S. 336 / Nr. 53 Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr (d)

BGE 65 I 336

53. Urteil des Kassationshofs vom 16. Oktober 1939 i. S. Egli gegen
Staatsanwaltschaft Bern.


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Regeste:
Motorfahrzeuggesetz.
Gehilfenschaft zu Fahren in angetrunkenem Zustand, begangen durch Bezahlung
der Zeche verschiedener Wirtshausbesuche durch einen Mitfahrer. Art. 59 MFG.
21 BStrR.
Loi fédérale sur la circulation des véhicules automobiles et des cycles (LA).
Complicité dans le cas où le conducteur, étant pris de boisson, a néanmoins
conduit son véhicule: Est complice celui qui, voyageant avec le conducteur,
lui a payé des consommations dans diverses auberges pendant le voyage. Art. 59
LA; 21 CPF.
Legge federale sulla circolazione degli autoveicoli e dei velocipedi (LCAV).
Complicità nel condurre in istato di ebrietà: è complice colui che, viaggiando
insieme col conducente, gli ha pagato lo scotto in diverse osterie durante il
viaggio. Art. 59 LCAV; 21 CPF.

A. ­ Der Beschwerdeführer Eggli Buchhalter und Prokurist der Eisenhandlung S.
& G. Bläsi & Cie A.-G. in Bern, begleitete am 1. Februar 1939 den Chauffeur
Wyss auf einer Geschäftsreise, die dieser mit einem schweren Lastwagen für die
Firma ausführte. Auf dieser Fahrt besuchten Wyss und Eggli im Verlauf von ca.
5 Stunden acht Wirtschaften und tranken zusammen 2 1/2 Liter Weisswein und je
einen Kaffee mit Zwetschgenwasser; Wyss nahm ausserdem noch einen Apéritif
Rossi zu sich. Der Vorschlag einzukehren wurde bald von Eggli, bald von Wyss
gemacht, der, wenn er allein fuhr, nicht soviel Alkohol und nur Bier zu
trinken pflegte. Die Zeche bezahlte stets Eggli, mit Ausnahme des Kaffees mit
Zwetschgenwasser, den ein Kunde der Firma beglich. Kurz nach dem letzten
Wirtschaftsbesuch in Zollikofen überfuhr Wyss.

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der infolge des genossenen Alkohols angetrunken war, an der Tiefenaustrasse in
Bern den Radfahrer Sommer, welcher auf der Stelle getötet wurde.
B. ­ Das Amtsgericht Bern verurteilte Wyss wegen fahrlässiger Tötung und
Fahrens in angetrunkenem Zustande zu 80 Tagen Korrektionshaus, Eggli wegen
Gehilfenschaft bei Fahren in angetrunkenem Zustand zu 14 Tagen Gefängnis,
bedingt erlassen unter Ansetzung einer Probezeit von 3 Jahren.
Gegen dieses Urteil appellierte Eggli an das Obergericht des Kantons Bern, das
jedoch mit Entscheid vom 23. August 1939 das Urteil des Amtsgerichts
bestätigte.
C. ­ Mit der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde beantragt Eggli Aufhebung des
obergerichtlichen Urteils und Freisprechung, eventuell Rückweisung an die
Vorinstanz zu neuer Beurteilung.
D. ­ Die Staatsanwaltschaft Bern hat sich nicht vernehmen lassen; das
Obergericht verweist auf die Urteilserwägungen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Die Feststellung der Vorinstanz, dass Wyss sich im Zustand der
Angetrunkenheit befunden habe, ist tatsächlicher Natur und daher für den
Kassationshof verbindlich. Es kann deshalb keinem Zweifel unterliegen, dass
der Tatbestand des Hauptdeliktes, nämlich des Fahrens in angetrunkenem Zustand
(Art. 59 MFG), erfüllt war. Damit ist die erste und unumgängliche
Voraussetzung, die mit Rücksicht auf die akzessorische Natur der
Gehilfenschaft vorliegen muss, gegeben.
2. ­ Gemäss Art. 21 BStrR, der nach Art. 65 MFG auf Motorfahrzeugvergehen
Anwendung findet, kennzeichnet sich die Gehilfenschaft durch die vorsätzliche
Förderung der strafbaren Handlung durch Rat und Tat.
a) Eine solche Förderung hat im vorliegenden Fall die Vorinstanz mit Recht
darin erblickt, dass der Beschwerdeführer den Wyss wiederholt zum Einkehren
aufgefordert

