S. 98 / Nr. 18 Kompetenzkonflikte zwischen Bund und Kantonen (d)

BGE 65 I 98

18. Urteil vom 24. Februar 1933 i. S. Schweizerische Eidgenossenschaft gegen
St. Gallen.


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Regeste:
Unterwerfung der Bundesgewalt unter die kantonale Staatshoheit. Untersteht der
Bund für Tankbarrikadenmagazine dem kantonalen Gebäudeversicherungszwang?
Assujettissement de la Confédération à la souveraineté cantonale. La
Confédération est-elle soumise aux règles cantonales relatives à l'assurance
immobilière obligatoire en ce qui concerne les magasins où elle conserve le
matériel destiné aux barricades contre les tanks?
Assoggettamento della Confederazione alla sovranità cantonale. La
Confederazione è soggetta, per quanto concerne i magazzini ove tiene il
materiale destinato a costruire ostacoli contro i carri armati, alle norme
cantonali che prevedono l'obbligo dell'assicurazione degli immobili?

A. - Die Eidgenossenschaft hat auf dem Gebiet des Kantons St. Gallen eine
Reihe von Tankbarrikadenmagazinen erstellt, in welchen die Schienen und
Eisenträger für die Tankbarrikaden, sowie das zu deren Einbau nötige Werkzeug
aufbewahrt werden. Die Magazine bestehen aus Beton und sind mit Betonplatten
gedeckt. Da nach dem st. gallischen Gesetz über die Gebäudeversicherung alle
im Kanton befindlichen Gebäude bei der staatlichen Brandversicherungsanstalt
versichert sein müssen, haben die st. gallischen Behörden, insbesondere auch
der Regierungsrat

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mit einem Beschluss vom 6. September 1937, die genannten Magazine dieser
Versicherungspflicht unterworfen.
B. - Am 31. August 1938 hat das eidgenössische Militärdepartement für den
Bundesrat beim Bundesgericht Klage erhoben mit dem Begehren:
«Es sei festzustellen, dass der Kanton St. Gallen nicht zuständig ist, die auf
seinem Gebiet gelegenen, der Schweiz. Eidgenossenschaft gehörenden
Tankbarrikadenmagazine der obligatorischen Gebäudeversicherung des Kantons St.
Gallen zu unterstellen,
und es seien demgemäss der Rekursentscheid des Regierungsrates von St. Gallen
vom 6. September 1937 und die ergangenen Einschätzungsverfügungen
aufzuheben...».
Es wird geltend gemacht: Eine ausdrückliche Vorschrift über die Befreiung von
Festungswerken von der kantonalen Versicherungspflicht fehle. Doch sprächen
hiefür Art. 164 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 MO, wonach kantonale Monopole auf die
Bedürfnisse der Truppen nicht anwendbar seien und die Ausführung von Arbeiten
für die Landesverteidigung von kantonalen polizeilichen Anforderungen befreit
sei. Beim Gebäudeversicherungszwang handle es sich um eine solche Anforderung.
Die Frage, ob er auch für Bestandteile von Festungswerken, wie die
Tankbarrikadenmagazine, gelte, sei unter Abwägung des Zweckes der
kollidierenden Institute zu entscheiden (BURCKHARDT, Komm. z. BV S. 17). Jene
Magazine seien zur Abwehr eines plötzlichen Überfalls nötig. Andererseits sei
die Versicherungspflicht eine Fürsorgeeinrichtung. Unmittelbar der
Landesverteidigung dienende Anlagen unterstünden einer solchen Pflicht nicht.
Die mit dieser Pflicht verbundene Aufsicht der Gemeindeorgane sei mit den
Interessen der Landesverteidigung unvereinbar. Die Einschätzung würde einen
Einblick in militärische Geheimnisse voraussetzen, der nicht gestattet werden
dürfe. Übrigens habe die Unterstellung unter die kantonale
Versicherungspflicht wenig Sinn, da die Magazine aus Beton bestünden.

