S. 72 / Nr. 20 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 64 III 72

20. Entscheid vom 18. Mai 1938 i. S. Dukas.

Regeste:
SchKG Art. 68 bis.
Gebührentarif Art. 18-20.
Bei der Betreibung gegen eine Ehefrau ist für die doppelte Zustellung des
Zahlungsbefehles an den Mann und die Frau gemäss Art. 68 bis SchKG je die
volle Betreibungsgebühr laut Art. 18-20 des Gebührentarifes zu berechnen.
Art. 68 bis LP.; art. 18 à 20 tarif des frais.
Dans la poursuite contre une femme mariée, le tarif plein selon les art. 18 à
20 du tarif des frais s'applique à chacun des deux commandements de payer
notifiés l'un au mari et l'autre à la femme, en conformité de l'art. 68 bis
LP.
Art. 68 bis LEF; art. 18-20 tariffa.
Nell'esecuzione contro la moglie la tariffa piena secondo gli art. 18-20 della
tariffa si applica a ciascuno dei due precetti esecutivi, di cui l'uno è
notificato al marito l'altro alla moglie conformemente all'art. 68 bis LEF.

Der Rekurrent hob eine Arrestbetreibung an für eine Forderung von Fr. 200000.-
gegen «Frau Bella

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Witkowski geb. Dukas, gesetzlich vertreten durch ihren Ehemann Dr. Max
Witkowski, beide wohnhaft in Heidelberg». Das Betreibungsamt Basel-Stadt
stellte gemäss der neuen Vorschrift SchKG Art. 68 bis beiden Ehegatten je
einen Zahlungsbefehl zu und verlangte vom Betreibenden hiefür die doppelten
Betreibungskosten. Hierüber beschwerte sich der Gläubiger bei der
Aufsichtsbehörde des Kantons Basel-Stadt. Er behauptet, es dürfe die volle
Betreibungsgebühr nur einmal verrechnet und für die Zustellung eines besondern
Zahlungsbefehles an die Frau nur der in Art. 18 Abs. 2 des Gebührentarifs
vorgesehene Zuschlag von 20 Rpn. bezogen werden. Die Vorinstanz hat seine
Beschwerde abgewiesen. Er erneuert seinen Antrag mit dem vorliegenden Rekurs
an das Bundesgericht.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Die Verordnung des Bundesrates vom 23. Dezember 1919 über den Gebührentarif
zum Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz regelt in Art. 18 bis 20 die für die
Anhebung der Betreibung zu entrichtenden Gebühren. Sie unterscheidet dabei
zwischen der Eintragung und doppelten Ausfertigung des Zahlungsbefehles, für
die ein nach der Höhe der Betreibungsforderung abgestufter Gebührenbetrag von
Fr. -.30 bis 4.- geschuldet wird (Art. 18), der Zustellung des
Zahlungsbefehles an den Schuldner, für die sie einen Gebührenrahmen von Fr.
-.10 bis 3.60 festlegt (Art. 19), und der Zustellung des Zahlungsbefehldoppels
an den Betreibenden, wofür ein Gebührenansatz von Fr. -.20 bis 2.- aufgestellt
ist (Art. 20). Hievon gesondert behandelt die Vorschrift Art. 18 Abs. 2 den
Fall, wo mehr als zwei Ausfertigungen des Zahlungsbefehls notwendig sind. Für
jede dieser weitern Ausfertigungen setzt sie eine Gebühr von 20 Rpn. fest ohne
Rücksicht auf die Höhe der Betreibungssumme und auch ohne eine den Art. 19 und
20 entsprechende Gebühr

