vermietung der Villa
allenfalls erzielt werden könnte, auf jeden Fall überschritten sei. Der Rekurs
wurde abgewiesen mit der Begründung, der mögliche Mietertrag komme nur in
Frage bei Mehrfamilienhäusern, die von vornherein zur Vermietung vorgesehen
gewesen seien. Hier handle es sich aber um eine Villa, die der Rekurrent nach
seinen persönlichen Wünschen habe erstellen und einrichten lassen. Eine
Vermietung an Dritte sei nicht vorgesehen worden und dürfte bei solchen
Objekten überhaupt kaum in Betracht fallen, da Personen, die sich den Luxus
einer solchen Wohnung leisten könnten, ein eigenes Haus der Mietwohnung
vorziehen würden, weshalb mehrere ähnliche Villen in X. leer ständen. Die
Bestimmung des Mietwertes auf 5% der Grundsteuerschatzung sei in Würdigung
aller Umstände nicht unangemessen.
B. ­ Der Rekurrent hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben und seinen
Antrag auf Festsetzung des Mietwertes seiner Villa auf Fr. 4000.­ wiederholt,
eventuell seien die Akten zu neuer Veranlagung zurückzuweisen. Er macht
geltend, durch die Entscheidungen der kantonalen Behörden sei Art. 21, Ziff. 2
Kris. AB verletzt worden. Danach und nach der Wegleitung dazu komme der Betrag
in Frage, den der Abgabepflichtige bei Vermietung des Objektes an Dritte unter
normalen Voraussetzungen erzielen könnte. Hierüber setze sich die kantonale
Rekurskommission hinweg. Auch ihre Unterscheidung von Ein- und
Mehrfamilienhäusern finde keine Grundlage im Gesetze. Die Unrichtigkeit eines
Mietwertes von

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Fr. 6561.­ ergebe sich ohne weiteres aus den im kantonalen Rekurse angeführten
Beispielen über die Mietverhältnisse in X.
C. ­ Die kantonale Rekurskommission und die eidgenössische Steuerverwaltung
beantragen Abweisung der Beschwerde. Die Rekurskommission bemerkt, sie habe
den Mietwert auf Grund ihrer Kenntnis der Verhältnisse festgesetzt. Der
angenommene Mietzins stehe zum Einkommen des Beschwerdeführers, das hoch über
dem Durchschnitt stehe, in einem bescheidenen Verhältnis, ebenso zu seinem
Vermögen. Er liege unter 5% seines Einkommens und entspreche der bisherigen
Praxis, besonders dem Entscheide in Sachen Flückiger.
Die eidgenössische Steuerverwaltung führt aus, massgebend sei der Wert der
Nutzung. Die Nutzung einer Liegenschaft könne den Mietwert übersteigen. Der
mögliche Mietertrag komme nur in Betracht unter normalen Verhältnissen. Hier
handle es sich aber um einen Sonderfall, für den keine objektiven
Vergleichsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten. Der
Krisenabgabebeschluss schliesse die angewandte Berechnungsart nicht aus. Die
Schätzung selbst sei von der Kommission im Rahmen ihres pflichtgemässen
Ermessens festgesetzt worden. ­ Das Bundesgericht habe es auch bei kantonalen
Steuern zulässig erklärt, bei herrschaftlichen Villen Mietwerte einzusetzen,
die den möglichen Mietzins übersteigen (Urteil vom 27. Januar 1939 i. S.
Leemann).
Das Bundesgericht hat die Beschwerde begründet erklärt und die Sache zu neuer
Beurteilung an die kantonale Rekurskommission zurückgewiesen
in Erwägung:
1. ­ Im angefochtenen Entscheid ist das Bruttoeinkommen des Rekurrenten aus
der von ihm selbst bewohnten Liegenschaft auf 5% der Grundsteuerschatzung
festgesetzt worden, wobei die Grundsteuer dem Verkehrswert der Liegenschaft
gleichgesetzt und nach dem Hinweis

