S. 209 / Nr. 37 Gleichheit vor dem Gesetz (Rechtsverweigerung) (d)

BGE 65 I 209

37. Urteil vom 6. Oktober 1939 i. S. Grieder gegen Basel-Landschaft.


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Regeste:
Notwendiges Erfordernis der steuerpflichtigen Schenkung, auch der sog.
gemischten Schenkung, ist, dass sich beim Vertragsabschluss der Wille einer
Vertragspartei äussert, der andern eine unentgeltliche Zuwendung zu machen,
eine Freigebigkeit zu erweisen. Die Missachtung dieses Erfordernisses bildet
Willkür.
Pour qu'une donation (y compris la donation dite mixte) soit imposable comme
telle, Il faut que, lors de la conclusion du contrat, l'un des contractants
ait manifesté la volonté de faire une libéralité à l'autre. C'est là une
condition que le fisc ne peut ignorer sans arbitraire.
Affinchè una donazione (anche una cosiddetta donazione mista) sia imponibile,
è requisito necessario che al momento della conclusione del contratto una
parte contraente dichiari di voler fare all'altra parte una liberalità. Il non
tener conto di tale requisito é arbitrario.

Auf Grund eines Vorkaufsrechtes erwarb der Rekurrent Grieder durch Vertrag vom
1. Februar 1939 den Eigentumsanteil des Otto Rickenbacher an Liegenschaften,
die in ihrem Miteigentum standen, für Fr. 40000.-. Da der Steuer- (Kataster)
Wert der Liegenschaften damals Fr. 100340.- betrug, also derjenige des
Anteils, den der Rekurrent neu erworben hatte, den Kaufpreis um Fr. 10170.-
überstieg, so nahm die Finanzdirektion des Kantons Baselland an, es liege in
dieser Höhe eine steuerpflichtige

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Schenkung im Sinne des § 3 des basellandschaftlichen Gesetzes über die
Erbschafts- und Schenkungssteuer vom 16. Februar 1920 vor. Sie legte daher dem
Rekurrenten eine Schenkungssteuer von Fr. 1728.90 auf. Die erwähnte
Gesetzesbestimmung lautet (gleich wie Art. 3 des entsprechenden bernischen
Gesetzes vom 6. April 1919, das dem basellandschaftlichen zum Vorbild gedient
hat):
«Als Schenkung im Sinne dieses Gesetzes gilt jede freiwillige und
unentgeltliche Zuwendung von Geld, Sachen oder Rechten irgendwelcher Art mit
Einschluss des Erbauskaufes (Art. 495
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 495 - 1 Der Erblasser kann mit einem Erben einen Erbverzichtvertrag oder Erbauskauf abschliessen.
1    Der Erblasser kann mit einem Erben einen Erbverzichtvertrag oder Erbauskauf abschliessen.
2    Der Verzichtende fällt beim Erbgang als Erbe ausser Betracht.
3    Wo der Vertrag nicht etwas anderes anordnet, wirkt der Erbverzicht auch gegenüber den Nachkommen des Verzichtenden.
ZGB) und der Stiftung (Art. 80
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 80 - Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es der Widmung eines Vermögens für einen besondern Zweck.
und ff.
ZGB), sowie der schenkungsweise Erlass von Verbindlichkeiten.
» Entgeltliche Rechtsgeschäfte, bei welchen die Leistungen des einen Teils in
einem offenbaren Missverhältnis zur Gegenleistung stehen, werden für den durch
die Gegenleistung nicht gedeckten Wert der Leistung einer Schenkung
gleichgestellt.
» Die Gründe und Absichten, aus welchen die Schenkung erfolgte, üben auf die
Steuerpflicht keinen Einfluss aus»
Einen Rekurs des Grieder gegen die Steuerauflage wies das Obergericht des
Kantons Baselland am 7. Juli 1939 ab. Es verwies zunächst auf § 3 Abs. 2 des
Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes und bezeichnete als wichtig Abs. 3
von § 3. Im Anschluss hieran führte es aus: «Die Leistung des Otto
Rickenbacher an seinen Miteigentümer Albert Grieder stellt sich rechtlich als
eine gemischte Schenkung im Sinne von § 3 Abs. 2 ESchStG dar, wobei nach §1 7
des Gesetzes die Differenz zwischen der Katasterschatzung und dem Kaufpreis
den Wert der der Schenkung gleichzustellenden Leistung darstellt... Nun ist
freilich zutreffend, dass Rickenbacher seinen Hälfteanteil dem Grieder nicht
freiwillig, sondern auf Grund der Bestimmungen des Vorkaufsvertrages zu bloss
Fr. 40000.-

