S. 166 / Nr. 33 Obligationenrecht (d)

BGE 65 II 166

33. Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. Oktober 1939 i. S. Gaisser gegen
Preisig.

Regeste:
Verjährungsunterbrechung durch Ladung zum Sühneversuch Art. 135 Ziff. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen:
1  durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung;
2  durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs.
OR.
Massgebend ist nicht die Zustellung der Ladung an den Beklagten, sondern die
Stellung des Begehrens um Ladung durch den Kläger; Postaufgabe genügt.
Interruption de la prescription par une citation devant le juge conciliateur.
Art. 135 ch. 2 CO. Ce n'est pas la notification de la citation au défendeur
qui est décisive, mais la présentation par le demandeur, de la requête
tendante à la citation, la consignation de la requête à la poste suffit.
Interruzione della prescrizione mediante citazione davanti all'ufficio di
conciliazione. Art. 135 cifra 2 CO. Determinante non è l'intimazione della
citazione al convenuto, mà la presentazione della domanda di citazione da
parte dell'attore, basta la consegna della domanda alla posta.

Aus dem Tatbestand:
Der Beklagte hatte über den Kläger, seinen ehemaligen Angestellten, eine
ungünstige Auskunft erteilt. Der Kläger belangte ihn deshalb wegen Verletzung
in den persönlichen Verhältnissen auf Schadenersatz. Das Obergericht des
Kantons Appenzell A. Rh. nahm an, dass ein allfälliger Anspruch des Klägers
verjährt sei. Das Bundesgericht weist die Verjährungseinrede des Beklagten ab.
Aus den Erwägungen:
Der Kläger hat von der in Frage stehenden Auskunft nach der das Bundesgericht
bindenden Feststellung der Vorinstanz frühestens am 16. April 1935 Kenntnis
erhalten. Da eine unerlaubte Handlung in Frage steht, wäre gemäss Art. 60 Abs.
1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 60 - 1 Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1    Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1bis    Bei Tötung eines Menschen oder bei Körperverletzung verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zwanzig Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.36
2    Hat die ersatzpflichtige Person durch ihr schädigendes Verhalten eine strafbare Handlung begangen, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung ungeachtet der vorstehenden Absätze frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Urteils.37
3    Ist durch die unerlaubte Handlung gegen den Verletzten eine Forderung begründet worden, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn sein Anspruch aus der unerlaubten Handlung verjährt ist.
OR die Verjährung mit dem Ablauf des 16. April 1936 eingetreten. An diesem
Tage hat indessen der Kläger durch Zuschrift an das zuständige Vermittleramt

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die Abhaltung eines Vermittlungsvorstandes nach Massgabe von Art. 56 ff
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 56 Gerichtliche Fragepflicht - Ist das Vorbringen einer Partei unklar, widersprüchlich, unbestimmt oder offensichtlich unvollständig, so gibt ihr das Gericht durch entsprechende Fragen Gelegenheit zur Klarstellung und zur Ergänzung.
. ZPO
für den Kanton Appenzell A. Rh. verlangt. Die Vorinstanz hat jedoch den
Eintritt der Verjährung angenommen, weil die Ladung durch das Vermittleramt,
auf die es ankomme, erst am 17. April 1936 ergangen sei. Zu dieser Auffassung
ist die Vorinstanz durch wörtliche Auslegung der Bestimmung von Art. 135
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen:
1  durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung;
2  durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs.
OR
gelangt, dass die Verjährung unterbrochen werde «durch Ladung zu einem
amtlichen Sühneversuch»; laden, d. h. eine Vorladung erlassen, könne aber nur
die Behörde (so auch BECKER, N. 7 zu Art. 135
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen:
1  durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung;
2  durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs.
OR, sowie OSER SCHÖNENBERGER, N.
16 zu Art. 135
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen:
1  durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung;
2  durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs.
OR). Diese Auslegung erweist sich jedoch als zu eng. Wie in der
Aufzählung der übrigen verjährungsunterbrechenden Handlungen in Art. 135
Ziffer 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen:
1  durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung;
2  durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs.
OR zum Ausdruck kommt, ist für die Unterbrechung der Verjährung stets
ein Handeln der Partei entscheidend. Schuldbetreibung, Klage, Einrede setzen
alle ein Tätigwerden des Trägers des von der Verjährung bedrohten Anspruches
voraus. Es ist daher innerlich durch nichts gerechtfertigt, im Gegensatz zu
diesen Fällen bei der Ladung zum Sühneversuch nicht das Handeln der Partei,
sondern die Verfügung einer Amtsstelle als massgebend anzusehen, insbesondere
wenn man in Betracht zieht, dass im Zeitpunkt des Erlasses des OR von 1881
nach einer Anzahl von Prozessrechten unter dem Einfluss einer auf die Spitze
getriebenen Verhandlungsmaxime die Ladung durch den Kläger selbst vorzunehmen
war (vergl. ENDERLIN, Das Sühneverfahren im schweizerischen Recht, S. 64). Die
von der Vorinstanz vertretene Auffassung würde überdies zu dem äusserst
stossenden Ergebnis führen, dass unter Umständen die Nachlässigkeit eines
Sühnebeamten eine Anspruchsverjährung bewirken könnte. Ferner müsste im
Anwendungsgebiet des einheitlichen schweizerischen OR eine Partei zur
Unterbrechung der Verjährung je nach der schnelleren oder langsameren
Ladungsmöglichkeit unter Umständen schon geraume Zeit vor Ablauf der
Jahresfrist des Art. 60
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 60 - 1 Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1    Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1bis    Bei Tötung eines Menschen oder bei Körperverletzung verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zwanzig Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.36
2    Hat die ersatzpflichtige Person durch ihr schädigendes Verhalten eine strafbare Handlung begangen, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung ungeachtet der vorstehenden Absätze frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Urteils.37
3    Ist durch die unerlaubte Handlung gegen den Verletzten eine Forderung begründet worden, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn sein Anspruch aus der unerlaubten Handlung verjährt ist.
OR tätig

