S. 57 / Nr. 16 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 63 III 57

16. Entscheid vom 28. April 1937 i. S. Schweiz. Unfallversicherungsanstalt und
Konkursamt Olten-Gösgen.


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Regeste:
Bestimmt das eidgenössische Recht die sachliche Zuständigkeit kantonaler
Instanzen, so ist es auch an ihm, die Folgen der Beurteilung durch einen
unzuständigen Richter zu ordnen, und es ist nach allgemeinen
Prozessgrundsätzen davon auszugehen, dass das vom unzuständigen Richter
gefällte Urteil in Rechtskraft treten kann und dann im Kollokationsplan
berücksichtigt werden muss, solange es nicht im Rechtsmittelweg aufgehoben
worden ist.
Die Anmerkung pro memoria einer öffentlichrechtlichen Forderung im
Kollokationsplan hat nur in denjenigen Fällen Sinn, wo nicht der Gläubiger
selbst das zur Feststellung führende Verfahren in Gang zu bringen hat (Art. 63
KV).
Lorsque le droit fédéral détermine la compétence «ratione materiae» du juge
cantonal, la portée du jugement rendu par un juge incompétent est également
déterminée par le droit fédéral. Il faut, dans ce cas, appliquer le principe
général selon lequel le jugement rendu par un juge incompétent peut passer en
force et doit être pris en considération dans l'état de collocation tant qu'il
n'a pas été annulé par suite d'un recours.
La mention pour mémoire d'une créance découlant du droit public n'a pas de
raison d'être en dehors du cas où c'est le débiteur et non pas le créancier
qui doit mettre en oeuvre la procédure par laquelle ladite créance sera mise
en cause (art. 63 OF).
Se la competenza ratione materiae del giudice cantonale è disciplinata dal
diritto federale, il giudizio sull'efficacia di una sentenza prolata da un
giudice incompetente dovrà esser reso

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nel campo del diritto federale. E applicabile il principio generale
procedurale, secondo cui una sentenza prolata da un giudice incompetente è
valida e dev'esser presa in considerazione nella graduatoria se non è
impugnata in via di ricorso.
Un credito derivante da rapporti di diritto pubblico va registrato pro memoria
soltanto quando tocca al debitore, e non al creditore, promuovere l'azione in
merito all'esistenza del credito stesso (art. 63 Reg. Fall.).

A. - Im Konkurs des Baumeisters Andreas Kiefer in Olten hat die Suval eine
Forderung für hinterzogene Prämien im Betrag von Fr. 5870.15 eingegeben und
dafür Kollokation in II. Klasse verlangt. Die Konkursverwaltung lehnte am 8.
November 1935 die Kollokation ab und setzte Frist zur Kollokationsklage. Die
Suval reichte die Kollokationsklage beim Amtsgericht Olten-Gösgen ein und
erklärte gegen dessen Urteil die Appellation an das Obergericht des Kantons
Solothurn, das durch Urteil vom 19. September 1936 erkannte: «Die Beklagte ist
gehalten, die Prämienforderung der Klägerin als privilegierte Forderung II.
Klasse mit insgesamt Fr. 5595.80 anzuerkennen. Die Beklagte hat der Klägerin
die gesetzliche Kostennote ... zu bezahlen.»
B. - Auf die gegen dieses Urteil von der Konkursmasse erklärte Berufung trat
das Bundesgericht nicht ein, weil es sich bei der Prämienforderung um einen
öffentlichrechtlichen Anspruch handle, zu dessen Beurteilung übrigens kraft
eidgenössischer Vorschrift die Versicherungsgerichte berufen seien, so dass
schon die Vorinstanz auf die Klage gar nicht hätte eintreten sollen. Die
Berufungsklägerin wurde zu einer Prozessentschädigung für das
Berufungsverfahren von Fr. 50.- an die Berufungsbeklagte verurteilt.
C. - Als die Suval daraufhin Kollokation verlangte, gemäss dem kantonalen
Urteil, das infolge des Nichteintretensentscheides des Bundesgerichtes in
Rechtskraft erwachsen sei, lehnte die Konkursverwaltung dieses Begehren ab und
auf Beschwerde hin schützte die kantonale Aufsichtsbehörde die Verfügung auf
Grund der ohne

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Begründung gebliebenen Feststellung, «dass es sich bei dem Urteil des
Obergerichts um ein nichtiges Urteil handelt, das nicht vollstreckt werden
kann». Dagegen hob die Aufsichtsbehörde die Kollokationsverfügung vom 8.
November 1935 auf und wies die Konkursverwaltung an, die klägerische Forderung
im Sinne des Entscheides in BGE 48 III 228 lediglich pro memoria zu
kollozieren und damit eine neue zehntägige Frist anzusetzen, um der Suval zu
ermöglichen, ihre Prämienforderung zuständigen Ortes geltend zu machen.
D. - Gegen diesen Entscheid hat sowohl die Suval als auch die
Konkursverwaltung Rekurs eingereicht, die erstere mit dem Antrag, die
Kollokation gemäss dem Urteil des Obergerichtes zu verfügen und die
Konkursmasse zur Bezahlung der in diesem und im bundesgerichtlichen
Nichteintretensentscheide der Suval zugesprochenen Prozesskosten zu verhalten,
die letztere mit dem Antrag, die Beschwerde der Suval in vollem Umfange
abzuweisen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
1.- Die solothurnische kantonale Aufsichtsbehörde hält dafür, dass ein vom
sachlich unzuständigen Richter gefälltes Urteil ipso iure nichtig sei. So war
die (im Laufe der Zeit durch Anerkennung der Prorogation gemilderte) Regel des
gemeinen Zivilprozesses (sententia a non suo judice lata nullam obtinet
firmitatem, WETZEL, System des ordentlichen CP S. 478). Sie bewirkte, dass die
massgebende Entscheidung über die Zuständigkeit ins Vollstreckungsstadium
verschoben wurde, was der durch das Urteil zu schaffenden Rechtssicherheit
schweren Abbruch tat. Sie ist längst überall verlassen und ersetzt durch die
Ordnung, wonach das Urteil, das von einer mit Gerichtsbarkeit ausgestatteten
Behörde gefällt worden ist, ohne Rücksicht auf deren örtliche oder sachliche
Zuständigkeit Rechtskraft entfaltet, solange es nicht im Rechtsmittelwege
aufgehoben ist. Es ist schwerlich denkbar, dass es