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verkauft hat. Da es sich hier aber um die Anwendung von § 3 Abs. 2 des
Gesetzes handelt, ist es rechtlich unerheblich, ob die der Schenkung
gleichzustellende Zuwendung freiwillig oder auf Grund einer Rechtspflicht
erfolgt ist. Das vom Beschwerdeführer angeführte Urteil des Obergerichts i. S.
Britt (Amtsbericht 1935 S. 44) bezog sich auf die Schenkung im eigentlichen
Sinne, sodass der dortige Passus, es bedürfe, um eine Schenkung im Sinne des
Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes auszuschliessen, einer rechtlichen
Verpflichtung zur gemachten Zuwendung, auf den vorliegenden Fall keine
Anwendung findet. Im Gegensatz zu Abs. l des genannten § 3 liegt bei
entgeltlichen Rechtsgeschäften eine Schenkung schon dann vor, wenn objektiv
zwischen Leistung und Gegenleistung ein offenbares Missverhältnis besteht,
gleichgültig, ob der Grund der Zuwendung auf Freiwilligkeit, einer sittlichen
Pflicht oder einer Rechtspflicht beruht. Bei entgeltlichen Rechtsgeschäften
wird nämlich immer auf Grund einer Rechtspflicht geleistet, und es ist eben
Aufgabe der Steuerbehörde, zu erforschen, ob entgegen dem äussern Schein des
Geschäftes eine Schenkung vorliegt...» Demnach brauche bei entgeltlichen
Rechtsgeschäften die subjektive Schenkungsabsicht gar nicht erst nachgewiesen
zu werden.
Gegen diesen Entscheid hat Grieder die staatsrechtliche Beschwerde ergriffen
mit dem Antrag, er sei wegen Willkür aufzuheben und es sei zu erkennen, dass
der Rekurrent für den Kauf des Liegenschaftenanteils nicht steuerpflichtig
sei.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen.
Aus den Gründen:
Zivilrechtlich ist eine Schenkung, ein Schenkungsvertrag nicht denkbar ohne
den Willen einer Vertragspartei, der andern eine unentgeltliche Zuwendung zu
machen, eine Freigebigkeit zu erweisen (BGE 50 II S. 372). Nach dem Wortlaut
von § 3 Abs. l des basellandschaftlichen

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Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes ist es klar, dass der
Schenkungsbegriff dieses Gesetzes insofern grundsätzlich mit dem
zivilrechtlichen übereinstimmt. Dann muss das aber auch für Absatz 2 von § 3
gelten, der eine Unterart der steuerpflichtigen Schenkung ordnet. Er betrifft,
wie auch das Obergericht zugibt, die sogenannte gemischte Schenkung. Unter
einer solchen ist nichts anderes zu verstehen, als «die in das Gewand eines
entgeltlichen Rechtsgeschäftes unter Lebenden gekleidete Vermögensabtretung,
bei der die Gegenleistung, der Preis, bewusst niedriger angesetzt worden ist,
als der Wert der abgetretenen Gegenstände, in der Absicht, die Differenz dem
Empfänger unentgeltlich zukommen zu lassen» (BGE 45 II S. 520; Monatschrift
für bernisches Verwaltungsrecht 19 Nr. 48, 25 Nr. 118, 36 Nr. 23). Es kann
unmöglich der Sinn des zweiten Absatzes von § 3 sein, in allen Fällen
vertragliche Leistungen, denen keine auch nur annähernd gleichwertige
Gegenleistung gegenübersteht, mit einer besondern Steuer zu belegen, also z.
B. auch dann, wenn die leistende Partei sich über den Wert der eigenen oder
der Gegenleistung geirrt hat, darüber getäuscht oder ihre Notlage, ihre
Unerfahrenheit oder ihr Leichtsinn ausgebeutet worden ist oder sie durch
Erregung gegründeter Furcht trotz der Kenntnis des Missverhältnisses von
Leistung und Gegenleistung zum Vertragsabschluss bestimmt worden ist (OR Art.
21, 23, 28, 29) und der Vertrag gleichwohl von ihr gehalten wird.
Allerdings üben nach Absatz 3 von § 3 die Gründe und Absichten, aus welchen
die Schenkung erfolgt, auf die Steuerpflicht keinen Einfluss aus. Das bedeutet
aber auf keinen Fall, dass es unerheblich ist, ob das nach Abs. 1 wesentliche
Merkmal für den Begriff der Schenkung, der Wille der unentgeltlichen
Zuwendung, vorhanden ist, sondern nur, dass es auf die Motive der Schenkung
nicht ankommt und insofern der steuerrechtliche Begriff der Schenkung weiter
sein kann als der zivilrechtliche (BLUMENSTEIN, Schweiz. Steuerrecht I S. 201
Anm. 113).