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und ihm in sieben von acht Malen die Zeche bezahlt hat. Die Tätigkeit des
Beschwerdeführers bezog sich zwar nicht auf das Führen des Motorfahrzeugs
selbst, sondern auf das Sichantrinken des Führers, also auf eine Art
Vorbereitungshandlung zur Begehung des Deliktes des Art. 59 MFG. Bei diesem
handelt es sich nämlich nicht um ein zusammengesetztes Delikt, welches in das
Sichantrinken einerseits und das Führen des Motorfahrzeuges anderseits
zerfällt. Das Sichantrinken ist vielmehr eine rechtlich neutrale Handlung, die
erst Bedeutung erlangt, wenn zu ihr die weitere Handlung des Fahrens in diesem
Zustand hinzutritt. Dadurch kennzeichnet sie sich als Vorbereitungshandlung,
die straflos bleibt, wenn es bei ihrer Vornahme sein Bewenden hat, aber
strafrechtlich bedeutsam wird, wenn sie sich in einer Tätigkeit fortsetzt, die
zu einem deliktischen Erfolg führt. Im allgemeinen wird die
Vorbereitungshandlung allerdings bewusst im Hinblick auf das zu begehende
Delikt vorgenommen. Hieran fehlt es gewöhnlich bei dem Sichantrinken als
Vorstadium des Fahrens in angetrunkenem Zustand; allein dieser Unterschied
steht der Behandlung des Sichantrinkens als Vorbereitungshandlung nicht im
Wege. Er erklärt sich aus der besonderen Natur des Deliktes, welches einen
bestimmten Zustand voraussetzt, der bewusst oder unbewusst herbeigeführt
worden sein kann.
Auch die Förderung einer blossen Vorbereitungshandlung einer nachträglich
ausgeführten oder mindestens versuchten Tat stellt jedoch einen Akt der
Gehilfenschaft dar. Denn durch sie wird die Begehung des Deliktes ebenso
gefördert, wie wenn der Gehilfe die Vorbereitungshandlung, z. B. durch die in
Art. 21 BStrR erwähnte Herbeischaffung von Mitteln, selber vornimmt. Ebenso
kann das in Art. 21 weiter erwähnte Beispiel der Beihilfe durch Belehrung über
die Art der Ausführung neben der Beratung hinsichtlich von
Ausführungshandlungen auch diejenige über blosse Vorbereitungshandlungen
umfassen (wie z. B. Nachweis einer Bezugsquelle für Einbruchswerkzeuge beim
Einbruchsdiebstahl).

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Der Beschwerdeführer bestreitet nun, die Haupttat befördert zu haben, indem er
geltendmacht, dass Wyss nach seiner eigenen Darstellung auf anderen Fahrten
ohne ihn ebenso oft eingekehrt sei und gleichviel Alkohol getrunken habe.
Diese Behauptung des Beschwerdeführers kann jedoch nicht gehört werden. Zwar
hat sich Wyss im Laufe der Untersuchung einmal ungefähr in diesem Sinne
ausgesprochen. In anderem Zusammenhange hat er jedoch eine gegenteilige
Äusserung getan, und dieser hat die Vorinstanz den Vorzug gegeben. Darin liegt
eine für den Kassationshof verbindliche Beweiswürdigung. Abgesehen hievon
stünde auch der vom Beschwerdeführer behauptete Sachverhalt der Annahme einer
Beihilfe nicht im Wege. Die vom Beschwerdeführer anerkannte Tatsache, dass er
mit einer Ausnahme in sämtlichen Fällen die Zeche bezahlt hat, würde allein
schon ausreichen. Denn dieses Verhalten hätte die Begehung des Deliktes durch
Wyss selbst dann gefördert, wenn im übrigen der Anstoss zum Wirtshausbesuch
nicht vom Beschwerdeführer ausgegangen wäre und Wyss auch ohne seine
Gesellschaft gleichviel Alkohol genossen hätte. Ebenso ist entgegen der
Ansicht des Beschwerdeführers unerheblich, ob er dem Wyss die Bezahlung der
Zeche jeweils vorher zugesichert habe oder nicht. Es genügt, dass er
tatsächlich bezahlt hat und dass Wyss nach den ersten Wirtshausbesuchen damit
rechnen konnte, Eggli werde auch weiterhin bezahlen.
b) Die weitere Voraussetzung, dass die Förderung vorsätzlich erfolgt sei, hat
die Vorinstanz bejaht mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe zwar nicht
direkt beabsichtigt, den Wyss betrunken zu machen, damit er in diesem Zustande
den Wagen führe, aber er habe im einen wie im andern Punkte den nachher
eingetretenen Erfolg als möglich vorausgesehen und ihn trotzdem in Kauf
genommen. Dieses Verhalten trage die Merkmale des eventuellen Vorsatzes, der
für die Annahme der Gehilfenschaft ausreiche.
Letzteres, wie auch die Begriffsbestimmung des eventuellen Vorsatzes, ist
richtig und verstösst nicht gegen

