S. 198 / Nr. 34 Obligationenrecht (d)

BGE 64 II 198

34. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Mai 1938 i. S. Ehrlich
und Konsorten gegen Grandhôtel und Kurhaus Seelisberg (Sonnenberg) A.-G.

Regeste:
Werkhaftung, Art. 58
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 58 - 1 Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
1    Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
2    Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich sind.
OR. Mangelhafte Anlage eines Schwimmbassins, darin
bestehend, dass ein plötzliches Abfallen des anfänglich auf eine Strecke von
20 m sich langsam senkenden Bassinbodens in keiner Weise markiert ist.
Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Mangel und dem
Ertrinken eines des Schwimmens unkundigen Benützers. Mitverschulden desselben.

1.- Die Badeanlage stellt, wie auch die Beklagte selber nicht bezweifelt, ein
Werk im Sinne von Art. 58
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 58 - 1 Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
1    Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
2    Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich sind.
OR dar. Die Beklagte als Eigentümerin haftet somit
nach den strengen Grundsätzen der Verursachungshaftung für Schäden, die auf
eine fehlerhafte Anlage oder Unterhaltung des Werkes zurückzuführen sind.
Da der Verunfallte nach der für das Bundesgericht verbindlichen Feststellung
der Vorinstanz ertrunken ist, weil er auf dem steilabfallenden Teilstück des
Bassinbodens ausglitt, so fragt sich, ob diese Gestaltung des Bassins zusammen
mit der gesamten Übrigen Anlage als fehlerhaft bezeichnet werden muss.
Diese Frage ist mit den beiden Vorinstanzen zu bejahen. Durch das unvermutete,
dem Auge nicht erkennbare Abfallen des glatten, nur ungenügende Adhäsion
bietenden Bodens wurde ein Gefahrsmoment geschaffen für alle des Schwimmens
unkundigen Benützer der Badeanlage. Mit solchen musste die Beklagte aber
rechnen, da sie die Anlage allen ihren Kurgästen ohne Unterschied zur
Verfügung stellt. Gegen die in dieser Beschaffenheit des Bodens liegende
Gefahr hätten daher irgendwelche

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Vorkehren getroffen werden müssen, durch welche die Badenden aufmerksam
gemacht worden wären. Dies hätte geschehen können durch eine feste
Abschrankung beim Beginn des Steilabfalles, durch schwimmende Boien oder
endlich durch das Anbringen von Warnungstafeln an der Wand des Bassins. Das
Fehlen jeglicher derartiger Schutzvorkehren stellt einen Mangel in der Anlage
dar. Die längs des Bassins an der Wand angebrachte Haltestange, auf welche die
Beklagte hinweist, bedeutete nur eine ungenügende Sicherheitsvorkehr.
Erfahrungsgemäss gehen die meisten Badenden in der Mitte des Bassins vorwärts.
Sie werden hiezu vor allem auch dadurch veranlasst, dass der Durchgang vom
Planschbecken zum andern Abteil sich nicht etwa auf der Seite, sondern in der
Mitte der Abgrenzung befindet.
Da das Ertrinken eines des Schwimmens unkundigen Benützers der Badeanlage
infolge der mangelhaften Ausführung derselben ein Ereignis war, das auch von
den Organen der Beklagten als möglich vorausgesehen werden konnte, so ist auch
der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Mangel und dem Unfall zu bejahen.
Die Haftbarkeit der Beklagten auf Grund von Art. 58
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 58 - 1 Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
1    Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
2    Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich sind.
OR ist daher grundsätzlich
gegeben.
2.- Die Ersatzpflicht der Beklagten wird jedoch etwas gemildert durch das dem
Verunfallten zur Last fallende eigene Verschulden. Da er die Badeanlage nicht
kannte, so wäre es für ihn ein Gebot der Vorsicht gewesen, sich in der
Reichweite der Haltestange zu halten, als er beim Weiterschreiten das stetige
Zunehmen der Tiefe feststellen musste und ihm das Wasser schon bis an den Hals
ging. Dies war nämlich schon bei einer Tiefe von 1,40 m, also bedeutend vor
dem Beginn des Steilabfalls, tatsächlich der Fall, da Ehrlich 1,71 m gross
war. Dagegen wiegt dieses Mitverschulden doch nicht derart schwer, dass die
Ersatzpflicht der Beklagten deswegen zu verneinen wäre. Es rechtfertigt sich
lediglich, eine Kürzung der Ersatzansprüche der Kläger um 20% eintreten zu
lassen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 64 II 198
Datum : 01. Januar 1937
Publiziert : 18. Mai 1938
Quelle : Bundesgericht
Status : 64 II 198
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Werkhaftung, Art. 58 OR. Mangelhafte Anlage eines Schwimmbassins, darin bestehend, dass ein...


Gesetzesregister
OR: 58
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 58 - 1 Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
1    Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.
2    Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich sind.
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64-II-198
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