S. 33 / Nr. 9 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 63 III 33

9. Entscheid vom 25. Januar 1937 i. S. Kellenberger. Konkursmasse.


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Regeste:
Gegen den Dritten (Nicht-Mietzinsschuldner), der die aus den Mieträumen
fortgeschafften Gegenstände besitzt, sei es erst seit der Fortschaffung oder
schon seit vorher, und sich der Rückverbringung widersetzt, kann nur auf
gerichtlichem Wege vorgegangen werden.
Die Aufnahme eines Retentionsverzeichnisses (ohne Beschlagswirkung gegenüber
dem Dritten) ist dennoch zulässig, vorausgesetzt dass die Anbringen des
Gläubigers den Bestand des Retentionsrechtes als möglich erscheinen lassen.
Le tiers (non débiteur du loyer) qui se trouve en possession des meubles
enlevés des locaux loués, que ce soit depuis leur enlèvement ou déjà
auparavant, et qui se refuse à les faire réintégrer ne peut être mis en cause
que par la voie de l'action judiciaire.
La prise d'un inventaire des objets soumis au droit de rétention est toutefois
admissible, si les allégations du créancier permettent de considérer comme
possible l'existence du droit de rétention. Cet inventaire n'aura cependant
pas d'effet à l'encontre du tiers.
Contro il terzo che dal momento del trasporto o già anteriormente è venuto in
possesso degli oggetti asportati dai locali

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appigionati, e che si oppone a che siano reintegrati nei locali stessi, non
può esser proceduto che per le vie giudiziarie.
Il creditare può però chiedere che l'ufficio stenda l'inventario degli oggetto
vincolati dal diritto di ritenzione, se i suoi asserti rendono verosimile
l'esistenza di siffatto diritto a suo favore. L'inventario non produce effetti
pignoratizi nei confronti del terzo.

Julius Eigenmann hat das Haus Herisauerstrasse Nr. 82 in Winkeln-St. Gallen
zufolge Kaufes erworben und die bestehenden Mietverträge mit Zinsgenuss ab 1.
Juli 1936 übernommen. Es bestanden nun über den 1. Juli hinaus einerseits eine
Anzahl Stockwerksmieten weiter, so die von Frau Kellenberger abgeschlossene
Miete über das Erdgeschoss mit Magazin, die auf Ende Juli gekündigt war.
Ferner hatte der frühere Hauseigentümer einen Mietvertrag über das ganze Haus
mit Beginn am 1. Juli abgeschlossen mit Niklaus Koller, der sich schon seit
längerer Zeit in dem im Erdgeschoss betriebenen Möbelgeschäft betätigte, das
bis zum Frühjahr 1936 auf den Namen der Frau Kellenberger im Handelsregister
eingetragen gewesen war, unter Erteilung der Prokura an Koller, und seither
ohne Eintragung einer neuen Firma weitergeführt wurde.
Als Frau Kellenberger Ende Juli auszog und die in den Geschäftsräumen
stehenden Möbel nach der Rosenbergstrasse 46 schaffen liess, wo sie ebenfalls
Geschäftsräume gemietet hatte und das Geschäft fortan auf ihren Namen betrieb,
verlangte und erwirkte Eigenmann gegenüber dem Gesamtmieter Koller die
Aufnahme einer Retentionsurkunde (in den Räumen an der Rosenbergstrasse, wohin
Koller für einige Zeit auch zog; dem Mietvertrag über diese Räume war er als
Garant beigetreten) sowie die Aufforderung zur Rückverbringung der
weggeschafften Möbel.
Eine von Koller und von Frau Kellenberger (die ihrerseits den
Zahlungspflichten als Mieterin im Hause Eigenmann nachgekommen ist) gegen
diese Massnahmen angehobene Beschwerde wurde von der ersten Beschwerdeinstanz
geschützt. Die obere kantonale Aufsichtsbehörde hat. dann aber auf Rekurs des
Gläubigers Eigenmann die

