S. 23 / Nr. 7 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 64 III 23

7. Entscheid vom 18. Februar 1938 i. S. Dettwyler.


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Regeste:
Der mit eigenem Motorlastwagen das Frachtführergewerbe auf eigene Rechnung
betreibende Schuldner ist Unternehmer, der Lastwagen daher nicht
Kompetenzstück (Art. 92 Ziff. 3 SchKG).
Le débiteur qui exerce la profession de voiturier au moyen d'un camion
automobile exploite une entreprise; le camion n'est donc pas insaisissable en
vertu de l'art. 92, 3 o LP.
Il debitore che con un autocarro proprio esercita la professione di vetturale
per suo conto è un imprenditore; l'autocarro non è quindi impignorabile in
virtù dell'art. 92 cifra 3 LEF.

Die Vorinstanz hat dem Schuldner das gepfändete Lastautomobil Marke Chevrolet,
Jahrgang 1934, von ihm im Mai 1935 angeschafft für Fr. 10450.- und
betreibungsamtlich geschätzt zu Fr. 2000.-, mit dem er Transporte auf eigene
Rechnung ausführt, als unpfändbar freigegeben, weil sich das Transportgeschäft
des Schuldners als Berufsausübung erweise. Die Betriebsauslagen (feste Kosten
+ Fahrkosten) beliefen sich bei einer Jahresleistung von 16000 km auf Fr.
3828.30 im Jahr oder Fr. 319.- im Monat; es könne somit nicht von einem
Überwiegen des kapitalistischen Elements gesprochen werden. Allein auch wenn
man für diese Frage nicht einzig auf die laufenden Betriebsmittel, sondern auf
den ganzen Kapitalaufwand (investiertes Kapital + laufende Ausgaben) abstellen
wolle, komme man auf einen Betrag von Fr. 4698.20 im Jahr oder Fr. 391.- im
Monat, was auch noch kein Vorwiegen des kapitalistischen Moments darstelle,
sonst müsste entgegen der bundesgerichtlichen Praxis auch jeder Taxiwagen als
pfändbar erklärt werden, bei dem die jährlichen Ausgaben bedeutend höher seien
als hier, da mit mindestens 30000 km im Jahr gerechnet werden müsse. Mit dem
vorliegenden Rekurs beantragt der Gläubiger Pfändbarerklärung des Wagens.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
In einem Entscheide vom 5. Februar 1937 i. S. Fischer c. Bern hat die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

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dem Betriebe eines Autotransportführers den Charakter der Berufsausübung im
Sinne des Art. 92 Ziff. 3 SchKG abgesprochen mit Rücksicht auf die -
insbesondere infolge hoher öffentlicher Abgaben - laufend erforderlichen
grossen Geldmittel. In einem neuen Entscheide vom 15. Januar 1938 i. S. Wagner
c. Baselstadt ist das Bundesgericht vorwiegend in Ansehung des im
Anschaffungspreise von Fr. 9500.- investierten bedeutenden Kapitals zum
gleichen Resultate gelangt. Es drängt sich auf, diese beiden Kriterien zu
kombinieren.
Ein erhebliches Kapital ist in jedem betriebsfähigen Motorlastwagen
investiert. Ob der jeweilige Pfändungsschuldner den Wagen relativ neu, z. B.
für Fr. 10000.-, oder aus zweiter bezw. dritter Hand, eventuell gerade aus
einer Zwangsverwertung, zu einem Bruchteil des Neupreises erstanden habe, kann
für die Frage der Pfändbarkeit bei ihm keinen ausschlaggebenden Unterschied
ausmachen; es erscheint im letztgenannten Falle nicht gerechtfertigt, dass der
Occasionserwerber deshalb in den Genuss des Unpfändbarkeitsprivilegs komme,
weil der gleiche Wagen in der Hand seines Vorgängers noch mehr galt und daher
pfändbar war. Den Gläubigern des Camionneurs, insbesondere auch den
Lieferanten des Betriebsstoffs, ist in der Regel nicht erkennbar, wie teuer
jener den Wagen gekauft hat, sodass die Pfändbarkeit nicht vom zufällig
höheren oder niedrigeren Anschaffungspreis abhängen sollte.
Was sodann die Betriebskosten anbelangt, wurde bereits im zit. Falle Wagner
auf die von Kanton zu Kanton ungleich hohe Belastung mit öffentlichen Abgaben
hingewiesen, welche Verschiedenheit eine Grenzziehung erschwert. Die Höhe der
Betriebsauslagen (Betriebsstoff) hängt ferner wesentlich von der Art und
Intensität des Fuhrbetriebs ab. Es wäre unbillig, eine nicht intensive und
daher privatwirtschaftlich schlechte Ausnützung des Betriebsmittels mit der
Zubilligung der Unpfändbarkeit zu prämieren. Es könnte daher sowieso im
einzelnen

