S. 193 / Nr. 33 Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr (d)

BGE 65 I 193

33. Urteil des Kassationshofs vom 25. September 1939 i. S. Pfenninger gegen
Kreisamt V Dorfer.

Regeste:
Lernfahrt, Art. 14 MFG. Begriff derselben. Keine Geltung des persönlichen
Strafausschliessungsgrundes des Art. 14 MFG für das kantonale Strafrecht.

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Verhältnis von Art. 65 Abs. 4 MFG (Absorptionsprinzip bei Idealkonkurrenz
zwischen eidgenössischen und kantonalen Strafbestimmungen) zu Art. 21 BStrP
(Strafschärfungsprinzip).
Course d'apprentissage, art. 14 LA. Définition. La qualité d'élève conducteur
n'exclut point la responsabilité pénale au regard du droit cantonal.
Rapports de l'art. 65 al. 4 LA (absorption du délit le moins grave par le plus
grave en cas de concours idéal entre deux infractions prévues, l'une par le
droit fédéral et l'autre par le droit cantonal) avec l'art. 21 PPF
(augmentation de la peine prévue pour le délit le plus grave).
Corsa per imparare a condurre, art. 14 LCAV. Definizione. La qualità di
allievo non esclude la responsabilità riguardo al diritto cantonale.
Relazione tra l'art. 65 cp. 4 LCAV (il delitto meno grave è assorbito dal
delitto più grave nel caso in cui vi sia concorso ideale tra due infrazioni
previste l'una dal diritto federale l'altra dal diritto cantonale) e l'art. 21
CPF (aumento della pena prevista pel delitto più grave)

A. - Am 16. Juli 1938 stürzte das vom Beschwerdeführer Pfenninger gesteuerte
Auto, in welchem ausser Pfenninger selber noch sein Vater, sowie zwei Frauen
und ein Mädchen sassen, in der Nähe von Landquart in einen Fabrikkanal.
Während sich der Beschwerdeführer durch Schwimmen retten konnte, ertranken die
übrigen Insassen des Autos.
Der Beschwerdeführer, der am 22. Juni 1920 geboren ist, war seit dem 2. Juli
1938 im Besitz eines Lernfahrausweises. Sein Vater hatte ihm jedoch schon seit
einigen Jahren öfters die Lenkung des Autos überlassen. So hatte der
Beschwerdeführer auch am Unfalltage das Auto von Schiers über
Davos-Lenzerheide-Chur gesteuert, während sein Vater neben ihm Platz genommen
hatte. Vor dem Unfall hatte der Beschwerdeführer seine Geschwindigkeit wegen
der dort befindlichen Kurve von ca. 80 km auf 50-60 km herabgesetzt. Der Wagen
geriet jedoch auf der nassen Strasse ins Schleudern, demolierte dabei drei
eiserne Zaunpfosten und stürzte über die Böschung in den Kanal hinunter.
B.- Das Kreisgericht der V Dörfer hat am 17. Dezember 1938 den
Beschwerdeführer wegen Übertretung des Art. 25 MFG und fahrlässiger Tötung zu
einem Monat

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Gefängnis, bedingt erlassen, sowie zu Fr. 2000. - Geldbusse verurteilt.
Auf Beschwerde des Pfenninger hin hat der Kleine Rat des Kantons Graubünden
mit Urteil vom 3. April 1939 die Busse auf Fr. 400. - herabgesetzt, im übrigen
dagegen das Urteil der 1. Instanz bestätigt.
Die beiden kantonalen Instanzen haben angenommen, die Fahrt sei keine
Lernfahrt im Sinne von Art. 14 Abs. 1 MFG gewesen, bei der die Begleitperson,
also der Vater Pfenninger, die Verantwortung als Führer trug. Der
Beschwerdeführer habe den Lernfahrausweis nicht gelöst, um fahren zu lernen,
sondern nur, weil dies Voraussetzung für die Erlangung des Führerausweises
sei. Die Fahrt sei auch deshalb keine Lernfahrt gewesen, weil ausser der
Begleitperson noch weitere Passagiere mitgefahren seien. Ferner könne eine
Fahrt, die so grosse Anforderungen an den Lenker stelle, nicht als blosse
Lernfahrt betrachtet werden. Der Beschwerdeführer habe daher die
Verantwortlichkeit für seine gegen Art. 25 MFG verstossende Fahrweise selber
zu tragen; infolge der Verletzung von Art. 25 MFG sei er ferner der
fahrlässigen Tötung schuldig.
C. - Gegen den Entscheid des Kleinen Rates hat Pfenninger die
Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts ergriffen mit
dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Freisprechung. Er macht
geltend, dass eine Lernfahrt immer dann vorliege, wenn der Inhaber eines
Lernfahrausweises in Begleitung des Fahrlehrers ein Motorfahrzeug führe. Die
Verurteilung des Beschwerdeführers bedeute daher eine Verletzung des in Art.
14 Abs. 1 MFG aufgestellten Grundsatzes der Nichtverantwortlichkeit des
Fahrschülers.
Der Kassationshof zieht in Erwägung.
1.- Dem Beschwerdeführer ist darin beizupflichten, dass jede Fahrt, die der
Inhaber eines Lernfahrausweises in Begleitung des Fahrlehrers unternimmt, als
Lernfahrt im Sinne von Art. 14 Abs. 1 MFG anzusehen ist. Die von der
Vorinstanz gemachte Unterscheidung, wonach massgebend