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betreibungsamtlichen Verfügungen mit Entscheid vom 10. Dezember 1936
bestätigt.
Die durch die Konkursverwaltung vertretene Masse der inzwischen in Konkurs
geratenen Frau Kellenberger zieht diesen Entscheid an das Bundesgericht
weiter, indem sie an Beschwerdebegehren festhält.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht
in Erwägung.
1.- Nachdem Frau Kellenberger im Moment der Retentionsaufnahme Besitz an den
Retentionsgegenständen hatte und, weil sie ja keinen Mietzins schuldet, als
Dritte im Sinne von Art. 284 erscheint, kann ihr der Besitz dieser Sachen nur
entzogen werden, wenn sie als nicht gutgläubige Dritte behandelt werden kann.
Nun liegen in den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz allerdings
Indizien dafür, dass sie von dem Bestande des Retentionsrechtes Wissen hatte.
Allein da sie dies bestreitet, hat man es mit einem «streitigen Falle» im
Sinne des Art. 284 letzter Satz zu tun, über den nicht die Aufsichtsbehörden,
sondern nur der Richter im beschleunigten Verfahren entscheiden kann. Das
Betreibungsamt und mit ihm die Vorinstanz haben somit zu Unrecht sich als
zuständig zur Anordnung der Rückgabe gegenüber der Rekurrentin erklärt, und in
diesem Punkte ist der Rekurs daher begründet zu erklären.
2.- Es fragt sich somit nur mehr, ob die Retentionsurkunde als solche aufrecht
zu bleiben habe. Eigenmann glaubte sich zur Retentionsnahme schon allein auf
Grund der Besitzverhältnisse berechtigt, wie sie sich seit dem 1. Juli
gestaltet haben. Mit Unrecht. Von diesem Zeitpunkt hinweg blieben die
Besitzverhältnisse bezüglich der darüber hinaus vermieteten Stockwerke
unverändert; im besondern blieb Frau Kellenberger als Mieterin des
Erdgeschosses mit dem zugehörigen Magazin im Besitze der dort befindlichen
Möbel, ungeachtet des inzwischen in Kraft getretenen Gesamtmietvertrages
Kollers, der diese

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Stockwerksmiete (freiwillig oder gezwungen) unberührt liess. Beim Ablauf
dieser Einzelmiete wurden aber die Möbel auch nicht etwa Koller als
Besitznachfolger überlassen, sondern, wie dargetan, eben weggeschafft. Unter
diesen Umständen kann nur allenfalls dann davon die Rede sein, dass Koller
diese Möbel als Mieter in das Haus des Retentionsgesuchstellers eingebracht
habe, wenn er trotz den geschilderten Besitz- und Mietverhältnissen
tatsächlich deren Eigentümer war. Dies behauptet Eigenmann freilich auch noch,
und es war daher seinem Begehren um Aufnahme der Retentionsurkunde, soweit es
sich überhaupt in den neuen Geschäftsräumen der Frau Kellenberger noch
ausführen liess, stattzugeben. Ob wirklich Koller Eigentümer sei, haben die
Vollstreckungsbehörden nicht zu untersuchen, wie es ihnen auch nicht zusteht
darüber zu befinden, ob bei der von Eigenmann behaupteten materiellen
Rechtslage vom 1. Juli hinweg ein so gestalteter Besitz Kollers vorgelegen
habe, dass er das Retentionsrecht für die Ansprüche aus dem Gesamtmietvertrag
zu begründen vermochte. Die Retentionsurkunde hält nun auch dem vorliegenden
Rekurs stand. Gegenüber der rekurrierenden Konkursmasse äussert sie ohnehin
keine Beschlagswirkungen, sondern sie bildet lediglich die Grundlage für die
gegen Koller in Gang gesetzte Betreibung auf Pfandverwertung, indem sie die
vom Gläubiger in Anspruch genommenen Pfänder verzeichnet, während gegenüber
der Rekurrentin nur auf gerichtlichem Wege vorgegangen werden kann.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird teilweise dahin begründet erklärt, dass die
Rückverbringungsverfügung des Betreibungsamtes aufgehoben wird.
Im übrigen wird der Rekurs abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 63 III 33
Date : 01. Januar 1936
Published : 25. Januar 1937
Source : Bundesgericht
Status : 63 III 33
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Gegen den Dritten (Nicht-Mietzinsschuldner), der die aus den Mieträumen fortgeschafften Gegenstände...


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