S. 234 / Nr. 49 Obligationenrecht (d)

BGE 65 II 234

49. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. Dezember 1939, i. S.
Haas gegen Humm und Brun & Cie .


Seite: 234
Regeste:
Schadenersatz wogen dauernder Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit, Art. 46
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 46 - 1 Körperverletzung gibt dem Verletzten Anspruch auf Ersatz der Kosten, sowie auf Entschädigung für die Nachteile gänzlicher oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit, unter Berücksichtigung der Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens.
1    Körperverletzung gibt dem Verletzten Anspruch auf Ersatz der Kosten, sowie auf Entschädigung für die Nachteile gänzlicher oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit, unter Berücksichtigung der Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens.
2    Sind im Zeitpunkte der Urteilsfällung die Folgen der Verletzung nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, so kann der Richter bis auf zwei Jahre, vom Tage des Urteils an gerechnet, dessen Abänderung vorbehalten.

OR. Die mittlere Lebenserwartung als massgebender Zeitraum, ohne
Berücksichtigung der voraussichtlichen Abnahme der Erwerbsfähigkeit bei
zunehmendem Alter.
Dommages-intérêts pour diminution permanente de la capacité de travail, art.
46 CO. Le dommage se calcule pour toute la durée moyenne de la vie probabile
sans tenir compte de la diminution, croissante avec l'âge. de la capacité de
travail.
Risarcimento dei danni per diminuzione permanente della capacità di lavoro,
art. 46 CO. Il danno si calcola per tutta la durata media della vita probabile
senza tener conto della diminuzione, crescente con l'età. della capacità di
lavoro.

Der Kläger ist durch einen Unfall in seiner Erwerbsfähigkeit dauernd
beeinträchtigt und macht den Beklagten für den Schaden gemäss Art. 46
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 46 - 1 Körperverletzung gibt dem Verletzten Anspruch auf Ersatz der Kosten, sowie auf Entschädigung für die Nachteile gänzlicher oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit, unter Berücksichtigung der Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens.
1    Körperverletzung gibt dem Verletzten Anspruch auf Ersatz der Kosten, sowie auf Entschädigung für die Nachteile gänzlicher oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit, unter Berücksichtigung der Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens.
2    Sind im Zeitpunkte der Urteilsfällung die Folgen der Verletzung nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, so kann der Richter bis auf zwei Jahre, vom Tage des Urteils an gerechnet, dessen Abänderung vorbehalten.
OR
verantwortlich. Die Vorinstanz hat die Erwerbseinbusse nicht für die ganze
Zeit der mittlern Lebenserwartung anerkannt, sondern nur für die Dauer von 16
Jahren. Dieser Entscheidung kann nicht beigetreten werden,
aus folgenden Gründen:
Der Kläger war zur Zeit des Unfalls 45 Jahre alt. Er hatte daher nach Piccard,
Tafel 1, noch eine mittlere Lebenserwartung von 23,59 Jahren. Demgegenüber
erklärt die Vorinstanz, dass der Beruf eines Lastwagenführers kaum über das
60. Altersjahr hinaus versehen werden könne, weshalb für den Kläger von der
mittleren Lebenserwartung nur 16 Jahre in Anrechnung zu bringen seien.
Nach der bundesgerichtlichen Praxis ist die Erwerbseinbusse in der Regel für
die ganze Zeit der mittlern Lebenserwartung zu berechnen. Schematische
Kürzungen wegen Abnahme der Erwerbsfähigkeit im vorgerückten Alter müssen
solange abgelehnt werden, als nicht zuverlässige Aktivitätstabellen für die
verschiedenen Berufsarten zur Verfügung stehen. Eine vorzeitige Abnahme der

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Erwerbsfähigkeit kann deshalb nur angenommen und in Rechnung gestellt werden,
wenn in der Person des Verunfallten selber bestimmte Gründe dafür vorliegen,
die der Richter nach freiem Ermessen zu würdigen hat (BGE 55 II 147). Solche
Gründe werden aber für die Person des Klägers von der Vorinstanz nicht namhaft
gemacht. Damit erweist sich die Beschränkung der klägerischen
Anspruchsberechtigung auf 16 Jahre als unzulässig.
Auch wenn man indessen berücksichtigen wollte, dass Berufe wie derjenige eines
Lastwagenführers infolge der hohen Anforderungen, die sie an die körperliche
Leistungsfähigkeit stellen, nach einer gewissen Altersgrenze kaum mehr
ausgeübt werden können, so wäre es doch nicht möglich, die Entscheidung der
Vorinstanz aufrechtzuerhalten. Sollte der Kläger nach Erreichung der von ihr
angenommenen Altersgrenze von 60-61 Jahren nicht mehr in der Lage sein, als
Lastwagenführer tätig zu sein, so wäre er darauf angewiesen, auf einem andern
Gebiete Arbeit und Verdienst zu suchen, wo sich die durch den Unfall
herbeigeführte körperliche Beeinträchtigung wiederum auswirken müsste. Es
ginge daher keinesfalls an, für die Zeit nach dieser Altersgrenze einfach
jeden Schadenersatzanspruch zu verneinen, wie es die Vorinstanz getan hat.
Vielmehr käme für diese Zeit höchstens eine Herabsetzung des Anspruches in
Betracht. Allein im Hinblick darauf, dass die Vorinstanz schon den Verdienst
des Klägers als Lastwagenführer äusserst knapp berechnet hat, würde sich auch
eine solche Herabsetzung nicht rechtfertigen; der Betrag von Fr. 4000.- wäre
billigerweise als mittlerer Jahresverdienst für die ganze Zeit der
Lebenserwartung anzuerkennen.
Nach Piccard, Tafel 4, beträgt der Barwert einer jährlichen Rente von Fr.
400.- für eine 45-jährige männliche Person zu 4% kapitalisiert Fr. 5780.-. Auf
diesen Betrag ist daher die durch die Vorinstanz zugesprochene Entschädigung
von Fr. 4500.- zu erhöhen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 65 II 234
Date : 01. Januar 1938
Published : 12. Dezember 1939
Source : Bundesgericht
Status : 65 II 234
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Schadenersatz wogen dauernder Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit, Art. 46 OR. Die mittlere...


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