S. 296 / Nr. 52 Befreiung von kantonalen Abgaben (d)

BGE 64 I 296

52. Urteil vom 27. Oktober 1938 i. S. Schweiz. Eidgenossenschaft gegen Luzern,
Regierungsrat.


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Regeste:
Beim Erwerb von Liegenschaften zu militärischen Zwecken ist die
Eidgenossenschaft von der Entrichtung kantonaler Handänderungssteuern befreit.
(Art. 164 , Abs. 2 MO).

A. - Im Kanton Luzern ist, nach dem Gesetz vom 30. November 1897, beim
Übergang von Liegenschaften durch Kauf, Tausch oder Schenkung eine
«Handänderungsgebühr» von der Kauf- oder Schatzungssumme zu entrichten (§ 1).
Sie beträgt ½% zu Gunsten der Einwohnergemeinde und des Staates. Die Gemeinden
können für ihre Gemeindekasse ein weiteres halbes Prozent beziehen (§ 2). Den
Gemeinden ist es freigestellt, ihren Anteil an der Gebühr in laufender
Rechnung zu verwenden, oder für bestimmte Zwecke zurückzulegen (§ 3). Die
Gebühr ist vom Verkäufer und Käufer zu gleichen Teilen jedoch unter
solidarischer Haftbarkeit zu zahlen (§ 8).
B. - Durch Kaufverträge vom 20. August und 22. Oktober 1937 erwarb die
eidgenössische Kriegsmaterialverwaltung zwei Landparzellen in der Gemeinde
Menznau (Luzern) zu militärischen Zwecken. Sie bestritt dabei, unter Berufung
auf Art. 164 MO, die Pflicht zur Entrichtung der luzernischen
Handänderungsgebühr, wurde aber verhalten, den auf sie als Käufer entfallenden
Anteil an der Gebühr (je die Hälfte von Fr. 13.- und Fr. 21.-) zu tragen.
Rekurse gegen die Steuerauflage wurden vom Regierungsrat des Kantons Luzern
abgewiesen (Entscheide vom 13. Juni 1938). Der Regierungsrat geht davon aus,
dass nach der allgemeinen Ordnung, die in den

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Gesetzen von 1851 und 1934 über die politischen und polizeilichen Garantien zu
Gunsten der Eidgenossenschaft (Art. 7, resp. 10) niedergelegt ist, den
Kantonen nur die Belegung des Bundesvermögens mit direkten Steuern verboten
wird und Handänderungsgebühren, als indirekte Steuern, vom Bunde stets zu
entrichten waren. Es frage sich aber, ob Art. 164 , Abs. 2 der MO von 1907, in
welchem Art. 222 der MO von 1874 inhaltlich übernommen worden sei, weitergehe.
Die Botschaft zur MO von 1874 äussere sich zu Art. 222 nicht. Daraus lasse
sich schliessen, dass schon damals nur die Absicht bestanden habe, geltendes
Recht zu übernehmen und die Steuerfreiheit des Bundes, wie sie nach Art. 7
GarG von 1851 umschrieben war, ausdrücklich auch für militärisches Eigentum
des Bundes festzulegen. «Denn hätte ein Novum, eine über Art. 7 des
Garantiegesetzes 1851 hinausgehende Steuerfreiheit des Bundes geschaffen
werden wollen, so wäre dies wohl in der sonst sehr eingehenden Botschaft zur
MO 1874 begründet, zum wenigsten aber erwähnt worden». Aber auch wenn man
grundsätzlich unter dem Ausdrucke «keinerlei Steuern» in Art. 164 , Abs. 2 MO,
indirekte Steuern mitverstehen wollte, fehle es an einer Belastung zu
militärischen Zwecken bestimmten Bundeseigentums, weil Objekt der
Handänderungsgebühr, als einer Rechsverkehrssteuer, das auf
Eigentumsübertragung gerichtete Rechtsgeschäft sei und die Gebühr vor der
Übertragung des Grundstückes auf den Käufer entrichtet werden müsse.
Rechtsgeschäfte, bei denen der Bund als Vertragspartei beteiligt ist, seien
mangels einer entsprechenden ausdrücklichen Gesetzesvorschrift nicht
steuerfrei.
Mit zwei Klageschriften vom 23. Juli 1938 leitet die Schweizerische
Eidgenossenschaft den direkten verwaltungsrechtlichen Prozess nach Art. 18,
lit. a VDG gegen den Kanton Luzern ein mit dem Rechtsbegehren, es sei
festzustellen, dass die Klägerin von der Bezahlung von Handänderungsgebühren
für die beiden laut Kaufverträgen vom 20. August und 22. Oktober 1937 für

