S. 94 / Nr. 17 Doppelbesteuerung (d)

BGE 65 I 94

17. Auszug aus dem Urteil vom 15. September 1939 i. S. Fels gegen Thurgau und
St. Gallen


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Regeste:
1. Ein Kanton, dessen Steuergesetzgebung auf dem Boden der allgemeinen
Reinvermögenssteuer steht, darf, wenn seine Steuerhoheit nur einen Teil des
Vermagens eines Steuerpflichtigen umfasst, nur die Quote des Gesamtvermögens
besteuern, die sich aus dem Verhältnis der im Kanton steuerbaren Aktiven zu
den Gesamtaktiven ergibt.
2. Berechnung des Reinvermögens (Schuldenabzug) nach thurgauischem
Steuerrecht.
1. Un canton dont la législation fiscale prévoit un impôt général sur la
fortune nette ne peut imposer si sa souveraineté fiscale s'étend sur une
partie seulement de la fortune d'un contribuable, qu'une part de cette
fortune, calculée suivant la proportion qui existe entre les actifs imposables
dans le canton et le total des actifs.
2. Calcul de la fortune nette (défalcation des dettes) selon le droit fiscal
thurgovien.
1. Un cantone, la cui legislazione tributaria prevede l'imposta generale sulla
sostanza netta, può imporre, so la sua sovranità fiscale si estende soltanto
ad una parte della sostanza del contribuente, la sola quota della sostanza
complessiva che risulta dalla proporzione tra le attività imponibili nel
cantone e le attività complessive.
2. Calcolo della sostanza netta (deduzione dei debiti) secondo il diritto
tributario turgoviese.

A. - Nach § 13 des thurgauischen StG unterliegt der Ergänzungssteuer vom
Vermögen (die neben die Einkommenssteuer als Hauptsteuer tritt) das reine
Vermögen.
§ 33 bestimmt: «Bei der Berechnung des steuerbaren Vermögens sind die auf dem
Grundbesitz ruhenden Schulden nur an dem Wert des letztern, die sonstigen
Passiven nur am übrigen Vermögen in Abzug zu bringen.»
§ 34: «Bei Steuerpflichtigen (§ 2) mit Vermögenswerten, die einer andern
Steuerhoheit unterliegen, darf von den hier steuerpflichtigen Aktiven nur ein
dem Verhältnis der Gesamtaktiven zu den Gesamtpassiven entsprechender Teil der
Passiven abgezogen werden...»
B. - Der Rekurrent wohnt in Horn (Thurgau). Er hat ein Grundstück in St.
Gallen im Steuerschatzungswerte

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von Fr. 79500.- und Fr. 16000.- bewegliche Aktiven. Als Schulden werden
angegeben Fr. 82000.- Hypotheken auf jener Liegenschaft und Fr. 6000.- andere.
Sein Reinvermögen beträgt somit Fr. 7500.-. St. Gallen besteuert ihn für Fr.
6200.-, nämlich 83,25% des Reinvermögens. (Auf Thurgau würden danach 16,75%
des steuerbaren Reinvermögens oder Fr. 1300.- entfallen.) Thurgau will den
Rekurrenten für Fr. 10000.- in Anspruch nehmen. Er stützt sich dabei auf § 33
des kantonalen Steuergesetzes.
C. - Der Rekurrent hat die Doppelbesteuerungsbeschwerde an das Bundesgericht
ergriffen.
Beide Kantone haben Abweisung der Beschwerde beantragt, St. Gallen weil die
Einschätzung in St. Gallen den bundesrechtlichen Doppelbesteuerungsgrundsätzen
entspreche. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau führt aus, bei
verhältnismässiger Verteilung der Passiven würde das in Thurgau steuerbare
Vermögen allerdings nur Fr. 1300.- betragen. Auf Grund von § 33 thurg. StG
seien aber die nach der Verhältnisberechnung Thurgau zugewiesenen Passiven
insoweit nicht anzurechnen, als es sich um grundpfandversicherte Schulden
handelt. In Abzug kämen daher nur Fr. 6000.-. Mit der Besteuerung für Fr.
10000.- werde der Rekurrent nicht schlechter gestellt, als wenn er sein ganzes
Vermögen in Thurgau zu versteuern hätte.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- (Eintretensfrage).
2.- Es ist offensichtlich, dass die Überbesteuerung des Rekurrenten, die sich
aus der Inanspruchnahme in St. Gallen und Thurgau ergibt (das in beiden
Kantonen zusammen steuerbare Vermögen würde Fr. 16200.- ausmachen (Fr. 6200 +
10000) bei einem wirklichen Reinvermögen von Fr. 7500.-), im wesentlichen
nicht auf einer Besonderheit der thurgauischen Steuergesetzgebung, sondern auf
einem Verstoss des Kantons Thurgau gegen das Verbot interkantonaler
Doppelbesteuerung beruht.