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Das Obergericht weist im angefochtenen Entscheid daraufhin, dass die Leistung
bei entgeltlichen Rechtsgeschäften immer auf Grund einer Rechtspflicht
erfolge. Allein auch daraus lässt sich ganz offensichtlich nichts gegen die
Annahme ableiten, dass in entgeltlichen Rechtsgeschäften nur dann eine
steuerpflichtige Schenkung liegt, wenn der Wille der unentgeltlichen Zuwendung
vorhanden ist. Wie das Obergericht in der Beschwerdeantwort selbst hervorhebt,
erfolgt auch bei Schenkungen im Sinne des Abs. 1 von § 3 des Erbschafts- und
Schenkungssteuergesetzes die Leistung auf Grund eines Schenkungsvertrages und
daher gemäss einer dadurch begründeten rechtlichen Verpflichtung. Das
schliesst aber nicht aus, dass dem Schenkungsvertrag der Wille der
unentgeltlichen Zuwendung zu Grunde liegt. Das gleiche gilt für entgeltliche
Rechtsgeschäfte, die eine Schenkung in sich schliessen. Wenn auch die
Steuerpflicht erst mit dem Vollzug oder der Fälligkeit der Schenkung eintritt
(Monatschrift für bernisches Verwaltungsrecht 20 Nr. 36), so kommt es doch
nicht darauf an, ob beim Vollzug, bei der Erfüllung des Vertrages der Wille
der unentgeltlichen Zuwendung vorhanden ist, sondern darauf, ob er sich beim
Vertragsabschluss äusserte und für diesen wesentlich war. Die Annahme des
Obergerichtes, der Wille der unentgeltlichen Zuwendung bilde kein wesentliches
Merkmal für die entgeltlichen Rechtsgeschäfte im Sinne des § 3 Abs. 2 des
Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes, ist daher Willkür
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 65 I 209
Datum : 01. Januar 1938
Publiziert : 06. Oktober 1939
Quelle : Bundesgericht
Status : 65 I 209
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Notwendiges Erfordernis der steuerpflichtigen Schenkung, auch der sog. gemischten Schenkung, ist...


Gesetzesregister
ZGB: 80 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 80 - Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es der Widmung eines Vermögens für einen besondern Zweck.
495
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 495 - 1 Der Erblasser kann mit einem Erben einen Erbverzichtvertrag oder Erbauskauf abschliessen.
1    Der Erblasser kann mit einem Erben einen Erbverzichtvertrag oder Erbauskauf abschliessen.
2    Der Verzichtende fällt beim Erbgang als Erbe ausser Betracht.
3    Wo der Vertrag nicht etwas anderes anordnet, wirkt der Erbverzicht auch gegenüber den Nachkommen des Verzichtenden.
BGE Register
45-II-513 • 50-II-370 • 65-I-209
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
gegenleistung • wille • wert • rechtspflicht • gemischte schenkung • vertragsabschluss • vertragspartei • basel-landschaft • kaufpreis • erbschafts- und schenkungssteuer • vorkaufsrecht • schenkung • begünstigung • entscheid • entgeltlichkeit • bruchteil • willkürverbot • staatsrechtliche beschwerde • miteigentum • wiese
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