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militärische Zwecke erworbenen Grundstücke befreit sei, und es seien demgemäss
die Rekursentscheide des Regierungsrates des Kantons Luzern vom 13. Juni 1938
aufzuheben, unter Kostenfolge. Aus Art. 164, Abs. 2 gehe klar hervor, dass die
Steuerbefreiung des Bundes in Militärsachen weitergehe als diejenige des
Garantiegesetzes und jede Steuerbelastung ausschliesse. Die vollständige
Befreiung der Anlagen und Einrichtungen für die Landesverteidigung sei
sachlich gerechtfertigt. Auch aus dem Wesen der konkreten Steuer lasse sich
nichts Gegenteiliges ableiten.
Der Regierungsrat des Kantons Luzern beantragt Abweisung der Klage. Es liege
keineswegs auf der Hand, dass die MO von 1874 die Steuerfreiheit des Bundes
über den Rahmen von Art. 7, Abs. 2 des Garantiegesetzes habe ausdehnen wollen.
Indirekte und Rechtsverkehrssteuern seien damals noch beinahe unbekannt oder
wenigstens so unbedeutend gewesen, dass sich die Annahme rechtfertige, man
habe unter «Steuern» nur direkte Abgaben verstanden. Art. 164 MO verbiete nur
die Belastung des zu militärischen Zwecken bestimmten Eigentums des Bundes,
nicht die Besteuerung eines Rechtsgeschäftes, das zum Erwerb solchen Eigentums
führt.
Die Klage wurde geschützt und die Befreiung des Bundes von den geforderten
Handänderungsgebühren festgestellt
in Erwägung:
1.- Die Bundesgesetzgebung ordnet allgemein die Befreiung des Bundesvermögens
(«alle unter der Verwaltung des Bundes stehenden Fonds und diejenigen
Liegenschaften, Anstalten und Materialien, die unmittelbar für Bundeszwecke
bestimmt sind») von der Belastung mit direkten Steuern in den Kantonen an
(Art. 7 GarG von 1851 und Art. 10 GarG von 1934).
Daneben wird in Spezialgesetzen die Befreiung besonders geregelt für einzelne
Institutionen des Bundes und

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im Hinblick auf besondere Tatbestände. Es ist ohne weiteres ersichtlich, dass
diese Ordnungen nicht die Bedeutung einer Bestätigung jener allgemeinen
Befreiungsklausel haben können, sondern dass es sich dabei um Abweichungen von
ihr, meist um die Ausdehnung, z. T. aber auch um Einschränkungen (vgl. BGE 29
I S. 327
f.) handelt. So sind z. B. die Bundesbahnen grundsätzlich, d. h.
abgesehen von Liegenschaften, die keine notwendige Beziehung zum Bahnbetrieb
haben (vgl. BGE 60 I S. 150 f.), von jeder Besteuerung durch Kantone und
Gemeinden ausgenommen, also nicht nur von direkten Steuern (BahnG Art. 3, Abs.
1). Ähnlich die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (KUVG Art. 51, 1);
diese geniesst sodann Gebührenfreiheit für Urkunden, die umittelbar für den
Anstaltsbetrieb ausgestellt werden (KUVG Art. 53, Abs. 2: BGE 61 I 155 f.).
Dasselbe gilt für die Schweizerische Nationalbank (Natbankges. Art. 12). Die
eidgenössische Postverwaltung ist von jeder Stempelsteuer befreit auf
Scheinen, Rechnungen, Schecks und Urkunden aller Art, die im Postverkehr von
der Postverwaltung oder den Postbenützern ausgestellt werden (PVG Art. 8 ).
Eine spezielle Regelung, neben derjenigen des Garantiegesetzes, enthält auch
Art. 164 , Abs. 2 MO. Danach dürfen Militäranstalten oder Militärwerkstätten,
sowie zu militärischen Zwecken bestimmtes Eigentum des Bundes mit keinerlei
kantonalen oder Gemeinde-Steuern belastet werden. Es wird demnach nicht allein
die Befreiung auf gewisse indirekte Steuern ausgedehnt, sondern die
vollständige Ausnahme von jeglicher Besteuerung schlechtweg angeordnet: es
darf in Kantonen und Gemeinden «keinerlei» Belastung stattfinden, d. h. keine
Steuer irgendwelcher Art erhoben werden. Die Befreiung ist sodann nicht
beschränkt auf militärischen Zwecken dienende, ihnen gewidmete Einrichtungen,
Militär-Anstalten im Sinne der Verwaltungsrechtslehre, sondern sie gilt auch
für das Eigentum des Bundes, das zu militärischen Zwecken «bestimmt» ist. für
das also eine Verwendung zu