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C. - Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen beantragt die Abweisung der
Klage und führt aus: Die Beiträge an die Versicherungsanstalt seien
Vorzugslasten. Dass die Kantone den Bund zu solchen Leistungen heranziehen
könnten, habe das Bundesgericht wiederholt entschieden (BGE 33 I S. 130, 607;
54 I S. 37). Tatsächlich seien bisher alle Gebäude des Bundes und seiner
Anstalten in die kantonale Gebäudeversicherung aufgenommen worden, auch
Zeughäuser, Kasernen, Militärmagazine, Munitions- und Sprengstoffdepots,
Militärstallungen, Schiess- und Scheibenstände. Diese Anlagen dienten dem
gleichen Zweck wie die Tankbarrikadenmagazine. Dass diese Bestandteile von
Festungswerken seien, werde bestritten; doch sei das unerheblich. Mit der
Landesverteidigung sei die Versicherungspflicht nicht unvereinbar. «Zu
Einblicken in militärische Geheimnisse fehlt es bei diesen Magazinen, aus
deren Bauart und Zweckbestimmung die eidgenössische Militärverwaltung ja
keinerlei Geheimnisse macht, wohl an den Voraussetzungen. Die
Tankbarrikadenmagazine sind zudem in Friedenszeiten unbewacht und können,
wenigstens von aussen, durch jedermann besichtigt werden. Übrigens sind die
Gebäudeschätzer ausnahmslos Schweizerbürger und amtlich vereidigt, sodass von
dieser Seite keinesfalls eine Verletzung militärischer Interessen zu
befürchten ist». Die Versicherung decke nicht nur Brandschäden, sondern auch
Schaden aus Blitzschlag, Explosionen, Hochwasser, Überschwemmung, Erdschlipf,
Bergsturz, Steinschlag, Sturmwind, Hagelschlag, Schneedruck und Lawinen (Art.
39 des Gesetzes). Es gehe nicht an, dass der Bund seine schlechten Risiken
(Zeughäuser) bei den Kantonen versichere, die guten aber der Versicherung
vorenthalte.
D. - Aus der Replik ist folgendes hervorzuheben: Ein Kanton könne den Bund
nicht zwingen, die zur Erfüllung seiner staatlichen Aufgaben dienenden Gebäude
gegen Feuerschaden zu versichern. Das gelte insbesondere für Befestigungswerke
und Tankbarrikadenmagazine, die unmittelbar

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der Landesverteidigung dienten. Es sei Sache des Bundes, über deren
Versicherung zu bestimmen. Nur in Bezug auf andere Gebäude, die zum
Fiskalvermögen des Bundes gehörten, dürfe ein Kanton diesen wie eine
Privatperson behandeln. Dass Gebäude der Militärverwaltung, wie Zeughäuser,
Kasernen u.s.w., bei der kantonalen Versicherungsanstalt versichert seien, sei
richtig; das sei aber freiwillig geschehen.
E. - In der Duplik bemerkt der Regierungsrat noch: Der Bundesrat habe durch
einen Beschluss vom 24. August 1928 anerkannt, dass der Bund für seine Gebäude
dem kantonalen Versicherungszwang unterstehe, und die Bundesversammlung habe
dem Bundesrat den Auftrag erteilt, es bei dieser Ordnung bewenden zu lassen
(SALIS-BURCKHARDT, Schweiz. Bundesrecht I S. 641). Im Jahre 1874 habe die
obligatorische Gebäudeversicherung schon in 17 Kantonen bestanden. Wenn der
Bund sich davon hätte befreien wollen, so wäre ein entsprechender Vorbehalt in
der Bundesgesetzgebung nahe gelegen. Der Bund unterstehe auf zahlreichen
Gebieten der kantonalen Hoheit (SALIS-BURCKHARDT. a.a.O. I Nr. 266, 267, 269,
276, 290).
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. -Das eidgenössische Militärdepartement hat nicht bestritten, dass nach dem
kantonalen Gesetz über die Gebäudeversicherung von 1925 die
Tankbarrikadenmagazine unter die Versicherungspflicht fallen, und hätte das
auch nur mit einer staatsrechtlichen Beschwerde bestreiten können. Streitig
ist einzig, ob kraft Bundesrechtes die kantonale Versicherungsgesetzgebung auf
jene Magazine nicht anwendbar sei. Es liegt daher ein Kompetenzkonflikt gemäss
Art. 113 Ziff. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
BV vor, bei dem der Bundesrat durch Klage geltend macht, dass
der Bund für gewisse der Landesverteidigung dienende Gebäude der kantonalen
Hoheit nach einer bestimmten Richtung nicht unterstehe. Die
Kompetenzkonfliktsklage ist an keine Frist gebunden, so dass auf sie
einzutreten ist, obwohl der Entscheid des

