S. 392 / Nr. 67 Erfindungsschutz (d)

BGE 64 II 392

67. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Oktober 1938 i. S.
Gebrüder Bühler gegen Küng.


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Regeste:
Grundsätze für die Bestimmung des sachlichen Geltungsbereiches eines Patentes,
PatG Art. 5, in casu zweier Patente für Schlagmühlen.

2.- Sowohl die Frage nach der Rechtsbeständigkeit von Unteranspruch 2 des
Patentes des Beklagten, wie die Frage nach dem Vorliegen einer Verletzung des
Patentes der Kläger durch den Luftkanal bei der Konstruktion des Beklagten
können nur entschieden werden, wenn vorerst der Schutzbereich der beiden
einander gegenüberstehenden Patente abgeklärt ist.
a) Beim Patent der Kläger ist im Hauptanspruch von Luftschlitzen die Rede, die
an geeigneter Stelle des Gehäuses ausserhalb des Siebes angebracht sind,
welches den Schlägerraum nach unten abschliesst. Als Zweck dieser Luftschlitze
bezeichnet der Patentanspruch die Erzeugung von Saugströmen, durch welche die
Anhäufung des Mahlgutes zwischen Sieb und Gehäuse verhindert werden soll, um
eine Verstopfung des Siebes zu verhüten. Nach der Feststellung der
sachverständigen Vorinstanz, an die das Bundesgericht gebunden ist, haben die
Luftschlitze jedoch noch eine weitere Funktion, nämlich die der Abkühlung.
Beim Patent des Beklagten ist ein besonderer, im Einlaufstutzen angebrachter
Luftkanal vorgesehen, der oben ausserhalb des Siebes in das Gehäuse mündet und
zur Einführung eines Luftstroms dient, welcher das auf der oberen Siebfläche
austretende Mahlprodukt entfernen soll. Aber auch beim Patent des Beklagten
kommt dem Luftstrom nach der Feststellung der Vorinstanz eine Kühlfunktion

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zu; ja dies ist nach der Vorinstanz sogar der Hauptzweck der Erfindung, da die
gesamte Konstruktion der Mühle des Beklagten die Gefahr einer Anhäufung des
Mahlgutes zwischen Sieb und Gehäuse und damit die Gefahr einer Verstopfung des
Siebes zum vorneherein ausschliesst.
b) Es fragt sich nun, ob auch die Kühlwirkung, obwohl sie im Anspruch keines
der beiden Patente erwähnt wird, doch unter deren Schutzumfang, oder wie Art.
5
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 5 - 1 Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
1    Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
2    Die vom Patentbewerber genannte Person wird im Patentregister, in der Veröffentlichung des Patentgesuchs und der Patenterteilung sowie in der Patentschrift als Erfinder aufgeführt.15
3    Absatz 2 ist entsprechend anwendbar, wenn ein Dritter ein vollstreckbares Urteil vorlegt, aus welchem hervorgeht, dass nicht die vom Patentbewerber genannte Person, sondern der Dritte der Erfinder ist.
PatG sich ausdrückt, unter den sachlichen Geltungsbereich fällt. Muss diese
Frage verneint werden, so ist die Kühlfunktion weder nach dem einen noch nach
dem andern Patent geschützt, und damit fällt auch eine Patentverletzung durch
den Beklagten unter diesem Gesichtspunkt ausser Betracht. Ist die Frage
dagegen zu bejahen, so ist weiter zu prüfen, ob der Luftkanal des Beklagten
gegenüber dem Luftschlitz der Kläger nicht doch schutzfähig sei, weil er einen
technischen Fortschritt auf Grund einer schöpferischen Idee darstelle.
c) Für die Bestimmung des sachlichen Geltungsbereiches eines Patentes ist nach
Art. 5
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 5 - 1 Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
1    Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
2    Die vom Patentbewerber genannte Person wird im Patentregister, in der Veröffentlichung des Patentgesuchs und der Patenterteilung sowie in der Patentschrift als Erfinder aufgeführt.15
3    Absatz 2 ist entsprechend anwendbar, wenn ein Dritter ein vollstreckbares Urteil vorlegt, aus welchem hervorgeht, dass nicht die vom Patentbewerber genannte Person, sondern der Dritte der Erfinder ist.
PatG der vom Patentbewerber formulierte Patentanspruch massgebend. Bei
der Feststellung von dessen Inhalt und Tragweite, die auf dem Wege der
Auslegung des Wortlautes zu erfolgen hat, ist im Zweifel anzunehmen, dass der
Patentbewerber den Willen gehabt habe, den Schutz für alles dasjenige zu
beanspruchen, was an seiner Erfindung objektiv neu war und eine Bereicherung
der Technik darstellte. Dass der Erfinder selber die Tragweite seines
Erfindungsgedankens im vollen Umfange erkannt habe, ist nach der herrschenden
Lehre nicht erforderlich. Geschützt ist vielmehr auch eine Auswirkung des
Erfindungsgedankens, die der Erfinder selber nicht erkannt hat, sofern
wenigstens der Fachmann nach dem Stande der Technik zur Zeit der
Patentanmeldung diese Auswirkung aus dem Patentanspruch herauslesen konnte
(vergl. WEIDLICH und BLUM, Anm. 10 zu Art. 5
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 5 - 1 Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
1    Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
2    Die vom Patentbewerber genannte Person wird im Patentregister, in der Veröffentlichung des Patentgesuchs und der Patenterteilung sowie in der Patentschrift als Erfinder aufgeführt.15
3    Absatz 2 ist entsprechend anwendbar, wenn ein Dritter ein vollstreckbares Urteil vorlegt, aus welchem hervorgeht, dass nicht die vom Patentbewerber genannte Person, sondern der Dritte der Erfinder ist.
PatG, S. 167 ff.; im gleichen
Sinn auch die neuere Rechtsprechung und Literatur zum