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Bundesrecht. Ob der Beschwerdeführer aber tatsächlich mit der Möglichkeit
rechnete, dass Wyss in den Zustand der Angetrunkenheit gerate, sowie, ob er
dies in Kauf nahm, sind, wenn sie auch innere Tatsachen betreffen, doch
Tatfragen. Deren Bejahung durch die Vorinstanz, die auf Grund eingehender
Beweiswürdigung zu ihrem Entscheid gelangt ist, bindet daher den
Kassationshof. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, dass er über die
Wirkung des Alkohols auf Chauffeure im Unklaren gewesen sei und die
Betrunkenheit des Wyss nicht bemerkt habe, sind deshalb nicht zu hören. Zudem
ist es eine allgemeine Erfahrungstatsache, dass der Genuss von 1¼ Liter Wein
innert relativ kurzer Zeit auch bei einem alkoholgewöhnten Mann nicht spurlos
bleibt. Ebenfalls Tatfrage ist sodann, ob der Beschwerdeführer mit der
Möglichkeit rechnete, dass Wyss trotz seinem Zustande den Wagen nach Bern
zurückführen werde, und ob er auch diese Möglichkeit in Kauf nahm. Die
Feststellungen der Vorinstanz auch in diesem Punkte sind somit für den
Kassationshof massgebend. Die Richtigkeit derselben kann übrigens nicht
zweifelhaft sein, wenn man in Betracht zieht, dass Wyss offenbar schon vor dem
letzten Wirtschaftsbesuch in Zollikofen angeheitert war, dass für ihn
praktisch gar keine andere Möglichkeit bestand, als mit dem Wagen noch nach
Bern zurückzufahren, und dass trotzdem der Beschwerdeführer wiederum zum
Einkehren Hand bot und die Zeche bezahlte.
Der Vorinstanz ist schliesslich auch beizupflichten, wenn sie es als
unerheblich bezeichnet, ob der Beschwerdeführer wegen eigener Betrunkenheit
nicht mehr zu erkennen vermochte, dass von einem bestimmten Zeitpunkt an Wyss
unter dem Einfluss des Alkohols stand. Dies vermöchte ihn nach Art. 27 BStrR
nicht zu entlasten, weil er durch sein eigenes Verschulden in diesen Zustand
gekommen wäre.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Beschwerde wird abgewiesen:
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 65 I 336
Date : 01 janvier 1938
Publié : 16 octobre 1939
Source : Tribunal fédéral
Statut : 65 I 336
Domaine : ATF - Droit administratif et droit international public
Objet : Motorfahrzeuggesetz.Gehilfenschaft zu Fahren in angetrunkenem Zustand, begangen durch Bezahlung der...


Répertoire ATF
65-I-336
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
autorité inférieure • complicité • cour de cassation pénale • conduite en état d'ivresse • état de fait • jour • café • chauffeur • exactitude • comportement • question de fait • motivation de la décision • automobile • infraction • alcoolisme • nombre • décision • auxiliaire • peintre • vin
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