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Regierungsrates schon im Jahre 1937 und die letzte Einschätzungsverfügung (der
Schätzungskommission für die Gemeinde Widnau) schon am 13./14. Juli 1938
ergangen ist (BGE 61 I S. 349 Erw. 1).
2.- Es steht fest, dass der Bund mit der Erstellung der Tankbarrikadenmagazine
im Rahmen der ihm zustehenden Aufgabe der Landesverteidigung gehandelt hat.
Ebenso ist nicht bestritten, dass ein Kanton zuständig ist, die Eigentümer der
auf seinem Gebiet befindlichen Gebäude zu verhalten, diese bei einer
kantonalen Anstalt gegen Brand und andern Schaden zu versichern. Zu
entscheiden ist nur, ob diese Kompetenz des Kantons sich auch auf Bauten der
vorliegenden Art erstreckt, der Bund also in Bezug hierauf der kantonalen
Staatshoheit, unterworfen ist. Die Bundesverfassung sagt hierüber nichts,
speziell auch nicht in Art. 85 Ziff. 6, aus der die Kompetenz des Bundes zum
Bau von Befestigungen abgeleitet wird (BURCKHARDT, Komm. z. BV 3. Aufl. S. 678
f.). Immerhin muss man aus der Kompetenzverteilung in der Bundesverfassung
schliessen, dass ein Kanton die ihm zustellende Staatshoheit dem Bund
gegenüber nicht ausüben darf, soweit dadurch die Durchführung der dem Bunde
zugeschiedenen Aufgaben verunmöglicht oder wesentlich erschwert würde. Im
übrigen wird es mangels einer dahingehenden Vorschrift der Bundesverfassung
Sache der gewöhnlichen Bundesgesetzgebung sein, näher zu bestimmen, inwieweit
der Bund bei der Lösung seiner Aufgaben unter der Hoheit der Kantone steht
oder nicht. Das ist denn auch in mancher Beziehung geschehen. Die
Bundesverfassung enthält hierüber nur ganz wenige positive Vorschriften, so in
Art. 37 bis, wo sie die Benützung der Strassen im Dienste des Bundes gegenüber
einem kantonalen Verbot des Automobilverkehrs vorbehält, und in Art. 39, wo
die Nationalbank der kantonalen Steuerhoheit entzogen wird. Dagegen finden
sich in Bundesgesetzen eine Reihe von Vorschriften, die ausdrücklich den Bund
in gewisser Hinsicht, z. B. in Bezug auf die Besteuerung, die Polizei,

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kantonale Monopole, von der kantonalen Hoheit unabhängig machen. Vor allem
bestimmt das Garantiegesetz vom 26. März 1934 in Art. 10, dass die Bundeskasse
und alle unter der Verwaltung des Bundes stehenden Fonds, sowie diejenigen
Liegenschaften, Anstalten und Materialien, die unmittelbar für Bundeszwecke
bestimmt sind, von den Kantonen mit keiner direkten Steuer belegt werden
dürfen. Und speziell in Bezug auf das Militärwesen schränken die Art. 164
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
und
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
MO die Kantone in der Ausübung der ihnen an sich zustehenden Hoheit zu
Gunsten des Bundes ein. Soweit sich in der Verfassung und der Gesetzgebung des
Bundes keine Lösung der Frage findet, inwieweit die Bundesgewalt der
kantonalen Staatshoheit untersteht und umgekehrt, wird man unter Würdigung
aller Umstände darauf abstellen müssen, welche Hoheit im Einzelfall vor der
andern zurückzutreten hat (s. BURCKHARDT a.a.O. S. 17; FLEINER, Schweiz.
Bundesstaatsrecht S. 490, 659).
3.- Durch die vom Kanton St. Gallen geltend gemachte Versicherungspflicht wird
die Landesverteidigung, die der Bund mit den Tankbarrikadenmagazinen
durchführt, nicht verunmöglicht oder wesentlich erschwert. Es wird nicht
behauptet, dass die Beitragslast für den Bund unerträglich sei. Dagegen ist in
der Klage geltend gemacht worden, dass der Einblick der Schätzungskommissionen
(Art. 5 und 6 des Gebäudeversicherungsgesetzes) militärische Geheimnisse
gefährden könnte. Bestünde diese Gefahr wirklich und liesse sie sich auch
durch Verständigung mit den kantonalen Behörden nicht beheben, so müsste
allerdings die Versicherung hinter die höhern Interessen der
Landesverteidigung zurücktreten. In der Antwort ist aber näher ausgeführt
worden, warum diese Gefahr nicht besteht, und die Replik hat sich dazu nicht
mehr geäussert.
4.- Aus Art. 164 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
MO ergibt sich, dass die erwähnten Magazine mit
keinerlei kantonalen oder Gemeindesteuern belastet werden dürfen. Sie sind
damit, von solcher