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deutschen Patentrecht, im welchem allerdings dem Patentanspruch eine geringere
Bedeutung beigemessen und das entscheidende Gewicht auf den Stand der Technik
gelegt wird: KRAUSSE, Kommentar zum PatG, S. 112, lit. c; PIETZCKER, Anm. 33
zu § 4 PatG, Entscheid des Reichsgerichts in GRUR 42 S. 349 ff.).
d) Danach ist im vorliegenden Falle massgebend, ob dem Fachmann - und zwar
wird auch in diesem Zusammenhang, wie bei der Frage der Erfindungshöhe, auf
das Wissen und Können des gut ausgebildeten Fachmannes abzustellen sein -
durch die beiden zur Behandlung stehenden Patente geoffenbart wurde, dass den
Luftöffnungen auch Kühlfunktionen zukommen. Die Vorinstanz hat sich mit dieser
Frage nicht befasst. Sie erklärt lediglich, die Erkenntnis der Kühlfunktion
des zu andern Zwecken angebrachten Luftschlitzes stelle nicht eine Erfindung,
sondern eine Entdeckung dar. Damit gibt die Vorinstanz zu erkennen, dass nach
ihrer Ansicht aus diesem Grunde die Kühlfunktion nicht unter den Schutzbereich
des Patentes der Kläger falle. Allein diese Betrachtungsweise ist dann
unzutreffend, wenn dem Fachmann die Kühlwirkung durch das klägerische Patent
im oben umschriebenen Sinne geoffenbart wurde. Ob dies der Fall sei, ist eine
vom Sachverständigen zu beantwortende Frage, die vom Bundesgericht nicht
entschieden werden kann. Die Sache ist daher zur Abklärung dieses Punktes an
die Vorinstanz zurückzuweisen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 64 II 392
Datum : 01. Januar 1937
Publiziert : 04. Oktober 1938
Quelle : Bundesgericht
Status : 64 II 392
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Grundsätze für die Bestimmung des sachlichen Geltungsbereiches eines Patentes, PatG Art. 5, in casu...


Gesetzesregister
PatG: 5
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 5 - 1 Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
1    Der Patentbewerber hat dem IGE den Erfinder schriftlich zu nennen.14
2    Die vom Patentbewerber genannte Person wird im Patentregister, in der Veröffentlichung des Patentgesuchs und der Patenterteilung sowie in der Patentschrift als Erfinder aufgeführt.15
3    Absatz 2 ist entsprechend anwendbar, wenn ein Dritter ein vollstreckbares Urteil vorlegt, aus welchem hervorgeht, dass nicht die vom Patentbewerber genannte Person, sondern der Dritte der Erfinder ist.
BGE Register
64-II-392
Stichwortregister
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