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Falle nicht auf die tatsächlich ausgewiesenen, sondern müsste auf die bei
einer rationellen Führung des Betriebs sich ergebenden Unkosten abgestellt
werden.
Gegenüber dem bei jedem Lastwagenbetrieb in den beiden Faktoren des
Investitionswerts und der Betriebsunkosten liegenden kapitalistischen Element
tritt das persönliche stark in den Hintergrund. Von der Ausübung eines in
eigentlicher Berufsausbildung erworbenen oder auf besonderen Fähigkeiten
beruhenden Könnens kann beim Lastwagenführer nicht gesprochen werden. Dieses
Verhältnis zwischen dem sachlichen und dem persönlichen Element der
gewerblichen Tätigkeit ist schon beim Personentaxiführer zugunsten des zweiten
verschoben, indem einerseits Wagenwert und Betriebskosten niedriger sind,
anderseits die Bedienung eine intensivere, geregeltere persönliche Leistung
erfordert. Noch mehr ist dies beim berufsmässigen Fahrlehrer der Fall, wo das
Element des systematischen, übrigens an behördliche Bewilligung (Art. 14 Abs.
3 MFG) geknüpften Lehrens das Betriebsmittel an Bedeutung überwiegt. Die
herrschende Praxis bezüglich Unpfändbarkeit des einzigen Autos des
Taxichauffeurs (BGE 61 III 47) und des Fahrschulautos (60 III 110) wird daher
durch die vorliegende grundsätzliche Entscheidung nicht berührt. Dass die
effektive Höhe der Kapitalinvestition bezw. der Betriebsunkosten nur eine
relative Grösse und entscheidend allein das Verhältnis ihrer Bedeutung
gegenüber der persönlichen Leistung des damit Arbeitenden ist, zeigt sich am
Beispiel des Zahnarztes, dessen Betrieb trotz dem in der Einrichtung
investierten bedeutenden Kapital zweifellos Berufsausübung und nicht
Unternehmen ist.
Demgemäss ist in allen Fällen der Schuldner, der mit eigenem Motorlastwagen
das Frachtführergewerbe auf eigene Rechnung betreibt, als Unternehmer zu
betrachten und daher dem Lastwagen die Kompetenzqualität zu versagen. Die
Behandlung der nicht unter den Begriff des Lastwagens fallenden, aber zum
Warentransport

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benutzten Motorwagen (z. B. sog. Lieferwagen) hat von Fall zu Fall nach den
oben angeführten Gesichtspunkten zu erfolgen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und der
Lastwagen «Chevrolet» pfändbar erklärt.
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 64 III 23
Data : 01. gennaio 1937
Pubblicato : 18. febbraio 1938
Sorgente : Tribunale federale
Stato : 64 III 23
Ramo giuridico : DTF - Diritto delle esecuzioni e del fallimento
Oggetto : Der mit eigenem Motorlastwagen das Frachtführergewerbe auf eigene Rechnung betreibende Schuldner...


Registro di legislazione
LEF: 92
Registro DTF
60-III-110 • 61-III-47 • 64-III-23
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
camion • debitore • mezzo di produzione • tribunale federale • mese • quesito • spese d'esercizio • casale • azienda • automobile • fornitura • rapporto tra • calcolo • ufficio d'esecuzione • autorità inferiore • formazione professionale • maestro conducente • economia privata • rincaro • diritto delle esecuzioni e del fallimento
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