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nach solothurnischem Prozessrecht anders sei. Aber vorliegend ist die Frage
keine solche des kantonalen Rechtes. Wenn das eidgenössische Recht die
sachliche Zuständigkeit bestimmt, so ist es auch an ihm, die Folgen der
Beurteilung durch einen unzuständigen Richter zu ordnen. Im Gebiete der
örtlichen Zuständigkeit gibt es gegen die Beurteilung durch einen
unzuständigen Richter das Rechtsmittel der zivilrechtlichen Beschwerde wegen
Verletzung eidgenössischer Gerichtsstandsbestimmungen (Art. 87 Ziff. 3 OG) mit
der Massgabe, dass die Unterlassung dieses Rechtsmittels das Urteil der
letzten kantonalen Instanz bei Bestand lässt. Hinsichtlich der sachlichen
Zuständigkeit enthält es keine Regelung, was sich damit erklärt, dass das
eidgenössische Recht nur ganz ausnahmsweise die sachliche Zuständigkeit
kantonaler Instanzen bestimmt. Aus ihrem Fehlen darf aber nicht geschlossen
werden, dass es die Regelung der Frage dem kantonalen Recht überlassen wollte.
Sie bleibt dem eidgenössischen Recht vorbehalten und ist auf dem Boden
desselben nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen zu bestimmen. Es ist aber,
wie gesagt, ein allgemeiner Prozessgrundsatz, dass das vom unzuständigen
Richter gefällte Urteil kein Nichturteil ist, sondern Rechtskraft wirkt und
von den Vollstreckungsbehörden beachtet werden muss, solange es nicht im
Rechtsmittelwege aufgehoben worden ist.
Was die der Suval zugesprochenen Prozessentschädigungen anlangt, so handelt es
sich um Massaschulden, die nicht im Kollokationsplan, sondern in der
Verteilungsliste zu berücksichtigen sein werden.
2.- Der Rekurs der Suval ist demnach hinsichtlich der Hauptforderung
gutzuheissen, womit derjenige der Konkursmasse gegenstandslos wird. Wäre der
erste unbegründet, dann müsste allerdings der zweite geschützt werden. Denn
die Anmerkung pro memoria einer öffentlich rechtlichen Forderung im
Kollokationsplan hat nur in denjenigen Fällen Sinn, WO nicht der Gläubiger
selbst das zur Feststellung seiner Forderung führende Verfahren bei der

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für die Entscheidung zuständigen Behörde in Gang zu bringen hat. Wo das wie
hier der Fall ist - die Suval hat bei dem zuständigen Versicherungsrichter
ihre Prämienforderung einzuklagen - liegt für die Konkursverwaltung nicht der
mindeste Grund vor, anders als bei zivilrechtlichen Forderungen vorzugehen, d.
h. über die Anerkennung oder Nichtanerkennung der angemeldeten Forderung im
Kollokationsplan zu entscheiden und im Falle der Nichtanerkennung dem
Ansprecher zu überlassen, binnen der für die Kollokationsklage gesetzten Frist
von 10 Tagen die Klage auf Anerkennung bei der zuständigen Behörde
einzureichen. Der in B(JE 48 III 228 publizierte Entscheid befasst sich mit
einer Steuerforderung, deren Feststellung im Einschätzungsverfahren erfolgte
und wo es dem Schuldner oblag, das für die Korrektur einer unrichtigen
Einschätzung erforderliche Verfahren einzuleiten. Das Vorgehen der
Konkursverwaltung war also durchaus korrekt, und es wäre an der Suval gewesen,
die Klage beim zuständigen Versicherungsgericht statt beim Konkursgericht
anzuheben.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Die Beschwerde der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt..... wird in dem
Sinn gutgeheissen, dass die Konkursverwaltung Adrian Kiefer..... angewiesen
wird,..... die Prämienforderung der Klägerin nebst Zinsen in der 2.
Klasse..... zu kollozieren. Hin sichtlich der..... Parteientschädigungen wird
auf die Beschwerde nicht eingetreten. Die Beschwerde der Konkursverwaltung
Adrian Kiefer wird gegenstandslos erklärt.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 63 III 57
Date : 01. Januar 1936
Published : 28. April 1937
Source : Bundesgericht
Status : 63 III 57
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Bestimmt das eidgenössische Recht die sachliche Zuständigkeit kantonaler Instanzen, so ist es auch...


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OG: 87
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48-III-228 • 63-III-57
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