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Besteuerung befreit (BGE 64 I S. 298 ff.), also von allen Beiträgen zur
Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs in den Kantonen, die voraussetzungslos
sind, nicht das Entgelt für bestimmte Gegenleistungen des Gemeinwesens bilden.
Zu solchen Abgaben gehören aber Versicherungsprämien oder -beiträge, wie sie
nach dem Gebäudeversicherungsgesetz des Kantons St. Gallen geschuldet werden,
grundsätzlich nicht, da sie ein Entgelt für die Versicherung gegen Brand und
andern Schaden sind. Als Steuern wären sie nur zu betrachten, wenn und soweit
sie den dem Beitragspflichtigen zukommenden besondern Vorteil überstiegen, sei
es dass die Beiträge insgesamt grösser wären als sämtliche Kosten der
Brandversicherungsanstalt, sei es, dass der einzelne Beitrag im Verhältnis zum
Vorteil zu hoch bemessen wäre; denn insoweit würde die Abgabe ohne konkrete
staatliche Gegenleistung erhoben und der Versicherungszwang sich in
Wirklichkeit als Ausübung der Steuerhoheit darstellen (s. BGE 54 I S. 37).
Dass das bei den Beiträgen zutreffe, die dem Bund für die
Tankbarrikadenmagazine aufgelegt werden, hat aber das eidgenössische
Militärdepartement nicht behauptet und nachzuweisen versucht. Wohl weist es
darauf hin, dass bei diesen Magazinen keine oder keine erhebliche Feuersgefahr
bestehe. Aber die Versicherung besteht nicht nur gegen Brand-, sondern auch
gegen andern Schaden. Zudem hat das Militärdepartement die Behauptung des
Regierungsrates nicht bestritten, dass der Kanton St. Gallen infolge des
Gebäudeversicherungszwanges auch Zeughäuser des Bundes versichere und damit
grosse Risiken übernehme. Bei der Lösung der Frage, ob es sich in Wirklichkeit
teilweise um Ausübung der Steuerhoheit handle, sind aber die gesamten
Leistungen des Bundes aus dem Gebäudeversicherungszwang im Kanton St. Gallen
allen ihm dafür gewährten Vorteilen gegenüberzustellen.
5.- Es kann sich somit nur noch fragen, ob es sich aus andern Gründen
offensichtlich rechtfertige, dass die Tankbarrikadenmagazine des Bundes der
Hoheit des Kantons