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Die Behauptung, bei der in Thurgau beabsichtigten Besteuerung stelle sich der
Rekurrent nicht schlechter, als wenn er für sein gesamtes Vermögen in Thurgau
steuerpflichtig wäre, ist irrtümlich. Es wird dabei übersehen, dass der
Rekurrent in letzterem Falle im ganzen für Fr. 10000.- Vermögen in Anspruch
genommen würde, während nun die Steuerpflicht für die Liegenschaft in St.
Gallen hinzutritt. Die daraus folgende Doppelbesteuerung kann nur dadurch
vermieden werden, dass sich beide an der Besteuerung beteiligten Kantone auf
die ihnen zustehende Quote beschränken. St. Gallen hat dies getan, in Thurgau
ist es verkannt worden.
3.- Sowohl die Steuergesetzgebung von St. Gallen, wie diejenige von Thurgau
stehen grundsätzlich auf dem Boden der allgemeinen Reinvermögenssteuer. Die
Reinvermögenssteuer ist in St. Gallen - jedenfalls gegenüber den in der
Schweiz wohnenden Steuerpflichtigen - allgemein und konsequent durchgeführt
(Art. 2
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 2
, lit. a und b StG in Verbindung mit Art. 1 und 2 der zugehörigen
Verordnung), Thurgau statuiert die Reinvermögenssteuer als Grundsatz (§ 25
StG), sieht aber in § 33 eine Beschränkung insofern vor, als
grundpfandversicherte Schulden nur vom Wert des unbeweglichen, die übrigen
Schulden nur vom beweglichen Vermögen abgezogen werden können. Es handelt sich
dabei aber nur um eine Modalität im Rahmen jenes Grundsatzes, die den
Charakter der Steuer als Reinvermögenssteuer nicht aufhebt. Dann erfordert es
aber Art. 46 II BV, dass der Kanton Thurgau bei der Besteuerung die gesamte
Vermögenslage des Steuerpflichtigen mit in Betracht zieht. Wo seine
Steuerhoheit nur einen Teil der Vermögensstücke eines Pflichtigen umfasst,
dürfen diese nur insoweit der Besteuerung unterworfen werden, als sie nach der
prozentualen Belastung des Gesamtvermögens Reinvermögen darstellen.
Steuerobjekt kann nur die Quote des Reinvermögens sein, die sich aus dem
Verhältnis der im Kanton steuerbaren Aktiven zu den Gesamtaktiven ergibt. Mit
der Besteuerung für Fr. 10000.-

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würde aber das gesamte steuerbare Vermögen erfasst, statt nur die Thurgau
zustehende Quote.
4.- Aus § 33 thurg. StG könnte höchstens abgeleitet werden, dass bei
Berechnung des Gesamtvermögens, auf das die Quote anzuwenden wäre, nicht
sämtliche Schulden abzuziehen wären, im vorliegenden Falle der Überschuss der
Grundpfandschulden über den Steuerwert des Grundeigentums ausser Betracht zu
fallen hätte.
Das thurgauische Steuergesetz steht aber nicht auf diesem Boden. Es gestattet
nach § 34 den Steuerpflichtigen, die auch noch einer andern Steuerhoheit
unterworfen sind, den Schuldenabzug nicht im Rahmen von § 33, sondern nur im
Verhältnis von Gesamtaktiven zu Gesamtpassiven, nimmt also in diesen Fällen
das Besteuerungsrecht nach den bundesrechtlichen Doppelbesteuerungsgrundsätzen
in Anspruch, wie sie für die uneingeschränkte Reinvermögensbesteuerung gelten.
Dann ist es ein Gebot der Rechtsgleichheit, dass diese Art der Besteuerung im
interkantonalen Verhältnis auch dann angewandt wird, wenn sie zu einem
niedrigeren Steuerergebnis führt als die Berechnung des massgebenden
Gesamtreinvermögens nach § 33. Nach der im übrigen zahlenmässig unbestrittenen
Vermögenszusammensetzung ist daher auszugehen von einem Gesamtreinvermögen von
Fr. 7500.-, wovon der Kanton Thurgau Fr. 1300.- besteuern darf.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen gegenüber dem Kanton St. Gallen und begründet
erklärt im Sinne der Erwägungen gegenüber dem Kanton Thurgau.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 65 I 94
Datum : 01. Januar 1938
Publiziert : 15. September 1939
Quelle : Bundesgericht
Status : 65 I 94
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : 1. Ein Kanton, dessen Steuergesetzgebung auf dem Boden der allgemeinen Reinvermögenssteuer steht...


Gesetzesregister
StG: 2
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 2
BGE Register
65-I-94
Stichwortregister
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