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militärischen Zwecken bloss beabsichtigt wird. Nach der Formulierung der
Bestimmung wird die absolute Befreiung der Einrichtungen des Bundes für
militärische Zwecke angeordnet; dann können die Handänderungssteuern, die die
Kantone und Gemeinden bei Übertragung des Eigentums an Grundstücken erheben,
davon nicht ausgeschlossen sein. Als Voraussetzung für die Befreiung genügt
die Bestimmung des zu erwerbenden Grundstückes für militärische Zwecke. Diese
Zweckbestimmung kann aber erfolgen, bevor das Grundstück erworben ist. Der
Anordnung in Art. 164 , Abs. 2 MO liegt der Gedanke zu Grunde, dass die
Landesverteidigung gemeinsame Aufgabe des Bundes und der Kantone ist und eine
fiskalische Belastung irgendwelcher Art der Aufwendungen und Einrichtungen des
Bundes für militärische Zwecke sich damit nicht verträgt (vgl. dazu die
übrigen Befreiungen von Steuern und Gebühren in Art. 164 zu Gunsten des Bundes
und diejenigen in Art. 165 zu Gunsten von Privaten).
2.- Der Regierungsrat des Kantons Luzern bestreitet nicht, dass die beiden
Grundstücke, um die es sich handelt, zu militärischen Zwecken erworben wurden.
Er anerkennt auch, dass es sich bei der luzernischen «Handänderungsgebühr» um
eine Steuer handelt und nach den unter Fakt. A hievor wiedergegebenen
Bestimmungen des kantonalen Gesetzes kann hierüber kein Zweifel sein. Seine
Auffassung, die MO von 1874 habe die Steuerbefreiung des Bundes in
Militärsachen nicht über Art. 7 des (alten) Garantiegesetzes ausdehnen,
indirekte, insbesonders Rechtsverkehrssteuern nicht einbeziehen wollen, ist
unvereinbar mit dem Wortlaut der Bestimmung, für den mit aller Klarheit,
offensichtlich bewusst, die vom Garantiegesetz abweichende Formulierung
gewählt wurde, dass «keinerlei» Belastung zulässig sei. Es mag allerdings
dahingestellt bleiben, ob man bei einschränkender Interpretation von Art. 222 ,
Abs. 2 der MO von 1874 nicht vielleicht trotz dieser Formulierung kantonale
Handänderungssteuern auf dem Eigentumserwerb des Bundes

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zu militärischen Zwecken unter gewissen Voraussetzungen deshalb hätte
durchgehen lassen können, weil jenes Gesetz die Befreiung nur anordnete zu
Gunsten von Militäranstalten und Militärwerkstätten, und damit die Frage
wenigstens offen liess, wie es sich verhält bei Liegenschaftserwerb für erst
zu errichtende Militäranstalten und für andere militärische Zwecke. Auf jeden
Fall ist diese Unbestimmtheit der frühern Regelung behoben worden durch Art.
164 der MO von 1907, der in einem Zusatz zum übernommenen Wortlaut auf die
militärische Zweckbestimmung abstellt und damit eine Beschränkung der
Befreiung auf Investitionen in bestehenden militärischen Anstalten und
Werkstätten nicht mehr zulässt.
Daraus dass in den Materialien zu den Gesetzen von 1874 und 1907 nichts über
die Tragweite dieser Ausnahme von der kantonalen Gesetzgebung gesagt wurde,
kann nichts Gegenteiliges geschlossen werden. Die Botschaft von 1874 befasste
sich mit Einzelheiten nicht, besonders wurde darin davon abgesehen, eine
fortlaufende Erläuterung zu den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes zu geben
(BBl. 1874 II S. 1). Ebenso wurden bei der Militärorganisation von 1907 solche
Ergänzungen und Verbesserungen des Textes, wie die, um die es sich hier
handelt, in der Botschaft nicht besonders erwähnt.
Auch davon, dass die Handänderungssteuern wegen ihrer Geringfügigkeit von der
Beschränkung der kantonalen Gesetzgebung durch die Militärorganisation nicht
erfasst würden, kann nicht die Rede sein. Schon im Jahre 1874 erhoben einzelne
Kantone Handänderungssteuern, die nicht zu übersehen waren, so Waadt,
Neuenburg und Genf zu Sätzen von 3-4% (vgl. SCHANZ, Die Steuern der Schweiz,
Band I, S. 160 f., Bd. IV S. 93, 179 u. 228). In Luzern wurde die
Handänderungssteuer vor Erlass der Militärorganisation von 1907 eingeführt.
Wenn bei diesen Verhältnissen in den Materialien zu den Gesetzen von 1874 und
1907 keine näheren Ausführungen enthalten sind, so liegt, abgesehen von dem
bereits Gesagten, der Grund wohl

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eher darin, dass die vollständige Befreiung des Militärwesens des Bundes von
jeder kantonalen Besteuerung, inbegriffen die Handänderungssteuern, von jeher
als selbstverständlich und keiner Erläuterung bedürftig gegolten hat.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 64 I 296
Datum : 01. Januar 1937
Publiziert : 27. Oktober 1938
Quelle : Bundesgericht
Status : 64 I 296
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Beim Erwerb von Liegenschaften zu militärischen Zwecken ist die Eidgenossenschaft von der...


Gesetzesregister
GarG: 7  10
MO: 8  164  222
BGE Register
29-I-322 • 60-I-149 • 61-I-152 • 64-I-296
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
gemeinde • regierungsrat • eigentum • eidgenossenschaft • eigentumserwerb • weiler • frage • zahl • entscheid • ausgabe • anlage • bruchteil • steuererlass • bewilligung oder genehmigung • bescheinigung • staatsorganisation und verwaltung • klageschrift • vertragspartei • steuerbelastung • rechtsbegehren
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BBl
1874/II/1