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sein soll, ob die Fahrt zu Lernzwecken ausgeführt werde oder nicht, ist
praktisch nicht durchführbar. Jede Fahrt dient schliesslich dazu, die Übung
und Erfahrung des Führers zu vervollkommnen. Wenn die Vorinstanz darauf
abstellen will, ob die durchfahrene Strecke schwierig sei oder nicht, so ist
ihr entgegenzuhalten, dass der Fahrschüler mit fortschreitender Ausbildung
auch grössere, verkehrsreichere und gefährlichere Strecken selbständig, wenn
auch unter der Kontrolle des Fahrlehrers, zurücklegen muss, um die
erforderliche Fahrsicherheit zu erlangen. Wieso eine solche Lehrfahrt nicht im
Rahmen einer Autotour soll vorgenommen werden können, ist nicht einzusehen.
Das Wesentliche ist die Anwesenheit der verantwortlichen Begleitperson. Auch
die Mitnahme weiterer Passagiere vermag der Fahrt den Charakter einer
Lernfahrt nicht zu nehmen, da das Gesetz diesbezüglich kein Verbot enthält.
2.- War aber die Fahrt eine Lernfahrt, so traf die strafrechtliche
Verantwortlichkeit für Verstösse gegen die Fahrvorschriften des MFG nach Art.
14 Abs. 1 die Begleitperson, hier also den Vater Pfenninger, während der
Beschwerdeführer als Fahrschüler dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden
konnte. Hieraus folgt jedoch entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht,
dass auch eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung ausgeschlossen sei. Wie in
BGE 63 I 254 entschieden wurde, gilt der persönliche Strafausschliessungsgrund
des Art. 14 MFG lediglich für den Bereich des eidgenössischen Rechts, nicht
dagegen auch für das kantonale Strafrecht. Unter dem Gesichtspunkt des
kantonalrechtlichen Delikts der fahrlässigen Tötung durfte daher die
Vorinstanz dem Beschwerdeführer eine objektive Verletzung des Art. 25 MFG, die
in einer den Strassenverhältnissen nicht angepassten Geschwindigkeit bestand
und die vom Beschwerdeführer mit Recht nicht bestritten, sondern ausdrücklich
zugegeben wird, zur Last legen, obwohl er nach Bundesrecht dafür nicht
bestraft werden durfte.
3.- Auf das Strafmass war der Umstand, dass die

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Vorinstanz den Beschwerdeführer auch der Übertretung von Art. 25 MFG für
schuldig erachtete, ohne Einfluss. Denn nach Art. 65 Abs. 4 MFG (der nach BGE
61 I 435 bei Idealkonkurrenz zwischen eidgenössischen und kantonalen
Strafbestimmungen trotz Art. 21 BStrP als Sonderbestimmung weiterhin gilt;
vergl. die nicht publ. Entscheide des Kassationshofes i. S. Bühler vom 21.
Juni 1938 und Sandhofer vom 18. Juli 1938) gelangte die für die
Körperverletzung als das schwerere Delikt geltende Strafe allein zur
Anwendung, und zwar ohne Erhöhung wegen der gleichzeitig als vorliegend
betrachteten Straftat des eidgenössischen Rechts. Die gegen die von der
Vorinstanz ausgesprochene Strafe gerichtete Beschwerde ist daher abzuweisen.
Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 65 I 193
Datum : 01. Januar 1938
Publiziert : 25. September 1939
Quelle : Bundesgericht
Status : 65 I 193
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Lernfahrt, Art. 14 MFG. Begriff derselben. Keine Geltung des persönlichen...


BGE Register
61-I-429 • 63-I-254 • 65-I-193
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