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auf die Schwierigkeit einer Schätzung in solchen Fällen erklärt wird, diese
Bemessung des Einkommens sei in Würdigung aller Umstände nicht unangemessen.
Das Gesetz (Art. 21, Abs. 2 Kris. AB) stellt aber auf den Mietwert ab, nicht
nur bei Mehrfamilienhäusern und ähnlichen Objekten, die von vornherein für
Vermietung vorgesehen sind, sondern allgemein. Darauf, ob der Mietwert einer
normalen Verzinsung des in der Liegenschaft investierten Kapitals oder ihres
Verkehrswertes entspricht oder davon abweicht (nach oben oder nach unten),
kommt es dabei nicht an. Eine fünfprozentige Verzinsung der
Grundsteuerschatzung kann nur dann als Bruttoeinkommen des Eigentümers aus
seiner selbstbewohnten Liegenschaft in Frage kommen, wenn sie dem Mietwert
entspricht. Dass dies hier zutreffe, war bestritten und es ist nicht geprüft
worden, wie es sich damit verhält, offenbar weil die Rekurskommission
irrtümlicherweise angenommen hat, es komme einfach auf die Normalrendite des
Verkehrswertes an. Die Gesichtspunkte, die in der Vernehmlassung der
Rekurskommission angeführt sind, vermögen die Einschätzung nicht zu
rechtfertigen. Das übrige Einkommen des Rekurrenten bietet schon deshalb
keinen richtigen Massstab für die Kontrolle des Mietwertes, weil es, wie die
Kommission selbst feststellt, hoch über dem Durchschnitt steht. Die
Festsetzung des Mietwerts im Falle Flückiger (Urteil vom 21. Dezember 1939)
ist vom Bundesgericht bestätigt worden im wesentlichen gestützt auf die
Mitteilung der Rekurskommission, dass der Ansatz ortsüblichen Mietzinsen
entspreche. Hier aber will sich die Rekurskommission (ob mit Recht oder nicht,
kann auf Grund der Akten nicht festgestellt werden) aber gerade von den
Ansätzen entfernen, die in X. bei solchen Objekten erzielt werden. Die
Einschätzung muss daher auf den gesetzlichen Boden gestellt und nochmals
überprüft werden. Diese Prüfung ist, da über die tatsächlichen Verhältnisse
aus den Akten überhaupt nichts näheres ersichtlich, die Angelegenheit deshalb
nicht

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spruchreif ist, zunächst Sache der kantonalen Behörden
(Art. 16, Abs. 2 VDG).
2. ­ Dass der Mietwert als Massstab für die Bewertung der Nutzung eigener
Liegenschaften für Wohnzwecke bezeichnet wird, ist begründet im System des
Gesetzes, das eine Reineinkommenssteuer mit einer ergänzenden Vermögenssteuer
verbindet, das Vermögen somit doppelt erfasst: in seinem Ertrage bei der
Einkommenssteuer und in seinem Kapitalwert bei der Ergänzungssteuer. Die
Ergänzungssteuer dient einer Vorbelastung der Kapitalerträgnisse (gegenüber
dem Einkommen aus andern Quellen, vor allem dem Erwerb) und der Belastung
ertragslosen Vermögens, das von der Einkommenssteuer nicht betroffen wird.
Nicht besteuert wird der Aufwand, die Verwendung von Vermögen und Einkommen.
Wenn in diesem System die Selbstnutzung durch den Eigentümer dem Einkommen aus
unbeweglichem Vermögen gleichgestellt wird, so kann als Steuerwert dieser
Nutzung nur der wirtschaftliche Vorteil in Betracht kommen, den der Eigentümer
aus seiner Liegenschaft zieht. Kann der Eigentümer auch rechtlich nicht sein
eigener Mieter sein, so verhält es sich doch wirtschaftlich nicht anders, als
ob er die Wohnung sich selbst vermietet hätte; er eignet sich unmittelbar den
Naturalertrag an und muss sich deshalb den entsprechenden Wert (Mietwert,
nicht eine normale Verzinsung des Kapitalwertes des Objekts) als Einkommen
anrechnen lassen (vgl. FUISTING, Steuerlehre S. 112). Dieser Wert kommt dem
Betrage gleich, den der Eigentümer aufwenden müsste, um ein gleichartiges
Objekt zu mieten und den er durch das Sitzen auf eigenem Grund und Boden spart
(vgl. GÖTZINGER, Basler Steuergesetze, II. Aufl. S. 61). Dabei wird auf
Vergleichsobjekte abzustellen sein, die einem Durchschnittsbedarf entsprechen,
der im Verkehr in Form von Miet- oder Pachtzinsen vergütet wird. Besonderen
Aufwand für persönliche Liebhabereien und Annehmlichkeiten, die für Dritte
kein Interesse haben und bei

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Überlassung von Wohnungen und Häusern zur Gebrauchsnutzung nicht vergütet zu
werden pflegen, werden bei Feststellung des Mietwertes in der Regel ausser
Ansatz bleiben müssen (vgl. dazu FUISTING, Steuerlehre, S. 160). Soweit sie
sich im Kapitalwert des Objektes auswirken, hätte man es mit ertragslosem
Vermögen zu tun, das der Ergänzungssteuer unterliegt, soweit diese
Voraussetzung nicht zutrifft, um Aufwand. Einen Einkommen bedingenden Faktor
bilden sie regelmässig nicht.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 66 I 77
Datum : 01. Januar 1940
Publiziert : 23. April 1940
Quelle : Bundesgericht
Status : 66 I 77
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Krisenabgabe: Das Einkommen aus der Nutzung eigener Liegenschaften zu Wohnzwecken wird bemessen...


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66-I-77
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