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St. Gallen entzogen seien, was die Zwangsversicherung betrifft. Das ist aber
zu verneinen. Die Versicherung der Gebäude gegen einen ihnen drohenden Schaden
ist heutzutage etwas durchaus normales. Deshalb erscheint auch der staatliche
Zwang zu einer solchen Versicherung nicht als etwas ungewöhnliches, sondern im
allgemeinen als eine Massnahme, die den Gebäudeeigentümer auch in seinem
eigenen Interesse zu einem wirtschaftlich angemessenen Verhalten veranlasst.
Art. 164 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 MO enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass
die Militäranstalten des Bundes von einem solchen Versicherungszwang befreit
sein sollen. Zudem sind tatsächlich bisher, wie unbestritten ist, die dem
Bunde gehörenden Gebäude mit militärischen Zwecken, wie Kasernen, Zeughäuser,
Munitions- und Sprengstoffdepots u.s.w., bei den kantonalen
Gebäudeversicherungsanstalten versichert worden. Im Kanton Waadt ist auch das
Kriegsmaterial des Bundes bei der kantonalen Versicherungsanstalt versichert,
ebenso das Postmaterial. Der Bundesrat und das eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement haben allerdings wiederholt den Standpunkt eingenommen, es
handle sich hiebei um ein freiwilliges Entgegenkommen, ein Zwang gegenüber dem
Bunde sei ausgeschlossen. Sie nahmen deshalb in den Jahren 1916/17 den Erlass
einer gesetzlichen Bestimmung in Aussicht, wodurch unmittelbar staatlichen
Zwecken dienende Gebäude des Bundes von der kantonalen Versicherungspflicht
befreit sein sollten. Allein die Kommissionen der beiden eidgenössischen Räte
sprachen sich in den Jahren 1917/18 dagegen aus, so dass der Bundesrat seine
Absicht damals aufgab. Am 24. August 1928 beschloss er zwar, die dem Bunde
gehörende Fahrnis selbst zu versichern und Schritte zu unternehmen, um den
Bund vom kantonalen Gebäudeversicherungszwang zu befreien. Die eidgenössischen
Räte erklärten sich aber wiederum damit nicht einverstanden, dass die
Bundesverwaltung von der kantonalen Brandversicherungspflicht losgelöst werde.
Demgemäss kam der Bundesrat auch bei der Revision des

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Garantiegesetzes in den Jahren 1933/34 nicht mehr darauf zurück (s. SALIS
BURCKHARDT, Schweiz. Bundesrecht I Nr. 291 Ziff. I-IV, VI und VII; BBl 1917
III S. 355
; 1933 II S. 497 ff. unter Ziff. I und XI). Art. 3 des
Bundesgesetzes über die Organisation und Verwaltung der Bundesbahnen vom 1.
Februar 1923 enthält eine Bestimmung betr. die Befreiung von den kantonalen
Vorschriften über die Versicherung gegen Feuerschäden, aber nur für das
Rollmaterial, das Mobiliar und die Transportgegenstände. Als die entsprechende
Bestimmung bei der Beratung des Rückkaufsgesetzes vom 15. Oktober 1897
im:Nationalrat beantragt wurde, bemerkte einer der Antragsteller, Wunderly,
ausdrücklich: «Was die Versicherung von Immobilien anbelangt, so versteht es
sich nach Ansicht der Antragsteller von selbst, dass für die Versicherung die
Immobilien den betreffenden kantonalen Bestimmungen zu unterstellen sind»
(Sten. Bulletin 1897 S. 998, Voten von Gaudard und Wunderly; s. auch FLEINER
a.a.O. S. 490).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Klage wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 65 I 98
Datum : 01. Januar 1938
Publiziert : 24. Februar 1939
Quelle : Bundesgericht
Status : 65 I 98
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Unterwerfung der Bundesgewalt unter die kantonale Staatshoheit. Untersteht der Bund für...


Gesetzesregister
BV: 113
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
MO: 164  165
BGE Register
33-I-127 • 54-I-32 • 61-I-345 • 64-I-296 • 65-I-98
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
versicherungspflicht • bundesrat • regierungsrat • versicherer • schaden • bundesverfassung • frage • bundesgericht • steuerhoheit • eidgenossenschaft • munition • vorteil • baute und anlage • gegenleistung • kompetenzkonflikt • bestandteil • replik • verhalten • entscheid • gemeinde • wetter • druck • grundstück • vorzugslast • öffentlichrechtliche aufgabe • voraussetzung • staatsrechtliche beschwerde • sprache • deckung • waadt • norm • frist • richtigkeit • nationalbank • lawine • privatperson • werkzeug • verfassung • bundesversammlung • kantonale behörde • nationalrat • duplik • explosion • kriegsmaterial • steinschlag
... Nicht alle anzeigen
BBl
1917/III/355