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werden, was vom Gesichtspunkt der einheitlichen Rechtsanwendung aus als
unhaltbar bezeichnet werden muss. Alle diese Gründe drängen dazu, als Ladung
im Sinne von Art. 135
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen:
1  durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung;
2  durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs.
OR auch dort, wo die Vorladung nicht Sache der Partei
selber ist, das Begehren an den Friedensrichter zu betrachten (in diesem Sinne
auch LEUCH, Komm. zur bernischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., Art. 144 Anm.
1).
Bei der Benützung der Post gilt, entsprechend der für die
Verjährungsunterbrechung durch Klageanhebung getroffenen Regelung (vergl.
hierüber BGE 49 II 42), die Aufgabe des Parteibegehrens um Erlass einer
Ladung; denn damit hat der Kläger alle ihm obliegenden erforderlichen Schritte
getan, um eine Sühneverhandlung in die Wege zu leiten. Das am 16. April 1936
zur Post gegebene Begehren um Ladung zum Sühneversuch bewirkte daher die
Unterbrechung der Verjährung für allfällige Ansprüche des Klägers aus der
Auskunfterteilung durch den Beklagten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 65 II 166
Datum : 01. Januar 1938
Publiziert : 24. Oktober 1939
Quelle : Bundesgericht
Status : 65 II 166
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Verjährungsunterbrechung durch Ladung zum Sühneversuch Art. 135 Ziff. 2 OR. Massgebend ist nicht...


Gesetzesregister
OR: 60 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 60 - 1 Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1    Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35
1bis    Bei Tötung eines Menschen oder bei Körperverletzung verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zwanzig Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.36
2    Hat die ersatzpflichtige Person durch ihr schädigendes Verhalten eine strafbare Handlung begangen, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung ungeachtet der vorstehenden Absätze frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Urteils.37
3    Ist durch die unerlaubte Handlung gegen den Verletzten eine Forderung begründet worden, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn sein Anspruch aus der unerlaubten Handlung verjährt ist.
135
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen:
1  durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung;
2  durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs.
ZPO: 56
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 56 Gerichtliche Fragepflicht - Ist das Vorbringen einer Partei unklar, widersprüchlich, unbestimmt oder offensichtlich unvollständig, so gibt ihr das Gericht durch entsprechende Fragen Gelegenheit zur Klarstellung und zur Ergänzung.
BGE Register
49-II-38 • 65-II-166
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • vorinstanz • frage • bundesgericht • entscheid • einigungsverfahren • schweizerische zivilprozessordnung • persönliche verhältnisse • tag • rechtsanwendung • mais • unerlaubte handlung • weiler • schweizerisches recht • friedensrichter • leiter • schadenersatz • postaufgabe • kenntnis • obliegenheit • verhandlungsmaxime
... Nicht alle anzeigen