S. 4 / Nr. 2 Familienrecht (d)

BGE 64 II 4

2. Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. März 1938 i. S. Bürgergemeinde Olten
gegen Soloth. Kantonalbank


Seite: 4
Regeste:
Kantonale administrative Weisung zur Behandlung von Gesuchen um Zustimmung
gemäss Art. 177 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
ZGB bei Ungewissheit über die Zuständigkeit:
zivilrechtliche Beschwerde nicht gegeben.

Das solothurnische EG zum ZGB bestimmt in § 126:
«Den Einwohnergemeinden steht zu die Vormundschaft über diejenigen Einwohner,
welche nicht Kantonsbürger sind, den Bürgergemeinden die Vormundschaft über
ihre im Kanton wohnenden Bürger und über die ausserhalb der Schweiz wohnenden
Bürger, für welche das internationale Privatrecht die heimatliche Behörde als
zuständig erklärt».
Da Unsicherheit besteht, ob für Zustimmungserklärungen im Sinne des Art. 177
Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
ZGB gegenüber solothurnischen Eheleuten die Vormundschaftsbehörde des
Heimat- oder die des Wohnortes zuständig sei, hat der Regierungsrat des
Kantons Solothurn in einem Kreisschreiben vom 19. Mai 1931 bis zum Erlass
allgemein verbindlicher kantonaler Vorschriften vorläufig die in Betracht
fallenden Behörden angewiesen, in diesen Fällen die Mitwirkung der
Vormundschaftsbehörden beider Gemeinden zu verlangen. Die in Trimbach
wohnhaften Eheleute Engler-Kamber stellten bei der Vormundschaftsbehörde der
Bürgergemeinde Olten, ihres Heimatortes, ein Gesuch im Sinne des Art. 177 Abs.
3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
ZGB. Diese weigerte sich auf das Gesuch einzutreten, wurde aber durch
Beschwerdeentscheid des Regierungsrates verhalten, es in materielle Behandlung
zu ziehen. Gegen diesen Entscheid rekurriert die Vormundschaftsbehörde der
Bürgergemeinde Olten unter Berufung auf Art. 86 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
. OG an das Bundesgericht
mit dem Antrag auf Feststellung ihrer Unzuständigkeit.

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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Der Regierungsrat des Kantons Solothurn hat nicht zur Frage Stellung genommen,
ob für solothurnische Kantonsbürger die Vormundschaftsbehörde des Wohnsitzes
oder die der Heimat zuständig sei, die Zustimmung im Sinne des Art. 177 3 zu
erteilen. Im Gegenteil: weil er die Frage unabgeklärt findet und nicht will,
dass den Parteien daraus Schaden erwachse, dass die wirklich zuständige
Behörde sich als unzuständig erklärt und die Mitwirkung verweigert, hat er
durch ein Kreisschreiben verfügt, dass beide Behörden verpflichtet seien, an
sie eingereichte Begehren zu behandeln. Was geschehen soll, wenn die beiden
Behörden widersprechend entscheiden, d. h. wenn die eine die Zustimmung gibt,
während die andere sie verweigert, sagt der Regierungstat allerdings nicht. Es
wird dabei den interessierten Parteien überlassen sein, ob sie die wirklich
gegebene Zustimmung als genügend betrachten und das Rechtsgeschäft vollziehen
wollen.
Diese Situation ist zweifellos eine sehr unbefriedigende. Auf dem Wege der
vorliegenden Beschwerde aber kann sie nicht abgeklärt werden.
Es handelt sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um einen kantonalen
Entscheid in einer Zivilsache im Sinne des Art. 87
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
OG. Die
Vormundschaftsbehörde der Bürgergemeinde Olten macht nicht einen
zivilrechtlichen Anspruch geltend, noch bestreitet sie einen solchen; sie
weigert sich vielmehr, sich einer vom Regierungsrat als Aufsichtsbehörde
erlassenen Weisung zu unterwerfen und ein bei ihr gestelltes Gesuch materiell
zu behandeln. Ob die Vormundschaftsbehörde der Bürgergemeinde Olten dieser
Weisung zu folgen hat oder nicht, darüber kann nicht ein Entscheid des
Bundesgerichtes durch zivilrechtliche Beschwerde erwirkt werden. Es handelt
sich hier um eine administrative Angelegenheit, nicht um den Entscheid einer
Zivilrechtsfrage.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 64 II 4
Datum : 01. Januar 1937
Publiziert : 12. März 1938
Quelle : Bundesgericht
Status : 64 II 4
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Kantonale administrative Weisung zur Behandlung von Gesuchen um Zustimmung gemäss Art. 177 Abs. 3...


Gesetzesregister
OG: 86  87
ZGB: 177
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
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64-II-4
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