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für die Zustellung des Zahlungsbefehles an den Schuldner und die Übermittlung
des Doppels an den Gläubiger festzulegen. Diese Unterscheidung liegt darin
begründet, dass es sich im ersten Fall um den das Betreibungsverfahren
eröffnenden und bestimmte weitere Massnahmen (Rechtsvorschlag, Zustellung des
Gläubigerdoppels) auslösenden Betreibungsakt handelt, für den eine Abstufung
der Gebühren nach der Bedeutung der Betreibung, d. h. der Höhe der
Betreibungsforderung angebracht ist, während die Ausfertigung weiterer
Zahlungsbefehldoppel im Sinne von Art. 18 Abs. 2 nicht von selbständiger
verfahrensrechtlicher Bedeutung, sondern der Betreibungshandlung lediglich
zugefügt und daher durch eine blosse zusätzliche Schreibgebühr zu entschädigen
ist.
Ob die Gebührenberechnung des beschwerdebeklagten Betreibungsamtes richtig
sei, hängt somit von der rechtlichen Natur des Zahlungsbefehles ab, der der
Ehefrau persönlich ausser dem ihrem Mann als gesetzlichem Vertreter
zugestellten Exemplar gemäss Art. 68 bis SchKG auszuhändigen ist. Hat diese
Zustellung an die Frau neben derjenigen an den Mann eine selbständige
verfahrensrechtliche Bedeutung, ist sie eine besondere Betreibungshandlung mit
den dieser anhaftenden rechtlichen Wirkungen, eröffnet sie zum Beispiel für
die Ehefrau das Recht zur Erhebung eines eigenen Rechtsvorschlages und
verpflichtet sie demgemäss das Betreibungsamt zur Beachtung der für die
Registrierung und Zustellung des Zahlungsbefehles vorgeschriebenen besondern
Formen, zur Überwachung des richtigen Einganges des Rechtsvorschlages und
Weiterleitung desselben an den Gläubiger, so ist auch der Bezug der vollen,
oben dargestellten Gebühren gerechtfertigt. Diese Voraussetzungen sind hier
erfüllt. Das Bundesgericht hat schon unter dem alten Rechtszustand bei
Betreibungen gegen die Ehefrau für Vollschulden die Zustellung des
Zahlungsbefehles sowohl an den Mann als den gesetzlichen Vertreter und
Nutzungsberechtigten, wie aber auch an die Frau selbst

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verlangt, an diese gerade, um ihr die Möglichkeit einzuräumen, sich
selbständig gegen die Betreibung zur Wehr zu setzen und so einen ihr durch
Nachlässigkeit ihres Mannes in der Wahrung ihrer Interessen drohenden
Rechtsnachteil abzuwenden (BGE 51 III 92; 58 III 101 und 61 III 5). Eine
geringere Bedeutung kann der vom Gesetz nun ausdrücklich vorgeschriebenen
doppelten Zustellung des Zahlungsbefehles an den Mann und die Frau nicht
zukommen. Dies erhellt auch daraus, dass diese Vorschrift, die im
ursprünglichen Revisionsentwurf noch nicht enthalten war, beigefügt wurde im
Anschluss an mehrfache, das Recht der Frau zur selbständigen Wahrung ihrer
Interessen in der Betreibung verteidigende Äusserungen zum Gesetzesentwurf
(vgl. die Aufsätze von CARRY in der Semaine judiciaire 1930 S. 161, EGGER,
ZIEGLER und HELD in SJZ Bd 27 S. 125,173 und 305). Damit ist, ohne dass im
übrigen die Tragweite der neuen Vorschrift Art. 68 bis SchKG in diesem
Zusammenhang erschöpfend erörtert zu werden braucht, jedenfalls klargestellt,
dass es sich bei der Zustellung des Zahlungsbefehles an die Frau nicht bloss
um eine weitere «Ausfertigung» im Sinne des Art. 18 Abs. 2 des Gebührentarifs
handelt. In diesem Sinne hat das Bundesgericht die Frage schon im Jahre 1937
beurteilt, als es beim Neudruck des Betreibungsformulares Nr. 1
(Betreibungsbegehren) den Art. 68 bis wiedergeben liess und hiebei dem Satze
«Der Ehefrau ist ebenfalls ein Zahlungsbefehl zuzustellen» beifügte: «wofür
der zu leistende Kostenvorschuss zu verdoppeln ist». Das Vorgehen des
Betreibungsamtes Basel-Stadt entspricht dieser Weisung.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 64 III 72
Datum : 01. Januar 1937
Publiziert : 18. Mai 1938
Quelle : Bundesgericht
Status : 64 III 72
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : SchKG Art. 68 bis.Gebührentarif Art. 18-20.Bei der Betreibung gegen eine Ehefrau ist für die...


Gesetzesregister
SchKG: 68bis
BGE Register
51-III-92 • 58-III-101 • 61-III-5 • 64-III-72
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
zahlungsbefehl • mann • betreibungsamt • rechtsvorschlag • gesetzliche vertretung • basel-stadt • bundesgericht • ehegatte • betreibungshandlung • schuldner • richtigkeit • betreibungsbegehren • weisung • schuldbetreibung • eintragung • kopie • betreibungskosten • kostenvorschuss • vorinstanz • frage
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